Phakomatose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Phakomatose ist ein Sammelbegriff für erblich bedingte Erkrankungen der Haut und des Nervensystems, welche durch das Auftreten von Harmatomen in verschiedenen Organsystemen gekennzeichnet sind. Die einzelnen Erkrankungen haben nichts miteinander zu tun, werden aber aufgrund von Krankheitsmerkmalen und deren Ursachen provisorisch zusammengefasst. Da Phakomatosen eine genetische Grundlage haben, können sie nicht ursächlich behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Phakomatose?

Eine Vorbeugung vor Phakomatosen ist nicht möglich, weil sie alle erblich bedingt sind. Sollten in der Familie oder Verwandtschaft Fälle von Phakomatose aufgetreten sein, ist eine humangenetische Beratung oft hilfreich, um das Risiko für eine Weitervererbung auf die Nachkommen abzuschätzen.
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Eigentlich beruht der Begriff Phakomatose nicht auf einer wissenschaftlichen Grundlage. Es handelt sich um völlig verschiedene Haut- und Nervenerkrankungen, die jedoch einige gemeinsame Merkmale aufweisen. Zu den gemeinsamen Merkmalen gehören das Auftreten von Hämatomen, Flecken auf der Haut und ihr genetischer Ursprung.

Aufgrund dieser Tatsache gibt es keine wissenschaftlich erklärbare Definition für den Sammelbegriff Phakomatose. Es werden nur äußerlich ähnliche Erscheinungsbilder zusammengefasst. Diese Zusammenfassung rein oberflächlicher Gemeinsamkeiten rechtfertigt aber die Begriffsbildung im wissenschaftlichen Sinne nicht.

Allerdings hat sich der Begriff Phakomatose in der Medizin etabliert, obwohl dieser völlig überflüssig ist. Damit wurden von Anfang an immer erbliche Tumorerkrankungen von Haut und Nervensystemen belegt. Dabei handelt es sich aber nicht um Tumoren im ursprünglichen Sinne, sondern um geschwulstartige Veränderungen des Gewebes.

Aufgrund fehlerhafter Prozesse entsteht überschüssiges Gewebe, in welchem jedoch keine autonomen Zellteilungsprozesse stattfinden, die ansonsten bei den eigentlichen benignen und malignen Tumoren üblich sind.

So werden heute unter dem Begriff Phakomatose solche Erkrankungen wie die Neurofibromatose vom Typ 1 (Recklinghausensyndrom), die tuberöse Sklerose (Recklinghausensyndrom), die retino-cerebelläre Angiomatose (Hippel-Lindau-Syndrom), die enzephalo-faziale Angiomatose (Sturge-Weber-Syndrom), die Ataxia teleangiectatica oder das Peutz-Jeghers-Syndrom zusammengefasst.

Ursachen

Da die Phakomatose ein Sammelbegriff ist, gibt es auch keine einheitliche Ursache für diese Erkrankungen. Das einzige Gemeinsame an der Entstehung aller Phakomatosen ist ihre erbliche Bedingtheit. Zur Ursachenforschung müssen die einzelnen Erkrankungen jedoch unabhängig voneinander betrachtet werden.

Die Neurofibromatose vom Typ 1 ist beispielsweise eine autosomal-dominant vererbbare Erkrankung, die durch das Auftreten von sogenannten Café-au-lait-Flecken und Neurofibromen gekennzeichnet ist. Sie wird durch die Mutation eines Gens hervorgerufen, das zur Hemmung der Zellteilung beiträgt. Wird diese Hemmung unterdrückt, kommt es zu einer gutartigen Gewebewucherung (Harmatom).

Das dafür verantwortliche Gen liegt auf Chromosom 17. Die tuberöse Sklerose wiederum ist eine autosomal-dominante Erkrankung, die entweder durch Mutationen von einem Gen auf Chromosom 9 oder von einem Gen auf Chromosom 16 hervorgerufen wird. Bei der retino-cerebellären Angiomatose (Morbus Hippel-Landau) befinden sich die geschwulstartigen Gewebeveränderungen auf der Netzhaut des Auges.

