Nichtsprachliche Lernstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der nichtsprachlichen Lernstörung handelt es sich um ein neuropsychologisches Syndrom. Dabei leiden die betroffenen Kinder unter verschiedenen Defiziten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine nichtsprachlichen Lernstörung?

Die betroffenen Kinder sind nicht in der Lage, Körpersprache zu verstehen oder selbst zu gebrauchen. Darüber hinaus tun sie sich schwer, mündliche Anweisungen in die Tat umzusetzen und sie besitzen keinerlei räumliche Vorstellungsgabe.
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Die nichtsprachliche Lernstörung wird auch als nonverbale Lernstörung oder Nonverbal Learning Disorder (NLD) bezeichnet. Die Kinder, die unter dem Syndrom leiden, sind nicht in der Lage, Körpersprache zu deuten. In Deutschland gehört die nichtsprachliche Lernstörung eher zu den weniger bekannten Störungen.

Die betroffenen Kinder lernen schon frühzeitig lesen und sind mit einer hohen Sprachbegabung ausgestattet. Schwierigkeiten zeigen sich allerdings bei nonverbalen Interaktionen. Des Weiteren mangelt es an Koordination und Feinmotorik. Weil zudem Probleme mit dem Gleichgewichtssinn auftreten, kommt es häufig zu Stürzen und damit zu Blessuren und Verletzungen.

Ferner leidet das visuell-räumliche Wahrnehmen der Kinder unter dem neuropsychologischem Syndrom. So tun sich die Betroffenen schwer damit, Details zu erkennen und entsprechend einzuordnen. Schließlich können sie auch die Körpersprache von anderen Menschen nicht wahrnehmen.

Ursachen

Wodurch die nichtsprachliche Lernstörung verursacht wird, ließ sich bislang nicht klären. Verschiedene Mediziner vermuten, dass neurologische Schäden für das Entstehen der nonverbalen Lernstörung verantwortlich sind. Dabei sollen Zerstörungen in der Region der weißen Substanz auf der rechten Seite des Großhirns auftreten. Probleme beim Lernen, Spielen, Sport und sozialem Verhalten sind schon im Kindergarten und schließlich im Schulleben zu verzeichnen.

Auch der spätere Beruf wird durch die nonverbale Lernstörung negativ beeinträchtigt. So haben manche Patienten Probleme mit einer selbstständigen Lebensführung und es ist schwierig für sie, einen Führerschein zu erwerben oder ein Auto zu steuern. Durch die motorischen Probleme besteht wiederum das erhöhte Risiko von Unfällen.

Nicht selten führen die sozialen Auffälligkeiten der betroffenen Personen zum Rückzug von anderen Menschen sowie zu Isolation und Diskriminierung. Eine nichtsprachliche Lernstörung liegt häufig bei Autisten vor, die unter den Asperger-Syndrom leiden. Allerdings besteht Autismus keineswegs bei allen Menschen mit nonverbaler Lernstörung.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die nichtsprachliche Lernstörung geht mit verschiedenen Symptomen und Störungen einher. So sind die betroffenen Kinder nicht in der Lage, Körpersprache zu verstehen oder selbst zu gebrauchen. Darüber hinaus tun sie sich schwer, mündliche Anweisungen in die Tat umzusetzen und sie besitzen keinerlei räumliche Vorstellungsgabe. Weiterhin besteht eine sensorische Überempfindlichkeit, die sich beim Hören, Riechen, Sehen und Schmecken bemerkbar macht.

Durch den Mangel an nonverbaler Kommunikation wie Körpersprache kommt es zu Problemen bei der Anpassungsfähigkeit oder Sozialisierungsstörungen. Als typisches Symptom der nichtsprachlichen Lernstörung gelten außerdem motorische Störungen. So leiden die Betroffenen unter Gleichgewichtsproblemen, mangelnder Koordination sowie unter handschriftlichen Problemen.

Darüber hinaus weisen sie ein schlechtes visuelles Gedächtnis, Schwierigkeiten bei räumlichen Zusammenhängen und eine unzureichende räumliche Wahrnehmung auf. Ferner tun sich die Betroffenen schwer, sich auf Veränderungen einzustellen. Die nichtsprachliche Lernstörung ist aber auch mit einigen besonderen Fähigkeiten verbunden.

