Piebaldismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Piebaldismus ist eine Form des Albinismus, die durch eine Mutation hervorgerufen wird. Charakteristisch ist die weiße Stirnlocke der Betroffenen. Wegen ihrer Depigmentierungen sind die Patienten gegenüber schwarzem Hautkrebs durch UV-Licht anfälliger und sollten übermäßige Sonnen-Exposition meiden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Piebaldismus?

Der Piebaldismus wird autosomal-dominant vererbt. An den bisher dokumentierten Fällen wurde familiäre Häufung beobachtet.
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Der Albinismus entspricht einer Gruppe erblicher Erkrankungen, die sich in Form eines extremen Mangels am Pigment Melanin manifestieren. Melanin wird von den Melanozyten in Haut, Regenbogenhaut und im Bereich der Haare gebildet. Das Pigment ist für die Haut-, Augen- und Haarfarbe verantwortlich, wobei es sich beim Menschen aus Anteilen zwei verschiedener Unterarten zusammensetzt.

Neben dem gelblichen Phäomelanin stellt das dunkelbraune Eumelanin eine Variante des Melanins dar. Die individuelle Augen-, Haar- und Hautfarbe ergibt sich aus den jeweiligen Anteilen der beiden Melanin-Varianten. Albinos ist die Melanin-Bildung der Melanozyten gestört, so zum Beispiel durch mutationsbedingte Defekte des dazu erforderlichen Enzyms Tyrosinase.

Der Piebaldismus wird auch Albinismus partialis oder partieller Albinismus genannt und stellt eine Unterform des Albinismus dar, die vor allem durch weiße Flecken im Gesicht, im Halsbereich, an der Oberkörpervorderseite und den Flanken gekennzeichnet ist. Die Erkrankung zählt zu den seltenen Erberkrankungen und kann in verschiedenen Varianten auftreten. Das Waardenburg-Syndrom und Wolf-Syndrom werden mittlerweile zum Beispiel als Varianten der Erkrankung diskutiert.

Ursachen

Der Piebaldismus wird autosomal-dominant vererbt. An den bisher dokumentierten Fällen wurde familiäre Häufung beobachtet. Scheinbar liegt der Störung eine Depigmentierung aufgrund einer embryonalen Melanoblastendifferenzierungsstörung zugrunde. Die Melanozyten der Betroffenen sind nicht hinzureichend ausgewandert.

Verantwortlich für die unzureichende Wanderung ist ein mutationsbedingter Defekt des Gens, das für den melanozytären Tyrosinkinase-Rezeptor codiert. Damit liegen der Erkrankung Mutationen im rezeptorexprimierenden c-KIT-Gen zugrunde, das auf dem langen Arm von Chromosom 4 im Locus 4q12 angesiedelt ist. Durch den Gendefekt ist die embryonale Melanoblastendifferenzierung gestört.

Zusätzlich ist die Melanozyten-Migration aus der Neuralleiste heraus behindert. Das Waardenburg-Syndrom und das Wolf-Syndrom sind unterschiedliche Varianten des Phänomens, wobei das Waardenburg-Syndrom zusätzlich mit einer Innenohrschwerhörigkeit und das Wolf-Syndrom mit einer zusätzlichen mit Fehlbildungen, Minderwuchs und Entwicklungsverzögerungen auf geistiger und körperlicher Ebene assoziiert ist.

Beim Wolf-Syndrom entspricht die Ursache einer strukturellen Chromosomenaberration am kurzen Arm von Chromosom 4, während das Waardenburg-Syndrom auf verschiedenen Mutationen beruhen kann.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten mit Piebaldismus bilden in den meisten Fällen eine typischerweise weiße Stirnlocke aus. Dieses Symptom der Poliosis liegt in rund 90 Prozent aller Fälle vor. Darüber hinaus entsteht eine umschriebene Hypopigmentierung der Haut, die auch als Leukodermie bezeichnet wird. In den einzelnen Depigmentierungen liegen in vielen Fällen fleckförmig Hyperpigmentierungen der Haut vor.

