Schienbeinkantensyndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Schienbeinkantensyndrom
Unter einem Schienbeinkantensyndrom wird das Auftreten von Schmerzen an der Vorderkante des Schienbeins verstanden. Die Beschwerden zeigen sich vorwiegend nach sportlichen Aktivitäten.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist ein Schienbeinkantensyndrom?
In der Medizin wird das Schienbeinkantensyndrom auch als Tibiakantensyndrom oder Shin-Splint-Syndrom bezeichnet. Gemeint ist damit ein chronisches Schmerzsyndrom, das vorwiegend nach sportlichen Betätigungen wie intensivem Joggen auftritt. Gleiches gilt für sämtliche Sportarten, bei denen größere Belastungen auf die Muskulatur des Scheinbeins entstehen. Als problematisch gilt der oft langsam voranschreitende Heilungsprozess.
Ursachen
Bei Sportlern zählt das Schienbeinkantensyndrom zu den häufigsten sportbedingten Beschwerden und rangiert dabei auf Rang 3. Als Urheber der Schmerzen gelten das Auswechseln der Bodenbeläge in Frühling und Herbst, technische Wechsel beim Tempolaufen innerhalb des Intervalltrainings sowie ausgeprägtes Marathontraining.
Ebenso kann das plötzliche Steigern von Lauftempo oder Trainingsumfang für das Auftreten der Schienbeinbeschwerden verantwortlich sein. Als weiterer denkbarer Auslöser kommt das Tragen von falschem Schuhwerk infrage. Am häufigsten verursacht wird das Schienbeinkantensyndrom jedoch durch ständiges Springen und Landen.
Besonders betroffen sind zudem Sportler, bei denen eine verstärkte Pronation besteht, deren Fuß in die äußere Richtung rotiert und von denen Spikes benutzt werden. Neben Sportlern leiden zudem häufig Tänzer und Soldaten an dem Schmerzsyndrom.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bemerkbar macht sich ein Schienbeinkantensyndrom durch das abrupte Auftreten von starken Schmerzen an der Kante des Schienbeins. Wird die Belastung verringert, gehen die Schmerzen wieder zurück. Steigert sich die Belastung erneut, verspürt der betroffene Sportler sofort wieder Schmerzen.
Mediziner unterscheiden beim Schienbeinkantensyndrom zwischen zwei Formen. So gibt es das mediale sowie das laterale Tibiakantensyndrom: Beim medialen Schienbeinkantensyndrom tritt der Schmerz im unteren Abschnitt der Schienbeinkante auf. Die laterale Form zeigt sich dagegen im oberen Schienbeinkantenbereich.
Die Schmerzen werden entweder als stechend oder dumpf empfunden. Während sie sich zunächst nur bei Bewegung zeigen, können sie im weiteren Verlauf auch im Ruhezustand auftreten. Aufgrund des starken Drucks an den betroffenen Stellen präsentiert sich die Haut mitunter stark elastisch. Durch die Hautspannung sind ebenfalls Schmerzen möglich.
Einige Patienten empfinden zudem Sensibilitätsstörungen an den gespannten Hautstellen. In manchen Fällen wirkt sich der starke Druck auf die Muskeln aus, was wiederum bestimmte Muskelbewegungen einschränkt. Mitunter bilden sich auch Nekrosen in den betroffenen Muskelbereichen. Dadurch können weitere Beschwerden wie Abgeschlagenheit und hohes Fieber auftreten. Im schlimmsten Fall setzt eine lebensgefährliche Sepsis (Blutvergiftung) ein.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Besteht Verdacht auf ein Schienbeinkantensyndrom, führt der behandelnde Arzt zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Dabei erkundigt er sich danach, bei welchen Belastungen die Beschwerden auftreten und ob sie sich bei früheren Gelegenheiten schon einmal zeigten. Eine wichtige Rolle spielt zudem das Laufpensum des Patienten und ob thromboembolische Vorerkrankungen bestehen.
Im Anschluss an die Anamnese findet eine körperliche Untersuchung statt. Dabei lässt sich zumeist eine Schwellung an der Schienbeinkante entlang wahrnehmen. Übt der Arzt Druck auf die Schwellung aus, zeigen sich ausgeprägte Schmerzen. Darüber hinaus verwendet der Mediziner bildgebende Untersuchungsverfahren wie das Anfertigen von Röntgenaufnahmen.
