Priapismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Priapismus bezeichnet man eine krankhafte, mehr als zwei Stunden anhaltende und meist schmerzhafte Dauererektion des männlichen Gliedes. Priapismus tritt unabhängig von sexueller Erregung auf; zum Orgasmus und/oder zur Ejakulation kommt es in diesem Zustand nicht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Priapismus?

Erkennbar ist Priapismus zumeist daran, dass zwar die Penisschwellkörper maximal erigiert sind, die Eichel aber weich und im Vergleich zur gesunden Erektion verhältnismäßig klein bleibt.
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Mitunter klingt eine zunächst normale Erektion des Penis nach sexuellen Aktivitäten nicht mehr ab, so z. B. nach Einnahme oder Überdosierung erektionsfördernder Mittel oder Verletzungen der Penisschwellkörper bei Geschlechtsverkehr oder Masturbation.

Priapismus ist immer ein urologischer Notfall, der baldmöglichst durch einen Arzt behandelt werden sollte. Geschieht das nicht, besteht die Gefahr einer dauerhaften Schädigung der Penisschwellkörper und damit einer Erektilen Dysfunktion (ED, Impotenz).

Benannt ist die Erkrankung nach dem griechischen Fruchtbarkeitsgott Priapos, der in der Kunst regelmäßig mit übergroßem, erigiertem Penis dargestellt wird.

Ursachen

Priapismus ist in den meisten Fällen (90 %) unmittelbare Folge eines stark verminderten oder völlig unterbrochenen Abflusses venösen Blutes aus den Penisschwellkörpern (Low-Flow-Priapismus). Wegen der damit verbundenen mangelhaften Sauerstoffversorgung der glatten Penismuskulatur besteht hier die akute Gefahr einer dauerhaften Schädigung des Schwellkörpergewebes mit der Folge einer Erektilen Dysfunktion.

Darüber hinaus ist in ca. 10 % der Fälle ein wesentlich verstärkter Bluteinstrom in den Penis für die Dauererektion verantwortlich (High-Flow-Priapismus).

Das Risiko einer Sauerstoffunterversorgung ist hier jedoch geringer. Gelegentlich ist diese Form des Priapismus sogar schmerzfrei, bedarf aber nicht minder einer alsbaldigen ärztlichen Behandlung.

Die genauen Gründe des Priapismus sind in etwa 50 bis 60 % % der Fälle nicht bekannt oder nicht sicher feststellbar.

Häufig geht Priapismus jedoch mit folgenden Verhaltensweisen bzw. Krankheitsbildern einher:

  • versehentliche oder absichtliche Überdosierung erektionsfördernder Medikamente, insbesondere sogenannter PDE-5-Hemmer (Viagra, Levitra, Cialis),
  • Verletzungen der Penisschwellkörper, Penistraumata (z. B. nach Operation, Unfall, aber auch durch zu enge, unflexible Penisringe, die bei vollständiger Erektion des Gliedes nicht mehr abgenommen werden können und die Durchblutung und damit die Sauerstoffversorgung des Penis blockieren,
  • Verletzungen der Wirbelsäule, des Rückenmarkes und/oder der reizweiterleitenden Nervenbahnen vom Gehirn zu den Geschlechtsorganen,
  • allergische Reaktionen bei Anwendung erektionsfördernder Präparate, die in die Penisschwellkörper injiziert werden (Schwellkörper-Autoinjektionstherapie, kurz: SKAT),
  • der Biss der „Schwarzen Witwe“ und artverwandter Spinnen, die das Nervengift Alpha-Latrotoxin abgeben und ihr Netz bevorzugt unter Toilettensitzen anlegen. Ähnliches gilt für die noch giftigere Brasilianische Wanderspinne.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome, die beim Priapismus auftreten, sind abhängig davon, was den Priapismus verursacht. So wird hier zwischen der Symptomatik eines Low-Flow-Priapismus und der Symptomatik eines High-Flow-Priapismus unterschieden. Der Low-Flow-Priapismus zeigt sich primär durch eine anhaltende Erektion.

Diese dauert länger als zwei Stunden an und führt mitunter zu sehr starken Schmerzen. Der Bereich der Eichel verfärbt sich zunehmend blau und verliert an dann Farbe. Es kommt zu einer Sauerstoffunterversorgung des Gewebes und damit mit zunehmender Dauer der Erektion zu Gewebeschäden. Die Schmerzen verstärken sich häufig mit zunehmender Dauer der Erektion. Dabei sind die Schwellkörper maximal erigiert, da der Blutrückfluss behindert ist. Diese Form des Priapismus macht circa neun aus zehn Fällen aus.

Die restlichen zehn Prozent der Fälle zeigen die Symptomatik eines High-Flow-Priapismus. Auch hier kommt es zu einer anhaltenden Erektion, die aber selten schmerzhaft ist. Stattdessen ist die Erektion häufig pulsierend und das Glied bleibt noch bis zu einem gewissen Grad elastisch.

