Postpartum-Thyreoiditis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Postpartum-Thyreoiditis ist eine mehrphasige Entzündung der Schilddrüse, die unmittelbar nach einer Schwangerschaft auftreten kann und mittlerweile als eine Sonderform der autoimmunen Hashimoto-Thyreoiditis angesehen wird. In der ersten Phase der Erkrankung leiden die Betroffenen an einer Überfunktion der Hormondrüse, die von einer Unterfunktion gefolgt ist. Die Normalisierung stellt sich meist ohne Behandlung ein.
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Was ist eine Postpartum-Thyreoiditis?
Die Schilddrüse ist eine der relevantesten Hormondrüsen im menschlichen Körper. Die Drüse produziert die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin T3 und Thyroxin T4, die auf annähernd alle Körperzellen wirken und in den Zellen den lebenswichtigen Energiestoffwechsel anregen. Die Schilddrüse wird in ihrer Tätigkeit durch das Hypothalamushormon TSH-Releasing-Hormon geregelt und zusätzlich vom Hypophysenhormon TSH funktionell reguliert.
Unterschiedliche Erkrankungen können die Schilddrüse in ihrer Funktion beeinträchtigen. Eine davon ist die Thyreoiditis oder Schilddrüsenentzündung. Unterschiedliche Erkrankungen mit verschiedenen Ursachen zeichnen sich durch Entzündungen der Schilddrüse aus.
Die postpartum-Thyreoiditis oder postpartale Thyreoiditis ist eine solche Erkrankung und tritt meist kurz nach einer Schwangerschaft auf. Etwa sieben Prozent aller frischgebackener Mütter erkranken an einer Postpartum-Thyreoiditis. Bei der Erkrankung handelt es sich um eine Schilddrüsenentzündung mit vergleichsweise mildem Verlauf, die mit günstiger Prognose verbunden ist.
Ursachen
Einige Risikofaktoren können das Auftreten einer Postpartum-Thyreoiditis nach einer Schwangerschaft begünstigen. Frauen mit Diabetes mellitus Typ I erkranken beispielsweise in bis zu 25 Prozent aller Fälle an der Schilddrüsenentzündung. Auch Patientinnen mit Schilddrüsenantikörpern besitzen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.
Für autoimmune Schilddrüsenerkrankungen und im Speziellen die Postpartum-Thyreoiditis wurde von familiärer Häufung berichtet. Daher sind auch Frauen mit entsprechenden Fällen in der Familie von erhöhtem Risiko betroffen. Ist die Postpartum-Thyreoiditis nach einer vorausgegangenen Schwangerschaft aufgetreten, so erkranken die Betroffenen in ihren Folgeschwangerschaften mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 70 Prozent abermals.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Frauen mit Postpartum-Thyreoiditis leiden an einem variabel klinischen Bild, das der Silent-Thyreoiditis ähnlich sein kann. Klassischerweise verläuft die Erkrankung in drei Phasen. Bis zu sechs Monate nach der Entbindung eines Kindes entwickeln die frisch gebackenen Mütter eine rund zwei Monate andauernde Überfunktion der Schilddrüse, die von einer vier- bis achtmonatigen Schilddrüsenunterfunktion gefolgt ist.
Nach den ersten beiden Phasen normalisiert sich die Schilddrüsenfunktion vorerst. In anderen Fällen hat sich die entzündliche Erkrankung ausschließlich in Form einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Schilddrüsenüberfunktion manifestiert. Nach einem Jahr waren annähernd alle Patientinnen wieder beschwerdefrei. Allerdings ist der Übergang in eine anhaltende Schilddrüsenunterfunktion nicht gänzlich auszuschließen.
Symptomatisch für die Erkrankung können Stoffwechselanomalien, Hyperthyreose, Hypothyreose, Stimmungsschwankungen, gestörtes Temperaturempfinden und ähnliche Beschwerden sein. Schmerzen treten im Rahmen der Postpartum-Thyreoiditis in aller Regel nicht auf.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose der Postpartum-Thyreoiditis wird vom Arzt auf Basis der Anamnese und des Hormonstatus gestellt. Über den Hormonstatus lässt sich abhängig von der jeweiligen Phase eine Schilddrüsenüberfunktion oder -unterfunktion nachweisen. Um die entzündliche Basis nachzuweisen, können Bildgebungen der Schilddrüse sowie histologische Untersuchungen des befallenen Schilddrüsengewebes durchgeführt werden.
Grundsätzlich besteht für betroffene Frauen eine günstige Prognose. Die Symptome legen sich im Normalfall innerhalb der nächsten Monate von selbst. Nur in den seltensten Fällen tritt eine dauerhafte Störung der Schilddrüsenfunktion ein.
