Postkoitale Dysphorie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Manche Menschen leiden an einer plötzlichen Traurigkeit und Melancholie nach dem sexuellen Erlebnis. Hauptsächlich sind von diesen Emotionen Frauen betroffen, aber es gibt auch einige Männer, die diese Erfahrung mit postkoitaler Dysphorie gemacht haben. Alles verläuft normal, der Orgasmus ist großartig, doch statt Entspannung und Befriedigung folgt ein Gefühl der Leere.
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Was ist postkoitale Dysphorie?
Eine Studie zeigte, dass jede dritte Frau schon einmal in ihrem Leben die Erfahrung gemacht hat, dass nach dem Sex ein Stimmungstief folgt, unabhängig davon, wie der Sex verlaufen ist. Die medizinische Bezeichnung für diese Traurigkeit nach dem geschlechtlichen Akt nennt sich postkoitale Dysphorie. Unter einer Dysphorie wird die Störung emotionaler Erlebnisse verstanden, die mit dem normalen Alltag einhergehen und nicht unbedingt ein Hinweis auf eine bestimmte Krankheit sind.
Unzufriedenheit, Gereiztheit und allgemein schlechte Laune sind die Folge, der Mensch ist verärgert, ohne Gründe dafür benennen zu können. Hält diese Stimmung an und tritt sie häufig auf, wird die Dysphorie allerdings zu einer posttraumatischen Belastungsstörung und kann auch mit Depressionen einhergehen. Eine Dysphorie kann von alleine auftreten, aber auch das Begleitsymptom hormoneller Veränderungen sein.
Ursachen
Diese Hormonveränderung kann mit ein Grund dafür sein, weshalb es nach dem Sex zu Gefühlsschwankungen kommt, die auch in die gegensätzliche Richtung gehen. Viele Frauen fühlen sich nicht nur traurig, sie können sogar nicht einmal die Tränen zurückhalten. Die Gelöstheit bleibt danach verwehrt. Stattdessen folgen nicht nur Traurigkeit und Melancholie, sondern sogar innere Unruhe, Reizbarkeit und Angst.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Art der Intimität und die Liebe beziehungsweise das Vertrauen zum Partner haben auf diese Emotionen keinen Einfluss. Allerdings ist ein Hinweis auf derartige Gefühle ein mögliches Trauma, das mit dem sexuellen Akt assoziiert wird. Das können Erlebnisse sein, die mit Schwierigkeiten in der Kindheit oder sogar mit Missbrauch zu tun haben. Der Sex geht dann unbewusst mit Gefühlen der Scham, des schlechten Gewissens, der Angst, der Schuld und Bestrafung, gar mit Verlust einher.
Auch Probleme mit anderen Menschen sind ein Auslöser der postkoitalen Dysphorie. Die Angst vor engem Kontakt oder sich überhaupt zu binden, bewirkt innere Verstörtheit, die nicht immer bewusst wahrgenommen wird und sich erst im sexuellen Verlangen ausdrückt. Das Gegenteil kann ebenfalls der Fall sein, dass Frauen, die über den Sex die tiefe Bindung zum Partner wahrnehmen. Sie wollen sozusagen mit ihm verschmelzen, empfinden jedoch die nach dem Akt erfolgende Loslösung als Belastung, als körperlich spürbare Trennung, die zwar nicht wirklich erfolgt, jedoch bewusst oder unbewusst als überwältigendes Angstgefühl auftritt. Auch psychischer Stress und Belastungen anderer Art können eine postkoitale Dysphorie bewirken.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die biologische Veranlagung des Menschen spielt sicherlich eine weitere wichtige Rolle. Das Empfinden für sich selbst und den eigenen Körper, auch der Charakter können Einfluss auf solche Emotionen haben, wenn aus dem guten Gefühl auf einmal tiefe Niedergeschlagenheit wird. Der emotionale Absturz erfolgt zumindest nicht aufgrund des Partners. Weder fehlende Liebe noch Zuneigung sind Auslöser, auch nicht eigene Gefühle, die dem Partner gegenüber gehegt werden.
