Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung der Muskulatur. Die Krankheit schreitet mit geringer Geschwindigkeit voran und geht allmählich mit einer zunehmenden Schwäche der Muskeln einher. Grundsätzlich kommt die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener relativ selten vor. Die Häufigkeit liegt bei etwa 1:17.000. Die Erkrankung tritt in erster Linie bei männlichen Patienten auf. Die Erstmanifestation der Krankheit findet in der Regel zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr statt.
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Was ist Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener?
Die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener wird in einigen Fällen mit dem synonymen Begriff Muskeldystrophie Becker bezeichnet. Der Name der Krankheit entstand zu Ehren der Person, die die Erkrankung zum ersten Mal beschrieb. Prinzipiell stellt die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener eine Erbkrankheit dar, die zur Kategorie der Muskeldystrophien gezählt wird.
Die Krankheit wird X-chromosomal vererbt. Aus diesem Grund sind die meisten Patienten männlichen Geschlechts. Bei circa 30 Prozent aller Krankheitsfälle handelt es sich allerdings um Neumutationen. Ähnlich wie bei der sogenannten Muskeldystrophie Duchenne liegt ein Gendefekt auf dem X-Chromosom vor.
Das entsprechende Gen ist für die Kodierung eines Struktureiweißes von Muskeln zuständig. Bedingt durch den Defekt wird die Bildung des Proteins beeinträchtigt. Aus diesem Grund ist das Eiweiß in seiner Funktion eingeschränkt und erfüllt seine Aufgabe nur unzureichend. Prinzipiell verläuft die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener milder als die Muskeldystrophie Duchenne.
Die Patienten erkranken meist zwischen dem Kindes- und frühen Erwachsenenalter an der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener. Dabei wird in der Regel zuerst der Beckengürtel von der Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen. Im weiteren Verlauf dehnt sich die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener oftmals auf die Muskeln des Schultergürtels aus.
Zudem wandelt sich die Muskulatur des Skeletts in Binde- und Fettgewebe um. Daher machen die Muskeln keinen atrophen Eindruck, obwohl sie bereits von der Krankheit beeinflusst wurden. Die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener verläuft von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Der überwiegende Teil der betroffenen Personen ist jedoch trotz der Krankheit in der Lage, relativ normal zu leben.
Verläuft die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener günstig, so weisen die Patienten eine durchschnittlich hohe Lebenserwartung auf. Andernfalls ist sie um bis zu 40 Jahre verringert. In einigen Fällen verursacht die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener Komplikationen. Dabei handelt es sich meist um eine sogenannte Kardiomyopathie.
Ursachen
Histologische Befunde weisen auf eine Degeneration sowie ein Absterben der Muskelzellen hin. Die Kerne der Zellen sind mittig lokalisiert, wobei der Stoff Perimysium fibrosiert. Dabei erfolgt eine Kompensation des schrumpfenden Gewebes der Muskulatur durch Binde- und Fettgewebe.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener äußert sich in verschiedenen Beschwerden. Zu Beginn der Erkrankung ist in der Regel der Beckengürtel betroffen. Dabei treten Krämpfe in den Muskeln im Anschluss an physische Aktivität auf. Auch Myalgien sind in diesem Zusammenhang möglich. Zudem leiden die Patienten unter einer Schwäche der Muskeln.
Schreitet die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener einige Jahre voran, breitet sie sich in manchen Fällen bis an den Schultergürtel aus. Da sich das Binde- und Fettgewebe stark vermehrt, macht der Wadenbereich der betroffenen Personen einen hypertrophischen Eindruck. Kontrakturen an den Gelenken zeigen sich wenn, dann hauptsächlich am Sprunggelenk.
Darüber hinaus entwickeln sich oftmals auch Beschwerden des Herzens. Am häufigsten kommt es hier zu einer sogenannten Kardiomyopathie. In der Folge treten zum Beispiel Störungen des Herzrhythmus auf. Jedoch hängt die Muskelschwäche nicht unmittelbar mit dem beeinträchtigten Myokard zusammen.
