Peroral

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Ausdruck peroral bezieht sich auf eine Darreichungsform von Arzneien über den Mund. Perorale Medikamente gibt es gegen verschiedenste Beschwerden in fester, flüssiger und halbfester Form. Eine der größten Gefahren dieser Medikamentengabe ist der First-Pass-Effekt in der Leberpassage, der die Wirkstoffe der Arznei unter Umständen außer Kraft setzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist „Peroral“?

Mit dem Begriff peroral beziehen sich die Pharmazie und die Medizin auf Arzneimittelformen zur Schluckeinnahme.

Mit dem Begriff peroral beziehen sich die Pharmazie und die Medizin auf Arzneimittelformen zur Schluckeinnahme. Die Schluckeinnahme ist eine von mehreren innerlichen Anwendungsformen. Andere innerliche Anwendungsformen sind zum Beispiel die intravenöse oder die rektale Gabe eines Medikaments.

Perorale Arzneimittel sind entweder fest oder flüssig. In flüssiger Form handelt es sich um Lösungen, Emulsionen und Suspensionen. Kleiner dosiere Flüssigmedikamente zur peroralen Einnahme werden auch als Tropfen oder Sirupe bezeichnet. Feste, perorale Medikamente sind dagegen entweder Granulate und Pulver oder Tabletten und Kapseln. Die Kapseln lassen sich weiter in Weichgelatine- und Hartgelatinekapseln differenzieren. Die Weichgelantinekapseln sind eine eher neuere Erfindung, die sich vor allem für Kinder eignet. Eine Sonderform der peroralen Medikationen sind halbfeste Arzneimittel. Zu dieser Gruppe zählen vor allem Pasten.

Funktion, Wirkung & Ziele

Perorale Medikamente gibt es gegen die verschiedensten Beschwerden. Sie wirken nicht lokal, sondern werden vom gesamten Körper aufgenommen. Bei festen peroralen Arzneimitteln wird der Wirkstoff entweder schon über die Mundschleimhaut oder erst im Magen-Darm-Trakt freigesetzt. Wenn die Resorption ausschließlich über die Mundschleimhaut erfolgt, dann handelt es sich um sogenannte Sublingualmedikamente.

Der Körper nimmt die Wirkstoffe durch die Resorption auf und verbreitet sie über die Blutbahnen. Feste Formen peroraler Arzneien sind lange haltbar und eignen sich auch für Wirkstoffe, die nicht resistent gegenüber Magensaft sind. Kapseln mit magensaftresistentem Überzug setzen den Wirkstoff zum Beispiel erst durch das alkalische Milieu des Dünndarms frei. Der unangenehme Geschmack der Wirkstoffe wird durch eine Festform in der Regel reduziert. Einige der festen, peroralen Medikamente sorgen außerdem für eine verzögert konstante Wirkstofffreisetzung, die auch als Retard bezeichnet wird. Auf diese Weise wird der Wirkstoff nicht auf einmal frei und ein plötzlich erhöhter Blutspiegel wird verhindert.

Das reduziert beispielsweise bei Hormonen oder blutdruckregulierenden Medikamenten sogenannte Plasmaspitzen und verlängert die Wirksamkeit des Medikaments. Unerwünschte Nebenwirkungen werden durch die kontrollierte Abgabe der Wirkstoffe gleichzeitig verringert. Die perorale Flüssigform bietet gegenüber der Festform vor allem den Vorteil der schnelleren Wirksamkeit. Flüssige Medikamente zur peroralen Einnahme lösen sich schneller und die Wirkstoffe stehen abrupter zur Verfügung.

Die Bioverfügbarkeit der Arznei steigt damit also. Die meisten Flüssigmedikamente bestehen zu etwa einer Hälfte aus Saccharose. Auf diese Weise überlagert Süße den unangenehmen Geschmack der Arzneien. Wie die Weichgelantinekapseln ist auch diese Form der Arzneimittelgabe insbesondere für Kinder geeignet. Die perorale Applikationsform von Arzneien ist grundsätzlich einer der einfachsten und schnellsten Darreichungswege. Vor allem für die Einnahme in Eigenregie eignet sich der perorale Weg daher gut.


Besonderheiten

Die perorale Darreichungsform von Arzneimitteln muss den First-Pass-Effekt beachten. Dabei handelt es sich um einen Metabolisierungsprozess in der ersten Leberpassage. Wenn die Arznei den Magen-Darm-Trakt hinter sich gelassen hat, erreichen ihre Inhaltsstoffe über das Pfortadersystem die Leber und werden darin biochemisch umgewandelt. Diese Metabolisierung kann die Wirkstoffe der Medikamente unter Umständen unwirksam machen kann.

Das Ergebnis eines Metabolisierungsprozesses sind sogenannte Metabolite. Ein Metabolit kann so wiederum einem wirksam oder einem unwirksam gewordenen Wirkstoff entsprechen. Viele peroralen Arzneimittel enthalten an sich noch keinen fertigen Wirkstoffe. Ein Wirkstoff wird aus den Inhaltsstoffen erst nach Durchlaufen des First-Pass-Effekts. Diese Form der peroralen Arzneien ist auch unter dem Begriff der Prodrugs bekannt. Die Metabolisierung ist in diese Arzneien mit einberechnet. Allerdings ist die Intensität des First-Pass-Effekts stark von der Leberfunktion abhängig und bis zu einem gewissen Grad individuell.

Wenn für einen Inhaltsstoff Unwirksamkeit durch die Metabolisierung zu erwarten ist und keine Prodrugs zur Verfügung stehen, ist daher unter Umständen eine andere Darreichungsform angezeigt. Perorale Arzneien, die über die Mundschleimhaut aufgenommen werden, können den First-Pass-Effekt zum Beispiel umgehen. Die Nebenwirkungen eines peroralen Medikament hängen stark von der Art der Wirkstoffe ab. Letztlich sind solche Medikamente ohne Retard-Eigenschaften aber mit einer starken Belastung des Organismus verbunden. Die Wirkstoffe setzen sich bei diesen Medikamenten zu abrupt frei. In grauer Vorzeit waren perorale Arzneien noch mit einem unangenehmen bis widerwärtigen Geschmack verbunden. Heute sind sie entweder geschmacksneutral oder süßlich.

Nur selten empfinden Patienten den Geschmack als unangenehm. Einige Menschen haben mit der peroralen Einnahme aber trotzdem Probleme. Sie leiden beispielsweise unter einem Würgereiz beim Schlucken oder haben bei größeren Tabletten das Gefühl, überhaupt nicht schlucken zu können. Unter Umständen entscheidet sich der Arzt bei solcherlei Problemen für eine andere Darreichungsform, so beispielsweise die rektale.

Auch bei Lactoseallergikern kann die Wahl einer anderen Darreichungsform angezeigt sein, denn viele perorale Arzneien arbeiten mit Lactose als Hilfsstoff. Früher wurden auch tierische Bestandteile vermehrt als Hilfsstoffe in perorale Medikamente aufgenommen. Heute sind die Arzneien oft gänzlich frei von tierischen Erzeugnissen und eignen sich meist auch für Veganer und Vegetarier. Tierversuche hingegen sind bei pharmazeutischen Erzeugnissen nicht ausgeschlossen.

Quellen

  • Herdegen, T.: Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Lemmer, B., Brune, K. (Hrsg.): Pharmakotherapie – Klinische Pharmakologie. Springer, Berlin 2010
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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