Komplikationen
Neben Unzufriedenheit, Gereiztheit und allgemein schlechter Laune können Betroffene dann auch unter schweren Angstzuständen oder Depressionen leiden. Kommt dies regelmäßig vor, kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Die Patienten vermeiden den Geschlechtsverkehr dann zunehmend, weil er für sie nicht mehr Lust und sexuelle Befriedigung bedeutet, sondern die negativen Emotionen überwiegen.
Die Betroffenen reagieren abweisend auf ihren Partner, der die Ursachen hierfür nicht immer nachvollziehen kann. Die Beziehung wird erheblich belastet und scheitert oftmals. Betroffene, bei denen die postkoitale Dysphorie eine derart extreme Form annimmt, benötigen dringend die Hilfe eines geschulten Psychologen. Auch eine Paartherapie ist in der Regel erforderlich, damit der Partner lernt mit der Krankheit umzugehen und versteht, dass die negativen Gefühle nach dem Geschlechtsverkehr nicht auf ihn bezogen sind und auch nicht durch ihn verursacht werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Frauen, die sich wiederholt nach dem Sex gereizt oder traurig fühlen, sollten darüber mit dem Frauenarzt sprechen. Die postkoitale Dysphorie ist eine schwere Störung der Sexualität, die langfristig eine große Belastung für zwischenmenschliche Beziehungen darstellen kann. Personen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben, leiden besonders häufig an postkoitaler Dysphorie. Generell wird das Phänomen auf ein gestörtes Verhältnis zu Sexualität zurückgeführt. Betroffene Frauen sollten gemeinsam mit einem Psychologen die Ursachen für die Probleme ermitteln.
Der Gynäkologe kann den Kontakt zu einem geeigneten Sexualtherapeuten herstellen. Gegebenenfalls ist auch eine Traumatherapie sinnvoll und notwendig, um Konflikte und traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten und dadurch auch die typischen Symptome wie Gereiztheit, Traurigkeit, Erschöpfung oder Trennungsängste zu lindern. Gegebenenfalls kann auch eine Selbsthilfegruppe aufgesucht werden. Im Gespräch mit anderen Betroffenen lernen Frauen, wie sie mit der postkoitalen Dysphorie umgehen können und erhalten Tipps für weitere Anlaufstellen. Bei starken Stimmungsschwankungen ist eine Hormonbehandlung möglich, welche in der Regel in einer Fachklinik durchgeführt wird.
Behandlung & Therapie
Treten solche Gefühlsschwankungen häufiger auf oder sind sie nach dem Sex immer der Fall, können andere Ursachen der Auslöser sein und sollten dann auch intensiv psychologisch ergründet werden. Möglicherweise steht hinter solchen Stimmungstiefs trotzdem ein stark belastendes Ereignis oder eine Situation, die unbewusst als Bedrohung empfunden wird und auf die Emotionen Auswirkung hat. Auch kann eine Neigung zu Depressionen vorhanden sein.
Die eigentlichen Belastungsfaktoren sind nicht immer klar auszumachen. Dann muss der Mensch sich mit den Emotionen und Schwankungen tiefgreifender beschäftigen und möglicherweise auch eine psychologische Therapie in Betracht ziehen, um sich mit der gesamten Situation auseinanderzusetzen. So eine verläuft meistens in mehreren Phasen. Zunächst muss der Mensch sich sicher und wohl im Gespräch fühlen und die Gefühle ausdrücken wollen.
Das, was als Erlebnisse dann zutage treten kann, muss schließlich als vergangen wahrgenommen werden. Dann steht die Bewältigung des Alltags im Vordergrund und Entspannungs- und Atemübungen verschaffen einen neuen Ausgleich, können auch auf das Sexualleben Einfluss haben.
