Postoperative Übelkeit und Erbrechen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Zu den häufigsten Begleiterscheinungen nach operativen Eingriffen gehören postoperative Übelkeit und Erbrechen. Sie werden durch die Anästhesie hervorgerufen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist postoperative Übelkeit und Erbrechen?

Bemerkbar macht sich die PONV durch das Auftreten von starker Übelkeit und Brechreiz. Zumeist muss sich der Patient auch übergeben.
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Die Medizin bezeichnet Nebenwirkungen wie postoperative Übelkeit und Erbrechen auch kurz als PONV. Diese Abkürzung steht für den englischen Begriff postoperative nausea and vomiting. Gemeint ist damit das Auftreten von Übelkeit und Erbrechen im Anschluss an einen chirurgischen Eingriff.

Insgesamt leidet etwa jeder dritte Patient unter postoperativer Übelkeit und Erbrechen. Diese Nebenwirkung zeigt sich in erster Linie bei Anästhesiemethoden wie der Vollnarkose oder Regionalanästhesien. Durch multimodale Therapiekonzepte besteht jedoch die Möglichkeit, der PONV effektiv entgegenzuwirken.

Ursachen

Wodurch postoperative Übelkeit und Erbrechen verursacht werden, ist bislang noch nicht vollkommen klar. Allerdings ließen sich in den vergangenen Jahren unterschiedliche Risikofaktoren für das Auftreten dieser unangenehmen Nebenwirkungen bestimmen. Ausgelöst werden Brechreiz oder Erbrechen durch das Stimulieren des Brechzentrums, das sich innerhalb der Medulla oblangata befindet.

Diese Gehirnregion ist im hinteren Bereich des Zentralnervensystems (ZNS) angesiedelt. Es handelt sich dabei um einen Schutzreflex, durch den der Organismus gegen die bei der Narkose aufgenommenen Stoffe vorgeht, die zur Betäubung des Patienten dienen. So registriert der Körper des Betroffenen die Substanzen als Giftstoffe.

Von Bedeutung bei der Übertragung von neuralen Impulsen sind auch Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin, Acetylcholin und Histamin. Die exakten pathologischen Abläufe der PONV ließen sich bislang jedoch nicht ermitteln. Zu den verschiedenen Risikofaktoren gehört vor allem das weibliche Geschlecht. So wird die Gefahr, nach einer Operation an Übelkeit und Erbrechen zu leiden, bei Frauen als doppelt so hoch eingestuft wie bei Männern.

Aus pathophysiologischer Sicht gibt es keine Erklärung dafür. Auch Nichtraucher sind von postoperativer Übelkeit und Erbrechen doppelt so oft betroffen wie Menschen, die rauchen. Es wird vermutet, dass dabei ein Zusammenhang mit Veränderungen an den Dopaminrezeptoren besteht. Ebenfalls als Risikofaktoren gelten eine bereits in der Vergangenheit aufgetretene PONV sowie die Reisekrankheit. Es werden daher individuelle Faktoren für das Zustandekommen von postoperativer Übelkeit und Erbrechen angenommen.

Nur selten zeigt sich eine PONV bei Babys und Kleinkindern. Bei Kindern, die zwischen 6 und 16 Jahre alt sind, tritt sie etwas häufiger auf. In der Medizin werden auch weitere mögliche Komponenten der PONV heftig diskutiert. Dabei handelt es sich um die Länge der Narkose, die Anwendung von Lachgas, Inhalationsanästhetika sowie das Verabreichen von Opioiden nach der Operation.

Ebenso in der Debatte stehen Maskenbeatmungen, der Einsatz von Magensonden, der Body-Mass-Index, psychologische Faktoren und der weibliche Menstruationszyklus. Die Studienlage ist dazu jedoch noch zu ungenau.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bemerkbar macht sich die PONV durch das Auftreten von starker Übelkeit und Brechreiz. Zumeist muss sich der Patient auch übergeben. Das Allgemeinbefinden der Betroffenen wird durch postoperative Übelkeit und Erbrechen erheblich eingeschränkt. Ist kein ausreichender Schutzreflex vorhanden, besteht das Risiko, dass Magensaft eingeatmet wird.

Dadurch kann es wiederum zu einem Mendelson-Syndrom kommen. Außerdem ist ein Verschluss der Atemwege möglich. Zeigt sich das Erbrechen wiederholt, drohen Störungen innerhalb des Elektrolythaushaltes. Gelegentlich kann es auch zu Rissen an der Speiseröhre- oder Luftröhre kommen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose von postoperativer Übelkeit und Erbrechen fällt nicht schwer. So kann der Arzt sie anhand der typischen Symptome rasch feststellen. Außerdem treten die Beschwerden unmittelbar nach einem chirurgischen Eingriff auf. Darüber hinaus spielen auch die Risikofaktoren eine wichtige Rolle. Die PONV geht in der Regel von selbst wieder zurück und hält ungefähr 24 Stunden an.