Komplikationen
Die Dauer dieser Erkrankung kann im Allgemeinen nicht vorausgesagt werden. Die Hormonproduktion der Schilddrüse normalisiert sich allerdings in den meisten Fällen wieder. Es kann während der Postpartum-Thyreoiditis allerdings zu einem leichten Übergewicht und zu einem gestörten Stoffwechsel kommen. Auch Stimmungsschwankungen oder ein gestörtes Temperaturempfinden können dabei auftreten und sich negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen auswirken.
Die meisten Patienten leiden aufgrund der Postpartum-Thyreoiditis nicht an Schmerzen. Eine direkte Behandlung ist in vielen Fällen nicht notwendig. Die Krankheit kann allerdings durch die Einnahme von Hormonen und anderen Medikamenten unterstützt werden.
Im Falle von Depressionen oder anderen psychischen Beschwerden ist eine entsprechende Therapie notwendig. Allerdings stellt sich bei der Postpartum-Thyreoiditis stets ein positiver Krankheitsverlauf ein. Die Lebenserwartung des Patienten wird von der Krankheit in der Regel nicht beeinflusst.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Unmittelbar nach der Niederkunft findet eine Umstellung des Hormonsystems im weiblichen Organismus statt. Das führt zu Veränderungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Unregelmäßigkeiten. Bei der Postpartum-Thyreoiditis wird im Normalfall kein Arzt benötigt, da sich die Störungen im weiteren Verlauf selbständig regulieren.
Eine rechtzeitige umfangreiche Aufklärung über die körperlichen Veränderungen nach der Geburt ist anzuraten. Diese kann virtuell durch entsprechende Beiträge im Internet erfolgen oder durch die Nutzung von Fachliteratur rund um die Geburt. Darüber hinaus helfen Gespräche im Vorfeld mit dem Frauenarzt oder der Hebamme. In vielen Fällen kann die Rücksprache mit Frauen ausreichend sein, die bereits ein Kind zur Welt gebracht haben. Im gegenseitigen Austausch werden offene Fragen geklärt und Zweifel genommen. Darüber hinaus kann die Aussicht auf die weitere Entwicklung hilfreich sein, um zu entscheiden, ob ein Arztbesuch angezeigt ist.
Die Nachfrage bei einem Arzt ist zu empfehlen, wenn es zu anhaltenden Unsicherheiten oder Ängsten kommt. Können die vorhandenen Fragen nicht von Menschen aus dem Umfeld geklärt werden, ist eine Rücksprache mit dem Arzt anzuraten. Nehmen Sorgen, Nöte oder Unregelmäßigkeiten an Intensität oder Umfang zu, wird empfohlen, sich Hilfe zu suchen. Kommt es aufgrund der Beschwerden zu Unregelmäßigkeiten im Umgang mit dem Säugling ist ebenfalls ein Arztbesuch zu empfehlen.
Behandlung & Therapie
In den meisten Fällen benötigen Frauen mit Postpartum-Thyreoiditis keine weiterführende Therapie. Die Beschwerden bilden sich oft schon nach wenigen Tagen vollständig zurück. Eine normale Schilddrüsenfunktion stellt sich wieder ein. Da die Ursachen der Erkrankung bislang nicht abschließend geklärt sind, steht eine kausale Therapie ohnehin nicht zur Verfügung.
In schweren Fällen kann allerdings eine symptomatische Therapie Sinn machen. Diese symptomatische Therapie entspricht bei einer Unterfunktion der Schilddrüse in der Regel einer konservativ medikamentösen Hormonsubstitution mit Medikamenten wie Levothyroxin. Bei einer Überfunktion der Schilddrüse wird in der Regel eine symptomatische Behandlung mit Thyreostatika angestrebt.
Diese Medikamente hemmen die Produktion der Schilddrüsenhormone. Schwefelhaltige Thyreostatika wie Propylthiouracil oder Carbimazol besitzen eine einwöchige Wirklatenz und müssen für schnellere Wirkung mit weiteren Medikamenten kombiniert werden. Allerdings haben sich Thyreostatika bei Hyperthyreosen im Rahmen von Schilddrüsenentzündungen in der Vergangenheit oft als wenig wirksam herausgestellt.
Innerhalb der Schilddrüse sind Hormone gespeichert, die trotz der gehemmten Bildung freigesetzt werden können. Aus diesem Grund stellt sich die symptomatische Behandlung einer entzündungsbedingten Überfunktion als deutlich schwieriger heraus als die symptomatische Therapie einer entzündungsbedingten Unterfunktion.
