Progressive supranukleäre Blickparese

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Von knapp 100.000 Menschen erkranken etwa sechs bis sieben Personen an der sogenannten progressiven supranukleären Blickparese . Die - auch als PSP bekannte - Funktionsstörung des Gehirns kann mit der parkinsonschen Krankheit verglichen werden. Die Ursachen der Erkrankung sind bislang unbekannt; es gibt keine Heilung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine progressive supranukleäre Blickparese?

Liegt der Verdacht einer progressiven supranukleären Blickparese vor, beginnt der Mediziner mit einer körperlichen Untersuchung und ordnet eine Magnetresonanztherapie (MRT) an. Mittels MRT kann der Mediziner feststellen, ob eine veränderte Form des Hirnstamms vorliegt.
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Die progressive supranukleäre Blickparese beziehungsweise PSP beschreibt eine Funktionsstörung des menschlichen Gehirns. Die Ärzte Dr. John C. Steele, Dr. J. Olszewski und Dr. J.C. Richardson entdeckten die progressive supranukleäre Blickparese im Jahr 1963. Aus diesem Grund bezeichnen viele Mediziner die Funktionsstörung des Gehirns auch als sogenanntes Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom, das auch unter der Abkürzung SRO bekannt ist.

Die progressive supranukleäre Blickparese tritt überwiegend in der zweiten Lebenshälfte auf, wobei Männer häufiger als Frauen erkranken. Von rund 100.000 Menschen erkranken etwa sechs bis sieben Personen im Laufe ihres Lebens an der progressiven supranukleären Blickparese.

Ursache

Die Ursache der Entstehung der progressiven supranukleären Blickparese ist weitgehend unbekannt. Viele Forscher vertreten der Ansicht, dass sie auf Grund von Wechselwirkungen sowie Umwelteinflüssen entsteht. Mitunter können auch genetische Veränderungen ein Grund sein. Es gibt auch Theorien der Viruserkrankung, welche in weiterer Folge die Zellen der Gehirnnerven zerstört.

Ebenfalls gibt es Forscher, welche die Ansicht vertreten, dass Schadstoffe, die jahrzehntelang über die Umwelt aufgenommen wurden, mitunter eine progressive supranukleäre Blickparese auslösen können. Seit geraumer Zeit sind Mediziner in Kenntnis darüber, dass es unterschiedliche Verlaufsformen der progressiven supranukleären Blickparese gibt.

So kann der Patient unter dem Richardson-Syndrom (der klassischen progressiven supranukleären Blickparese, welche zum ersten Mal im Jahr 1963 dokumentiert wurde) sowie auch an Verlaufsformen erkranken, welche auch mit der parkinsonschen Krankheit vergleichbar sind und einen ähnlichen Krankheitsverlauf mit sich bringen (jene Verlaufsform wird auch als „Pure Akinesia with Gait Freezing“ beziehungsweise „PAGF“ genannt).

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome sind unterschiedlich. Jedoch gibt es mehrere Anzeichen, die bei vielen Patienten beobachtet werden konnten. Darunter zählen etwa plötzliche Stürze sowie auch enorme Schwierigkeiten in der Fortbewegung beziehungsweise beim Gehen. Ebenfalls leiden viele Patienten an Gleichgewichtsproblemen beziehungsweise klagen über Sehprobleme (die Betroffenen leiden unter einem verschwommenen Sehen sowie auch Doppelbildern).

Weitere Symptome, die auf eine progressive supranukleäre Blickparese hinweisen, sind Schluck- sowie auch Sprechprobleme. In einigen Fällen wurden auch Veränderungen der Gemütslage sowie der Persönlichkeit festgestellt. Ein weiteres klassisches Symptom, das mitunter auch für die Namensgebung der Erkrankung verantwortlich ist, ist die Problematik der Augenbewegung. Schlussendlich bedeutet Blickparese nichts anderes als eine Blicklähmung; die Betroffenen haben daher Probleme mit der Bewegung ihrer Augen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Liegt der Verdacht einer progressiven supranukleären Blickparese vor, beginnt der Mediziner mit einer körperlichen Untersuchung und ordnet eine Magnetresonanztherapie (MRT) an. Mittels MRT kann der Mediziner feststellen, ob eine veränderte Form des Hirnstamms vorliegt. Ebenfalls können nuklearmedizinische Verfahren (PET) angewandt werden, welche die Aktivität von Dopamin überprüfen. In weiterer Folge untersucht der Mediziner den Liquor (Nervenwasser), damit etwaige andere Erkrankungen, welche ähnliche Symptome aufweisen, ausgeschlossen werden können.