Allerdings wird das Wohlbefinden des Patienten in diesem Zeitraum stark beeinträchtigt. Daher gehören postoperative Übelkeit und Erbrechen zu den gravierendsten Problemen der Anästhesie. So wird der Patient durch Übelkeit und Erbrechen nicht selten mehr belastet als durch Wundschmerzen. Des Weiteren verspüren die betroffenen Personen mehr Angst vor dem Eingriff. In ausgeprägten Fällen können die Komplikationen derart groß sein, dass ein längerer Aufenthalt im Krankenhaus für die Patienten notwendig ist.

Komplikationen

Postoperative Übelkeit und Erbrechen spielen im Klinikalltag eine große Rolle und bringen in wenigen Fällen ernsthafte Komplikationen mit sich. Dennoch führt das generelle Unwohlsein bei operierten Patienten in seltenen Fällen dazu, dass sie durch die Übelkeit stärker leiden als durch die Operationsfolgen (Wundschmerzen zum Beispiel). So kann im schlimmsten Fall der Krankenhausaufenthalt aufgrund von aufgerissener Narben - bei Krämpfen, die aus dem Erbrechen resultieren - verlängert werden müssen.

Stark immobile Patienten haben zudem ein gewisses Risiko, an Erbrochenem zu ersticken. Insofern wird bei ihnen eine dauerhafte Überwachung notwendig. Dies trifft etwa auf Patienten mit Multipler Sklerose oder fortgeschrittener Demenz zu. Es kann zudem in seltenen Fällen zu Atemproblemen kommen. Auch Hautreizungen kommen vor.

Dadurch, dass bei lang anhaltender Übelkeit die Nahrungsaufnahme häufig verringert wird, kommt es in einigen Fällen vor, dass Patienten nicht zufriedenstellend genesen. Dies ist aber davon abhängig, welche Krankheiten vorliegen, wie schwerwiegend die Operation war und wie der Patient allgemein genährt ist. Das Wissen um die postoperative Übelkeit kann zudem bei Menschen mit einem Operationstermin Ängste schüren, was vor und nach der Operation zu psychischen Belastungen führt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Postoperative Übelkeit und Erbrechen ist ein Phänomen, das 20 bis 30 Prozent aller Menschen betrifft. Eine ärztliche Behandlung ist notwendig, wenn die Beschwerden länger als einige Stunden bestehen bleiben oder rasch stärker werden. Patienten, die sich noch im Krankenhaus befinden, während PONV auftritt, sollten den zuständigen Arzt informieren. Eine weitergehende Behandlung ist notwendig, wenn das postoperative Syndrom sich sehr negativ auf das Wohlbefinden auswirkt oder in Verbindung mit weiteren Beschwerden auftritt.

So sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden, wenn es neben PONV zu Fieber, Atemnot, Hautirritationen oder weiteren Magen-Darm-Beschwerden kommt. Frauen sind besonders gefährdet. Auch Nichtraucher sowie Menschen, die bereits einmal PONV oder die Reisekrankheit erlebt haben, gehören zu den Risikogruppen und sollten umgehend den Arzt informieren. Postoperative Übelkeit und Erbrechen wird vom Hausarzt oder einem Gastroenterologen behandelt. Wenn das Syndrom in der Klinik auftritt, sollte die anwesenden Krankenschwester über die Beschwerden informiert werden. Anschließend können die Beschwerden durch eine Umstellung der Medikation reduziert werden.

Behandlung & Therapie

Um postoperative Übelkeit und Erbrechen zu behandeln, ist die Gabe von Antiemetika möglich. Dabei handelt es sich um Arzneistoffe, die die Übelkeit verringern. Dazu gehören unter anderem das Kortikosteroid Dexamethason, das sich auch zur Kombination mit anderen Wirkstoffen eignet, das Neuroleptikum Droperidol, welches der Gruppe der Butyrophenone entstammt und am Dopamin-Rezeptor D2 wirkt, sowie 5HT3-Antagonisten, von denen 5HT3-Rezeptoren blockiert werden.

Weitere wirksame Antiemetika sind Metoclopramid, das der Gruppe der Benzamide angehört und an den Rezeptoren von Histamin, Serotonin und Dopamin wirkt, das Antihistaminikum Dimenhydrinat und Neurokininantagonisten. Ebenfalls wichtig für die Behandlung von PONV sind Modifikationen des Anästhesieverfahrens.

