Ohtahara-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Ohtahara-Syndrom ist eine äußerst selten auftretende Krankheit bei Neugeborenen. Erkrankte Säuglinge erleiden dabei epileptische Anfälle. Von der Krankheit betroffen sind beide Geschlechter.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Ohtahara-Syndrom?

Ein erstes Anzeichen für eine Erkrankung ist in der Herabsetzung der gesamten Spannung der Körpermuskulatur zu erkennen. Diese ist bereits kurz nach der Geburt feststellbar.
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Unter dem Ohtahara-Syndrom oder der frühinfantilen myoklonischen Enzephalopathie wird eine Entwicklungsstörung des Gehirns verstanden. Die betroffenen sind Neugeborene, die mit Muskelspannungsproblemen auffallen sowie unter epileptischen Anfällen leiden. Dabei erleiden die Säuglinge einen spontan auftretenden Krampfanfall.

Dieser Krampfanfall wird durch eine vorausgehende Ursache ausgelöst. Das Ohtahara-Syndrom tritt ausschließlich bei Säuglingen und innerhalb der frühkindlichen Entwicklung auf. Da bisher weltweit nur ungefähr 200 dokumentierte Fälle der frühkindlichen Hirnerkrankung mit Epilepsie bekannt sind, handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung.

Bislang wurden in den dokumentieren Fällen keine Geschlechterunterschiede im Hinblick auf die Auftretenswahrscheinlichkeit gefunden. Die Erkrankung kommt damit bei Neugeborenen Jungen und Mädchen gleichermaßen vor. Bereits kurz nach der Geburt treten bei den erkrankten Säuglingen erste Symptome auf.

Die Erstbeschreibung entstand im Jahr 1976. Der japanische Epileptologe Ohtahara ist der Namensgeber dieser sehr selten auftreten Erkrankung. Er erforschte in Zusammenarbeit mit einigen Kollegen das Ohtahara-Syndrom.

Ursachen

Die Ursache des Ohtahara-Syndroms ist eine schwere Entwicklungsstörung des Gehirns. Dabei handelt es sich speziell um eine starke Störung der Hirnfunktion. Die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler und Neurologen hat bislang jedoch keine vollständige Erklärung bieten können.

Bekannt ist, dass bei den Neugeborenen eine schwere Fehlbildung des Hirngewebes vorliegt. Die Fehlbildungen betreffen entweder das gesamte Gehirn oder nur einige Hirnteile. Dabei betreffen es bei den Erkrankten stets unterschiedliche Hirnregionen.

Bereits kurz nach der Geburt gibt es erste Anzeichen für die schweren Hirnschädigungen. Bei Erkrankten mit dem Ohtahara-Syndrom kann es zu Mutationen im Gehirn oder auch zu strukturellen Hirnfehlbildungen gekommen sein. Geschlechtsspezifisch wurde festgestellt, dass es bei männlichen Patienten zu Mutationen des X-Chromosomen kommt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein erstes Anzeichen für eine Erkrankung ist in der Herabsetzung der gesamten Spannung der Körpermuskulatur zu erkennen. Diese ist bereits kurz nach der Geburt feststellbar. Zusätzlich haben Neugeborene, die an der frühinfantilen myoklonischen Enzephalopathie leiden, bereits direkt nach der Geburt Schwierigkeiten mit der Haltung des Kopfes.

Ihnen ist es aufgrund der mangelnden Muskelspannung nicht möglich, ihren Kopf altersgerecht selbst zu halten. In den ersten Lebenswochen oder innerhalb der ersten drei Lebensmonate erleiden die Patienten epileptische Anfälle. Manchmal kommt es bereits nach der Geburt zu einem Anfall.

Anfänglich treten kurze Anfälle beziehungsweise infantile Spasmen auf, die im späteren Krankheitsverlauf stärker werden. In mehreren Körperbereichen kommt es dabei zu Muskelanspannungen, die eine Dauer von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten haben können. Die Muskelanspannungen äußern sich in Verkrampfungen, die von Kind zu Kind verschieden sind.

