Lennox-Gastaut-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Lennox-Gastaut-Syndrom wird ein selten auftretendes Epilepsie-Syndrom bezeichnet. Die schwer zu behandelnde Epilepsie-Form betrifft vorwiegend Kinder zwischen 2 und 6 Jahren.
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Was ist das Lennox-Gastaut-Syndrom?
Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) ist die Bezeichnung für eine schwere Epilepsie-Form. Es wird auch Lennox-Syndrom genannt und gilt als schwer behandelbar. Besonders betroffen von der Erkrankung sind Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren, die unter häufigen epileptischen Anfällen leiden.
Namensgeber des Lennox-Gastaut-Syndroms waren der amerikanische Neurologe William G. Lennox (1884-1960) sowie der französische Arzt Henri Gastaut (1915-1995). Beide Mediziner beschrieben die Erkrankung in den 50er Jahren erstmals ausführlich und befassten sich mit ihrer Erforschung. Dabei grenzten sie das Leiden gegenüber anderen Epilepsie-Formen ab.
Es besteht die Vermutung, dass von 100 Kindern, die von einer Epilepsie betroffen sind, fünf an dem Lennox-Gastaut-Syndrom erkranken. Jungen leiden häufiger unter LGS als Mädchen. Ein Teil der Kinder zeigt vor dem Ausbruch der Krankheit keinerlei Auffälligkeiten. Andere leiden hingen bereits im Vorfeld unter einer Epilepsie, die anschließend in LGS übergeht.
Ursachen
Bei rund zwei Dritteln aller betroffenen Kinder wird das Lennox-Gastaut-Syndrom von einer Schädigung des Gehirns hervorgerufen. Ebenso können andere Erkrankungen oder Störungen der Entwicklung für das LGS verantwortlich sein. Zu den häufigsten Auslösern zählen Stoffwechselerkrankungen, eine tuberöse Sklerose, eine Toxoplasmose, Meningitis (Hirnhautentzündung) oder Enzephalitis (Gehirnentzündung).
Als weitere Ursachen gelten ausgeprägte hirnorganische Störungen aufgrund eines Sauerstoffmangels im Rahmen des Geburtsvorgangs oder einer Frühgeburt sowie unterschiedliche Schädel-Hirn-Traumata. In vielen Fällen lässt sich beim Lennox-Gastaut-Syndrom überhaupt keine auslösende Grunderkrankung feststellen. In der Medizin ist dann von einem idiopathischen oder kryptogenen LGS die Rede.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
In Erscheinung tritt das Lennox-Gastaut-Syndrom in der Regel zwischen dem 2. und dem 6. Lebensjahr. Mitunter kommt es auch erst nach dem 8. Lebensjahr zum Ausbruch. Da es erhebliche Parallelen zum West-Syndrom gibt, wird eine Verwandtschaft zwischen beiden Erkrankungen vermutet.
Als typisches Symptom des Lennox-Gastaut-Syndroms gilt ein wiederholtes Auftreten von epileptischen Anfällen, die sich mehrmals am Tag zeigen. Kennzeichnend sind dabei unterschiedliche Anfallstypen, deren Vielfalt bei keinem anderen Epilepsie-Syndrom zu beobachten ist. Am häufigsten leiden die betroffenen Kinder unter tonischen Anfällen, die sich bei ihnen zumeist im Schlaf zeigen und mit Versteifungen der Muskeln einhergehen.
Bei Müdigkeit treten außerdem häufig myoklonische Anfälle auf, bei denen es zu plötzlich einsetzenden Muskelzuckungen kommt. Weitere Beschwerden des LGS sind atonische Anfälle, Grand-mal-Anfälle, fokale und tonisch-klonische Anfälle sowie atypische Absenzen. In der Regel dauern die Anfälle nur wenige Sekunden.
Manche Kinder leiden außerdem unter Apathie, Reaktionsmangel und Verwirrtheit. Ein weiteres Problem stellen Stürze aufgrund der epileptischen Anfälle dar, die wiederum zu Verletzungen führen können. Aus diesem Grund wird den betroffenen Kindern das Aufsetzen eines Sturzhelms empfohlen. Eine weitere Begleiterscheinung des Lennox-Gastaut-Syndroms sind kognitive Behinderungen, Verhaltensauffälligkeiten sowie Verzögerungen in der Gesamtentwicklung des Körpers.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Lennox-Gastaut-Syndroms gilt als schwierig. So weisen die Beschwerden oft Ähnlichkeiten zu anderen Erkrankungen auf. Darüber hinaus liegt keine einheitliche Ursache des Syndroms vor. Um das LGS gegenüber anderen Epilepsie-Syndromen abgrenzen zu können, klärt der untersuchende Arzt das Alter des Kindes beim ersten Erscheinen der Beschwerden ab.
