Pubertas praecox

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der lateinische Fachausdruck Pubertas praecox bedeutet übersetzt „verfrühte Pubertät“. Damit gemeint ist das Eintreten der Pubertät bereits vor dem achten Lebensjahr (bei Mädchen), bei Jungen das Eintreten der Pubertät vor dem neunten Lebensjahr.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Pubertas praecox?

Durch die Hormongabe kann die einsetzende Pubertät wieder gestoppt werden. Dies ist dann ratsam, wenn keine pathologischen Gründe für das Einsetzen der Pubertät vorliegen sowie bei der Vermutung, dass die frühe Entwicklung die Körpergröße der Betroffenen stark beeinflusst.
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Die Diagnose Pubertas praecox liegt vor, wenn die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, also beispielsweise ein Brustansatz oder Schambehaarung, bereits lange vor dem üblichen Alter einsetzt. Auch ein gesteigertes Längenwachstum ist bei betroffenen Kindern zu beobachten.

Da der Grund für eine verfrühte Pubertät ein Tumor an Leber, Gehirn oder Schilddrüse sein kann, dessen Wachstum die Hormonregulation beeinflusst, oder aber durch die vorzeitige Pubertät ein Minderwuchs der betroffenen Person ausgelöst werden kann, gilt die verfrühte Pubertät als pathologisch und sollte behandelt werden.

Ursachen

Um die Krankheit behandeln zu können, geht der Kinderarzt zunächst den Ursachen für die früh einsetzende pubertäre Entwicklung nach. Ein Tumor kann beispielsweise durch seine Simulation der Hormondrüse eine Überproduktion von Geschlechtshormonen anregen, so dass die Pubertät frühzeitig eingeleitet wird. Es ist auch denkbar, dass die Regulationshormone der Geschlechtshormone in nicht ausreichender Anzahl ausgeschüttet werden.

Dies verweist auf das androgenitale Syndrom, eine Stoffwechselerkrankung, die mit regelmäßigen Hormongaben behandelt werden muss. Die verfrühte Pubertät kann auch genetisch bedingt sein; in diesem Fall ist eine Behandlung dennoch angebracht, da durch einen vorzeitigen Wachstumsschub für die Betroffenen die Gefahr besteht, dass sie später kaum noch wachsen und somit eine nur sehr geringe Körpergröße erreichen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Wenn sich bei Kindern bereits sehr früh die Anzeichen der körperlichen und seelischen Entwicklung zeigen, die charakteristisch für die Pubertät sind, könnte eine Pubertas praecox vorliegen. Als Stichtag gilt bei Mädchen das Erreichen des achten Lebensjahres, bei Jungen das Erreichen des neunten Lebensjahres - ab diesem Alter spricht man nicht mehr von einer vorzeitig einsetzenden Pubertät. Das Voranschreiten einer frühen Pubertät kann sehr schnell verlaufen, allerdings auch langsam vor sich gehen. Unreine Haut oder sogar Akne, fettige Haare, Scheidenausfluss oder das Einsetzen der Menstruation vor dem achten Lebensjahr sollten die Eltern alarmieren. Auch eine Wesensveränderung kann Hinweise auf eine frühzeitig eingeleitete Pubertät geben. Bei Mädchen tritt die vorzeitige Pubertät etwa fünf Mal so häufig auf wie bei Jungen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

In der Regel ist der Kinderarzt der erste Ansprechpartner bei einer frühzeitigen Pubertät. In einer Familienanamese stellt er fest, ob die Eltern des betroffenen Kindes früher unter ähnlichen Symptomen gelitten haben; dies gibt Hinweise auf die genetische Disposition, unter der Pubertas praecox manchmal auftritt. Ebenfalls erforderlich sind Untersuchungen, die das Vorliegen eines Tumors ausschließen.

Nicht immer liegt eine Krankheit vor, wenn die Pubertät ungewöhnlich früh einsetzt. Kann ein Arzt ausschließen, dass die Symptome pathologisch sind - also von einer Krankheit herführen - kann dennoch eine Therapie notwendig sein, welche die frühzeitige Pubertät wieder stoppt. Auch wenn eine solche Behandlung zunächst nicht erforderlich scheint, sollte der weitere Verlauf der Pubertät engmaschig überwacht werden. Denn eine frühe Pubertät hat Einfluss auf die Entwicklung der Körpergröße. Aus diesem Grund gehört zu den Untersuchungen, die ein Arzt im Zuge der Behandlung der Pubertas praecox vornimmt, auch eine Röntgenuntersuchung der Knochen in der Hand.

