Pendred-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Pendred-Syndrom handelt es sich um eine Krankheit, die von Geburt an besteht. Die Erkrankung ist dadurch gekennzeichnet, dass die betroffenen Patienten unter einer Schwerhörigkeit leiden. Darüber hinaus zeigen sich im Rahmen des Pendred-Syndroms Struma.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Pendred-Syndrom?

Das Hauptsymptom ist eine Schwerhörigkeit, die in der Regel an beiden Ohren vorliegt. Im überwiegenden Teil der Fälle zeigt sich die Hörstörung schon bei neugeborenen Säuglingen.
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Das Pendred-Syndrom wird üblicherweise vererbt, sodass die betroffenen Personen bereits seit der Geburt an der Krankheit leiden. In erster Linie handelt es sich um eine Störung des Hörvermögens. Dabei stellt das Pendred-Syndrom die häufigste syndromale Erkrankung im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen des Gehörs dar. Zudem macht das Pendred-Syndrom circa fünf Prozent aller Schwerhörigkeiten aus, die vererbt werden.

Das Pendred-Syndrom tritt mit einer regional variierenden Häufigkeit auf. So ist die Krankheit beispielsweise in Großbritannien wesentlich häufiger als in den skandinavischen Ländern. In Deutschland ist die Häufigkeit ebenfalls relativ gering. Zwischen vier und zehn Prozent der kindlichen Patienten, die von Geburt an gehörlos sind, sind am Pendred-Syndrom erkrankt. Die Krankheit wurde zum ersten Mal durch Pendred beschrieben und erhielt in Anlehnung an ihn ihren Namen.

Grundsätzlich zeichnet sich das Pendred-Syndrom durch ein Fehlen der sogenannten Thyreoperoxidase aus. Dabei handelt es sich um ein bestimmtes Enzym, dass eine wichtige Rolle für den Stoffwechsel von Jod in der Schilddrüse spielt. Außerdem zeigt sich eine genetische Verbindung zwischen der Erkrankung und dem sogenannten Pendrin-Gen. Dieses liegt auf dem siebten Chromosom und stellt ein Protein dar, das für den Transport von Jod verantwortlich ist.

Ursachen

Der Grund für die Entstehung des Pendred-Syndroms liegt in einer genetischen Störung. Im konkreten Fall handelt es sich um eine Mutation auf einem Gen. Das entsprechende Gen übernimmt die Kodierung für ein transportierendes Protein namens Pendrin. Das Protein fungiert als Vermittler zwischen speziellen anionischen Substanzen im Innenohr, der Schilddrüse sowie den Nieren.

Bedingt durch die genetische Störung ist der Jodtransport in die Follikel der Schilddrüse beeinträchtigt. In der Folge davon läuft die Bildung von Hormonen der Schilddrüse gestört ab. Grundsätzlich wird das Pendred-Syndrom auf autosomal-rezessivem Weg an mögliche Nachkommen vererbt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Pendred-Syndrom äußert sich in diversen Beschwerden bei den erkrankten Patienten. Das Hauptsymptom ist eine Schwerhörigkeit, die in der Regel an beiden Ohren vorliegt. Im überwiegenden Teil der Fälle zeigt sich die Hörstörung schon bei neugeborenen Säuglingen. Bei einem Teil der betroffenen Personen kommt es außerdem zu Störungen der Schilddrüsenfunktion.

Dabei entwickeln sich unter Umständen Struma, wobei bei den Patienten eine Hypothyreose nachweisbar ist. Mit weitaus geringerer Häufigkeit gesellen sich Missbildungen des Innenohrs zu den Beschwerden des Pendred-Syndroms dazu. Dabei zeigt sich zum Beispiel eine Erweiterung eines speziellen Aquädukts.

Die Schwerhörigkeit äußert sich in den meisten Fällen in Form einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, die in der Regel stark ausgeprägt ist. Außerdem geht die Erkrankung mit einer verkleinerten Hörschnecke einher. Da Jod in der Schilddrüse nicht richtig verarbeitet wird, entwickelt sich in zahlreichen Fällen eine Schilddrüsenunterfunktion (medizinischer Fachbegriff Hypothyreose). Bei jungen Patienten arbeitet die Schilddrüse meist noch weitgehend normal.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei Beschwerden oder Krankheitsanzeichen, die denen des Pendred-Syndroms ähneln, ist so schnell wie möglich ein geeigneter Arzt aufzusuchen. Oftmals zeigen sich die ersten Anzeichen schon bei jungen Kindern, sodass in der Regel der Kinderarzt aufgesucht wird. Nach Bedarf überweist er den betroffenen Patienten an weitere Spezialisten, zum Beispiel an einen Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder einen Endokrinologen.

