Serin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei Serin handelt es sich um eine Aminosäure, die zu den zwanzig natürlichen Aminosäuren gehört und nicht essentiell ist. Die D-Form des Serins wirkt als Co-Agonist bei der neuronalen Signalübertragung und spielt möglicherweise eine Rolle bei verschiedenen psychischen Erkrankungen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Serin?

Serin hat zwei wichtige Funktionen für den menschlichen Körper. Als Aminosäure stellt Serin einen Baustein für Proteine dar.
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Serin ist eine Aminosäure mit der Strukturformel H2C(OH)-CH(NH2)-COOH. Sie kommt in der L-Form vor und gehört zu den nicht-essentiellen Aminosäuren, da sie der menschliche Körper selbst bilden kann. Seinen Namen verdankt das Serin dem lateinischen Wort „sericum“, das „Seide“ bedeutet.

Seide kann als Rohstoff für Serin dienen, indem der Seidenleim Serizin technisch verarbeitet wird. Wie alle Aminosäuren besitzt Serin eine charakteristische Struktur. Die Carboxylgruppe besteht aus der Atomsequenz Kohlenstoff, Sauerstoff, Sauerstoff, Wasserstoff (COOH); die Carboxylgruppe reagiert sauer, wenn ein H+-Ion abgespalten wird. Die zweite Atomgruppe ist die Aminogruppe. Sie setzt sich aus einem Stickstoffatom und zwei Wasserstoffatomen zusammen (NH2).

Im Gegensatz zur Carboxylgruppe reagiert die Aminogruppe basisch, indem sie ein ein Proton am freien Elektronenpaar des Stickstoffs anlagert. Sowohl Carboxylgruppe als auch Aminogruppe ist bei allen Aminosäuren gleich. Als dritte Atomgruppe kommt die Seitenkette hinzu, der die Aminosäuren ihre verschiedenen Eigenschaften verdanken.

Funktion, Wirkung & Aufgaben

Serin hat zwei wichtige Funktionen für den menschlichen Körper. Als Aminosäure stellt Serin einen Baustein für Proteine dar. Proteine sind Makromoleküle und bilden sowohl Enzyme und Hormone als auch Grundstoffe wie Actin und Myosin, aus denen die Muskeln bestehen.

Auch die Antikörper des Immunsystems und Hämoglobin, der rote Blutfarbstoff, sind Proteine. Neben Serin existieren neunzehn weitere Aminosäuren, die in natürlichen Proteinen vorkommen. Durch die spezifische Anordnung der Aminosäuren entstehen lange Proteinketten. Aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften falten sich diese Ketten und bilden eine räumliche, dreidimensionale Struktur. Der genetische Code bestimmt die Reihenfolge der Aminosäuren innerhalb einer solchen Kette.

In den meisten menschlichen Zellen liegt Serin in seiner L-Form vor. In den Zellen des Nervensystems – den Neuronen und Gliazellen – entsteht hingegen D-Serin. In dieser Variante wirkt Serin als Co-Agonist: Es bindet sich an die Rezeptoren von Nervenzellen und löst dadurch im Neuron ein Signal aus, das es als elektrischen Impuls an sein Axon überträgt und an die nächste Nervenzelle weitergibt. Auf diese Weise findet die Informationsübertragung innerhalb des Nervensystems statt.

Ein Botenstoff kann sich jedoch nicht beliebig an jeden Rezeptor binden: Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip müssen Neurotransmitter und Rezeptor zueinander passende Eigenschaften aufweisen. D-Serin tritt unter anderem als Co-Agonist an den NMDA-Rezeptoren auf. Obwohl das Serin dort nicht den hauptsächlichen Botenstoff darstellt, wirkt es verstärkend auf die Signalübertragung.

Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte

Serin ist für die Funktion des Körpers essentiell. Die menschlichen Zellen bilden Serin, indem sie 3-Phosphoglycerat oxidieren und aminieren, das heißt um eine Aminogruppe erweitern. Serin gehört zu den neutralen Aminosäuren: Seine Aminogruppe hat einen ausgewogenen pH-Wert und ist dadurch weder sauer noch basisch. Zudem handelt es sich bei Serin um eine polare Aminosäure.

Da es sich bei ihm um einen der Bausteine aller Proteine des Menschen handelt, kommt es sehr häufig vor. Das L-Serien bildet die natürliche Variante des Serins und tritt vor allem bei einem neutralen pH-Wert von ungefähr sieben auf. Dieser pH-Wert herrscht im Inneren der menschlichen Körperzellen, in denen Serin verarbeitet wird. Beim L-Serin handelt es sich um ein Zwitterion. Ein Zwitterion entsteht, wenn die Carboxylgruppe und die Aminogruppe miteinander reagieren: Das Proton der Carboxylgruppe wandert zur Aminogruppe und bindet sich dort an das freie Elektronenpaar.

Das Zwitterion besitzt dadurch sowohl eine positive als auch eine negative Ladung und ist in der Summe ungeladen. Oft baut der Körper Serin zu Glycin ab, bei dem es sich ebenfalls um eine Aminosäure handelt, die wie das Serin neutral, jedoch unpolar ist. Außerdem kann aus Serin Pyruvat entstehen, das auch den Namen Acetylameisensäure oder Brenztraubensäure trägt. Dabei handelt es sich um eine Ketocarbonsäure.


Krankheiten & Störungen

In seiner L-Form kommt Serin in Neuronen und Gliazellen vor und spielt dort vermutlich eine Rolle bei verschiedenen psychischen Erkrankungen. L-Serin bindet sich als Co-Agonist an N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren, kurz NMDA-Rezeptoren. Es verstärkt die Wirkung des Neurotransmitters Glutamat, das sich an die NMDA-Rezeptoren bindet und dadurch die Aktivierung der Nervenzelle bewirkt.

Lern- und Gedächtnisprozesse hängen von den NMDA-Rezeptoren ab; es indiziert den Umbau synaptischer Verbindungen und verändert dadurch die Struktur des Nervensystems. Diese Plastizität drückt sich auf Makroebene als Lernen aus. Die Wissenschaft betrachtet diese Verbindung als relevant für mentale Erkrankungen. Psychische Krankheiten führen zu zahlreichen Funktionseinbußen, zu denen oft auch Gedächtnisprobleme gehören. Fehlerhafte Lernprozesse können außerdem zur Entstehung von psychischen Erkrankungen beitragen. Ein Beispiel hierfür ist die Depression. Insbesondere bei starken Ausprägungen führt Depression zu schlechteren kognitiven Leistungen. Die Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung bessern sich jedoch wieder, wenn die Depression zurückgeht.

Eine aktuelle Theorie geht davon aus, dass die häufige Aktivierung bestimmter Nervenbahnen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese Bahnen bei zukünftigen Reizen schneller aktiviert werden: Die Reizschwelle sinkt. Diese Überlegung geht von einer Deblockade der Rezeptoren aus, die den Vorgang erklären könnte. Bei psychischen Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie entsteht eventuell eine Störung in diesem Prozess, was zumindest einen Teil der jeweiligen Symptome erklären kann. Erste Studien belegen in diesem Zusammenhang die Wirkung von D-Serin als Antidepressivum.

Quellen

  • Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
  • Neumeister, B. et al.: Klinikleitfaden Labordiagnostik. Elsevier/Urban & Fischer, München 2009
  • Reuter, P., Hägele, J.: Aminosäuren Kompendium. Ein Leitfaden für die klinische Praxis. Hyginus Publisher GmbH, Bad Homburg 2001

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