Darüber hinaus kann es zu rhythmischen Zuckungen der Extremitäten kommen. Betroffen können eine oder mehrere Extremitäten sein. Infolge eines kurzes Anfalles ist das Bewusstsein des erkrankten Säuglings in aller Regel intakt. Bei länger anhaltenden Anfällen kann es zu Bewusstseinsstörungen kommen.

Oft liegt nach einem Anfall eine verminderte Reaktion des Patienten vor. So kann es sein, dass die Säuglinge beispielsweise auf ein Ansprechen erst nach ungefähr einer Minute darauf reagieren.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnostizierung des Ohtahara-Syndroms erfolgt auf zwei verschiedenen medizinischen Wegen. Die Schädigung des Gehirns wird über eine Magnetresonanztherapie (MRT) in einem Klinikum festgestellt. Bei dem bildgebenden Verfahren werden die Struktur und die Funktionstätigkeit der verschiedenen Hirnregionen betrachtet.

Die Bereiche, in denen es zu den Schädigungen gekommen ist werden darüber lokalisiert. Der medizinische Nachweis der epileptischen Anfälle erfolgt über ein Elektroenzephalogramm (EEG). Dieses Gerät zeichnet die elektrische Aktivität des Gehirns auf. Mit dem EEG werden die Nervenzellen im Gehirn beobachtet und Spannungen im Gehirn können ermittelt werden.

Auch in einem anfallsfreien Zeitraum können hierüber Auffälligkeiten ermittelt werden. Der Einsatz des EEG kann bei wachen wie auch bei schlafenden Kindern stattfinden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung können weitere Epilepsie-Syndrome auftreten. Dazu zählen ab dem 4. Lebensmonat das West-Syndrom und im Alter von circa zwei bis acht Jahren das Lennox-Gastaut-Syndrom.

Komplikationen

Das Ohtahara-Syndrom besitzt in der Regel eine sehr schlechte Prognose. Eine kurative Therapie gibt es nicht. Viele Kinder sterben bereits im ersten Lebensjahr an auftretenden Komplikationen. Da die Erkrankung kaum medikamentös eingestellt werden kann, bleibt nur eine symptomatische Behandlung, um das Risiko von Komplikationen zu mindern. Die Stärke und Art der einzelnen epileptischen Anfälle variiert sowohl von Kind zu Kind als auch bei der betroffenen Person.

Während des Anfalls kann eine Vielzahl von Komplikationen auftreten, die unter Umständen auch zum Tod führen. Zu den häufigsten Komplikationen gehören Verletzungen wie Bisswunden, Platzwunden, Wirbelbrüche und vieles mehr. Tödliche Unfälle entstehen häufig in Folge von Aspiration von Essen oder Wasser sowie durch Aussetzung der Atmung inklusive Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff.

In 75 Prozent aller Krankheitsfälle entwickelt sich als Komplikation das Westsyndrom mit Blitz-, Nick- und Salaamanfällen. Diese zeichnen sich mit Zuckungen des ganzen Körpers, nickende Kopfbewegungen sowie schnelle Beugung von Kopf und Rumpf nach vorn aus. Das Westsyndrom ist nur sehr schwer behandelbar und führt in der Regel langfristig zu schweren kognitiven Einschränkungen, Verhaltensauffälligkeiten und anderen psychischen Störungen.

Ungefähr fünf Prozent der Patienten überleben die ersten fünf Lebensjahre nicht. Eine weitere Komplikation des Ohtahara-Syndroms stellt das Lennox-Gastaut-Syndrom dar. Auch diese Erkrankung ist schwer zu behandeln, führt meist zu schweren kognitiven Beeinträchtigungen und kann in fünf Prozent der Fälle in den ersten Lebensjahren tödlich enden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Ohtahara-Syndrom tritt bei Neugeborenen auf. Daher sind Erziehungsberechtigte und Betreuer des Kindes in einer besonderen Verantwortung, wenn es zu Unregelmäßigkeiten der Gesundheit des Nachwuchses kommt. Bei Unregelmäßigkeiten des Muskelapparates besteht Handlungsbedarf. Stellt sich ein Verlust der Muskelspannung ein, wird ein Arzt benötigt. Zeigt der Säugling ein ungewöhnliches Verhalten ist dieses aufmerksam zu beobachten. Setzen Krämpfe ein, kommt es zu einer Verweigerung der Nahrungsaufnahme, einer Weinerlichkeit oder einem anhaltendem Schreien, ist ein Arzt aufzusuchen.

