Serotoninsyndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Hormon Serotonin gilt im Volksmund als das Glückshormon schlechthin: Es hebt die Stimmung und macht gute Laune. Aber was passiert, wenn es in einer sehr großen Menge im Körper vorliegt? Dann schadet es nicht nur die Gesundheit, sondern bringt uns im schlimmsten Fall sogar in Lebensgefahr. Das Serotoninsyndrom ist daher eine ernstzunehmende Erkrankung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Serotoninsyndrom?

Das Serotoninsyndrom kann mentale, autonome und neuromuskuläre Störungen hervorrufen. Bei den mentalen Störungen gehören Angstgefühle und Unruhe zu den möglichen Beschwerden.
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Beim Serotoninsyndrom handelt es sich um ein Syndrom, das mit unterschiedlichen Beschwerden einhergeht. Diese Erkrankung entsteht durch die Anhäufung des Hormons Serotonin, welches sowohl als Gewebshormon als auch als Neurotransmitter fungiert und Einfluss auf die verschiedensten Körperfunktionen hat. Das Serotonin ist als Neurotransmitter im zentralen sowie im peripheren Nervensystem angesiedelt.

Dort übernimmt es die Aufgabe, viele unterschiedliche Rezeptoren zu aktivieren. Als Teil des zentralen Nervensystems steuert es etwa unsere Aufmerksamkeit und unsere Stimmung, auch ist es dort für die Regulation der Körperwärme zuständig. Im peripheren Nervensystem beeinflusst es die Bewegung des Magen-Darm-Traktes sowie der Bronchial- und Skelettmuskulatur.

In einer angemessenen Menge ist das Serotonin also lebenswichtig für den menschlichen Organismus. Der Begriff „Serotoninsyndrom“ wurde von H. Sternbach geprägt, der im Jahr 1991 erstmals die drei typischen Symptome des Serotoninsyndroms beschrieben hat.

Ursachen

Das Serotoninsyndrom ist eine Erkrankung, die als Folge einer Störung der zentralen oder peripheren Serotoninrezeptoren entsteht. Sternbach zufolge tritt die Krankheit auch nach der Verabreichung eines Medikaments auf, welches den Serotoninspiegel erhöht. So ruft etwa eine Therapie mit Triptanen oder mit Antidepressiva leichte Symptome hervor.

Und oft kommt das Serotoninsyndrom auch durch die Wechselwirkung verschiedener Medikamente zustande. Kommen mehrere Serotonin anregende Medikamente in Kombination zum Einsatz, kann die erhöhte Serotoninausschüttung sogar lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wechselwirkung zwischen Serotonin anregenden Arzneimitteln und bestimmten Lebensmitteln.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Serotoninsyndrom kann beim jedem Patienten unterschiedlich schwer ausfallen. Es kann außerdem bei Menschen aller Altersstufen auftreten. Wie schlimm die Beschwerden tatsächlich sind, kann auch mit dem auslösenden Arzneimittel zusammenhängen. Für das Serotoninsyndrom gibt es eine Reihe von typischen Anzeichen. Dabei werden die Symptome in drei Kategorien gegliedert:

1. Mentale Störungen: Verwirrtheit, Agitiertheit, Unruhe, Orientierungslosigkeit und Angstgefühle. 2. Autonome Störungen: vermehrtes, starkes Schwitzen, Schüttelfrost, Tachykardie (Herzrhythmusstörung), Hyperthermie (stark ansteigende Körpertemperatur), Hypertonie (Bluthochdruck) sowie Durchfall und Erbrechen. 3. Neuromuskuläre Störungen: unwillkürliche und krampfartige Muskelzuckungen, Tremor (Hyperaktivität mit Zittern) und Hyperreflexie.

Die genannten Krankheitsanzeichen können bereits wenige Stunden nach der Einnahme eines Medikaments beziehungsweise einer Arzneimittelkombination oder einer Erhöhung der Dosis auftreten. In der Regel macht sich das Serotoninsyndrom innerhalb von 24 Stunden bemerkbar, bei etwa 60 Prozent aller Patienten sogar innerhalb von sechs Stunden. Und gerade diesem Punkt unterscheidet sich das Serotoninsyndrom von dem malignen Neuroleptika-Syndrom, welches mit sehr ähnlichen Symptomen einhergeht.

Beim malignen Neuroleptika-Syndrom treten die ersten Anzeichen jedoch viel langsamer ein und sind erst einige Tage nach der Einnahme des Medikaments zu beobachten. Das Serotoninsyndrom kann den Patienten im schlimmsten Fall in große Lebensgefahr bringen: Starke Herzrhythmusstörungen, Hyperthermien über 41 Grad Celsius sowie hypertensive Krisen sind lebensbedrohliche Formen des Serotoninsyndroms, die einen kardiogenen Schock auslösen können.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Nicht selten werden leichte Ausprägungen des Serotoninsyndroms übersehen – ganz einfach, weil die Erkrankung noch nicht weit bekannt ist und die Beschwerden recht unspezifisch sind. Hinzu kommt, dass die Symptome oft nicht mit der Einnahme von Medikamenten in Verbindung gebracht werden. Dabei kann das Serotoninsyndrom mithilfe der Medikamentenanamnese ganz gut diagnostiziert werden.