So lernen die betroffenen Kinder schon früh sprechen und verfügen über einen ausgeprägten Wortschatz sowie eine große Redegewandtheit. Schon frühzeitig lernen sie lesen, haben ein großes Talent für Auswendiglernen und können sich Gehörtes gut merken. Ihre Aufmerksamkeit für Details ist hoch. Diese Fähigkeiten gehen jedoch oft in den zahlreichen Defiziten, die als wichtig für das Leben gelten, unter.

Bemerkbar macht sich die nichtsprachliche Lernstörung schon im frühen Kindesalter. Zum Beispiel zeigen sich Probleme beim Spielen mit anderen Kindern sowie in der weiteren Entwicklung. Obwohl die Kinder in der Schule spezielle Begabungen und Vorlieben zeigen, lernen sie nur schwer Neues hinzu.

Aufgrund ihres Defizits, Körpersprache und Emotionen zu verstehen, üben sie nur selten sportliche Aktivitäten aus und tun sich schwer damit, Freunde zu finden. Dennoch ist ein höherer Schulabschluss durchaus möglich. Doch auch in Ausbildung und Berufsleben leiden sie immer wieder unter Problemen, wenn neues Wissen hinzugewonnen werden muss.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Um eine nichtsprachliche Lernstörung zu diagnostizieren, werden spezielle Lern- und Leistungstests vorgenommen. Zu den bewährten Untersuchungsmethoden zählt der HAWIK-Test. In dessen Rahmen lassen sich verbale und nonverbale Intelligenz unterscheiden. Die nichtsprachliche Lernstörung hat oft einen problematischen Verlauf für die Betroffenen zur Folge.

So können die meisten von ihnen nicht allein in einer Wohnung leben und sind auf Bezugspersonen angewiesen. Wegen der notwendigen spezifischen Bewegungen beim Autofahren schaffen es viele Betroffene nicht, einen Führerschein zu erwerben, weil sie die typischen Abläufe nicht verinnerlichen können. Da sich das Sozialverhalten anderer Menschen nicht interpretieren lässt, wird der Umgang mit ihnen oft gemieden.

Komplikationen

Eine nichtsprachliche Lernstörung kann unterschiedliche Folgen für die betroffenen Kinder haben. So macht sich das neuropsychologische Syndrom bereits im Kindergarten sowie in der Grundschule bemerkbar. Kinder, die unter einer nonverbalen Lernstörung leiden, tun sich schwer damit, Wissen zu erwerben.

Aber auch sportliche Aktivitäten, das Spielen und das soziale Verhalten werden durch die Störung beeinträchtigt. Später bestehen Einschränkungen bei der Ausbildung sowie beim Ausüben des Berufslebens. Nicht selten haben die Betroffenen Probleme, ein eigenständiges Leben zu führen. Außerdem haben nicht wenige Betroffene Schwierigkeiten mit dem Autofahren oder mit dem Erwerben eines Führerscheins.

Die Probleme einer nichtsprachlichen Lernstörung sind überaus unterschiedlich. Zum Beispiel treten bei den Betroffenen Probleme bei der Lösung von mathematischen Aufgaben auf, das Erlernen von Fremdsprachen bereitet ihnen hingegen keine Schwierigkeiten. Probleme beim Sport werden auf die Einschränkungen der Motorik zurückgeführt. Eine weitere Folgeerscheinung ist der große Zeitaufwand, den die Kinder zum Erledigen von Aufgaben benötigen.

Zu den gravierendsten Komplikationen der nichtsprachlichen Lernstörung zählt die soziale Isolation der Betroffenen, da sie häufig unter Diskriminierungen wegen ihres auffälligen Sozialverhaltens leiden, was wiederum den sozialen Rückzug nach sich zieht. Nicht selten drohen infolgedessen Depressionen oder Angststörungen. Aufgrund der motorischen Defizite besteht außerdem das Risiko von Stürzen oder Unfällen. Aber auch Lehrer, Erzieher oder Ausbilder fühlen sich häufig von Personen, die unter einer nonverbalen Lernstörung leiden, überfordert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eltern, die bei ihrem Kind Defizite in der Sprachentwicklung bemerken, insbesondere im Bereich der Körpersprache, sollten ärztlichen Rat einholen. Wenn begleitend dazu eine erhöhte Aufmerksamkeit für Details sowie eine frühe Leseentwicklung bemerkt werden, liegt womöglich eine nichtsprachliche Lernstörung zugrunde, die ärztlich abgeklärt werden muss. Die Erkrankung muss von einem Facharzt untersucht und spezifiziert werden, bevor eine Behandlung eingeleitet werden kann. Deshalb sollten schon erste Anzeichen einer Störung abgeklärt werden, insbesondere wenn diese das Kind in seinen sozialen Fähigkeiten einschränken.