So können in manchen Fällen alternativ Regionalanästhesien durchgeführt werden, bei denen es seltener zu Übelkeit und Erbrechen kommt. Als sinnvoll gilt zudem der Verzicht auf Inhalationsanästhetika. Leidet der Patient unter dem Mendelson-Syndrom, erfolgt eine intensivmedizinische Therapie. Diese beinhaltet eine Intubation, künstliche Beatmung und die Gabe von Sauerstoff. Weiterhin werden Glukokortikoide, Antibiotika oder Bronchospasmolytika verabreicht.

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Vorbeugung

Um postoperative Übelkeit und Erbrechen von Anfang an zu unterbinden, erhält der Patient zu Beginn der Operation Dexamethason. Eine vorbeugende Wirkung entfalten zudem Antiemetika wie Dimenhydrinat, Droperidol und Setrone. Als Alternative für die Gabe von Inhalationsanästhetika gilt eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA). Ferner lässt sich das PONV-Risiko mit der Durchführung einer Regionalanästhesie reduzieren. Durch eine Kombination dieser Verfahren kann eine effiziente Risikoabsenkung erreicht werden.

Nachsorge

Übelkeit und Erbrechen gehören zu den gängigsten Nebenwirkungen nach einer Operation unter Vollnarkose. Eine intensivmedizinische Überwachung nach einem operativen Eingriff ist allgemein üblich. Aus diesem Grund entfällt die Frage nach einer Nachsorge, denn sie findet im Rahmen dieser engmaschigen Kontrolle statt.

Operierte Patienten sind nach einer Vollnarkose körperlich geschwächt. Bei postoperativem Erbrechen kann das Erbrochene verschluckt werden und in die Luftröhre gelangen. Eine Nachsorge ist daher notwendig, um derartige Folgeerscheinungen zu vermeiden. Zu häufiges Erbrechen belastet den Elektrolythaushalt. Bei der nachsorgenden Behandlung wird er überwacht. Bei Bedarf erhält der Patient Flüssigkeit am Tropf, um einem Kreislaufzusammenbruch vorzubeugen.

Die Ausprägung der postoperativen Symptome hängen von der körperlichen Verfassung des Patienten, von seinem Alter und von der Schwere des Eingriffs ab. Leidet der Betroffene trotz eines stabilen Allgemeinzustandes und einer leichten Operation unter ungewöhnlich starker Übelkeit, wird bei den nachsorgenden Kontrollen die Ursache erforscht. Ein anderes Medikament oder eine erhöhte Dosis können den Beschwerden entgegenwirken. Liegt die Ursache in einem anderen Bereich, wird der behandelnde Arzt oder der Anästhesist zu Rate gezogen. Er leitet weitere Untersuchungen ein oder überweist den Patienten auf eine andere Station.

Das können Sie selbst tun

Dies ist die häufige Folge einer Narkose, die Frauen doppelt so oft trifft wie Männer. Für die Patienten ist es sicher beruhigend zu wissen, dass dieser Zustand zwar äußerst unangenehm, aber nicht von Dauer ist. In der Regel ist die Übelkeit bereits am nächsten Tag verschwunden.

Allerdings müssen die Betroffenen in dieser Zeit darauf achten, dass sie Erbrochenes und Magensaft nicht einatmen, weil es sonst zu Komplikationen kommen könnte. Erbricht der Patient mehrfach heftig, kann es auch zu Rissen in der Speiseröhre kommen. Daher ist es wichtig, dass die Patienten dem Pflegepersonal beziehungsweise den Ärzten berichten, dass sie an postoperativer Übelkeit leiden. Dann können sie von den Klinikmitarbeitern überwacht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Betroffenen aufgrund des Eingriffs nicht bewegen und sich damit auch nicht selbst helfen können.

Trotz der Übelkeit ist es wichtig, dass die Patienten ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, um die entstandenen Defizite auszugleichen. Das gilt auch für den nächsten Tag, wenn die Übelkeit vorbei ist, aber der Patient am Vortag zu wenig gegessen und getrunken hat. Um nach einer Operation wieder zu genesen, ist es wichtig, ausreichend Nährstoffe zu sich zu nehmen. Das gelingt am besten durch frische Säfte, nahrhafte Suppen und Brühen sowie Haferschleim oder -brei, falls der Patient noch keine normale Kost zu sich nehmen kann.

Quellen

  • Leuwer, M., et al.: Checkliste Intensivmedizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Schulte am Esch, J., et al.: Anästhesie und Intensivmedizin. Thieme, Stuttgart 2011
  • Wilhelm, W. (Hrsg.): Praxis der Intensivmedizin. Springer, Berlin 2013

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