Bei dieser Erkrankung ist das Von-Hippel-Lindau-Tumorsuppressor-Gen durch Mutation verändert. Dieses Gen befindet sich auf Chromosom 3. Die Mutation unterliegt einem autosomal-dominanten Erbgang. Zirka 50 Prozent aller Mutationen sind Neumutationen. Bei der enzephalofazialen Angiomatose (Sturge-Weber-Syndrom)ist der Auslöser eine sogenannte somatische Mosaik-Mutation in einem Gen auf Chromosom 9.

Es kommt zur Reduzierung der GTPase-Aktivität mit gleichzeitiger Erhöhung der GTP-Signalaktivität. Für die Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) ist ein Gen auf Chromosom 11 verantwortlich. Der Erbgang ist autosomal-rezessiv. Dieses Gen ist für die Codierung der Serin-Proteinkinase ATM verantwortlich. Die Serin-Proteinkinase ATM spürt DNA-Schäden auf und reguliert DNA-Reparaturvorgänge.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei der enzephalofazialen Angiomatose (Sturge-Weber-Syndrom) ist der Auslöser eine sogenannte somatische Mosaik-Mutation in einem Gen von Chromosom 9. Es kommt zur Reduzierung der GTPase-Aktivität mit gleichzeitiger Erhöhung der GTP-Signalaktivität. Für die Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) ist ein Gen auf Chromosom 11 verantwortlich. Der Erbgang ist autosomal-rezessiv.

Dieses Gen ist für die Codierung der Serin-Proteinkinase ATM verantwortlich. Die Serin-Proteinkinase ATM spürt DNA-Schäden auf und reguliert DNA-Reparaturvorgänge. Geschwulstartige Gewebsveränderungen sind teilweise auch in den Nieren, Nebennieren oder der Bauchspeicheldrüse vorhanden. Im Bereich des Hirnstammes kann es zu gefährlichen Blutungen kommen.

Auch das Sturge-Weber-Syndrom (enzephalofaziale Angiomatose) ist durch Gefäßfehlbildungen in Auge und Gehirn gekennzeichnet. Die Kinder sind deutlich entwicklungsverzögert. Es können epileptische Anfälle und migräneähnliche Kopfschmerzen auftreten. Die Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) zeigt Symptome wie Gang- und Standunsicherheiten.

Auch ein physischer und psychischer Entwicklungsrückstand sowie Erweiterungen der kleinen Arterien in Gesicht und auf der Bindehaut des Auges können auftreten. Das Immunsystem ist geschwächt mit Neigung zu Infekten. Das Peutz-Jeghers-Syndrom zeichnet sich wiederum durch Pigmentflecken auf Schleimhäuten und Haut sowie multiple benigne Polypen (Harmatome) im Magen-Darm-Trakt aus.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose kann oft durch die typischen Symptome der Erkrankungen gestellt werden. Bildgebende Verfahren zeigen beispielsweise Veränderungen im Gehirn.

Komplikationen

Aufgrund der Phakomatose leiden die Betroffenen an vielen verschiedenen Beschwerden. In den meisten Fällen kommt es krankheitsbedingt zu epileptischen Anfällen oder zu sehr starken Kopfschmerzen. Diese Schmerzen breiten sich dabei nicht selten auch in andere Regionen des Körpers aus und führen auch dort zu Beschwerden. Ebenso können dauerhafte Schmerzen zu einer Gereiztheit oder zu Depressionen beim Betroffenen führen.

