Netherton-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Netherton-Syndrom

Diese angeborene Hauterkrankung ist unter dem medizinischen Begriff Netherton-Syndrom bekannt. Die korrekte Bezeichnung lautet jedoch Comèl Netherton-Syndrom. Diese Bezeichnung geht auf die Erstbeschreiber Marcell Comèl und Weldon Netherton zurück. Umgangssprachlich wird diese Erbkrankheit auch als Bambushaar-Syndrom bezeichnet. Charakteristische Merkmale sind eine allergische Hypersensibilität, Bambushaar als Folge einer Anomalie des Haarschaftes sowie die Hautmerkmale einer typischen Schuppenflechte.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Netherton-Syndrom?

Charakteristische Symptome sind gerötete, juckende und entzündliche Hautstellen, die am ganzen Körper in Form von Hautekzemen und Neurodermitis auftreten können. Klinische Merkmale dieser Erkrankung sind knotige, stumpfe, stachelige sowie brüchige Kopfhaare.
© mayrum – stock.adobe.com

Diese erblich bedingte Hauterkrankung Netherton-Syndrom ist auch unter dem Begriff Bambushaar-Syndrom bekannt. Das Hauptmerkmal ist eine Trichorrhexis invaginata, eine Anomalie des Haarschaftes, die das Haar aussehen lässt wie Bambusrohr. Weitere charakteristische Merkmale sind atopische Symptome, die sich durch eine spezielle Form einer allergischen Hypersensibilität bemerkbar machen und verschiedene Begleiterscheinungen einschließen.

Ein weiteres klinisches Symptom des Netherton-Syndroms ist eine kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie in Form geschuppter, geröteter und juckender Haut, die bereits bei der Geburt auftritt. Begleitende Symptome sind häufig allergische Reaktionen in Form von Asthma.

Ursachen

Das Netherton-Syndrom ist eine autosomal-rezessiv vererbte Hauterkrankung, die bereits bei der Geburt auftritt. Dies bedeutet, dass beide Elternteile ein verändertes Erbgut in sich tragen, das sie an ihr Kind weitergeben. Dabei müssen sie selbst jedoch nicht betroffen sein, es reicht aus, dass sie Träger des Gendefekts sind, der demzufolge nicht in jeder Generation auftritt.

Als Ursache für diese Erberkrankung werden SPINK5-Mutationen ausgemacht, die zu einer schwer gestörten Schrankenfunktion der Haut führen. Die natürliche Schutzfunktion der Haut wird außer Kraft gesetzt. Diese Erbkrankheit tritt äußerst selten auf und wurde bisher lediglich 2.000 Mal beschrieben. Aus diesem Grund ist eine abschließende Diagnose häufig schwierig.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Charakteristische Symptome sind gerötete, juckende und entzündliche Hautstellen, die am ganzen Körper in Form von Hautekzemen und Neurodermitis auftreten können. Klinische Merkmale dieser Erkrankung sind knotige, stumpfe, stachelige sowie brüchige Kopfhaare.

Wimpern und Augenbrauen fallen häufig aus und wachsen nicht korrekt nach. Viele Säuglinge und Kleinkinder mit dem Netherton-Syndrom entwickeln allergische Begleiterscheinungen wie Asthma, Heuschnupfen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Bindehautentzündung. Die betroffenen Kinder zeigen ein verzögertes Wachstum, Kleinwuchs und Entwicklungsrückstand.

In manchen Fällen kommt ein intellektuelles Defizit hinzu. Ein weiteres klinisches Symptom ist ein gestörter Aminosäuren-Stoffwechsel mit erhöhter Harnausscheidung. Komplikationen können in Form schwerer Infektionen, Durchfall sowie einer verminderten Nährstoffausnutzung auftreten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Als abschließende Diagnose kommt ein immunhistochemischer Befund in Frage, der von verschiedenen physischen Untersuchungen begleitet wird. Mit diesem Befund werden die ursächlichen SPINK5-Mutationen sicher auf der Grundlage des LEKTI-Nachweises festgestellt. Wird das Netherton-Snydrom erst neonatal festgestellt, ist umgehendes Handeln indiziert.