Auf diese Weise lassen sich Stressfrakturen oder Entzündungen an der Knochenhaut ermitteln. Auch die Durchführung einer Kernspintomographie oder Szintigraphie ist möglich. Diese Verfahren werden vorwiegend bei Verdacht auf eine Stressfraktur eingesetzt.
Von Bedeutung sind zudem Differentialdiagnosen, um andere Erkrankungen, die für Beschwerden dieser Art in Betracht kommen, auszuschließen. Dabei handelt es sich um ein Kompartmentsyndrom, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit an den unteren Gliedmaßen sowie venöse Abflussstörungen.
Der Verlauf eines Schienbeinkantensyndroms ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Während bei einigen Betroffenen die Beschwerden lediglich einige Stunden anhalten, leiden andere mehrere Wochen unter ihnen. Wird das Schienbein nicht geschont, nehmen die Schmerzen weiter an Intensität zu und die Erkrankung dauert länger an.
Komplikationen
Bei diesem Syndrom leiden die Betroffenen in erster Linie an sehr starken Schmerzen. Die Schmerzen treten dabei vor allem am Schienbein auf, sodass es auch zu Einschränkungen in der Bewegung und damit im Alltag des Betroffenen kommen kann. In der Regel treten die Schmerzen bei einer Belastung auf. Sie können allerdings auch in Form von Ruheschmerzen auftreten und auch in der Nacht zu Beschwerden führen.
Damit leiden viele Patienten auch an Schlafstörungen oder an psychischen Verstimmungen. Auch Lähmungen oder andere Störungen der Sensibilität können durch das Schienbeinkantensyndrom auftreten und den Alltag des Betroffenen weiterhin erschweren. Es bilden sich Nekrosen aus und die Betroffenen wirken oft müde und abgeschlagen. Weiterhin kann das Schienbeinkantensyndrom auch zu einer Blutvergiftung führen, welche im schlimmsten Falle zum Tode des Betroffenen führen kann.
Ebenso kann das Syndrom zu einem starken Fieber führen. Die Behandlung dieses Syndroms kann in der Regel mit Hilfe von Medikamenten erfolgen. Komplikationen treten dabei nicht auf. Allerdings sind viele Betroffene auch auf verschiedene Übungen angewiesen, um die Beweglichkeit wiederherzustellen. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird durch das Syndrom nicht negativ beeinflusst.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Beim Schienbeinkantensyndrom ist in der Regel immer ein Besuch bei einem Arzt notwendig. Es kann dabei nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass die Erkrankung immer durch einen Arzt untersucht und behandelt werden muss. Nur dadurch können weitere Komplikationen und Beschwerden verhindert werden. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an sehr starken Schmerzen im Schienbein leidet.
Die Schmerzen können in Form von Belastungsschmerzen oder Ruheschmerzen auftreten und sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen auswirken. Dabei weisen vor allem stechende Schmerzen auf das Schienbeinkantensyndrom hin und sollten von einem Arzt untersucht werden, falls sie über einen längeren Zeitraum auftreten.
Weiterhin deutet auch hohes Fieber oder eine starke Abgeschlagenheit auf das Schienbeinkantensyndrom, falls die Beschwerden über einen längeren Zeitraum anhalten. Sollte das Schienbeinkantensyndrom nicht behandelt werden, so kann es im schlimmsten Falle auch zu einer Blutvergiftung kommen. Das Schienbeinkantensyndrom wird durch einen Orthopäden diagnostiziert und behandelt. In Notfällen oder bei akuten Schmerzen nach einem Unfall kann auch das Krankenhaus aufgesucht oder direkt ein Notarzt gerufen werden. Die Lebenserwartung des Betroffenen ist durch diese Krankheit meist nicht verringert.
Behandlung & Therapie
In der Regel wird die Behandlung eines Schienbeinkantensyndroms konservativ vorgenommen. Dabei steht besonders die Schonung des Beins im Mittelpunkt. Ist weiteres Training erforderlich, muss sich dieses auf Übungen beschränken, die nicht zu einer Belastung des Schienbeins führen. Dazu zählen unter anderem Radfahren oder Schwimmen.
Im Falle eines akuten Tibiakantensyndroms kann der Patient Salbenverbände mit schmerzstillenden Wirkstoffen anlegen. Eine weitere Option ist die Einnahme von schmerzstillenden Tabletten. Führen diese Behandlungen nicht zu einer Besserung, lässt sich eine Kortisonlösung in die betroffenen Stellen injizieren. Als hilfreich gelten zudem physiotherapeutische Übungen. Halten die Beschwerden trotz konservativer Therapiemaßnahmen weiter an, kann ein chirurgischer Eingriff sinnvoll sein.