Entsprechend der Ursachen für einen High-Flow-Priapismus treten zudem Schmerzen und Schwellungen an der möglichen Verletzungsstelle auf. Bei Frauen wird eine Dauererektion der Klitoris als Klitorismus bezeichnet. Auch er geht mit Schmerzen einher. Es wird hier aber nicht wie beim männlichen Priapismus zwischen den Formen unterschieden.

Diagnose & Verlauf

Erkennbar ist Priapismus zumeist daran, dass zwar die Penisschwellkörper maximal erigiert sind, die Eichel aber weich und im Vergleich zur gesunden Erektion verhältnismäßig klein bleibt.

Typisch ist eine Verkrümmung des Gliedes nach oben.

Dauert der Zustand länger an, kommt es zur Blaufärbung der Vorhaut, anschließend der Eichel und schließlich des gesamten Penis, was ein alarmierender Hinweis auf einen für das betroffene Gewebe existenzbedrohenden Sauerstoffmangel ist.

Die ärztliche Diagnose erfolgt meist im Patientengespräch und wird durch die Laboranalyse einer Blutprobe aus den Penisschwellkörpern abgesichert. Die Untersuchung des Penis mittels Ultraschall (Duplex-Sonografie) ermöglicht es insbesondere, Verletzungen der Schwellkörper, der Blutgefäße oder andere Ursachen des Priapismus zu erkennen und exakt zu lokalisieren.

Komplikationen

Priapismus ist in jedem Stadium als medizinischer Notfall zu betrachten und unverzüglich zu behandeln. Mit der Behandlung des Low-Flow-Priapismus sollte spätestens vier bis sechs Stunden nach Auftreten der Dauererektion begonnen werden, um Spätfolgen zu vermeiden. Wird der Priapismus nicht behandelt, kann dies zu einem dauerhaften Potenzverlust führen.

Mit Komplikationen trotz rechtzeitiger Behandlung ist vor allem dann zu rechnen, wenn eine Operation erforderlich wird, weil eine Punktierung des Penis sowie eine Spülung der Schwellkörper mit Kochsalzlösung nicht erfolgreich war. Im Fall einer Operation kann es zu einer Verletzung des Penis und der umliegenden Areale kommen. Starke Blutungen, Nachblutungen und Blutergüsse sind ebenso möglich wie Nervenschäden an der Eichel, wodurch das sexuelle Empfinden beeinträchtigt werden kann. Weitere mögliche Komplikationen sind Infektionen und Wundheilungsstörungen. Auch eine abnorme Narbenbildung ist möglich.

Unabhängig von der Behandlungsmethode kann sich die Form des Penis nach einem Priapismus dauerhaft verändern, wobei insbesondere mit einer Verkrümmung zu rechnen ist. In diesem Fall stellen sich häufig psychische Komplikationen ein. Die betroffenen Männer fühlen sich entstellt und entwickeln Komplexe, oftmals auch gegenüber ihrer Partnerin oder ihrem Partner, was mit einer beträchtlichen Einschränkung der Lebensqualität einhergeht und eine Psychotherapie erforderlich machen kann.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn eine Erektion länger als zwei bis drei Stunden anhält und mit starken Schmerzen einhergeht, sollte zügig ein Arzt aufgesucht werden. Ein Priapismus stellt meist einen medizinischen Notfall dar und kann unbehandelt zu erektiler Dysfunktion führen. Betroffene lassen sich am besten sofort behandeln, um bleibende Schäden zu vermeiden. Sollte die Schwellung über Nacht bestehen bleiben oder mit körperlichen Beschwerden wie Schüttelfrost und Fieber verbunden sein, empfiehlt sich ein Arztbesuch.

Personen, die an Bluterkrankungen, Tumoren, Thrombosen, Stoffwechselerkrankungen oder Schädigungen des Nervensystems leiden, sind besonders gefährdet, einen Priapismus zu erleiden. Wer zu den Risikogruppen zählt, sollte mit den beschriebenen Symptomen den Hausarzt aufsuchen. Weitere Anlaufstellen sind der Urologe oder ein Internist. Die Behandlung findet normalerweise in einer Fachklinik statt, wobei unter Umständen auch eine medikamentöse Behandlung möglich ist, die in der Arztpraxis durchgeführt werden kann. Erfolgt die Therapie frühzeitig, kann in bis zu 90 Prozent der Fälle eine dauerhafte Schädigung des Organs vermieden werden.