Mitunter führt die Phakomatose zu Bewegungseinschränkungen und zu einem unsicheren Gang. Eventuell kann sich der Betroffene nicht mehr allein bewegen und ist in seinem Alltag daher auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Aufgrund der Erkrankung ist auch das Immunsystem stark abgeschwächt, sodass es häufiger zu Infekten und zu Entzündungen beim Betroffenen kommen. Magenbeschwerden oder Verdauungsbeschwerden können auftreten und dabei die Lebensqualität des Betroffenen deutlich verringern.

Die Haut ist dabei nicht selten unrein und von Pigmentflecken betroffen. Bei der Behandlung der Phakomatose kommt es nicht zu besonderen Komplikationen. In den meisten Fällen können die Beschwerden dieser Krankheit gut eingeschränkt werden. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird bei einer frühzeitigen Behandlung nicht beeinflusst.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn Hautveränderungen und Störungen des Nervensystems auftreten, liegt womöglich eine Phakomatose zugrunde. Ein Arztbesuch ist angeraten, wenn die Beschwerden rasch stärker werden und im Verlauf das Wohlbefinden beeinträchtigen. Sollten weitere Symptome auftreten, wird am besten umgehend der Hausarzt konsultiert. Krampfanfälle und Schmerzattacken deuten auf schwerwiegende Phakomatosen wie die Enephalo-Faziale Angiomatose oder die Ataxia teleangiectactica hin, die umgehend ärztlich zu behandeln sind.

Sollte es infolge eines Krampfanfalls zu einem Unfall oder Sturz kommen, muss der Rettungsdienst gerufen werden bzw. sollte der Betroffene rasch in die nächste Klinik gefahren werden. Aufgrund der verschiedenen Arten von Phakomatosen und der Vielzahl möglicher Symptome, die damit verbunden sein können, ist immer eine ärztliche Abklärung vonnöten. Betroffene Personen konsultieren am besten sofort den Allgemeinarzt, welcher die Diagnose anhand einer Anamnese sowie einer Biopsie stellen kann. Die Behandlung erfolgt durch den Dermatologen oder einen Neurologen.

Je nach Art der Symptome können weitere Fachärzte hinzugezogen werden. Die Therapie muss engmaschig von einem Arzt überwacht werden. Dadurch wird sichergestellt, dass keine Komplikationen auftreten und Hautveränderungen sowie neurologische Beschwerden abklingen. Personen, die an Erkrankungen der Haut oder des Nervensystems leiden, sollten den Arzt informieren, wenn Anzeichen einer Neurofibrose, tuberösen Sklerose oder einer anderen Phakomatose auftreten.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung von Phakomatosen richtet sich nach der jeweiligen zugrunde liegenden Erkrankung. Eine Heilung ist bei sämtlichen Phakomatosen nicht möglich, weil sie alle genetisch bedingt sind. Bei der Neurofibromatose müssen ständig die neu wachsenden Neurofibrome und Tumoren entfernt werden. Ansonsten erfolgt symptomatische Behandlung.

Auch bei den anderen Phakomatosen überwiegt die symptomatische Therapie und Entfernung von Gewebsveränderungen. In manchen Fällen müssen Epilepsien und Entwicklungsrückstände behandelt werden. Bei der retino-cerebellären Angiomatose müssen besonders die Angiome in den Augen durch verschiedene Methoden entfernt werden, um die Sehstärke lange erhalten zu können. Dazu eignen sich Laserkoagulation, Kryotherapie, radioaktive Bestrahlung (Brachytherapie), transpupilläre Thermotherapie, fotodynamische Therapie und andere Behandlungsmethoden.


Aussicht & Prognose

Der weitere Verlauf einer Phakomatose kann in der Regel nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden. Aus diesem Grund ist bei dieser Krankheit in aller erster Linie eine schnelle und vor allem eine sehr frühzeitige Diagnose notwendig, damit es nicht zum Auftreten von weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Es kann dabei auch nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass der Betroffene bei dieser Erkrankung immer auf einen Besuch bei einem Arzt angewiesen ist. Ebenso muss bei der Phakomatose in erster Linie die zugrundeliegende Erkrankung geheilt werden, damit die Beschwerden vollständig eingeschränkt werden.