Die progressive supranukleäre Blickparese kann nicht aufgehalten werden. Es gibt jedoch Medikamente, welche mitunter die auftretenden Symptome lindern beziehungsweise den Krankheitsverlauf verlangsamen. Das bedeutet, dass die Betroffenen länger am sozialen, „normalen“ Leben teilhaben können. Vor allem dann, wenn die progressive supranukleäre Blickparese im Frühstadium erkannt wird, helfen die Medikamente, welche auch bei Parkinson eingesetzt werden, dass der Verlauf hinausgezögert werden kann.

Das Problem an den Medikamenten ist jedoch, dass diese nicht - wie bei Parkinson - auf lange Zeit anhalten, sondern nach gewisser Zeit unwirksam werden, da die Gehirnzellen (auf Grund der Funktionsstörung) absterben und somit eine Aufnahme nicht mehr möglich ist.

Komplikationen

In der Regel gibt es bei dieser Krankheit keine Behandlung und damit auch keine Heilung. Der Betroffene muss dabei sein gesamtes Leben lang mit den Beschwerden leben. In erster Linie kommt es bei dieser Krankheit zu erheblichen Bewegungseinschränkungen. Die Betroffenen leiden dabei sehr oft an plötzlichen Stürzen und können sich bei diesen auch schwer verletzen.

Auch Beschwerden des Gleichgewichtes und der Koordination treten dabei auf und verringern erheblich die Lebensqualität des Patienten. Weiterhin können die Beschwerden auch auf andere Menschen in ihrem Leben angewiesen sein. Die Krankheit führt auch zu Sehbeschwerden und möglicherweise zu Doppelbildern. Auch Sprachbeschwerden oder Schluckbeschwerden können dabei auftreten. Hierbei kommt es zu Problemen bei der Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten, sodass die Betroffenen an Untergewicht oder an verschiedenen Mangelerscheinungen leiden können.

Auch eine Blicklähmung tritt dabei ein, sodass die Patienten ihre Augen gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bewegen können. Weitere Komplikationen treten dabei nicht auf. Mit Hilfe von Medikamenten können psychische Störungen eventuell eingeschränkt werden. Eine vollständige Behandlung und Heilung tritt bei dieser Krankheit allerdings nicht ein.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Besonderheiten oder Auffälligkeiten der Mobilität sind beunruhigende Hinweise und Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Kommt es zu Stürzen, Gangunsicherheiten oder Problemen bei der Fortbewegung, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Störungen des Gleichgewichts, Schwindel und eine erhöhte Unfallgefahr sind näher untersuchen zu lassen. Eine verminderte Sehkraft, ein verschwommenes Sehvermögens oder die Wahrnehmung von Doppelbildern sind untersuchen und behandeln zu lassen.

Bei Unregelmäßigkeiten der Sprachgebung, Beeinträchtigungen des Schluckaktes oder einer Verweigerung der Nahrungsmittelzufuhr wird ein Arzt benötigt. Halten die Beschwerden über eine längere Zeit an oder nehmen sie stetig an Intensität zu, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Unterliegen die Augenbewegungen nicht mehr der Willkürkraft des Betroffenen, ist ein Arztbesuch notwendig. Ein starrer Blick sowie eine Lähmungserscheinung im Auge sollten einem Arzt vorgestellt werden.

Leidet der Betroffene zusätzlich unter emotionalen Auffälligkeiten, besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Veränderungen des Verhaltens oder der Persönlichkeit sind besorgniserregend. Stimmungsschwankungen, ein Rückzug aus dem sozialen Leben oder aggressive Tendenzen sollten mit einem Arzt besprochen werden. Bei Angstzuständen, depressiven Phasen oder Schlafstörungen ist eine Abklärung der Beschwerden anzuraten. Können die alltäglichen Verpflichtungen nicht mehr ohne fremde Hilfe erfüllt werden oder liegt eine Berufsunfähigkeit durch die verminderte Sehkraft vor, wird ein Arzt benötigt, damit ein Behandlungsplan erstellt werden kann.

Behandlung & Therapie

Eines der Hauptprobleme ist die Tatsache, dass die progressive supranukleäre Blickparese nur sehr schwer diagnostiziert wird. Viele Mediziner wussten früher gar nicht, dass der Patient unter dieser Funktionsstörung litt. Aus diesem Grund wurden Therapien sowie Behandlungen relativ spät begonnen. Heute hingegen ist es möglich, dass - bei einer frühzeitigen Behandlung - die Symptome der progressiven supranukleären Blickparese gelindert werden können, sodass der Krankheitsverlauf dahingehend verzögert wird. Jedoch gibt es keine vollständige Heilung der progressiven supranukleären Blickparese.

