Wiskott-Aldrich-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Wiskott-Aldrich-Syndrom ist ein geerbter Gendefekt, der bislang lediglich durch eine Knochenmarktransplantation geheilt werden kann. Mit einer Inzidenz von etwa 1:250.000 ist die Erkrankung selten, wobei infolge des X-chromosomal-rezessiven Erbgangs ausschließlich Jungen betroffen sind.
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Was ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom?
Als Wiskott-Aldrich-Syndrom wird ein seltener genetisch bedingter Immundefekt bezeichnet, der X-chromosomal-rezessiv vererbt wird.
Charakteristisch für die Erberkrankung ist eine Symptom-Trias aus rezidivierenden schweren Infektionen infolge eines gestörten Immunsystems, erhöhter Blutungsneigung bei Thrombozytopenie (erniedrigte und funktionell eingeschränkte Blutplättchenanzahl) und Ekzemen, wobei die individuelle Klinik vom Betroffenen zu Betroffenen sehr unterschiedlich sein kann.
In aller Regel manifestiert sich ein Wiskott-Aldrich-Syndrom direkt nach der Geburt bzw. im Neugeborenenalter anhand punktförmiger Hauteinblutungen (Petechien). Im weiteren Verlauf können blutige Durchfälle sowie eine ausgeprägte verletzungsbedingte Hämorrhagie bis hin zu inneren Blutungen und Hirnblutungen infolge der Gerinnungsstörung auftreten. In vielen Fällen sind bei einem Wiskott-Aldrich-Syndrom sekundäre Autoimmunerkrankungen zu beobachten. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für maligne Lymphome.
Ursachen
Die Mutationen bedingen zum einen eine reduzierte Anzahl an Thrombozyten, die zudem lediglich eine eingeschränkte Funktionalität aufweisen, was zu einer erhöhten Blutungsneigung bei gleichzeitig gestörter Blutgerinnung führt. Zum anderen bedingen die Genveränderungen unterschiedliche Defekte auf verschiedenen Immunzellen, die zu einem gestörten Signalaustausch, einer eingeschränkten Funktion der T-Zellen und/oder beeinträchtigten Produktion von Antikörpern führen.
Infolge des gestörten Immunsystems manifestieren sich wiederholt virale, bakterielle und mykotische Infektionen, die bei einem Wiskott-Aldrich-Syndrom vergleichsweise schwere Verläufe aufweisen können.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Beim Wiskott – Aldrich – Symptom handelt es sich um einen Immundefekt. Er ist gekennzeichnet durch Hautausschläge, eine niedrige Anzahl von Blutplättchen und wiederkehrenden Infektionen. Die Symptome entstehen durch eine Fehlfunktion der weißen Blutkörperchen und den Blutplättchen. Dadurch kommt es zu einer Dyfunktionalität des Immunsystems.
Die Hautausschläge werden oftmals mit einer Neurodermitis verwechselt. Der Grund dafür ist die Ähnlichkeit zu dem atopischen Ekzem. Im Gegensatz zur Neurodermitis kann das Ekzem aber beim Wiskott – Aldrich – Symptom in den ersten Lebenswochen auftreten. In einigen Fällen kommt es zu einer schweren Ausprägung und die Ekzeme können mit kleinen Hautblutungen einhergehen (hämorrhagisches Ekzem). Beim Wiskott – Aldrich – Symptom kommt es vor, dass die behandelten und verheilten Ekzeme wieder auftreten.
Die niedrige Anzahl von Blutplättchen kann zu Autoimmunerkrankungen führen. Diese kennzeichnen sich durch den Zerfall der roten Blutzellen (autoimmunhämolytische Anämie), durch die Entzündung kleiner Blutgefäße in Haut oder Organen (Vaskulitis), durch den Zerfall von Blutplättchen (Immunthrombozytopenie) oder durch eine Nephritis oder Colitis, also einer Entzündung der Nieren oder des Dickdarms.
Die Entzündung des Dickdarms kann sich durch blutige oder schmerzhafte Durchfälle äußern. Zuletzt kann es zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen kommen. Diese Erkrankungen können Mittelohrentzündungen, Nasennebenhöhlenentzündungen oder Ähnliches sein.
Diagnose & Verlauf
Ein Wiskott-Aldrich-Syndrom kann in aller Regel anhand der klinischen Symptome (v.a. Petechien, Ekzeme, rezidivierende Infektionen) diagnostiziert werden.
Abgesichert wird die Diagnose durch weiterführende Blutuntersuchungen, im Rahmen derer eine erniedrigte Zahl und reduzierte Größe der Thrombozyten festgestellt werden kann. Ebenso ist der Antigenkörperspiegel auffällig (erhöhte IgE-, IgD- und IgA-Konzentrationen bei erniedrigtem IgM-Wert). Bei älteren Betroffenen liegt zudem oftmals eine gestörte Funktion der T-Lymphozyten vor.