Bestätigt sich der Anfangsverdacht, holt der Dermatologe Informationen zur Krankheitsgeschichte der Familie ein. Den Eltern wird eine genetische Beratung angeboten. Um das Netherton-Syndrom zweifelsfrei festzustellen, werden beide Elternteile einer DNA-Untersuchung unterzogen. Bestätigt sich der Befund bereits vor der Geburt des Kindes, führt der behandelnde Arzt eine pränatale Diagnose durch.

Blutanalysen und weitere Laborwerte können gleichfalls Aufschluss geben. Vor dem abschließenden Befund muss eine Differenzialdiagnose erstellt werden, um weitere infantile Erythrodermien und ähnlich verlaufende Dermatitis-Erkrankungen auszuschließen. Das Netherton-Syndrom begleitet die betroffenen Patienten ihr Leben lang, die Haar- und Hautveränderungen verlieren jedoch im Lauf der Zeit an Schwere.

In vielen Fällen gehen die Wachstumsstörungen und Entwicklungsverzögerungen ab dem zweiten Lebensjahr zurück. Dennoch bleiben Beschwerden zurück, die der regelmäßigen Behandlung und Pflege bedürfen. Bei Neugeborenen mit lebensbedrohlichen Komplikationen besteht eine ungünstige Prognose, die sich meistens durch eine hohe Sterblichkeitsrate bestätigt.

Komplikationen

Aufgrund des Netherton-Syndroms leiden die Patienten an verschiedenen Hautbeschwerden. Diese wirken sich in vielen Fällen sehr negativ auf die Psyche der Betroffenen aus, sodass die meisten Patienten dabei auch an Minderwertigkeitskomplexen oder an einem deutlich verringerten Selbstwertgefühl leiden. Die Haut ist dabei gerötet und kann auch von einem unangenehmen Juckreiz befallen sein.

Weiterhin sind auch die Haare des Betroffenen sehr brüchig, sodass es zu einem Haarausfall kommen kann. In der Regel leiden die meisten Patienten aufgrund des Netherton-Syndroms auch an verschiedenen Unverträglichkeiten. Auch eine Bindehautentzündung kann aufgrund des Syndroms leichter auftreten und dabei den Alltag des Betroffenen weiterhin erschweren. Das Wachstum des Kindes wird verzögert und es kommt auch zu einer geistigen Unterentwicklung.

In der Regel benötigen die Kinder dann eine spezielle Betreuung und sind in ihrem Leben auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch das Netherton-Syndrom allerdings nicht beeinflusst. Eine kausale Behandlung dieser Krankheit ist in der Regel nicht möglich. Aus diesem Grund zielt die Therapie vor allem auf die Reduktion der einzelnen Beschwerden ab. Dabei treten in der Regel keine Komplikationen auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wurde bei Familienangehörigen bereits das Netherton-Syndrom diagnostiziert, kann ein Gentest bei dem Nachwuchs erstellt werden. Dieser gibt Auskunft über das Vorhandensein der Erkrankung und ermöglicht ein frühes Eingreifen sowie die rechtzeitige Erstellung eines Behandlungsplans.

Veränderungen des Hautbildes sind ein charakteristisches Merkmal der Erkrankung. Kommt es zu einem Juckreiz, Rötungen der Haut oder entzündlichen Stellen, wird ein Arzt benötigt. Bei offenen Wunden ist Vorsicht geboten. Die Eltern des Kindes sollten auf eine sterile Wundversorgung achten, da andernfalls eine Sepsis droht. Da es sich dabei um einen potentiell lebensgefährlichen Zustand handelt, ist ein Arzt aufzusuchen, sobald es zu Veränderungen und Auffälligkeiten der Wunde kommt.

