Nickkrankheit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei der Nickkrankheit handelt es sich um eine im Südsudan, Tansania und Norduganda endemisch auftretende neurologische Erkrankung von Kindern und Jugendlichen. Die Erkrankung ist durch ständige Nickanfälle beim Essen und einen allmählichen körperlichen und geistigen Verfall gekennzeichnet. In der Regel führt die Nickkrankheit innerhalb von wenigen Jahren zum Tod.
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Was ist die Nickkrankheit?
Die Nickkrankheit ist eine nur in Ostafrika auftretende Erkrankung. Sie wird seit Anfang der Sechziger Jahre in Tansania und Südsudan beobachtet. Dabei zeichnet sie sich durch Nickanfälle beim Essen oder bei Kälte sowie durch eine allmähliche geistige Retardierung aus. Eine befriedigende Erklärung für ihre Entstehung konnte bis heute nicht gegeben werden.
Vor allem der Neurotoxikologe Peter Spencer untersuchte die Krankheit näher. Dabei konnte er typische Symptome herausstellen. Zur Ursache können derzeit allerdings nur Vermutungen angestellt werden. Peter Spencer beschrieb die Nickkrankheit als langsam fortschreitende tödlich endende Funktionsstörung. Er vermutete eine durchschnittliche Lebensdauer der an dieser Krankheit leidenden Personen zwischen drei und vier Jahren.
Allerdings gibt es auch Fälle, wo diese Erkrankung bereits über zehn Jahren besteht. Sogar von Heilungen wird berichtet. Die Nickanfälle stehen häufig auch im Zusammenhang mit klassischen epileptischen Anfällen. Durch Hirnstromuntersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Nickanfälle von anomalen Hirnstrommustern begleitet werden, die denen bei einer Epilepsie gleichen.
Die Erkrankung kommt derzeit nur in Südsudan in Flusssiedlungen mit einer Prävalenz von 2,3 bis 6,7 Prozent vor. Bis 2008 hat sich die Erkrankung auch bis in einige Gebiete Nordugandas ausgebreitet.
Ursachen
Eine weitere Vermutung legt den Fokus auf chronische Vergiftung durch Umweltgifte, die im Rahmen des Bürgerkrieges die Gegend verseuchten. Einen starken Hinweis gibt es jedoch in Bezug auf einen Zusammenhang mit dem Fadenwurm Onchocerca volvulus. Bekannt ist bereits, dass dieser Wurm von der Kriebelmücke verbreitet wird und Verursacher der Flussblindheit ist.
Bei fast allen von der Nickkrankheit betroffenen Patienten konnte der Fadenwurm nachgewiesen werden. Merkwürdig ist allerdings auch, dass in anderen Ausbreitungsgebieten dieses Fadenwurms keine Fälle der Nickkrankheit auftreten. Daher liegt die Vermutung für weitere Ko-faktoren zur Ausbildung dieser Erkrankung nahe. Das könnten bisher nicht nachgewiesene Chemikalien sein.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Fadenwurm in dieser Gegend Träger von speziellen Mikroorganismen oder Parasiten ist, welche als wahre Auslöser der Nickkrankheit infrage kommen. Auch eine Autoimmunerkrankung als Reaktion auf eine Infektion wird für möglich gehalten.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Nickkrankheit ist, wie bereits erwähnt, eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung, deren Hauptsymptom in ständigen Nickbewegungen des Kopfes besteht. Das betroffene Kind wächst nicht mehr und die geistige Entwicklung bleibt stehen. Mit der Zeit findet sogar eine mentale Retardierung statt.
Die Nickanfälle werden ausgelöst beim Essen oder sogar schon beim Ansehen von traditionellen Speisen oder bei Kälte. Werden ungewohnte Speisen wie etwa Schokolade serviert, treten keine Nickanfälle auf. Auch nach dem Ende des Essens hören die Nickanfälle auf. Während eines Anfalls können zwischen 10 bis 20 Nickbewegungen des Kopfes auftreten. Bei sehr starken Anfällen kann es sogar zum Kollaps kommen. Das führt häufig zu weiteren Schäden.
So fallen die Kinder nicht selten hin und verletzen sich dabei erheblich. Dabei ist es bereits vorgekommen, dass Betroffene in offene Feuerstellen oder auf spitze Gegenstände gefallen sind. Im Rahmen des Anfalls werden die Kinder auch orientierungslos und verirren sich häufig. Die Prognose der Erkrankung ist sehr schlecht. Nach den bisherigen Erfahrungen ist sie nicht heilbar und schreitet sogar weiter voran.