Darüber hinaus kann bereits im Rahmen der pränatalen Diagnostik der spezifische Gendefekt auf dem WAS-Gen und somit die zu erwartende Ausprägung des Wiskott-Aldrich-Syndroms bestimmt werden. Das Wiskott-Aldrich-Syndrom weist bei erfolgreicher Knochenmarktransplantation eine gute Prognose und hohe Heilungschancen auf. Ohne Transplantation liegt die Lebenserwartung allerdings bei etwa 10 bis 20 Jahren. Zudem besteht hier ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen.
Komplikationen
In erster Linie führt das Wiskott-Aldrich-Syndrom zu sehr starken Einblutungen unter der Haut. Diese können sich negativ auf die Ästhetik des Betroffenen auswirken, sodass sich viele Patienten für die Beschwerden schämen und sich damit unwohl fühlen. Auch ein verringertes Selbstwertgefühl oder Minderwertigkeitskomplexe können durch das Syndrom auftreten.
Weiterhin kann es auch an den inneren Organen zu Blutungen kommen. Das Blut wird dann häufig beim Stuhlgang oder beim Wasserlassen ausgeschieden, sodass die Betroffenen an einem blutigen Stuhlgang oder an einem blutigen Urin leiden. Mitunter erleiden Patienten dabei eine Panikattacke. Weiterhin stellt sich eine Anämie ein, die sich negativ auf die Gesundheit des Betroffenen auswirkt.
Es kommt zu einer dauerhaften Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Ebenso steigt die Anfälligkeit für Infekte und das Immunsystem des Betroffenen wird durch das Wiskott-Aldrich-Syndrom erheblich geschwächt. Die Behandlung des Wiskott-Aldrich-Syndroms richtet sich in der Regel immer nach den einzelnen Symptomen.
Diese können mit Hilfe von Medikamenten eingeschränkt werden, wobei es nicht zu Komplikationen kommt. Beschwerden an der Haut können dabei mit Hilfe von Cremes oder Salben eingeschränkt werden. In der Regel ist die Lebenserwartung des Patienten von der Erkrankung nicht negativ beeinflusst.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Unmittelbar nach der Geburt werden von dem anwesenden Geburtshelferteam der Gesundheitszustand der Mutter wie auch der des Neugeborenen überprüft. Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten werden dokumentiert und sofern notwendig, weitere medizinische Tests angeordnet. Unter optimalen Bedingungen werden die gesundheitlichen Besonderheiten bereits in dieser Phase wahrgenommen und diagnostiziert. Eltern oder Angehörige müssen daher keine weiteren Bemühungen anstreben. Zeigen sich jedoch im weiteren Entwicklungsverlauf des Kindes gesundheitliche Unstimmigkeiten, ist ein Arzt zu konsultieren.
Bei einer Hautblutung oder Verfärbungen des Hautbildes besteht bereits Anlass zur Besorgnis. Wird Blut in den Ausscheidungen des Kindes wahrgenommen, ist unverzüglich ein Arzt zu konsultieren. Zeigt der Säugling Verhaltensauffälligkeiten, eine starke Unruhe oder Störungen der Funktionstätigkeit des Organismus, ist ein Arztbesuch notwendig. Bei Ausschlägen auf der Haut, Auffälligkeiten der Bewegungsabläufe sowie einer erhöhten Körpertemperatur ist eine ärztliche Untersuchung notwendig.
Für eine Diagnosestellung sind die Beschwerden mit einem Arzt zu besprechen. Besonderheiten des Essverhaltens, Schlafstörungen sowie Unregelmäßigkeiten der Reaktion sollten ebenfalls ärztlich abgeklärt werden. Ekzeme sowie die Entwicklung von Ödemen am Körper sind Hinweise auf eine vorliegende Erkrankung. Werden im weiteren Wachstumsprozess des Kindes anhaltend oder plötzlich wiederkehrende Durchfälle beobachtet und klagt das Kind über Schmerzen im Unterleib, benötigt es medizinische Hilfe.
Behandlung & Therapie
Die therapeutischen Maßnahmen zielen bei einem Wiskott-Aldrich-Syndrom zum einen auf die Beseitigung der Ursache im Rahmen einer kausalen Therapie und zum anderen auf die Behandlung der Symptome in Abhängigkeit von den spezifisch vorliegenden Beeinträchtigungen.
So sollten Infektionserkrankungen bei vom Wiskott-Aldrich-Syndrom Betroffenen frühzeitig und konsequent antibiotisch therapiert werden. Gegebenfalls ist eine prophylaktische Antibiotika-Therapie sinnvoll. Liegt eine gestörte Synthese von Antikörpern vor, wird eine subkutane bzw. intravenöse Zufuhr von Immunglobulinen empfohlen. Eine Thrombozytopenie kann durch eine medikamentöse Therapie mit Cortison oder hochdosierten Immunglobulinen behandelt werden.