Behandlung & Therapie

Bei der Behandlung des Priapismus steht zunächst die Schmerzbekämpfung im Vordergrund. Nur der seltene High-Flow-Priapismus ist manchmal schmerzfrei. Sodann wird versucht, das Abschwellen des Gliedes durch Verabreichung spezieller Medikamente zu erreichen. Gelingt das nicht, erfolgt eine Verringerung der Blutmenge im Penis, indem per Spritze/Kanüle Blut aus den Schwellkörpern entnommen wird. Gefäßerweiternde Injektionen dienen dazu, den Blutrückfluss aus dem Glied in den Körper wiederherstellen oder zu verbessern.

Als letzte Möglichkeit kann schließlich ein operativer Eingriff indiziert sein. Dabei wird entweder die Blutzufuhr zum Penis gehemmt oder der Blutabfluss aus dem Glied verbessert, indem eine künstliche Verbindung zwischen venösem und arteriellem System hergestellt, der Penis „entlastet“ und der Priapismus damit beendet wird (Shunt-OP).


Vorbeugung

Eine wirksame Vorbeugung gegen Priapismus besteht im Wesentlichen darin, diejenigen Ursachen bewusst zu vermeiden, auf die der Mann selbst Einfluss hat, etwa, indem er erektionsfördernde Mittel und Aphrodisiaka verantwortungsbewusst nutzt, Drogenmissbrauch meidet und beim Umgang mit diversen Sexspielzeugen Vorsicht walten lässt.

Nachsorge

Die Nachsorge des Priapismus richtet sich nach den Auswirkungen, die solch eine Dauererektion beim Patienten ausgelöst hat. Wichtig ist in der Akutbehandlung, dass die Ursache des Priapismus schnellstmöglich gefunden und behoben werden konnte, beziehungsweise der Patient sich schnell genug in eine fachkundliche Behandlung begeben hat.

Folgen des Priapismus wie eine erektile Dysfunktion können nicht ausgeschlossen werden und müssen in der Nachsorge durch einen Urologen behandelt werden. Nach- oder Spätfolgen treten meist auf, wenn die Behandlung erst viele Stunden nach dem Auftreten des Priapismus begonnen wurde.

In sehr schlimmen Fällen kann es auch zu Spätfolgen wie einer Penisdeviation kommen, bei der der Penis verkrümmt ist. Ganz selten gibt es auch Formen von Gewebsnekrosen, bei denen Gewebe des Penis abstirbt. Direkt nach der Akutbehandlung, die manchmal auch operative Eingriffe erforderlich macht, muss die Nachsorge angeschlossen werden. Hier ist sicherzustellen, dass keine der Spätfolgen beim Patienten eintritt und das Organ einwandfrei in seiner Funktion erhalten werden konnte.

Treten erste Anzeichen von Spätfolgen auf, ist der Patient sofort dem Urologen vorzustellen, der weitere Maßnahmen je nach Bedarf planen kann. Konnte der Priapismus schnell und vollständig behandelt werden, ist davon auszugehen, dass der Patient komplett geheilt werden konnte und keine umfangreiche Nachsorge erforderlich ist.

Das können Sie selbst tun

Meist lässt sich ein Priapismus stoppen, indem Sport getrieben wird. Zeigen diese Maßnahmen keine Wirkung, muss eine Operation durchgeführt werden. Betroffene, die immer wieder an Dauererektionen leiden, die erst nach zwei oder mehr Stunden abklingen und mit starken Schmerzen einhergehen, sollten den Hausarzt konsultieren.

Oft genügt es, regelmäßig Entspannungsübungen durchzuführen, moderaten Sport zu treiben und gegebenenfalls blutverdünnende Mittel einzunehmen. Eine angepasste Diät kann den Blutfluss ebenfalls regulieren. Sollten die Beschwerden fortbestehen, muss zum Urologen gegangen werden. Bei starken Beschwerden empfiehlt sich ein Besuch im Krankenhaus oder ein Gespräch mit dem ärztlichen Notdienst. Da die Dauererektion oftmals in ungünstigen Situationen auftritt, sollte Unterwäsche mit engem Bund getragen werden. Der Penis darf jedoch nicht gewaltsam bewegt werden, da dies zu Gewebeschäden führen kann. Sollten die Beschwerden im Zusammenhang mit Alkohol, Drogen und Medikamenten auftreten, kann zunächst das auslösende Mittel abgesetzt werden.

Bei chronischen Beschwerden ist in jedem Fall ein operativer Eingriff vonnöten. Nach einer Operation gelten Schonung, Bettruhe und verschiedene Hygienemaßnahmen. Betroffene wenden sich am besten an einen Urologen oder an den ärztlichen Notdienst.

Quellen

  • Gasser, T.: Basiswissen Urologie. Springer, Berlin 2011
  • Haag, P., Harnhart, N., Müller, M. (Hrsg.): Gynäkologie und Urologie. Für Studium und Praxis 2014/15. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2014
  • Sökeland, J., Schulze, H., Rübben, H.: Urologie. Thieme, Stuttgart 2004

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