Vorbeugung
Eine postkoitale Dysphorie ist aber normalerweise kein dauerhaftes Phänomen beim Sex und wenn sie dennoch auftritt, geht das darauf folgende Stimmungstief auch schnell wieder vorüber. Wer häufiger von solchen Gefühlen betroffen ist, kann die Traurigkeit mit Bewegung und einer darauf folgenden warmen Dusche beheben. Das warme Wasser bewirkt Entspannung für den Körper und hebt die Laune wieder an.
Nachsorge
Sind die ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen abgeschlossen und wurde keine Ursache diagnostiziert, die zur postkoitale Dysphorie führt, ist keine Nachsorge notwendig. Postkoitale Dysphorie stellt keine dauerhafte Erkrankung oder Beeinträchtigung dar. Daher muss sie nicht durch weitere Untersuchungen und Behandlungen begleitet werden. Patienten, die häufiger nach dem Geschlechtsverkehr von einem Stimmungstief betroffen sind, sollten Strategien entwickeln, die dem entgegenwirken.
Hierzu zählen regelmäßige sportliche Betätigung, gesunde und ausgewogene Ernährung und die Bewegung an der frischen Luft. Außerdem sind regelmäßige Entspannungsübungen ratsam. Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson haben sich dabei bewährt. Mit dem Partner sollte über die postkoitale Dysphorie in einem einfühlsamen, offenen Gespräch gesprochen werden.
Überdies wären auch Therapieformen für beide Partner denkbar und wichtig. Zuneigung, Partnergespräche, Küssen und Kuscheln stärken die Gefühle zueinander. Sie wirken der postkoitale Dysphorie entgegen. Mit Unmut und Verstimmungen wird genau das Gegenteil erreicht. Wurde im Rahmen der Untersuchungen und Behandlungen allerdings eine Ursache herausgestellt (zum Beispiel Missbrauch in der Kindheit), sind Nachsorgebehandlungen sehr wichtig. Der Patient sollte dann regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hausärztlich und psychotherapeutisch begleitet werden. Bei einem erneuten Auftreten der postkoitale Dysphorie kann dann schnell interveniert werden.
Das können Sie selbst tun
Diese Erkrankung trifft häufig Frauen und kann relativ häufig auftreten. Die Betroffenen haben ihrem Sexualpartner gegenüber oft ein schlechtes Gewissen. Das schlechte Gewissen ist allerdings unbegründet: An einer Postkoitale Dysphorie ist niemand schuld.
Die Betroffenen sollten einen Arzt hinzuziehen, denn möglicherweise liegen Hormonprobleme der Störung zugrunde. Aber auch psychische Probleme, wie beispielsweise ein Trauma nach einem Missbrauch, können die Postkoitale Dysphorie auslösen. Wenn es keine körperlichen Ursachen für die Traurigkeit nach dem Akt gibt, dann sollten die Betroffenen sich Hilfe bei einem Psychologen suchen. Auch Traumata aus der Kindheit sollten aufgearbeitet werden, damit aus der Postkoitalen Dysphorie keine Depression wird oder die Betroffenen künftig den Geschlechtsverkehr meiden. Haben die Betroffenen einen festen Partner, sollten sie eine Paartherapie anstreben oder ihn zumindest in die eigene Therapie miteinbeziehen.
Patienten mit einer postkoitalen Dysphorie können jedoch auch von Entspannungstechniken profitieren. Dazu gehören Yoga, Reiki, die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Atemübungen, Qigong und Tai Chi, aber auch alternative Therapieformen wie die Musiktherapie, Lachyoga oder die Klopftherapie EFT können entlastend wirken. Gerade die Musiktherapie zeigt, wie die eigene Stimmung durch Musik als Ausdruck von Emotionen verbessert werden kann.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
- Möller, H.-J.: Therapie psychischer Erkrankungen. Thieme, Stuttgart 2006