Dabei spaltet der Chirurg die Faszie des Muskels, um eine Drucksenkung zu erreichen. Immer häufiger kommen zu diesem Zweck minimal-invasive endoskopische Verfahren anstelle von offenen Eingriffen zur Anwendung. Die Erfolgsaussichten der Operation werden als positiv eingeschätzt. So verspürten mehr als 60 Prozent aller Patienten nach dem Eingriff keine Beschwerden mehr. Nach etwa vier Wochen kann der Patient wieder Sport treiben.
Vorbeugung
Um ein Schienbeinkantensyndrom zu verhindern, sind vorbeugende Maßnahmen möglich. So sollte der Sportler den Umfang seines Trainings in der Woche nicht mehr als zehn Prozent anheben. Auf diese Weise gibt er seinen Sehnen und Muskeln genügend Zeit, um sich auf die neuen Belastungen vorzubereiten. Wichtig sind zudem passende Laufschuhe.
Nachsorge
Betroffene sollten beim Ausführen jeglicher Sportarten dringend einen Schienbeinschutz tragen. Dieser kann bei Unfällen und ungewollten äußeren Einwirkungen ausreichend Schutz vor Komplikationen bieten. Wenn der Betroffene Schmerzen oder anderweitige Komplikationen bemerkt, sollte sofort eine Pause eingelegt werden. In so einem Fall muss das betroffene Schienbein ausreichend geschont werden.
Betroffene sollten sich generell viel schonen und ausruhen, damit schnell eine Besserung eintreten kann. Alle Tätigkeiten, die ausgeführt werden, sollten daher dringend an die Erkrankung angepasst werden. Dies gilt auch für den Beruf. Sollte ein Beruf ausgeübt werden, bei dem das Schienbein stark belastet wird, so sollten Erkrankte einen Wechsel dieses Berufs in Erwägung ziehen.
Es sollte außerdem eine Physiotherapie aufgesucht werden. Dort können Betroffene lernen, wie sie Fehlhaltungen vermeiden, damit keine zusätzliche Belastung des Schienbeins entsteht. Die Schuhe der Betroffenen müssen der Krankheit ebenfalls angepasst werden. Die Größe der Schuhe muss dem Fuß entsprechend angepasst sein und die Schuhe sollten keinen oder nur bedingten Absatz haben.
Betroffene sollten in Erwägung ziehen, sich Einlegesohlen in die Schuhe zu tun. Dies kann zu einer schnellen Linderung der Beschwerden führen. Betroffene sollten außerdem darauf achten, dass sie einseitige Belastungen des Körpers verhindern, denn dies kann ebenfalls zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen.
Das können Sie selbst tun
Bei der Ausführung sportlicher Aktivitäten sollte ein ausreichender Schutz des Schienbeines getragen werden. Dieser hilft vor ungewollten äußeren Einwirkungen, dämpft etwaige Unfälle ab und kann vor einer starken Belastung schützen. Kommt es zu ersten Störungen oder Beeinträchtigungen, sind Ruhephasen einzulegen und der Körper ist ausreichend zu schonen. Es wird eine Zeit der Regenerierung benötigt, damit sich Beschwerden lindern können und eine Verbesserung eintritt.
Grundsätzlich ist die Ausführung körperlicher Tätigkeiten auf die Bedürfnisse des Betroffenen und seines Organismus abzustimmen. Situationen einer Überlastung sind zu vermeiden. Im Alltag können physiotherapeutische Übungen in eigener Regie durchgeführt werden, damit keine Fehlbelastung entsteht oder eine fehlerhafte Körperhaltung eingenommen wird. Das getragene Schuhwerk ist zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Die Absätze sollten nicht zu hoch sein und der Schuh sollte auf die Größe des Fußes abgestimmt sein.
In einigen Fällen treten bereits Linderung der Beschwerden ein, wenn Einlegesohlen getragen werden. Zudem ist zu überprüfen, auf welchem Bodenbelag sich der Betroffene in einem Großteil der Zeit fortbewegt. Ein zu harter Untergrund kann beispielsweise beim Laufen eine Zunahme der körperlichen Unregelmäßigkeiten auslösen. Im Rahmen der Selbsthilfe ist darauf zu achten, dass einseitige Körperbelastungen vermieden werden. Diese können einen negativen Einfluss auf das Skelettsystem oder die Muskulatur haben.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Wirth, C.J. et al.: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2013