Nach mehreren Jahren endet die Nickkrankheit in der Regel tödlich. Dabei gibt es unterschiedliche Aussagen zur Dauer der Erkrankung. Nach einigen Beobachtungen soll die Nickkrankheit im Durchschnitt innerhalb von drei bis vier Jahren zum Tode führen. Andererseits wurde auch über Personen berichtet, die bereits über zehn Jahre an dieser Erkrankung leiden. Es gibt allerdings auch Aussagen, wonach auch einige wenige Jugendliche wieder gesund geworden sein sollen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Nickkrankheit wird hauptsächlich aufgrund der typischen Symptomatik diagnostiziert. Hirnstrommessungen haben Norm abweichende Hirnstrommuster während der Nickanfälle nachgewiesen. Bei MRT-Untersuchungen kann ein starker Schwund von Hirnmasse festgestellt werden. Der Hippocampus und die Gliazellen weisen auch eine starke Schädigung auf. Bisher gibt es in den Untersuchungen jedoch noch keine Hinweise auf die wirklichen Auslöser der Erkrankung.
Komplikationen
Die Betroffenen sind während der Attacken nicht mehr Herr ihrer Gliedmaßen. Da die Erkrankung vornehmlich in afrikanischen Ländern wie Uganda vorkommt, fallen die Kinder dabei oft in offene Feuerstellen oder berühren beim Sturz scharfe Gegenstände. Außerdem verlaufen sich solche Kinder oft. Ohne jeden Schutz werden die Orientierungslosen dabei leicht zum Opfer wilder Tiere. Zudem handelt es sich bei der Nickkrankheit um eine Erkrankung, die meist tödlich endet.
Sie schreitet fort und ist eine schwere neurologische Erkrankung. Das größte Problem sind die Seltenheit und das regional eng begrenzte Gebiet, in dem die Nickkrankheit auftritt. Es gibt dort keine ärztliche Versorgung. Eine moderne Diagnostik ist ebenso rar. Doch selbst wenn diese Dinge existieren, ist die Nickkrankheit bisher nicht heilbar.
Warum es bei einer Reihe von Betroffenen zwar zu Komplikationen und geistiger Retardierung, aber nicht zum Tod kommt, ist unklar. Möglicherweise ist das ein Hinweis auf einen parasitischen oder infektösen Auslöser, der in diesen Regionen häufig vorkommt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eltern, die bei ihrem Kind Anzeichen einer geistigen Retardierung oder die typischen Nickanfälle bemerken, sollten dies umgehend von einem Arzt abklären lassen. Länger andauernde Beschwerden müssen fachärztlich untersucht und therapiert werden, um dauerhafte Schäden abzuwenden. Sollte es zu einem Kreislaufkollaps kommen, muss der Notarzt gerufen werden. Das betroffene Kind muss anschließend in einem Krankenhaus behandelt werden. Wenn die beschriebenen Krankheitszeichen während oder nach einem Aufenthalt in einem der Risikogebiete auftreten, muss umgehend ein Arzt hinzugezogen werden.
Spätestens nach Rückkehr in die Heimat sollte sich der Reisende umfassend ärztlich durchchecken und gegebenenfalls behandeln lassen. Die Nickkrankheit muss von einem Neurologen oder einem anderen Internisten behandelt werden. Da die Erkrankung meist mit Langzeitschäden einhergeht, ist auch eine therapeutische Behandlung sinnvoll. Da es sich bei der Nickkrankheit um ein progressiv foranschreitendes Leiden handelt, ist außerdem eine engmaschige ärztliche Überwachung vonnöten. Andernfalls kann es zu weiteren gesundheitlichen Problemen kommen, welche die Lebensqualität des Erkrankten zusätzlich einschränken.
Behandlung & Therapie
Da die Ursachen völlig unklar sind, gibt es bisher auch keine befriedigenden Behandlungsmethoden. Es werden sogenannte Antikonvulsiva eingesetzt. Antikonvulsiva sind Mittel gegen epileptische Anfälle. Dabei liegen jedoch noch keine Dokumentationen darüber vor, inwieweit die Erkrankung durch diese Medikamente beeinflusst wird. Auch Antimalariamittel werden eingesetzt. Auch hier sind keine Ergebnisse veröffentlicht.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Nickkrankheit ist ungünstig. Trotz aller medizinischen Fortschritte und Bemühungen endet die Erkrankung bislang innerhalb weniger Lebensjahre für den Betroffenen tödlich. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Erkrankung bislang ausschließlich in Ostafrika auftritt. Eine weitere Herausforderung ist, dass bis heute keine ausreichende Klärung der Ursache stattfinden konnte. Es gibt daher zahlreiche Fragen die nach dem aktuellen Stand unbeantwortet sind und dadurch eine adäquate medizinische Versorgung verschlechtern oder gar verhindern.