Außerdem beschäftigt er sich mit dem Krankheitsbild, der Häufigkeit und Unterschiedlichkeit der epileptischen Anfälle sowie möglichen Verzögerungen in der physischen und psychischen Entwicklung. Als wichtige Diagnosemethode gilt ein Schlaf-EEG. So zeigen sich die typischen tonischen Anfälle zumeist im Schlaf.
Von Bedeutung ist ferner eine Differentialdiagnose zum sogenannten Pseudo-Lennox-Syndrom, bei dem die tonischen Anfälle ausbleiben. Um hirnorganische Auslöser herauszufinden, lässt sich eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns durchführen. Erscheinen die Bewegungsmuster der epileptischen Anfälle vorwiegend auf einer bestimmten Gehirnseite, deutet dies auf ihre Schädigung hin.
Weil sich das Lennox-Gastaut-Syndrom nur schwer behandeln lässt, kommt es selten zu einem positiven Verlauf der Krankheit. So endet das LGS in circa fünf Prozent aller Fälle tödlich. Häufig treten auch neurologische Defizite auf, die Verzögerungen bei der geistigen Entwicklung des Kindes mit sich bringen.
Komplikationen
Die Patienten leiden dabei auch an einer stark ausgeprägten Müdigkeit und nicht selten auch an Muskelzuckungen. Ebenso kommt es zu einer Versiertheit, sodass die Betroffenen an Störungen der Koordination und der Konzentration enden können. Die Entwicklung der Kinder ist dadurch auch nicht selten stark eingeschränkt und verzögert. In den meisten Fällen kommt es durch das Lennox-Gastaut-Syndrom auch zu Verhaltensauffälligkeiten und zu anderen Behinderungen des Patienten.
Auch motorische und kognitive Fähigkeiten sind durch das Lennox-Gastaut-Syndrom nicht selten gestört. Im Kindesalter können die Betroffenen dadurch auch an Hänseleien oder an Mobbing leiden. Die Behandlung des Lennox-Gastaut-Syndroms erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Dabei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen auf. Allerdings kommt es in den meisten Fällen nicht zu einem vollständig positiven Krankheitsverlauf.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn das Kind plötzlich an Krämpfen oder anhaltender Müdigkeit leidet, deutet dies auf eine ernste Erkrankung hin, die abgeklärt werden muss. Eltern von betroffenen Kindern sollten die Beschwerden mit dem Kinderarzt besprechen. Bei anhaltenden Symptomen muss das Kind untersucht und gegebenenfalls medikamentös behandelt werden. Falls Verhaltensauffälligkeiten oder Anzeichen einer kognitiven Behinderung hinzukommen, wird am besten ebenfalls der Arzt hinzugezogen, damit rasch eine Diagnose gestellt werden kann. Wenn das Lennox-Gastaut-Syndrom vorliegt, muss das Kind engmaschig überwacht werden.
Bei fehlender oder unzureichender Behandlung kann es infolge der epileptischen Anfälle zu Stürzen und anderen Komplikationen kommen. Zudem wirkt sich das Leiden oft negativ auf die psychische Verfassung des Kindes aus. Eine therapeutische Behandlung senkt das Risiko für ernste seelische Erkrankungen. Die medikamentöse Behandlung wird durch physiotherapeutische Maßnahmen unterstützt. In schweren Fällen muss ein operativer Eingriff durchgeführt werden, um größere Beschwerden zu vermeiden. Da das Lennox-Gastaut-Syndrom ganz unterschiedlich verlaufen kann, ist eine ärztliche Abklärung immer notwendig.
Behandlung & Therapie
Verglichen mit anderen Epilepsie-Formen lässt sich das Lennox-Gastaut-Syndrom nur schwer therapieren. Allerdings gilt die Behandlung immer noch als leichter als beim West-Syndrom. Der Behandlungserfolg ist jedoch selbst bei einer frühen Diagnose nicht zu garantieren.
Die meisten Erkrankten erhalten Medikamente, um die Anfälle zu bekämpfen. Dabei gelangen Wirkstoffe wie Valproat, Felbamat, Benzodiazepine, Topiramat, Levetiracetam und Lamotrigin zum Einsatz. Ein Problem ist allerdings, dass auch die Arzneimittel nicht immer Anfallsfreiheit gewährleisten können.
Bei therapieresistenten Epilepsien wird das Durchführen einer ketogenen Diät als sinnvoll eingestuft. So führte die proteinbilanzierte und kohlenhydratlimitierte Ernährungsweise in einem von drei Krankheitsfällen zur Besserung der Beschwerden.