Das heißt, innerhalb der pigmentlosen Bereichen befinden sich abgegrenzte Flecken mit übermäßig viel Pigment. Charakteristisch ist vor allem die Gestalt der weißen Stirnlocke: hierbei handelt es sich um eine Haar-Heterochromie, also eine Verschiedenfarbigkeit der Haare. Die Spitze der Stirnlocke weist in den meisten Fällen nach unten. Abhängig von der ursächlichen Mutation und damit der Variante des Piebaldismus können die beschriebenen Symptome mit weiteren Symptomen vergesellschaftet sein.

Beim Waardenburg-Syndrom zählen neben der Innenohrschwerhörigkeit verschiedenfarbige Augen mit zum Krankheitsbild. In der Regel wirkt ein Auge der Patienten deutlich heller als das andere, was der Depigmentierung zuzuschreiben ist. Das Wolf-Syndrom ist dagegen mit Minderwuchs und Fehlbildungen im Bereich des Gesichts assoziiert.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zur Diagnose des Piebaldismus betrachtet der Arzt vor allem die Hautflecken näher. Bei den Depigmentierungen handelt es sich um scharf oder unscharf begrenzte Flecken im Bereich des Rumpfes, der Stirn und oft der Extremitäten, die kleinflächig überpigmentierte Flecken in sich tragen.

Zusammen mit Depigmentierungen des Kopfhaares, der Augenbrauen und der Iris sprechen diese Beobachtungen für die Diagnose. Damit erfolgt die Diagnostik meist sichtdiagnostisch. Dem differentialdiagnostischen Ausschluss anderer Erkrankungen kann im Zweifelsfall ein molekulargenetischer Mutationsnachweis dienen.

Komplikationen

Piebaldismus ruft in der Regel keine schweren Komplikationen hervor. Die Betroffenen leiden allerdings unter kosmetischen Veränderungen, die sich gerade bei einem schweren Verlauf der Erkrankung negativ auf die Psyche auswirken können. Bleibt der Piebaldismus unbehandelt, nehmen die Hautveränderungen zu und breiten sich mitunter auf das gesamte Gesicht aus.

Dies stellt nicht nur einen optischen Makel dar, sondern erhöht auch das Risiko für Hauterkrankungen. Gelegentlich kommt es in der Folge zu Infektionen oder Entzündungen, die ihrerseits mit Komplikationen verbunden sind. Die Erkrankung steht zudem im Verdacht, das Hautkrebs-Risiko zu erhöhen. Weitere Beschwerden gehen von möglichen Begleiterkrankungen aus. So kann es in Folge des Waardenburg-Syndroms zu einer Innenohrschwerhörigkeit und verschiedenfarbigen Augen kommen. Mit dem Wolf-Syndrom stehen Minderwuchs und Fehlbildungen im Gesicht in Verbindung.

Da die Erkrankung genetisch bedingt ist, können diese Komplikationen und mögliche Folgeerkrankungen kaum vermieden werden. Die Betroffenen verspüren deshalb vor allem einen seelische Leidensdruck, der langfristig psychische Erkrankungen hervorrufen kann. Daraus können körperliche Beschwerden und eine spürbare Abnahme der Lebensqualität resultieren. Eine frühzeitige Abklärung des Piebaldismus ermöglicht jedoch zumindest eine symptomatische Therapie.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Piebaldismus ist nicht zwingend Grund für einen Arztbesuch, sofern es sich auf die charakteristische weiße Haarstelle am Kopf beschränkt. Die typische weiße Stirnlocke fällt zwar auf, ist jedoch ungefährlich und kann gefärbt werden, wenn der Betroffene damit ein ästhetisches Problem hat. Eine kausale Behandlung gegen Piebaldismus gibt es ohnehin nicht, somit kann der Arzt keine Therapiemöglichkeiten anbieten. Ärztliche Kontrolle ist hingegen wichtig bei Varianten des Piebaldismus, dem von-Waardenburg-Syndrom und dem Wolf-Syndrom. Diese sind zwar genau wie Piebaldismus sehr selten, aber dafür mit Behinderungen und Komplikationen verbunden.