Wird die Phakomatose gar nicht behandelt, so breiten sich die Beschwerden meist weiterhin aus und verringern deutlich die Lebensqualität des Patienten. In einigen Fällen kann auch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert werden, wenn die Krankheit erst spät erkannt wird. Eine vollständige Heilung ist häufig nicht möglich, wenn die Phakomatose einen genetischen Ursprung hat. Dabei sollte bei einem Kinderwunsch eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um ein erneutes Auftreten der Erkrankung zu verhindern. Tumore können dabei auch entfernt werden, können allerdings auch nach der Entfernung wieder auftreten. Aus diesem Grund verringert diese Krankheit nicht selten auch die Lebenserwartung des Betroffenen.

Vorbeugung

Eine Vorbeugung vor Phakomatosen ist nicht möglich, weil sie alle erblich bedingt sind. Sollten in der Familie oder Verwandtschaft Fälle von Phakomatose aufgetreten sein, ist eine humangenetische Beratung oft hilfreich, um das Risiko für eine Weitervererbung auf die Nachkommen abzuschätzen.

Nachsorge

Betroffenen stehen bei einer Phakomatose in den meisten Fällen nur sehr wenige oder auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollte der Betroffene bei dieser Krankheit sehr früh einen Arzt aufsuchen und eine Behandlung einleiten, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Schon bei den ersten Anzeichen der Erkrankung sollte daher ein Arzt aufgesucht werden.

In einigen Fällen kann die Krankheit nicht vollständig geheilt werden, wenn sie einen genetischen Ursprung hat. Dabei sollten Betroffene im Falle eines erneuten Kinderwunsches eine genetische Untersuchung und Beratung durchführen lassen. Die Krankheit selbst kann dabei durch die Anwendung von verschiedenen Cremes oder Salben behandelt werden.

Dabei sollten Betroffene immer auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Anwendung achten, um die Beschwerden richtig und dauerhaft zu lindern. Nicht selten sind die Betroffenen auch auf eine psychologische Unterstützung angewiesen. Hierbei wirken sich vor allem liebevolle und intensive Gespräche mit der eigenen Familie sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. In der Regel verringert die Phakomatose selbst nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Das können Sie selbst tun

Abhängig von der Art und Ausprägung der Phakomatose können die Betroffenen verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Behandlung zu unterstützen. Zunächst gilt es, die Ursache des Haut- und Nervenleidens zu ermitteln und den Auslöser zu beheben.

Generelle Maßnahmen wie eine Umstellung des Lebensstils oder ein Berufswechsel können zu einer Besserung führen, sollten jedoch zunächst mit einem Arzt besprochen werden. Dasselbe gilt für die Anwendung verschiedener Haus- und Naturheilmittel. Einige Phakomatosen lassen sich durch Hamamelis, Johanniskraut und andere Präparate lindern, die sich positiv auf das Hautbild und das Wohlbefinden auswirken. Nervenbeschwerden können, begleitend zu einer medikamentösen Therapie, durch Krankengymnastik und sportliche Betätigung gelindert werden. Wenn sich infolge der Hautprobleme bereits Narben gebildet haben, liegen oft auch seelische Probleme vor, die behandelt werden müssen.

Der Arzt kann zudem den Kontakt zu anderen Betroffenen aufbauen und die Patienten beispielsweise an eine Selbsthilfegruppe verweisen. Eine ganzheitliche Behandlung der Beschwerden ist notwendig, um den Erkrankten ein relativ beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Aufgrund der Vielfalt der möglichen Phakomatosen muss immer ein Facharzt hinzugezogen werden, bevor Selbsthilfemaßnahmen eingeleitet werden.

Quellen

  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Sterry, W., Worm, M., Burgdorf, W.: Checkliste Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2014

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