Ist eine behandelbare hirnrorganische Läsion für das Lennox-Gastaut-Syndrom verantwortlich, besteht die Option eines operativen Eingriffs im Rahmen der Epilepsiechirurgie. So lassen sich mit der chirurgischen Beseitigung der Schädigung die Anfälle beheben.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Lennox-Gastaut-Syndrom ist ungünstig. Es liegt eine Schädigung des Gehirns vor, die irreparabel ist. Dadurch ist die Lebensqualität des Patienten erheblich beeinträchtigt. Ohne eine medizinische Versorgung kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen. Die epileptischen Anfälle müssen ärztlich überwacht und kontrolliert werden, damit das Risiko für Komplikationen vermindert wird. In einer Behandlung wird durch die Gabe von Arzneien versucht, das Auftreten der Krampfanfälle zu minimieren. Werden die gegebenen Wirkstoffe vom Organismus gut aufgenommen und verarbeitet, kann insgesamt ein günstiger Krankheitsverlauf erreicht werden.
Dennoch sind die Medikamente mit Nebenwirkungen behaftet. Zudem kann über die Lebensspanne jederzeit erneut ein Krampfanfall auftreten. Eine Beschwerdefreiheit wird nicht garantiert. Bei einigen Patienten kann ein operativer Eingriff durchgeführt werden. Auch eine Operation ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Dennoch ist diese Behandlungsmaßnahme für einige Betroffene eine gute Möglichkeit, für eine langfristige Linderung der Beschwerden.
In einem chirurgischen Eingriff werden die beschädigten Bereiche des Gehirns entfernt. Treten keine weiteren Komplikationen auf, erlebt der Betroffene eine deutliche Verbesserung seines allgemeinen Gesundheitszustandes. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich um einen höchst komplexen Eingriff in das menschliche Gehirn handelt. Werden umliegende Regionen dabei beschädigt, kann es zu starken irreversiblen Funktionsstörungen im Organismus kommen.
Vorbeugung
Vorbeugende Maßnahmen gegen das Lennox-Gastaut-Syndrom sind nicht bekannt. So liegt keine einheitliche Ursache für das Auftreten der epileptischen Anfälle vor.
Nachsorge
Da das Lennox-Gastaut-Syndrom unheilbar ist, ist eine regelmäßige und umfassende Nachsorge erforderlich. Betroffene leiden meist an einer Reihe von Komplikationen und Beschwerden, die dabei im schlimmsten Fall zum Tod des Betroffenen führen können. Die Krankheit sollte daher schon sehr früh erkannt und behandelt werden, damit es nicht zu weiteren Beschwerden oder Komplikationen kommt.
Betroffene sollten regelmäßig einen Arzt aufsuchen, um die Einstellung der Medikamente sowie mögliche Nebenwirkungen zu überprüfen. Auch eine psychologische Betreuung der Angehörigen kann empfehlenswert sein. Zusätzlich sollten die Angehörigen geschult werden, um im Fall eines epileptischen Anfalls diesen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Im Fall eines Krampfes sollte sofort der Notarzt gerufen werden, da dieser lebensgefährlich sein kann.
Das können Sie selbst tun
Das Lennox-Gastaut-Syndrom geht mit epileptischen Anfällen einher und zeigt sich oft schon bei Kleinkindern, sodass die Sorgeberechtigten die größte Verantwortung hinsichtlich einer angemessenen medizinischen Versorgung und Betreuung der Patienten tragen. Zunächst begleiten die Eltern das erkrankte Kind regelmäßig zu ärztlichen Untersuchungen. Zudem erlernen die Sorgeberechtigten Erste-Hilfe-Maßnahmen und den richtigen Umgang mit den Kindern bei epileptischen Anfällen.
Da diese in sehr starker Ausprägung vorkommen, sind Kleinkinder einer erhöhten Unfallgefahr ausgesetzt. Deshalb empfiehlt sich für die Patienten das Tragen eines Helmes, um den Kopf vor schweren Verletzungen zu schützen. In schweren Fällen statten die Eltern das Kind auch mit Gelenkschützern aus, etwa an den Knien oder Händen.
Die epileptischen Anfälle schränken das Wohlbefinden der Erkrankten deutlich ein. Außerdem leiden die Kinder auch an einer beeinträchtigten kognitiven Entwicklung, sodass der Besuch spezieller Betreuungseinrichtungen oftmals unabdingbar ist. Später besuchen die Patienten üblicherweise eine Sonderschule, um sie entsprechend ihrer individuellen Auffassungsgabe zu fördern. Zudem wirken sich die sozialen Kontakte zu anderen Kindern nicht selten förderlich auf die Lebensqualität der Patienten aus. Da die Eltern einer enormen Belastung durch das erkrankte Kind und dessen epileptische Anfälle ausgesetzt sind, entwickeln sie oft Depressionen, die stets therapiebedürftig sind.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013