Eltern von betroffenen Kindern sprechen am besten mit dem Hausarzt. Dieser kann bei Bedarf einen Neurologen oder Logopäden hinzuziehen und abhängig von der Ausprägung der Symptome weitere Fachärzte hinzuziehen. Die eigentliche Behandlung erfolgt ebenfalls durch verschiedene Ärzte und Psychologen. An erster Stelle steht eine Verhaltenstherapie, welche frühzeitig begonnen werden muss. Daneben benötigt das Kind womöglich auch therapeutische Unterstützung. Sollte es während der Behandlung zu Verhaltensauffälligkeiten kommen, zum Beispiel zu Wutausbrüchen oder depressiven Verstimmungen, muss der Arzt informiert werden. Womöglich ist begleitend zur Verhaltenstherapie auch eine medikamentöse Behandlung notwendig. Aufgrund der Vielfalt der Ausprägungen, die eine nichtsprachliche Lernstörung annehmen kann, muss jeder Fall für sich betrachtet werden.

Behandlung & Therapie

Die Ursachen der nichtsprachlichen Lernstörung zu behandeln, ist nicht möglich. Daher erfolgt lediglich eine Therapie der Symptome. Um Wahrnehmung und Motorik zu verbessern, kommen eine Körpertherapie oder Ergotherapie zum Einsatz. Ein Training der Sozialkompetenz ist dazu geeignet, das Sozialverhalten der Betroffenen anzuregen.

Als sinnvolle psychologische Unterstützung gilt eine Gesprächstherapie im Rahmen einer Psychotherapie, um das Selbstwertgefühl des Patienten zu fördern. Wichtig ist, dass die Behandlungsmaßnahmen bereits im Vorschulalter erfolgen.

Durch das Internet sind Menschen, die unter einer nonverbalen Lernstörung leiden, jedoch in der heutigen Zeit nicht mehr vollkommen isoliert. So können sie über soziale Netzwerke, Chats oder Foren mit anderen Menschen kommunizieren. Bei geschriebenen Gesprächen fällt das Hauptsymptom der Lernstörung, der problematische Umgang mit der Körpersprache, weg.


Aussicht & Prognose

Die Prognose einer nichtsprachlichen Lernstörung ist ungünstig. Da es bislang keine umfassende Klärung der Ursache gibt, konzentrieren sich Ärzte und Mediziner auf die Behandlung der auftretenden Symptome. Diese können individuell stark unterschiedlich sein. Trotz aller Bemühungen ist jedoch auch bei einer schwachen Erkrankung eine Genesung bei dem aktuellen medizinischen Stand nicht möglich. Je nach Ausmaß der Beschwerden können einige Symptome erfolgreich behandelt werden. Dennoch ist zumeist eine Langzeittherapie notwendig, da mit der Beendigung der Behandlungsmaßnahmen eine Wiederkehr der Beschwerden eintreten kann.

Die bestmöglichen Ergebnisse werden erzielt, wenn die Lernstörung so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt wird. Bereits in den ersten Lebensjahren sind spezielle Therapien notwendig. Innerhalb des Entwicklungsprozesses des Kindes können auf diese Weise verschiedene Optimierungen und Verbesserungen dokumentiert werden. Wird ein Behandlungsbeginn im Erwachsenenalter eingeleitet, sind im Normalfall keine nennenswerten Veränderungen oder Linderung festzustellen. Eine vergleichbare Aussicht gilt, wenn keine Behandlung stattfindet und sich die Angehörigen und Betroffenen auf Selbsthilfemaßnahmen oder alternative Heilmethoden konzentrieren.