Die Patienten leiden unter motorischen Störungen sowie einer verminderten geistigen Leistungsfähigkeit. Es kommt zu unkontrollierten Krampfanfällen, die ohne eine schnellstmögliche medizinische Versorgung das sofortige Ableben des Patienten zur Folge haben. Aufgrund der vorhandenen Beschwerden ist das allgemeine Verletzungsrisiko bei den Betroffenen erhöht. Es kann zu plötzlichen Unfällen kommen, die eine lebensbedrohliche Entwicklung zeigen. Oft werden offenes Feuer oder scharfe Gegenstände zu einer gesundheitlichen Gefährdung. Die Patienten sind zumeist orientierungslos und sind in ihrer Heimat daher häufig schutzlos der Wildnis ausgeliefert. Sie können keine natürlichen Gefahren einordnen und entsprechend reagieren.
Da die Erkrankung als unheilbar gilt, sind Angehörige oftmals überfordert oder zeigen aus religiösen Gründen ein ablehnendes Verhalten gegenüber dem Patienten. Dies verschlechtert die allgemeine Situation um ein weiteres und führt zu stärkeren gesundheitlichen Bedingungen.
Vorbeugung
Zur Vorbeugung vor der Nickkrankheit kann bisher nichts gesagt werden, da die wirklichen Ursachen nicht bekannt sind. Es gibt Vermutungen, dass die schlechten hygienischen Verhältnisse den Ausbruch der Erkrankung noch fördern. Sicher spielt der Schutz vor der dem Befall mit dem Fadenwurm Onchocerca volvulus eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Nickkrankheit.
Nachsorge
Die Nickkrankheit ist eine wenig erforschte Erkrankung, die bislang nicht ursächlich behandelt werden kann. Die Nachsorge konzentriert sich in erster Linie darauf, eine auskurierte Erkrankung ärztlich zu überwachen. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen stellen sicher, dass die Medikation optimal eingestellt ist und etwaige Komplikationen zügig abgeklärt werden. Zudem werden im Rahmen der Nachsorge etwaige Zwischenfälle abgeklärt.
Eltern von betroffenen Kindern müssen den Arzt zum Beispiel über Stürze oder Verletzungen informieren. Gegebenenfalls kann die Verschreibung eines Beruhigungsmittels sinnvoll sein. Zur Nachsorge zählt auch die Behebung von möglichen Auslösern. Hierzu sollten sich die Eltern regelmäßig mit dem zuständigen Mediziner beraten.
Die Nachsorge erfolgt durch den Arzt, der die Erkrankung diagnostiziert und behandelt hat. Mitunter müssen weitere Fachärzte hinzugezogen werden, da es sich um eine extrem seltene Erkrankung handelt und die Kenntnisse eines Allgemeinmediziners zumeist nicht ausreichen. Im Rahmen der Nachsorge werden die Symptome medikamentös und durch eine Verhaltenstherapie reduziert.
Außerdem gilt es, die betroffenen Kinder über ihre Erkrankung aufzuklären. Durch eine umfassende Aufklärung wird sichergestellt, dass Kinder, die an der Nickkrankheit leiden, Anfälle frühzeitig erkennen und im Jugend- und Erwachsenenalter selbstständig die notwendigen vorbeugenden Maßnahmen ergreifen.
Das können Sie selbst tun
Die Nickkrankheit ist eine meist tödlich verlaufende Erkrankung. Die Betroffenen können die Therapie in erster Linie unterstützen, indem sie die ärztlichen Vorgaben einhalten. Vor allem eine strikte Körperhygiene sowie eine ausgewogene Diät sind wichtige Faktoren der Selbsttherapie der Nickkrankheit. Darüber hinaus sollte ein Beschwerdetagebuch angelegt werden, in welchem der Patient etwaige Begleiterscheinungen sowie durch die verordneten Medikamente auftretenden Neben- und Wechselwirkungen notiert.
Oftmals helfen auch Gespräche mit anderen Betroffenen, aber auch mit Freunden und Familienangehörigen. Insbesondere bei einem schweren Krankheitsverlauf hilft Reden beim Akzeptieren der Krankheit. Die Angehörigen können dem Betroffenen beistehen und oftmals auch durch eine Umstellung der Lebensgewohnheiten zu einer Genesung beitragen. So hilft ein hygienischer Haushalt dabei, dass sich die Infektion zumindest nicht weiter ausbreitet.
Bei einer schwerwiegenden Erkrankung sollte frühzeitig ein Platz in einer Palliativ-Station oder in einem Hospiz organisiert werden. Die Angehörigen des Betroffenen sollten hierfür mit dem zuständigen Arzt sprechen. Da die Heilungsschancen relativ schlecht sind, ist unter Umständen auch eine therapeutische Begleitung sinnvoll, welche den Betroffenen und die Angehörigen während der Krankheit unterstützt und auch bei organisatorischen Aufgaben hilft.
Quellen
- Diesfeld, H.J., Krause, G., Teichmann, D.: Praktische Tropen- und Reisemedizin. Thieme, Stuttgart 2003
- Kretschmer, H., Kusch, G., Scherbaum, H. (Hrsg.): Reisemedizin. Beratung in der ärztlichen Praxis. Urban & Fischer, München 2005
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010