Mit dem Röntgenbild ermittelt er das sogenannte Skelettalter (auch Knochenalter genannt). Vom chronologischen Alter kann das Skelettalter insofern abweichen, als dass bestimmte Verknorpelungen und Verwachsungen des Knochengerüsts bereits weiter vorangeschritten sind als jene in einer repräsentativen Vergleichsgruppe. Der Arzt kann mithilfe dieser Vergleichsdaten somit den Befund stellen, dass das Skelettalter dem chronologischen Alter um eine bestimmte Anzahl an Jahren voraus ist. Aus diesem Befund lässt sich dann eine Prognose zur voraussichtlichen späteren Körpergröße der betreffenden Person stellen.

Bei Bedarf kann dann eine früh einsetzende Pubertät hormonell behandelt werden, um dem betroffenen Kind im Erwachsenenalter eine angemessene Körpergröße zu sichern. Mit diesem Anliegen sollten sich die Betroffenen an Spezialisten wenden: In einer pädiatrischer Endokrinologe können sowohl die erforderlichen Untersuchungen als auch die Behandlung durchgeführt werden. Selbstverständlich muss vor der Behandlung der frühzeitig einsetzenden Pubertät als solche geprüft werden, ob nicht eine andere Krankheit der pubertären Entwicklung zugrunde liegt.

Komplikationen

Wird die Pubertas praecox durch einen Tumor ausgelöst, resultieren mögliche Komplikationen zunächst aus der Grunderkrankung und deren Behandlung. Bei gutartigen Wucherungen ist in der Regel eine operative Entfernung möglich, ohne dass schwerwiegende Komplikationen zu erwarten sind. Eine Ausnahme bilden hier allerdings Hirntumore, deren operative Entfernung fast immer riskant ist. Sofern bei bösartigen Tumoren eine Chemotherapie angezeigt ist, ergeben sich die Komplikationen in aller Regel aus den Nebenwirkungen.

Wenn ein Tumor als Ursache für das frühzeitige Einsetzen der Pubertät ausgeschlossen werden kann, sind ernsthafte Komplikationen nur zu erwarten, falls die Störung mit einem Minder- beziehungsweise Zwergenwuchs (Mikrosomie) einhergehen könnte. Sofern diese Gefahr besteht, muss die Pubertas praecox hormonell behandelt werden, da die Betroffenen sonst nicht mehr ihre normale Körpergröße erreichen.

Ist der frühzeitige Eintritt der Pubertät nicht pathologisch, kann es in erster Linie dann zu Komplikationen kommen, wenn die betroffenen Kinder aufgrund ihrer körperlichen und meist auch geistigen Veränderungen mit ihrem gleichaltrigen Umfeld nicht mehr zurecht kommen. Eine Behandlung der Pubertas praecox sollte aufgrund dieses Risikos auch dann in Erwägung gezogen werden, wenn sie aus medizinischen Gründen nicht zwingend erforderlich ist. Die hormonelle Therapie kann mit Nebenwirkungen verbunden sein, die individuell erörtert werden müssn. Komplikationen sind nicht zu befürchten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Krankheit Pubertas praecox sollte immer durch einen Arzt behandelt werden. Es kommt dabei nicht zu einer Selbstheilung, wobei die Erkrankung auch nicht durch Mittel der Selbsthilfe behandelt werden kann. Eine frühe Behandlung wirkt sich positiv auf den weiteren Verlauf von Pubertas praecox aus und kann weitere Komplikationen und Beschwerden verhindern. Ein Arzt ist dabei dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer starken Akne leidet, die von fettigen Haaren oder von einem starken Ausfluss an der Scheide begleitet wird. Die Beschwerden treten meist sehr spontan ein und können eine unterschiedliche Ausprägung erreichen.

Sollten die Beschwerden allerdings länger anhalten und nicht wieder von alleine verschwinde, so muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Da die Pubertas praecox auch die Bildung von Tumoren begünstigen kann, sollten regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden, um Krebs schon frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. In der Regel wird die Lebenserwartung des Betroffenen durch Pubertas praecox nicht negativ beeinflusst. Die Erkrankung kann durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt behandelt werden. Allerdings kann auch das Aufsuchen eines Facharztes notwendig sein.

Behandlung & Therapie

Durch die Hormongabe kann die einsetzende Pubertät wieder gestoppt werden. Dies ist dann ratsam, wenn keine pathologischen Gründe für das Einsetzen der Pubertät vorliegen sowie bei der Vermutung, dass die frühe Entwicklung die Körpergröße der Betroffenen stark beeinflusst. In diesem Fall wird erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn eine angemessene geistige Reife des betroffenen Kindes erreicht ist und das Skelettalter dem chronologischen Alter in etwa angeglichen ist, die regelmäßige Gabe der verzögernden Medikamente wieder gestoppt.