Eine Methode zur Feststellung des Serotoninsyndroms heißt Differenzialdiagnose, bei der das maligne neuroleptische Syndrom, die maligne Hyperthermie, eine Vergiftung, eine Sepsis, eine Hirnhautentzündung, Tetanus sowie psychische Erkrankungen, wie etwa eine Depression, ausgeschlossen werden.

Komplikationen

Das Serotoninsyndrom kann mentale, autonome und neuromuskuläre Störungen hervorrufen. Bei den mentalen Störungen gehören Angstgefühle und Unruhe zu den möglichen Beschwerden. Die autonomen Störungen umfassen Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und Bluthochdruck. Am schwersten fallen die neuromuskulären Störungen aus – krampfartige Muskelzuckungen, Tremor und Hyperreflexie gehören zu den Komplikationen.

Wird das Syndrom nicht umgehend behandelt, kann es außerdem zu Fieber über 41 Grad Celsius, einem plötzlichen Blutdruckanstieg und anderen lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Im Extremfall lösen die genannten Beschwerden einen kardiogenen Schock aus, der zu Atemnot, Lungenödemen und schließlich zum Herzversagen führen kann. In Folge starker Beschwerden kann es außerdem zu multiplem Organversagen kommen, das meist ebenfalls lebensbedrohlich ist.

Bei der Behandlung können weitere Komplikationen auftreten, entweder durch chirurgische Eingriffe wie die perkutane Koronarintervention oder die begleitend dazu verordneten Medikamente. Risiken bergen vor allem Thrombinhemmer und Entzündungshemmer, die das ohnehin schon belastete Herz-Kreislauf-System noch zusätzlich schädigen können. Beim Einsatz einer Ballonpumpe besteht das Risiko, dass die Gefäße verletzt werden. Zudem kann es zu Infektionen, Wundheilungsstörungen und allergischen Reaktionen kommen, die mit weiteren Komplikationen einhergehen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Serotoninsyndrom sollte immer durch einen Mediziner behandelt werden. In der Regel kann es bei dieser Krankheit nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, sodass der Betroffene immer auf eine medizinische Behandlung angewiesen ist. Um die Lebenserwartung nicht einzuschränken, sollte schon bei den ersten Anzeichen dieser Krankheit ein Arzt aufgesucht werden. Ein Arzt ist beim Serotoninsyndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an mentalen Störungen leidet. Dabei kommt es zu Störungen der Orientierung oder zu einer inneren Unruhe.

Weiterhin können auch dauerhaftes Erbrechen oder Durchfall auf das Serotoninsyndrom hindeuten und müssen durch einen Arzt untersucht werden. Auch dauerhaftes Zittern in den Händen deutet nicht selten auf die Krankheit hin und bedarf einer medizinischen Untersuchung. In vielen Fällen können auch Depressionen auf das Serotoninsyndrom hindeuten. Beim Serotoninsyndrom kann der Hausarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung wird in der Regel durch einen Facharzt durchgeführt. Ob es dabei zu einer vollständigen Heilung kommt, kann nicht universell vorausgesagt werden.

Behandlung & Therapie

Zur Behandlung des Serotoninsyndroms muss an erster Stelle der Auslöser bekämpft werden. Das heißt, ist ein Medikament schuld an der Erkrankung, dann muss es sofort abgesetzt werden. Anstelle dessen bekommt der Patient ein anderes Medikament verschrieben. Gleichzeitig wird sein Gesundheitszustand engmaschig kontrolliert.

Nur so kann die Überproduktion an Serotonin eingestellt werden. In leichten Fällen tritt eine Verbesserung schon innerhalb von 24 Stunden ein. Darüber hinaus können auch Medikamente zur Behandlung der Beschwerden verabreicht werden. So wird bei einer leichten Ausprägung des Syndroms hauptsächlich Lorazepam verschrieben. Dieses Arzneimittel dient ausschließlich der allgemeinen Beruhigung.

Bei mittelschwerer bis schwerer Erkrankung verabreicht der Arzt etwa Cyproheptadin, um die Wirkung des Serotonins auf unspezifischer Weise zu hemmen. Autonome Störungen sind jedoch nicht einfach zu behandeln. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Blutdruck unter starken Schwankungen leidet. Und wenn sogar lebensbedrohliche Beschwerden wie Hyperthermie, Nierenversagen oder Aspiration auftreten, kommen natürlich Notfallmaßnahmen zum Einsatz.

Anders als bei Fieber, ist die Hyperthermie nicht auf die gestörte Temperaturregulation im Hypothalamus zurückzuführen, sondern auf die unkontrolliert erhöhte Aktivität der Muskulatur. Deshalb macht eine Behandlung mit Paracetamol in diesem Fall keinen Sinn. Besonders gefährlich sind Mittel mit einer langen Wirkdauer oder einer langen Halbwertzeit.