Mitunter entwickelt sich auch eine Skoliose. Dieses Symptom bildet sich jedoch in der Regel erst, nachdem die betroffene Person über einen langen Zeitraum einen Rollstuhl genutzt hat. Grundsätzlich ist die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener durch einen fortschreitenden Verlauf gekennzeichnet.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Wenn sich typische Symptome der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener mehren, ist ein Arzt zu konsultieren. Der erste Schritt besteht in der Durchführung des Patientengesprächs beziehungsweise der Anamnese. Hier beschreibt die betroffene Person dem Arzt sämtliche Beschwerden ausführlich. Besonders wichtig ist die Familienanamnese, denn die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener stellt eine Erbkrankheit dar.
Nach der Anamnese erfolgen verschiedene klinische Untersuchungen. Bei Blutanalysen zeigen sich zum Beispiel gesteigerte Werte der Kreatinkinase. Bei der Biopsie von Muskelgewebe sind charakteristische Prozesse zu beobachten. Eine genetische Analyse bringt schließlich Gewissheit über das Vorliegen der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener.
Komplikationen
Die Patienten leiden dabei an starken Krämpfen und Schmerzen in den Muskeln und können diese oft nicht mehr bewegen. Dabei kann es zu Bewegungseinschränkungen und zu weiteren Einschränkungen im Alltag kommen. Auch der Herzmuskel ist von dieser Krankheit betroffen, sodass es zu einem plötzlichen Herztod kommen kann. Die Betroffenen leiden dabei nicht selten an einer Müdigkeit oder an einer Abgeschlagenheit und weiterhin auch an Kreislaufbeschwerden. Eine Selbstheilung dieser Krankheit tritt in der Regel nicht ein.
Es ist leider nicht möglich, die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener kausal zu behandeln oder einzuschränken. Aus diesem Grund werden nur die Symptome mit Hilfe verschiedener Therapien behandelt. Dabei stellt sich ein positiver Krankheitsverlauf ein, wobei nicht alle Beschwerden vollständig eingeschränkt werden können. Eventuell ist auch die Lebenserwartung des Betroffenen durch die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Störung der Muskelkraft kann aufgrund einer Überlastung oder starken körperlichen Beanspruchung ausgelöst werden. Kommt es nach einer längeren Pause oder einem erholsamen Nachtschlaf zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden oder einer Spontanheilung, wird kein Arzt benötigt. Der Selbstheilungsmechanismus des Organismus hat die Regeneration der Beschwerden übernommen, so dass kein Handlungsbedarf besteht. Halten die Unannehmlichkeiten über eine längere Zeit an oder nehmen sie an Intensität zu, wird ein Arzt benötigt. Bei Schmerzen oder Krämpfen ist ein Arztbesuch zu empfehlen. Sinkt die gewohnte körperliche Leistungsfähigkeit oder kommt es zu einer inneren Schwäche, benötigt der Betroffene Hilfe. Bei Störungen des Herzrhythmus, Unregelmäßigkeiten des Herzschlages, einer inneren Unruhe oder einer Gereiztheit ist ein Arztbesuch anzuraten.
Ein allgemeines Krankheitsgefühl oder eine Abnahme des Wohlbefindens sollten mit einem Arzt besprochen werden. Kommt es zu Einschränkungen der Mobilität, Unregelmäßigkeiten bei den alltäglichen Bewegungsabläufen oder einer Unfähigkeit, die Gelenke beschwerdefrei zu betätigen, ist ein Arztbesuch erforderlich. Eine Unstimmigkeit in der Fortbewegung, ein plötzlicher Kräfteverlust sowie eine Beeinträchtigung der Greiffähigkeit sind Hinweise einer Erkrankung. Sie sollten schnellstmöglich einem Arzt vorgestellt werden, damit über eine frühzeitige Behandlung eine schnelle Linderung der Beschwerden erfolgen kann. Verformungen der Gelenke oder Knochen sollten unverzüglich von einem Arzt begutachtet werden.
Behandlung & Therapie
Eine Heilung der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener ist nicht möglich. Aus diesem Grund werden lediglich die Symptome der Krankheit behandelt. Bedeutsam ist hier die Physiotherapie. Wenn es zu einer Sprunggelenkskontraktur kommt, wird unter Umständen die Achillessehne im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs verlängert. Die Störungen des Herzrhythmus sind mit entsprechenden Arzneimitteln zu behandeln.