Zu Beginn der Diagnosestellung findet eine Anamnese statt, die der behandelnde Arzt mit der erkrankten Person sowie eventuell den Sorgeberechtigten durchführt. Dabei stehen die jeweiligen Beschwerden im Vordergrund. Besondere Aufmerksamkeit erhält auch die Familienanamnese, denn das Pendred-Syndrom wird vererbt und weist aus diesem Grund eine familiäre Häufung auf.

Darüber hinaus wird der Patient klinisch untersucht, um Hinweise in Bezug auf die bestehende Krankheit zu erlangen. Das Pendred-Syndrom lässt sich zum Beispiel relativ sicher mit der sogenannten Perchlorat-Depletions-Prüfung diagnostizieren. Im Rahmen dieses Tests wird radioaktives Jod verwendet, um die Verarbeitung von Job in der Schilddrüse zu überprüfen.

In Bezug auf die Differentialdiagnose spielen vor allem Schilddrüsenunterfunktionen, die nicht angeboren sind, eine entscheidende Rolle. Außerdem überprüft der Arzt, ob eventuell das Newell-Diddle-Syndrom oder das Refetoff-de-Wind-de-Groot-Syndrom vorliegen. Zudem wird in der Regel eine CT- oder eine MRT-Untersuchung des Gehörgangs durchgeführt. Denn auf diese Weise sind potenzielle Missbildungen des Innenohrs erkennbar.

Im Rahmen von Blutanalysen werden die Schilddrüsenhormone ermittelt und deren Konzentration interpretiert. Ein erhöhter TSH-Wert weist auf das Vorliegen einer Hypothyreose hin. In der heutigen Zeit kommen zunehmend auch genetische Analysen zum Einsatz, die die Diagnose des Pendred-Syndroms in der Regel sichern.

Komplikationen

Aufgrund des Pendred-Syndroms leiden die Patienten in erster Linie an einer Schwerhörigkeit. Es kommt in der Regel zu keinen anderen gefährlichen Beschwerden oder Komplikationen, sodass auch die Lebenserwartung des Patienten in der Regel durch das Pendred-Syndrom nicht beeinflusst oder eingeschränkt wird. Weiterhin kommt es in einigen Fällen auch zu Beschwerden an der Schilddrüse, sodass diese eine Unterfunktion oder eine Überfunktion aufzeigen kann.

Dadurch kann es zu verschiedenen anderen Beschwerden kommen, sodass die Schilddrüse auf jeden Fall behandelt werden muss. An den Ohren kann es in einigen Fällen auch zu Missbildungen kommen, sodass auch die Ästhetik der Patienten durch diese Krankheit eingeschränkt sein kann. Die geistige Entwicklung des Kindes wird durch das Syndrom in der Regel nicht beeinflusst, sodass es auch im Erwachsenenalter in der Regel zu keinen besonderen Beschwerden kommt.

Eine kausale Behandlung des Pendred-Syndroms ist nicht möglich, sodass die Schwerhörigkeit das gesamte Leben lang bestehen bleibt. Weiterhin müssen die Fehlfunktionen der Schilddrüse behandelt werden. Auch dabei treten allerdings keine besonderen Komplikationen auf. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch das Pendred-Syndrom nicht negativ beeinflusst.


Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Pendred-Syndrom ist in jedem Falle ein Besuch bei einem Arzt notwendig, da es bei dieser Erkrankung sonst nicht zu einer Besserung kommt. Da die Krankheit in der Regel schon von Geburt an auftritt, wird sie direkt nach dieser diagnostiziert.

Ein Arzt ist beim Pendred-Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffenen an Hörbeschwerden leidet. Diese können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und sich stark negativ auf den Alltag des Patienten auswirken und diesen einschränken. Weiterhin können verschiedene Missbildungen im Innenohr zu Ohrenschmerzen führen. Sollten diese Beschwerden eintreten, so muss das Pendred-Syndrom auf jeden Fall durch einen Arzt untersucht werden. Ebenfalls können Beschwerden der Schilddrüse auf das Pendred-Syndrom hindeuten, sodass die Schilddrüse beim Auftreten dieses Syndroms ebenso regelmäßig untersucht werden sollte.

Das Pendred-Syndrom wird von einem HNO-Arzt untersucht und behandelt. Bei der Untersuchung der Schilddrüse ist in der Regel ein Blutbild notwendig, welches vom Hausarzt untersucht werden kann.

Behandlung & Therapie

Das Pendred-Syndrom stellt eine angeborene Erkrankung dar, sodass die Krankheit lediglich symptomatisch behandelt wird. Denn eine vollständige Beseitigung der genetischen Ursachen ist nicht möglich. Die erkrankten Patienten erhalten in der Regel eine ausgiebige Förderung im Hinblick auf die Entwicklung ihrer sprachlichen Fähigkeiten. Auch das Gehör wird besonders geschult. So wird zahlreichen Patienten zum Beispiel eine Logotherapie verordnet.