Bei einem akut gesundheitsbedrohlichen Zustand muss sofort ein Notarzt gerufen werden. Eine Störung des Bewusstseins oder ein Bewusstseinsverlust sind alarmierende Zustände, bei denen ein sofortiges Handeln notwendig ist. Erste-Hilfe-Maßnahmen sind bis zur Ankunft des Rettungsdienstes zu leisten, damit das Überleben des Neugeborenen gesichert ist.

Atemnot, Sauerstoffmangel oder eine Blaufärbung der Haut müssen sofort von einem Notarzt versorgt werden. Es liegt eine Unterversorgung des Organismus vor, die unbehandelt mit dem Ableben enden kann. Neben anhaltenden Verkrampfungen ist eine Steifheit des Körpers besorgniserregend. Reagiert das Kind auf soziale Interaktionen nicht in einer angemessenen Form, wird eine ärztliche Abklärung benötigt. Eine verzögerte Reaktion ist ungewöhnlich und muss abgeklärt werden. Bei rhythmischen Zuckungen oder dem Erleiden von Anfällen ist unverzüglich ein Arzt zu konsultieren.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung von Säuglingen mit dem Ohtahara-Syndrom gestaltet sich sehr schwierig. Viele der erkrankten Kinder überleben die ersten Lebensmonate oder das erste Lebensjahr nicht. Bei nahezu allen bekannten Fällen von erkrankten Kindern besteht für die erlebten epileptischen Anfälle eine Resistenz gegen die eingesetzten medikamentösen Maßnahmen.

Eine ACTH-Behandlung konnte in wenigen Fällen erfolgreich angewandt werden. Bei dieser Behandlung wird das Hormon Adrenocorticotropin (ACTH) intramuskulär eingesetzt. ACTH ist ein Hormon der Hirnanhangsdrüse, das direkt in einen Muskel gespritzt wird, um eine Linderung zu erzielen. Die Verabreichung des Hormons soll die Häufigkeit der Anfälle verringern und bestenfalls verschwinden lassen.

Im weiteren Verlauf weisen die mit dem Ohtahara-Syndrom erkrankten Kinder eine Entwicklungsstörung auf. Im Einzelfall muss geprüft werden, welche Hirnregionen Fehlbildungen aufweisen. Entsprechend sind individuelle Störungen zu erwarten, auf die mit verschiedenen Maßnahmen eingegangen werden muss.

Bei allen Therapiemethoden geht es dennoch um Linderung und nicht um Heilung. Die kognitive wie auch die psychomotorische Entwicklung wird dauerhaft hinter gleichaltrigen Kindern bleiben.


Aussicht & Prognose

Die medizinischen Prognosen beim frühkindlich auftretenden Ohtahara-Syndrom sind nicht besonders gut. Klar ist, dass die äußerst seltene Erkrankung zu dauerhaften Beeinträchtigungen der Lebensqualität führt. Die frühinfantile epileptische Enzephalopathie mit "suppression-burst" ist bisher erst 200 Mal weltweit diagnostiziert worden. Damit gehört sie zu den seltenen Erkrankungen, für die es kaum Behandlungsmöglichkeiten gibt. Das verbessert die Aussichten nicht gerade.

Problematisch ist auch, dass eine relativ hohe Zahl der Neugeborenen mit Ohtahara-Syndrom im Verlauf dieser Epilepsieform meist andere Epilepsieformen entwickelt. Etwa Dreiviertel aller betroffenen Neugeborenen mit Ohtahara-Syndrom entwickeln nach wenigen Monaten ein West-Syndrom. Andere entwickeln im Lebensalter von zwei bis acht Jahren ein Lennox-Gastaut-Syndrom.