Die Erkrankung stellt aufgrund ihrer Symptome eine starke Belastung für den Betroffenen sowie den Mitgliedern seines sozialen Umfeldes dar. Aufgrund der emotionalen Beanspruchung kommt es bei einer Vielzahl der Patienten aus diesem Grund zu psychischen Folgeerkrankungen und damit zu einer weiteren Verschlechterung der Gesamtsituation.

Vorbeugung

Präventive Maßnahmen gegen die nichtsprachliche Lernstörung stehen nicht zur Verfügung. So liegen die auslösenden Ursachen des neuropsychologischen Syndroms noch immer im Dunkeln.

Nachsorge

Das Anhalten der positiven Wirkung jedweder Therapiebemühungen hängt wesentlich davon ab, zu welchem Zeitpunkt die Diagnosestellung erfolgt. Wichtig ist eine frühe und korrekte Einordnung des Symptomspektrums. Betroffene, die bereits im Kindesalter von einer abgestimmten therapeutischen Zusammenarbeit profitierten und diese auch im Erwachsenenalter in Anspruch nehmen, gelingt nicht selten eine erfolgreiche Lebensführung.

Zu den wichtigsten unterstützenden Aspekten zählt auch eine fundierte psychotherapeutische Begleitung. Begründet ist dies durch die besonderen Risiken, die sich auf Menschen mit NLD mit hoher Wahrscheinlichkeit auswirken können. Dazu zählen unter anderem der allmähliche Rückzug aus dem sozialen Umfeld, die damit einhergehende Isolation und ebenso psychische Folgeerkrankungen.

Erwachsene, die in ihrer Kindheit keinerlei therapiespezifische Unterstützung erfahren haben, sind hierbei am stärksten betroffen. Ähnlich sieht es aus, wenn wirkungsvolle Maßnahmen über einen längeren Zeitraum vernachlässigt werden. Dabei führen nachträgliche Interventionen, verglichen mit zeitnah begonnenen Fördermaßnahmen, zu keiner signifikanten Verbesserung psycho-motorischer, räumlich-konstruktiver und anderer damit verbundener Schwierigkeiten.

Für ein besseres Verständnis des mit NLD einhergehenden Störungsbildes empfiehlt sich eine kontinuierliche Anhäufung von Wissen, sowohl durch Angehörige als auch Betroffene. Eine positive Lebensgestaltung kann hierdurch unterstützt und stets weiterentwickelt werden.

Das können Sie selbst tun

Da sich die Folgen der Krankheit bereits während der ersten Lebensjahre zeigen, ist es wichtig, diese Störung frühzeitig korrekt zu diagnostizieren und gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Störung führt sonst bereits bei Kleinkindern zur sozialen Isolation im Kindergarten oder der Vorschule. Oftmals werden die Betroffenen aus den Gruppen ausgeschlossen oder gar gemobbt. Um diesen Prozess zu verhindern oder wenigstens abzuschwächen, ist es wichtig, das pädagogische Personal über die Störung des Kindes zu informieren. Falls möglich sollte für Betroffene eine Erziehungseinrichtung gefunden werden, in der die Betreuer bereits Erfahrung mit einer nichtsprachlichen Lernstörung haben.

Darüber hinaus sollten Eltern darauf achten, dass möglichst früh ein Kinderpsychologe zugezogen wird, der entscheidet, ob und wann mit der fast immer erforderlichen Verhaltenstherapie begonnen werden soll. Zeigt das Kind, wie oft der Fall, außerdem motorische Defizite, muss zudem frühzeitig eine Physio- und Ergotherapie eingeleitet werden. Die Motorik der Patienten lässt sich so meist deutlich verbessern.

Da die Betroffenen in der Regel keine verminderte Intelligenz aufweisen, sollten Eltern außerdem möglichst früh nach einer schulischen Einrichtung suchen, die ihrem Kind trotz der nichtsprachlichen Lernstörung einen weiterführenden Bildungsabschluss erlaubt. Die verminderte Fähigkeit mit anderen zu kommunizieren muss darüber hinaus auch bei der Berufswahl berücksichtigt werden. Die Bundesagentur für Arbeit bietet Eltern und Jugendlichen hierfür eine spezielle Beratung an.

Quellen

  • Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015
  • Hellstern, G., et al: Kurzlehrbuch Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Koletzko, B.: Kinder- und Jugendmedizin. Springer Medizin Verlag, Berlin 2007

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