Sie brauchen mehrere Tage, um die volle Tätigkeit der betroffenen Enzyme wiederherzustellen. So bleiben die Beschwerden mehrere Tage bis zu Wochen nach Absetzen des Auslöser-Medikaments bestehen. Zu gefährlichen Mitteln zählt zum Beispiel das Fluoxetin, dessen Halbwertzeit bei einer Woche liegt.


Vorbeugung

Wenn ein Patient ein Antidepressivum besonders gut verträgt, dann ist die Gefahr für ein Serotoninsyndrom groß. Es ist also ratsam, dass er auf eventuelle körperliche Veränderungen achtet. So können die ersten Krankheitsanzeichen frühzeitig erkannt und mit dem Arzt besprochen werden. Gleiches gilt auch nach der Dosiserhöhung eines Arzneimittels. Zudem ist auch bei der Selbstmedikation mit Präparaten mit Johanniskraut-Extrakten, Dextromethorphan oder Tryptophan Vorsicht geboten, da diese Wirkstoffe die Produktion von Serotonin fördern.

Nachsorge

Das Serotoninsyndrom verursacht körperliche, neurologische und psychische Beschwerden. Eine Nachsorge ist ratsam, um den Symptomen auch nach abgeschlossener Behandlung entgegenzuwirken. Das Syndrom soll in Zukunft nicht mehr auftreten. Die Lebensqualität des Betroffenen bildet hierbei den Schwerpunkt.

Dem Serotoninsyndrom können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Einen allgemein gültigen Auslöser gibt es nicht. Die ursächliche Erkrankung wird mittels Medikamenten therapiert. Während der Nachsorge verringert der Arzt die Dosis bis hin zur völligen Absetzung. Er überprüft zudem, inwieweit der Patient die Medizin verträgt. In regelmäßigen Kontrollen wird der Zustand des Betroffenen erfasst. Bei einem Wiederauftreten der Beschwerden setzt die Behandlung erneut ein. Dazu sind nach Ermessen des Facharztes weitere Untersuchungen nötig (Differentialdiagnose).

Neurologische Symptome gehen mit Krämpfen oder Gliederzittern einher. In schweren Fällen wird die Atemmuskulatur in Mitleidenschaft gezogen. Diese Situation ist für den Betroffenen lebensgefährlich. Ein Klinikaufenthalt ist dringend nötig. Die Nachsorge findet im Krankenhaus statt. Sie wird beendet, wenn keine Lebensgefahr mehr vorliegt und der Patient die Klinik wieder verlassen darf.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Serotoninsyndrom und erhöhter Suizidgefahr. Liegt ein akutes Selbstmordrisiko vor, muss umgehend der Rettungsdienst gerufen werden. Er leistet erste Hilfe. Bei anhaltender Gefahr wird der Betroffene ins Krankenhaus eingewiesen.

Das können Sie selbst tun

Da diese Erkrankung tödlich enden kann, gehört sie unbedingt in ärztliche Behandlung. Eine Spontanheilung ist nicht möglich. Zudem ist es wichtig, herauszufinden, welche Medikamente bei dem Patienten das Syndrom ausgelösten. Sie müssen abgesetzt beziehungsweise ausgetauscht werden. Nur so kann eine Besserung der Symptome erreicht und eine erneute Serotoninerhöhung verhindert werden.

Dazu ist es erforderlich, dass der betroffene Patient angibt, welche Medikamente er eingenommen hat. Das gilt auch dann, wenn es sich dabei um frei verkäufliche Mittel gehandelt hat, wie beispielsweise Johanniskraut-Präparate. Auch sie erhöhen das Serotonin und können zu einer gefährlichen Wechselwirkung beigetragen haben.

Wenn sich Patienten mit einem Serotoninsyndrom nicht bereits in einer psychotherapeutischen Behandlung befinden, sollten sie spätestens jetzt damit beginnen. Das kann künftigen Depressionen vorbeugen und den Patienten damit ein Leben ohne die Einnahme von serotoninsteigernden Mitteln ermöglichen.

Ein veränderter Lebensstil wirkt ebenfalls antidepressiv. Regelmäßiger Ausdauersport beispielsweise reguliert den Stoffwechsel und sorgt gleichzeitig für eine gute Stimmung. Auch eine bewusste, ausgewogene Ernährung zeigt Studien zufolge eine positive Wirkung auf bestehende Depressionen und beugt ihnen vor. Der Verzicht auf Genussgifte wie Nikotin oder Alkohol sowie geregelte Ruhe- und Schlafzeiten helfen dem Patienten ebenfalls, psychisch stabil zu bleiben. Viele Menschen profitieren darüber hinaus von Selbsthilfegruppen. Auch ehrenamtliches Engagement gibt dem Leben neuen Sinn.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Kleine, B., Rossmanith, W.G.: Hormone und Hormonsystem. Springer Verlag, Berlin 2010
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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