Festzustellen ist, dass solche Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt bleiben, weil Hirnschädigungen vorliegen. Insbesondere die psychomotorischen und die kognitiven Fähigkeiten sind zeitlebens deutlich geringer, als bei nicht erkrankten Kindern. Trotzdem sind die Aussichten von Kind zu Kind unterschiedlich. Entscheidend für die Prognose ist zum Beispiel der Umfang der Hirnschädigung. Auch die Art der vorliegenden Hirnschäden kann die Prognose verbessern oder verschlechtern.

Insgesamt wird die Prognose beim Ohtahara-Syndrom von den Medizinern als schlecht bis sehr schlecht beurteilt. Der Grund für diese Beurteilung liegt aber nicht in den geistigen Beeinträchtigungen. Er ist vielmehr in der hohen Sterberate der Kinder zu suchen.

Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen können bei dem Ohtahara-Syndrom nicht getroffen werden. Die Hirnschädigungen sind im Mutterleib noch nicht feststellbar. Direkt nach der Geburt werden sie aufgrund der starken Auffälligkeiten wahrgenommen und dann diagnostiziert.

Nachsorge

Betroffenen stehen beim Ohtahara-Syndrom in den meisten Fällen entweder nur sehr wenige oder sogar gar keine besonderen Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Da es sich dabei auch um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann diese in der Regel auch nicht vollständig wieder geheilt werden, sodass der Betroffene dabei immer auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung angewiesen ist. Nur so kann eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindert werden.

Sollte bei den Betroffenen ein Kinderwunsch bestehen, empfiehlt sich eine genetische Untersuchung und Beratung, damit das erneute Auftreten der Krankheit verhindert wird. Die Behandlung selbst erfolgt anhand von verschiedenen Medikamenten. Dabei sollte immer auf die regelmäßige Einnahme und auch auf eine richtige Dosierung der Arzneimittel geachtet werden.

Bei Kindern müssen die Eltern die vorgegebene Einnahme kontrollieren. Ebenso sind die Kinder auf eine intensive Förderung und Pflege in ihrem Alltag angewiesen. Mit Hilfe von liebevollen und intensiven Gesprächen können dabei auch Depressionen oder andere psychische Verstimmungen verhindert werden. Ob es durch das Ohtahara-Syndrom zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden.

Das können Sie selbst tun

Personen, die am Ohtahara-Syndrom leiden, können durch einige Maßnahmen einen relativ beschwerdefreien Alltag führen. Wichtig ist zunächst die Vorsorge für etwaige epileptische Anfälle. Umbaumaßnahmen im Haushalt sowie die Anmeldung an einer entsprechenden Schule sind nur zwei notwendige Schritte. Da die Erkrankung in verschiedenen Stadien auftreten kann und von Patient zu Patient unterschiedliche Beschwerden vorliegen können, sollten die notwendigen Schritte immer in Rücksprache mit dem Arzt gegangen werden.

Wenn der Betroffene einen epileptischen Anfall erleidet, muss man als Angehöriger oder Anwesender Erste Hilfe leisten. Der Patient sollte hingelegt und am Oberkörper ausgezogen werden. Zudem sollte er in eine sichere Umgebung gebracht werden, in der keine Verletzungsgefahr besteht. Begleitend dazu sollte der Rettungsdienst gerufen werden. Zu vermeiden sind Schütteln oder Rütteln am Betroffenen, da diese Maßnahmen bei einem epileptischen Anfall keine Besserung bringen. Kinder sollten allerdings festgehalten werden, wenn sie einen erneuten Anfall haben, damit es nicht zu einem Unfall kommt.

Der Patient muss anschließend in einer Fachklinik untersucht werden. Bei wiederholten Anfällen müssen unter Umständen weitere Veränderungen vorgenommen werden, beispielsweise ein Umzug in eine ruhigere Umgebung oder ein Schulwechsel.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Korinthenberg, R., Panteliadis, C.P., Hagel, C. (Hrsg.): Neuropädiatrie – Evidenzbasierte Therapie. Urban & Fischer, München 2014
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

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