Aussicht & Prognose
Der Krankheitsverlauf der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener wird als ungünstig eingestuft. Es kommt zu einer fortschreitenden Entwicklung der Erkrankung, deren Ursache nicht behoben werden darf. Die Patienten leiden an einer genetischen Mutation, die aus rechtlichen Gründen heraus nicht behandelt werden kann. Die menschliche Genetik darf nach dem aktuellen Stand der Gesetzgebung nicht verändert werden. Daher konzentrieren sich behandelnde Ärzte auf die Linderung der vorhandenen Beschwerden sowie eine Eindämmung des Krankheitsfortschritts. Häufig werden Präventivmaßnahmen ergriffen, um einen Anstieg von gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu minimieren.
Unbehandelt ist mit einer Zunahme der Symptome zu rechnen. Die gesamte Muskulatur des Patienten ist aufgrund der Störung beeinträchtigt. Daher besteht das erhöhte Risiko, an einem Herzversagen zu sterben. Die Tätigkeit des Herzmuskels ist für die Funktionsfähigkeit des Herzens von immenser Bedeutung. Ohne eine medizinische Versorgung oder regelmäßige Kontrollen steigt die Wahrscheinlichkeit einer verringerten Lebenserwartung.
Eine ebenfalls verschlechterte Aussicht besteht bei einer akuten Entwicklung der Beschwerden sowie bei anhaltenden Störungen des Herzrhythmus. Liegen weitere Erkrankungen vor, hat dies einen erheblichen Einfluss auf die Funktionstätigkeit des Organismus. Bei vielen Patienten kommt es im Verlauf des Lebens zu operativen Eingriffen. Diese sollen vorhandene Beschwerden lindern, Störungen des Herzrhythmus beheben und damit eine Verbesserung der Lebensqualität erwirken.
Vorbeugung
Die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener stellt eine vererbte Krankheit dar, sodass keine Präventivmaßnahmen existieren.
Nachsorge
Bei der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener sind die Maßnahmen der direkten Nachsorge in der Regel stark eingeschränkt. Aus diesem Grund muss der Betroffene idealerweise früh einen Arzt aufsuchen, damit es nicht zu anderen Komplikationen und Beschwerden kommt. Je früher ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meistens der weitere Verlauf der Erkrankung.
Eine Selbstheilung kann sich bei der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener in der Regel nicht einstellen. Die Behandlung der Erkrankung kann durch die Einnahme von verschiedenen Medikamenten erfolgen, wobei die Betroffenen auf eine regelmäßige Einnahme und ebenso auf eine richtige Dosierung achten sollten, um die Beschwerden richtig und dauerhaft zu lindern.
Dabei sind in einigen Fällen auch operative Eingriffe notwendig, um die Beschwerden zu lindern. Bei einem solchen Eingriff empfiehlt es sich, den Körper von übermäßigen Anstrengungen oder von stressigen Tätigkeiten zu verschonen. Die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener verringert dabei in der Regel nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.
Das können Sie selbst tun
Da Verlauf und Symptomatik bei der Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener sehr unterschiedlich sind, müssen sowohl medizinische als auch alternative Therapiemethoden individuell auf den Patienten zugeschnitten werden. Doch selbst wenn die Schädigungen an der Funktionsweise der Muskulatur schwerwiegend sind, kann durch individuelle Maßnahmen der Selbsthilfe die Lebensqualität der Patienten verbessert werden.
Einen wichtigen Teil dazu tragen körperliche Übungen bei. Diese können unter Anleitung medizinischen Fachpersonals wie Physio- und Ergotherapeuten erlernt werden. Essentiell für einen Langzeiterfolg und eine Verbesserung durch solche Therapiemethoden ist jedoch das selbstständige kontinuierliche Training zu Hause. Nur so können der Erhalt und die Verbesserung der Beweglichkeit erreicht werden.
Doch nicht nur im physischen, auch im psychologischen und sozialen Bereich können und sollten Maßnahmen der Selbstfürsorge getroffen werden. So ist für die betroffenen Patienten das Erreichen einer selbstständigen Lebensweise oft ein wichtiges Ziel. Ein geregelter Alltag kann helfen, soziale Interaktionen gezielt zu integrieren. So kann ein intaktes Umfeld aufgebaut und erhalten bleiben. Ein solches bietet Unterstützung im Umgang mit der Krankheit und Ablenkung von Symptomen.
Ein koordiniertes Zusammenspiel von medizinischer Behandlung, individuellen körperlichen Übungen und der Pflege eines intakten sozialen Netzwerkes können somit erheblich zur Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten beitragen.
Quellen
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013