Aussicht & Prognose

Die Prognose beim Vorliegen des Pendred-Syndroms ist nicht einheitlich. Die Auswirkungen der autosomal-vererbbaren Kropf-Schwerhörigkeit können unterschiedlich schwer ausfallen. In manchen Fällen genügen Standard-Hörgeräte, in anderen muss ein Cochlea-Implantat für Hörverbesserungen sorgen.

Es droht bei den Betroffenen ein fortschreitender Hörverlust, sofern es zu schweren Anomalien im Innenohr gekommen ist. Neben der Implantierung eines Cochlea-Implantats kann bei fortschreitendem Hörverlust nichts mehr getan werden. Maßnahmen, die den Hörgeschädigten helfen, mit dem Leben besser zurechtzukommen, sind hilfreich. Die mit dem Pendred-Syndrom einhergehenden Schilddrüsenstörungen, und die sich oft daraus entwickelnde Hypothyreose können medikamentös behandelt werden.

Besser ist die Prognose, wenn die vom Pendred-Syndrom betroffenen Menschen nur von leichter mit mittlerer Schwerhörigkeit betroffen sind. Auch die Ausbildung eines Kropfs geschieht nicht in jedem Fall mit gravierenden Folgen. In vielen Fällen kommt es erst im Jugendalter oder später zur Kropfbildung. Eine Hypothyreose bildet sich nur dann aus, wenn die Nahrung zu wenig Jod enthält.

Gegen einige der möglichen Folgeerscheinungen des Pendred-Syndroms kann also bereits frühzeitig etwas unternommen werden. Das verbessert die Prognose, sodass in den meisten Fällen trotz aller Behinderungen ein normales Lebensalter erreicht werden kann. Je früher die Betroffenen an Hörhilfen oder die Gebärdensprache herangeführt werden, desto besser sind sie auf die möglicherweise eintretende Taubheit vorbereitet.

Vorbeugung

Das Pendred-Syndrom ist erblich bedingt, sodass nach jetzigem Kenntnisstand keine Möglichkeiten zur Prävention der Störung erprobt sind.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen beim Pendred-Syndrom in der Regel keine besonderen oder direkten Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollte bei dieser Krankheit schon idealerweise sehr früh ein Arzt aufgesucht werden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden kommen kann. Eine Selbstheilung kann dabei nicht eintreten, da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt.

Der Betroffene sollte daher bei einem Kinderwunsch ebenso einen Arzt kontaktieren, damit das Syndrom nicht weiter an die Kinder vererbt wird. Schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen der Krankheit sollte dabei ein Arzt konsultiert werden. Die betroffenen Kinder benötigen in ihrem Alltag dabei die intensive Unterstützung und Pflege durch die eigene Familie.

Dabei sind auch liebevolle Gespräche mit der eigenen Familie und mit Angehörigen oder Freunden sehr wichtig, um Depressionen und andere psychische Verstimmungen zu verhindern. Das Kind sollte frühzeitig mit einem Hörgerät vertraut werden und die Zeichensprache erlernen, damit es im Alltag zu keinen besonderen Komplikationen kommt. Beim Pendred-Syndrom sind auch regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig, wobei das Syndrom in der Regel nicht die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Das können Sie selbst tun

Menschen mit Pendred-Syndrom sollten regelmäßig den Ohrenarzt oder Audiologen aufsuchen. Ein HNO-Arzt muss den Verlauf kontrollieren und prüfen, ob Veränderungen der Hörfähigkeit auftreten. Betroffene mit leichten Beschwerden können den Hörverlust durch ein Hörgerät kompensieren.

Ein starker Hörverlust muss operativ behandelt werden, indem ein Implantat eingesetzt wird. Die Patienten sollten sich beim Arzt über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten informieren und die notwendigen Vorkehrungen treffen.

Nach einem operativen Eingriff am Ohr muss das Ohr vor Zugluft und Feuchtigkeit geschützt werden. Es empfiehlt sich, in den ersten Tagen eine Badekappe zu tragen. Bei ungewöhnlichen Beschwerden muss der Arzt konsultiert werden. Begleitend auftretende Schilddrüsenprobleme sind ärztlich zu behandeln. Die Erkrankten können die Therapie durch eine angepasste Ernährung und sportliche Betätigung unterstützen. Zudem muss abgeklärt werden, ob bestimmte Medikamente wie Cortison oder Betablocker die Beschwerden verstärken. Diese Präparate müssen abgesetzt werden.

Werden diese Maßnahmen durchgeführt, kann das Pendred-Syndrom effektiv behandelt werden. Dennoch kann es im Verlauf der Erkrankung immer wieder zu Beschwerden kommen, die ärztlich abzuklären sind. Die Patienten halten am besten enge Rücksprache mit dem Hausarzt.

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012

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