Da es sich auch hierbei um Erbkrankheiten handelt, sind die ersten klinischen Symptome oft bald nach der Geburt des Kindes bemerkbar und die jeweilige Erkrankung muss entsprechend früh behandelt werden. Sobald beim Kind Piebaldismus zu erkennen ist, sollte der Kinderarzt sicherheitshalber konsultiert werden, um abzuklären, ob es sich wirklich nur um eine harmlose Erscheinung von Piebaldismus oder eine Variation mit möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit handelt.

Insbesondere in der Schulzeit kann es bei Fällen von Piebaldismus zu Mobbing kommen, je nachdem, wie groß und auffällig die weiße Haarstelle ist. Der Arzt kann die optische Erscheinung von Piebaldismus zwar nicht verändern, aber Eltern und betroffene Kinder beraten, was sie tun können, um sie zu kaschieren.

Behandlung & Therapie

Der Piebaldismus kann nicht ursächlich behandelt werden. Allen Formen liegen Mutationen zugrunde, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Dafür kann bis zu einem gewissen Grad eine symptomatische Behandlung der einzelnen Symptome stattfinden. In den meisten Fällen besteht die symptomatische Behandlung schlichtweg aus Sonnenschutzmaßnahmen und kosmetischen Maßnahmen.

Verschiedenfarbige Augen können zum Beispiel mit farbigen Kontaktlinsen aneinander angeglichen werden. Melanin übernimmt in der Haut gerade in seiner dunkelbraunen Färbung die Rolle eines UV-Filters. Der dunkle Farbstoff wandelt schädliches UV-Licht in Wärmestrahlung um und macht es auf diese Weise unschädlich. Menschen mit Piebaldismus sollten daher genau wie Personen mit anderen Formen des Albinismus starke UV-Exposition vermeiden.

Für sie gilt ein höheres Risiko, an schwarzem Hautkrebs zu erkranken. Das Risiko kann durch Sonnenschutzmaßnahmen verringert werden. Wenn man das Waardenburg- und das Wolf-Syndrom als Formen des Piebaldismus betrachten möchte, ist bei diesen beiden Varianten eine umfassendere Therapie angezeigt.

Diese konzentriert sich allerdings weniger auf die Depigmentierungen, als auf die Symptome der Innenohrschwerhörigkeit und der Fehlbildungen. Gerade die Fehlbildungen des Wolf-Syndroms können in vielen Fällen operativ behoben werden.


Aussicht & Prognose

In der Regel kann ein Piebaldismus nicht vollständig wieder geheilt werden, da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Es können dabei in einigen Fällen nur die Symptome der Erkrankung gelindert werden, wobei der Betroffene allerdings sein gesamtes Leben lang mit den Beschwerden leben muss. Auch eine Selbstheilung kann dabei nicht eintreten. Um ein erneutes Auftreten des Piebaldismus bei den Kindern zu verhindern, sollte bei einem Kinderwunsch zuerst eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden. Da die Betroffenen der Krankheit auch an einem erhöhten Risiko leiden, an Hautkrebs zu erkranken, sind dabei regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Hautarzt notwendig. Nur so kann eine weitere Ausbreitung des Tumors verhindert werden.

Die Behandlung selbst kann dabei einige der Beschwerden lindern, wobei der Betroffenen in ihrem Leben immer auf das Auftragen von Sonnencremes angewiesen sind und die Exposition in der direkten Sonne auf jeden Fall meiden müssen. Mit Hilfe von verschiedenen Pflegeprodukten können auch die Beschwerden der falschen Pigmentierung gelindert werden. Dabei können eventuell auch operative Eingriffe diese Beschwerden lindern. In den meisten Fällen verringert das Piebaldismus nicht die Lebenserwartung des Betroffenen, wenn vor allem an regelmäßigen Hautuntersuchungen teilgenommen wird.