Zeigen sich verschiedene Unverträglichkeiten bei Nahrung, kommt es zu Heuschnupfen, einer laufenden Nase, geröteten Augen oder Atemproblemen, ist ein Arztbesuch notwendig. Bei einer akuten Atemnot müssen ein Rettungsdienst alarmiert und Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen werden. Andernfalls droht das vorzeitige Ableben des Betroffenen. Durchfall, eine Geräuschentwicklung bei der Verdauung oder ein allgemeines Krankheitsgefühl sind weitere Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung und daher untersuchen zu lassen. Kommt es zu einer erhöhten Harnausscheidung, sollte ein Arzt konsultiert werden.

Zeigt ein heranwachsendes Kind Entwicklungsverzögerung, sind diese mit einem Arzt zu besprechen. Bei Lerndefiziten, einem geringen körperlichen Wachstum oder Verhaltensauffälligkeiten ist die Abklärung der Beschwerden angezeigt.

Behandlung & Therapie

Ein angemessenes Verständnis der Krankheit und eine enge Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Dermatologen und den Eltern des betroffenen Kindes helfen, Beschwerden und Symptome zu reduzieren. Den Anweisungen des behandelnden Arztes ist unbedingt Folge zu leisten. Zur symptomatischen Behandlung setzen Dermatologen vorzugsweise Harnstoff zur äußerlichen Anwendung ein, um die geröteten, entzündeten und juckenden Hautstellen zu behandeln.

Harnstoff ist Bestandteil vieler medizinischer Salben zur Behandlung von Neurodermitis sowie der bekannten Wund- und Heilsalbe. Topische Immunmodulatoren wie Tacrolimus und Pimecrolimusaus haben sich in der Lokaltherapie als hilfreich erwiesen. Sie sind jedoch nicht für eine Langzeittherapie geeignet, da sie aufgrund der defekten Schutzfunktion der Haut systematisch absorbiert werden.

Langfristig werden die erkrankten Hautstellen mit Emollientien behandelt, die in kosmetischen und medizinischen Salben als Rückfetter enthalten sind. Es handelt sich um lipophile (fettlösliche) Substanzen, die die Haut weich machen. Milchsäure und Ammoniumlaktat können gleichfalls wirkungsvoll gegen die Hautbeschwerden vorgehen.

Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist die Einhaltung bestimmter Pflegemaßnahmen durch die Eltern, die die Hauptpflege bei ihrem Säugling beziehungsweise Kleinkind regelmäßig vornehmen müssen. Hierzu gehören bestimmte medizinische Pflegeprodukte wie Seifen, Shampoos und Feuchtigkeitscremes, da normale Pflegeprodukte die allergischen Hautbeschwerden verschlimmern können.

Ferner sind regelmäßig Salben und Tinkturen auf die betroffenen Hautstellen aufzutragen. Neben Harnstoff enthalten diese Arzneimittel häufig Kortison als eines der erfolgreichsten Arzneistoffe zur Behandlung entzündeter Hautstellen, Neurodermitis und weiterer Formen der Schuppenflechte.

Da sich die Symptome und Beschwerden im Laufe der Zeit zwar vermindern, jedoch nie ganz verschwinden, kann der Patient die Selbstbehandlung selbst vornehmen, wenn er alt genug ist. Bestimmte Faktoren, die diese Erkrankung verschlimmern, zum Beispiel eine Nahrungsmittelallergie, sollten umgehend ausgeschaltet werden. Ausreichend ist, die allergieauslösenden Nahrungsmittel vom Speisezettel zu streichen.


Aussicht & Prognose

Prognose und Verlauf des Netherton-Syndroms sind variabel und orientieren sich am Symptombild des ersten Krankheitsschubs. Einige Patienten leiden nur in der Kindheit an Beschwerden, bei anderen entwickeln sich im Laufe der ersten Lebensmonate chronische Hautkrankheiten wie die Ichthyosis linearis circumflexa, welche einen schweren Verlauf nehmen können. Kinder, die bereits kurz nach der Geburt an lebensbedrohlichen Komplikationen leiden, haben eine ungünstige Prognose. Viele Neugeborene versterben in den ersten Lebensmonaten an der Erkrankung.