Zudem kann eine Splenektomie (chirurgische Milzentfernung) zur Verbesserung der Thrombozytopenie in Frage kommen. Bei lebensbedrohlichen Zuständen infolge ausgeprägter Blutungen können transfundierte Thrombozytenkonzentrate angezeigt sein. Zur Minimierung der ekzematischen Hautveränderungen werden rückfettende sowie kurzfristig cortisonhaltige Cremes und Salben angewandt. Diätetische Maßnahmen wie der Verzicht auf ei- und kuhmilchhaltige Nahrung kann die Therapie von Ekzemen unterstützen.
Kausal kann ein Wiskott-Aldrich-Syndrom im Rahmen einer Knochenmarktransplantation therapiert werden, bei welcher das körpereigene Knochenmark chemotherapeutisch zerstört und im Anschluss durch gesundes infundiertes Knochenmark ersetzt wird. Die besten Resultate können hierbei bei einer frühzeitigen Intervention (vor dem fünften Lebensjahr) erzielt werden. Die Gen- bzw. Genersatztherapie stellt eine weitere kausale Behandlungsmethode für das Wiskott-Aldrich-Syndrom dar, die allerdings noch klinisch getestet wird.
Vorbeugung
Da das Wiskott-Aldrich-Syndrom eine genetisch bedingte Erkrankung ist, kann dieser bislang nicht vorgebeugt werden. Um Infektionen vorzubeugen, die einen schweren Verlauf nehmen können, werden Todimpfstoffe empfohlen, während Lebendimpfstoffe wie beispielsweise gegen Mumps, Masern, Rotavirus oder Windpocken bei Vorliegen eines Wiskott-Aldrich-Syndroms vermieden werden sollten.
Nachsorge
Das Wiskott-Aldrich-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die bislang nicht ursächlich behandelt werden kann. Lediglich in einigen wenigen Studien wurde eine kausale Behandlung getestet, für die meisten Patienten bietet sich diese Option aufgrund der Risiken allerdings nicht an. Im Rahmen der Nachsorge wird der Verlauf der Symptome überprüft, um die weiteren Maßnahmen einzuleiten. Bei der Gabe von Medikamenten wie Cotrimoxazol oder Penicillin V sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig.
Wurde eines der Symptome auskuriert, muss der Arzt im Anschluss an die Genesung regelmäßig den Gesundheitszustand des Patienten überprüfen, um das Risiko für schwere innere Blutungen und andere Komplikationen zu minimieren. Nach einer Infektion muss der Patient zunächst einige Tage im Krankenhaus verbringen. Anschließend ist eine Nachsorge notwendig.
Die Nachsorge bei dem Wiskott-Aldrich-Syndrom erfolgt durch den zuständigen Internisten oder einen anderen Facharzt. Nach einer Infektion sind in der Regel mehrere Nachsorgeuntersuchungen angezeigt. Je nach Schwere der Infektion kann eine längere Unterbringung in einer Klinik notwendig sein. Begleitend dazu ist unter Umständen auch eine therapeutische Unterstützung für die Patienten vonnöten. Psychologische Hilfe ist vor allem aufgrund der schlechten Prognose sinnvoll, die zumeist mit dem Wiskott-Aldrich-Syndrom einhergeht.
Das können Sie selbst tun
Das Wiskott-Aldrich-Syndrom bedarf zunächst einer ärztlichen Diagnose und Behandlung. Die Therapie des Leidens kann zu Hause durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden.
Wichtig ist zunächst eine gute Beobachtung des erkrankten Kindes. Sollten typische Symptome wie die schmerzhaften Ekzeme auftreten, muss umgehend der Arzt informiert werden. Infektionen werden in der Regel mittels topischer oder systemischer Steroide behandelt. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme besteht darin, den Erkrankten zu beobachten und bei Neben- oder Wechselwirkungen den Arzt zu informieren.
Das Wiskott-Aldrich-Syndrom kann verschiedene Verläufe nehmen, über die sich die Angehörigen sorgfältig informieren sollten. Etwas ältere Kinder sollten über ihre Erkrankung aufgeklärt werden. Der Arzt kann die wichtigsten Infomaterialien und Anlaufstellen zur Verfügung stellen. Dadurch und durch eine umfassende ärztliche Begleittherapie wird den Patienten ein relativ beschwerdefreies Leben ermöglicht.
Wichtig ist auch die regelmäßige Recherche bezüglich neuer Therapieformen. Im Hinblick auf das Wiskott-Aldrich-Syndrom werden derzeit Gentherapien erprobt, welche sich in einigen Jahren als wirksam erweisen könnten. Die Patienten können an Testprogrammen teilnehmen oder sich auf die symptomatische Behandlung konzentrieren. Welche Selbsthilfe-Maßnahmen sinnvoll sind, wird mit dem zuständigen Facharzt abgesprochen.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
- Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012