Vorwiegend befasst sich der Mediziner mit der Vergabe von medikamentösen Mitteln. Durch die Medikamente werden Symptome gelindert und der Verlauf der Erkrankung verlangsamt. Die Mediziner verwenden vorwiegend L-Dopa. L-Dopa sorgt dafür, dass das Gehirn den Botenstoff Dopamin umwandeln kann. Jedoch lässt die Wirkung von L-Dopa nach rund zwei bis drei Jahren nach, da die Gehirnzellen - auf Grund der progressiven supranukleären Blickparese - absterben und eine Aufnahme des Wirkstoffes nicht mehr möglich.

Die Mediziner verordnen ebenfalls Rasagalin sowie Selegilin; beide Wirkstoffe sorgen für einen verminderten Abbau von Dopamin im Gehirn. Weitere Wirkstoffe, die im Rahmen der progressiven supranukleären Blickparese verabreicht werden, sind Imipramin sowie Amitriptylin. Beide zählen zu den trizyklischen Antidepressiva, welche vor allem bei Depressionen beziehungsweise depressiven Stimmungslagen verwendet werden. Weitere Medikamente, die im Rahmen der Behandlung verabreicht werden, sind Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer sowie Ceonzym Q10.


Vorbeugung

Da bislang keine Ursachen bekannt sind beziehungsweise Mediziner nicht wissen, welche Faktoren die Entstehung der progressiven supranukleären Blickparese begünstigen, können keine vorbeugenden Maßnahmen getroffen werden.

Nachsorge

Bei der progressiven supranukleären Blickparese ist zum heutigen Stand nur eine symptomatische Nachsorge möglich. Diese verfolgt den Zweck, die auftretenden Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf unter Umständen zu verlangsamen. Hierfür werden L-Dopa Medikamente eingesetzt, die auch bei Parkinson genutzt werden. Nach einer bestimmten Zeit der Einnahme sind diese Medikamente leider nicht mehr effektiv.

Grund hierfür ist das Absterben von Gehirnzellen, die zur Aufnahme des Wirkstoffs notwendig sind. Zusätzlich kann Physiotherapie, Ergotherapie und ergänzend Sprechtherapie den Erkrankten dabei helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu hinauszuzögern. Weiterhin hilft eine psychologische Unterstützung den Patienten eine positivere Einstellung trotz der Erkrankung zu erhalten. In einigen Fällen kann auch die Einnahme von Antidepressiva notwendig sein.

Nach der Diagnose mit progressiven supranukleären Blickparese ist es wichtig bei Anzeichen von Infektionen, Atem- oder Schluckbeschwerden den Arzt aufzusuchen. Weiterhin sollte beobachtet werden, ob gegebenenfalls ein Rollstuhl notwendig ist bei Fortschreiten der Krankheit. Die Prognose bei progressiver supranukleärer Blickparese ist leider negativ.

Da es sich um eine aktuell nicht heilbare Erkrankung handelt, ist ein komplett beschwerdefreies Leben ausgeschlossen. Vor allem durch die erhebliche Einschränkung in Bewegung, Gleichgewicht und Koordination wird die Lebensqualität verringert. Nach Symptombeginn beträgt die durchschnittliche Überlebenszeit circa sechs Jahre.

Das können Sie selbst tun

Die progressive supranukleäre Blickparese führt zu Unsicherheiten beim Gehen und kann im Alltag Gleichgewichtsstörungen verursachen. Für die Betroffenen ist es nicht einfach, gezielt etwas gegen die Beschwerden zu unternehmen. Auch die Ärzte können nur begrenzt Medikamente verschreiben.

Darum sollten die Patienten neben der medikamentösen Behandlung auch physiotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Durch eine Ergotherapie und eine ergänzende Sprechtherapie lassen sich Probleme beim Sprechen und Schlucken abmildern. Ein Gedächtnistraining wirkt der häufig auftretenden Demenz entgegen. Durch die fortschreitende Erkrankung kann sich die Persönlichkeit verändern. Auch Gemütsschwankungen und depressive Stimmungen treten oft auf. Durch die individuelle Medikation sowie durch eine individuelle Therapie lässt sich die Lebensqualität etwas verbessern. Der Arzt verschreibt die entsprechenden Mittel, um den sicheren Gang zu fördern. Die Patienten sollten einerseits auf die regelmäßige Einnahme der Arzneimittel achten und andererseits regelmäßig an der Physiotherapie teilnehmen.

Im Alltag ist außerdem viel Geduld gefragt, sowohl von den Betroffenen als auch von ihren Angehörigen. Zudem sollten die erkrankten Personen ihren Körper aufmerksam beobachten und gegebenenfalls einen Rollstuhl beantragen. Vor allem bei Infektionen, Atem- und Schluckbeschwerden ist ein kurzfristiger Arztbesuch ratsam.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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