Vorbeugung

Da dem Piebaldismus eine erbliche Mutation zugrunde liegt, stehen kaum Vorbeugemaßnahmen zur Verfügung. Erkranke Personen können sich nach einer genetischen Beratung in der Phase der Familienplanung höchstens gegen eigene Kinder entscheiden. Da es sich beim Piebaldismus allerdings nicht um eine allzu schwerwiegende Erkrankung handelt, wirkt eine derartige Entscheidung fast schon zu radikal. Höchstens bei der Variante des Wolf-Syndroms wäre die Entscheidung noch nachvollziehbar.

Nachsorge

Bei einem Piebaldismus stehen Patienten in den meisten Fällen nur wenige Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Die Krankheit selbst muss dabei nicht vollständig behandelt werden, wobei eine vollständige Heilung in den meisten Fällen auch gar nicht möglich ist. Im Allgemeinen sollten die Betroffenen beim Piebaldismus ihre Haut besonders gut gegen Sonne schützen und sich daher idealerweise nicht ungeschützt der UV-Strahlung aussetzen.

Bei Aufenthalten im Freien sollte immer Sonnencreme aufgetragen werden, um einen Sonnenbrand zu verhindern. Ebenso sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Hautarzt beim Piebaldismus sehr wichtig, um Schäden an der Haut schon früh zu erkennen und behandeln. Schon bei den kleinsten Veränderungen auf der Haut sollte ein Arzt kontaktiert werden, damit ein möglicher Tumor schon früh erkannt und entfernt werden kann.

Einige der Beschwerden des Piebaldismus können dabei mit Hilfe von geringen Eingriffen gelindert werden. Dabei sollte der Betroffene seine Haut besonders gut pflegen und schonen. Es können verschiedene Cremes und Salben von einem Arzt verschrieben werden, die regelmäßig angewendet werden sollen. Ob es durch den Piebaldismus zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen kommt, kann dabei nicht universell vorhergesagt werden.

Das können Sie selbst tun

Der Piebaldismus muss nicht zwingend behandelt werden. Es handelt sich um einen rein optischen Makel, der keine körperlichen oder psychischen Beschwerden hervorruft. In Einzelfällen kann die Graufärbung des Haares jedoch zu Minderwertigkeitskomplexen und anderen seelischen Problemen führen.

Personen, die sich von dem Albinismus partialis sehr belastet fühlen, sollten zunächst mit einem Therapeuten sprechen. Es ist möglich, die Haare zu färben oder eine geeignete Kopfbedeckung zu tragen, um die Silberlocke zu verbergen. Zudem kann die Verfärbung durch bestimmte Pflegeprodukte reduziert werden. Eine ausgewogene Diät verlangsamt den Krankheitsverlauf, indem sie die ursächliche Hypopigmentierung der Haut kompensiert. Hierfür empfiehlt sich eine Diät, die möglichst viele Lebensmittel mit natürlichen Farbstoffen enthält. Bewährt haben sich unter anderem Karotten und Tomatensaft.

Wenn der Piebaldismus trotz der genannten Maßnahmen stärker wird, sollte der Hausarzt konsultiert werden. In Einzelfällen ist die Entstehung einer weißen Stirnlocke auf eine ernste Erkrankung zurückzuführen, die diagnostiziert und behandelt werden muss. Zuletzt sollten die Betroffenen das Leiden akzeptieren, indem sie mit anderen Betroffenen sprechen oder ein Therapiegespräch führen. Die Stirnlocke ist bei Anwendung von Haarfärbemitteln nicht mehr zu sehen und weitere Symptome sind nicht zu erwarten.

Quellen

  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010

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