Die Medikamente Leuprolerin oder Triptolerin sind in Deutschland für die Behandlung einer frühzeitigen Pubertät zugelassen. Verabreicht werden sie direkt in der Praxis durch eine Injektion in das Unterhautfettgewebe. Das so erzeugte Hormondepot blockiert dann die Ausschüttung der Pubertätshormone. Einmal im Monat muss das Hormondepot durch eine erneute Spritze aufgefüllt werden. Diese Art der Behandlung hat keine bekannten Nebenwirkungen.


Vorbeugung

Die Pubertas praecox tritt auf, wenn die Hormonregulation der Sexualhormone gestört ist. Da es hier keine Möglichkeiten zur Beeinflussung gibt, ist eine Vorbeugung einer frühzeitig einsetzenden Pubertät nicht möglich.

Nachsorge

Zur Nachsorge einer erfolgreich behandelten Pubertas praecox ist eine individuelle Therapie sehr wichtig. Diese sollte von den zu Grunde liegenden Erkrankungen abhängig gemacht werden. Die Einnahme von Medikamenten, die die Bildung von Geschlechtshormonen eindämmen (sogenannte GnRH-Analoga), kann auch nach der Behandlung der Pubertas praecox notwendig sein, da die Patienten unbehandelt Lebenslang zu viele Geschlechtshormone bilden.

Dies ist insbesondere zur Vorbeugung von Knochenerkrankungen und Fehlbildungen wichtig. Soll in einem höheren Alter die Pubertät eingeleitet werden, ist eine engmaschige Überwachung und Therapie zum Erreichen eines normalen Größenwachstums notwendig. Der Hormonspiegel sollte regelmäßig mittels Blutabnahmen beim Arzt kontrolliert werden.

War ein entfernter Tumor der Leber die Ursache für die Pubertas praecox, ist es zur frühzeitigen Erkennung eines neuen Tumors unbedingt notwendig, regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt durchzuführen. Daneben kann eine lebenslange leberschonende Diät (Verzicht auf Innereien und fettarme Ernährung) notwendig sein. Lag der Pubertas praecox eine genetische Erkrankung wie das Adrenogenitale Syndrom zu Grunde, ist es wichtig diese auch nach der erfolgreichen Therapie einer Pubertas praecox weiter zu behandeln.

Die lebenslange Einnahme von Cortisol und Progesteron kann notwendig sein. Unter intensiver Überwachung der Hormonwerte im Blut sollte eine Langzeittherapie mit dem betreuenden Arzt abgesprochen werden.

Das können Sie selbst tun

Bei der Diagnose Pubertas praecox muss zunächst einmal abgeklärt werden, ob die frühzeitige Pubertät durch einen Tumor ausgelöst wurde. Er sollte dann als Grunderkrankung behandelt werden.

Wird die Erkrankung nicht durch einen Tumor ausgelöst, muss entschieden werden, ob der Patient mit Hormonen behandelt werden sollte. Diese Entscheidung sollte frühzeitig von den Eltern getroffen werden, da Pubertas praecox zu einem Minderwuchs führen kann. Hier sollten die Eltern den Empfehlungen ihres Endokrinologen folgen. Werden Medikamente verordnet, müssen sie regelmäßig eingenommen werden.

Es ist sicherlich sowohl für die Patienten als auch für deren Eltern nicht leicht, mit einer verfrühten Pubertät umzugehen. Die Kinder empfinden sich als Außenseiter, weil sie nicht auf der gleichen körperlichen Entwicklungsstufe wie ihre Mitschülerinnen oder Mitschüler stehen und werden möglicherweise sogar gemobbt. Gleichzeitig sind sie oft gereizt, launisch und unausgeglichen, was die Eltern zur Verzweiflung bringen kann. Daher sollten sowohl die Eltern der betroffenen Kinder als auch die Kinder selbst sich psychologisch betreuen lassen.

Spezielle Selbsthilfegruppen gibt es zu dieser Erkrankung nicht, was möglicherweise daran liegt, dass sie selten und nach Abschluss der Pubertät nicht mehr relevant ist. Allerdings gibt es im Internet verschiedene Foren, in denen sich Betroffene austauschen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Koletzko, B.: Kinder- und Jugendmedizin. Springer Medizin Verlag, Berlin 2007
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

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