Je frühzeitiger das Netherton-Syndrom erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Aussicht auf Heilung. Die typischen Haut- und Hautveränderungen werden im Verlauf des Lebens schwächer. Auch die Gedeihstörungen bilden sich weitgehend zurück. Wird der Verlauf mittels einer symptomatischen Behandlung positiv beeinflusst, können die Erkrankten ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen. Insofern der akute Schub des Netherton-Syndroms überwunden wird, gehen die Symptome zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr zurück. Die Kinder entwickeln sich fortan normal.

Bei einem positiven Verlauf ist die Lebenserwartung nicht eingeschränkt. Die Lebensqualität ist ebenfalls nicht merklich reduziert. Allerdings bleiben die Hautveränderungen dauerhaft bestehen und können im Jugend- und Erwachsenenalter psychische Probleme verursachen, die es zu behandeln gilt.

Vorbeugung

Da diese Erkrankung eine direkte Folge einer Genmutation ist, ist eine Vorbeugung im klassischen Sinne nicht möglich.

Nachsorge

Da es sich beim Netherton-Syndrom um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann diese in der Regel nicht vollständig geheilt werden. Betroffene sind daher auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Eine frühzeitige Diagnose wirkt sich in der Regel immer sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus.

Bei einem erneuten Kinderwunsch der Eltern sollte beim Netherton-Syndrom allerdings eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um das erneute Auftreten des Syndroms zu verhindern. Die Behandlung selbst erfolgt dabei durch die Benutzung von verschiedenen Cremes und Salben. Dabei sollte auf eine richtige Dosierung und die regelmäßige Anwendung der Cremes geachtet werden.

Bei Unklarheiten oder Nebenwirkungen ist zuerst ein Arzt zu konsultieren. Weiterhin sollten Betroffene an regelmäßigen Untersuchungen durch einen Arzt teilnehmen, um Beschwerden an der Haut schon früh zu erkennen. Die Betroffenen benötigen nicht selten eine psychologische Unterstützung, um Depressionen und andere psychische Beschwerden zu verhindern. Das Netherton-Syndrom verringert in der Regel nicht die Lebenserwartung des Betroffenen und schränkt diese nicht ein.

Das können Sie selbst tun

Wenn das Netherton-Syndrom diagnostiziert wurde, müssen die Eltern zunächst die Vorgaben des Arztes einhalten. Da die Erkrankung viele Symptome und Beschwerden hervorrufen kann, ist eine umfassende Abklärung des Krankheitsbildes essentiell für die Behandlung und etwaige Begleitmaßnahmen.

Grundsätzlich gilt bei der Behandlung des Netherton-Syndroms eine strikte Körperhygiene. Betroffene Kinder können sowohl mit medizinischen Pflegeprodukten als auch mit einer Reihe von wirksamen Naturheilmitteln aus dem Fachhandel behandelt werden. Wirksame Alternativheilmittel sind zum Beispiel Präparate mit Aloe Vera, Salbei und anderen lindernden Heilpflanzen. Das betroffene Kind muss außerdem eine Verhaltenstherapie machen, welche von den Eltern am besten durch eine ständige Kontrolle unterstützt wird.

Sollten Komplikationen wie Dehydration oder Superinfektionen auftreten, muss der Arzt eingeschaltet werden. Die Eltern sollten mit dem Mediziner über eine therapeutische Beratung sprechen, um den seelischen Druck, der mit der Erziehung eines betroffenen Kindes einhergeht, zu bewältigen. Zuletzt ist auch die Unterstützung durch Freunde und Verwandte wichtig. Eltern können selbst eine Menge tun, um ihrem Kind und sich selbst zu helfen, sollten dies aber immer zuerst mit dem Arzt besprechen.

Quellen

  • Cohen, B.A.: Pädiatrische Dermatologie – Lehrbuch und Atlas. Urban & Fischer, München 2007
  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012

Das könnte Sie auch interessieren