Falls durch die Schilddrüsendysfunktion Gemütsschwankungen oder gar depressive Verstimmungen eintreten, ist eine psychotherapeutische Betreuung der betroffenen Frauen denkbar. Da viele Frauen unmittelbar nach einer Schwangerschaft ohnehin an Stimmungskrisen leiden, macht der Schritt der Psychotherapie umso mehr Sinn.
Vorbeugung
Der Postpartum-Thyreoiditis lässt sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum vorbeugen. Die Ursachen sind bislang noch zu wenig geklärt, als dass bereits präventive Maßnahmen existieren würden. Der familiäre Zusammenhang lässt zwar die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung abschätzen, liefert aber keine Ansatzpunkte zur Prävention.
Die betroffenen Frauen können ihr eigenes Risiko für die Postpartum-Thyreoiditis mittlerweile mehr oder weniger genau abschätzen lassen und sich damit psychisch auf den Krankheitsfall vorbereiten, der Erkrankung aktiv entgehen können sie bislang aber nicht.
Nachsorge
Die Nachsorge der postpartumen Thyreoiditis beläuft sich vor allem die regelmäßige Vorstellung beim Hausarzt oder Endokrinologen. Auch der behandelnde Gynäkologe kann hier eine optimale Anlaufstelle sein. In der Nachsorge geht es vor allem um die in kurzen Abständen erfolgende Blutentnahme, um festzustellen, dass die Thyreoiditis ausgeheilt ist.
Kommt es zu einer dauerhaften Folgeerkrankung, kann eine lebenslange Behandlung mit Schilddrüsenmedikamenten erforderlich sein. Ein weiterer Punkt der Nachsorgebehandlung ist die Darstellung der Schilddrüse im bildgebenden Verfahren. Hier wird als erstes der Ultraschall angewandt, dies kann oft direkt beim Hausarzt erfolgen. Es können hier Spätfolgeveränderungen an der Schilddrüse festgestellt werden, wie zum Beispiel eine Vergrößerung oder Verkleinerung beziehungsweise die Bildung von Knoten.
In manchen Fällen kann auch eine Untersuchung durch einen Radiologen erforderlich sein. Dies ist vor allem dann angezeigt, wenn es Hinweise auf eine unzureichende Ausheilung, unklare Befunde im Ultraschall oder ein erneutes Aufflammen der postpartumen Thyreoiditis beziehungsweise das Auftreten einer Folgeerkrankung gibt. Die Patientin sollte gewissenhaft zu den vereinbarten Nachsorgeuntersuchungen erscheinen, da eine nicht oder nicht ausreichend behandelte Schilddrüsenerkrankung erhebliche Folgen auf den gesamten Körper und die Stoffwechselvorgänge haben kann.
Das können Sie selbst tun
Nahe Angehörige sollten über den Verlauf der postpartalen Thyreoiditis informiert werden. Depressive Verstimmungen, innere Unruhe, Gewichtsveränderungen und Haarausfall stoßen dadurch auf Verständnis im Umfeld der Patientin. Zusätzlicher Stress und Schuldgefühle werden vermieden. Hilfe bei der Betreuung des Säuglings erleichtert der Patientin den Alltag ebenfalls. Die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Alltagsbewältigung richtet sich nach den Symptomen. Bei vorliegender Euthyreose sind keine weiteren Maßnahmen notwendig.
Eine übermäßige Gewichtszunahme bei vorliegender Hypothyreose kann durch eine Anpassung der Essgewohnheiten an das verminderte Hungergefühl verringert werden. Ruhe und ausreichender Schlaf ermöglichen die Bewältigung des Alltags trotz verlangsamtem Stoffwechsel. Bei Muskelverspannungen helfen Massagen und warme Auflagen. Bei trockener Haut empfehlen sich Feuchtigkeitscremes und eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme. Verstopfungssymptomen wirken eine hohe Flüssigkeitszufuhr, ballaststoffreiche und stuhlfördernde Ernährung, Bewegung, Bauchmassagen und die Vermeidung stopfender Lebensmittel entgegen.
Bei vorliegender Hyperthyreose eignen sich Sport, Yoga, Pilates und Entspannungsübungen zur Bewältigung innerer Unruhe. Eine dem größeren Appetit entsprechend erhöhte Kalorienaufnahme verhindert eine übermäßige Gewichtsabnahme durch den beschleunigten Metabolismus. Die Unterrichtung medizinischen Fachpersonals über weiteren Kinderwunsch stellt die Einstellung der Schilddrüsenwerte im Normalbereich vor erneuter Empfängnis sicher.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013