Immundefekt
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Von einem Immundefekt oder einer Immundefizienz spricht man in der Medizin, wenn das Immunsystem gestört ist und den Körper nicht mehr vor Krankheitserregern und Krebszellen schützen kann. Bei gesunden Menschen funktioniert die Immunabwehr recht gut, ist aber auch sehr störanfällig.
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Was ist ein Immundefekt?
Man unterscheidet in der Medizin zwischen zwei Arten von Immundefekten. Zum einen kann der Immundefekt angeboren sein (Primärer Immundefekt) oder er kann im Laufe des Lebens erworben werden (Sekundärer Immundefekt).
Der Primäre Immundefekt tritt seltener auf und ist auf gestörte Gene zurückführen, die für die Bildung von Antikörpern zuständig sind. In den letzten Jahren haben sie entweder zahlenmäßig zugenommen oder sie werden heute besser erkannt.
Beim Sekundären Immundefekt handelt es sich um eine erworbene Störung auf Grund bestimmter Krankheiten oder Mangelzuständen. Dabei werden die Abwehrzellen und Antikörper durch Viren, chemischen Giften, schweren Krankheiten oder falsche Lebensweise zerstört.
Ursachen
Schwere Infektionskrankheiten, die das Abwehrsystem des Körpers schwächen oder gar zerstören (wie bei AIDS), Leukämie, Krebstherapien, große Operationen, Einnahmen von immunsupprimierenden Medikamenten (nach Transplantationen), anhaltende Stresssituationen, Drogen, Mangelernährung, Vergiftungen, chronische Krankheiten wie Zuckerkrankheit können Immundefekte auslösen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei einem diagnostizierten Immundefekt sind die Heilungsaussichten sehr unterschiedlich. Wird der Patient mit einer medikamentösen Therapie begleitet, kann die Lebenserwartung entsprechend der gesunder Menschen aussehen. Wichtig für eine gute Lebensqualität ist eine frühe Diagnose und die konsequente Einhaltung der Therapie.
Ein gesundes Immunsystem wird aufrecht erhalten mit gesunder Ernährung, viel Bewegung im Freien und ausreichend Schlaf. Der Genuss von Alkohol und das Rauchen schaden dem Immunsystem und sollten unterlassen werden. Für Patienten mit der Diagnose Immundefekt gilt dies natürlich besonders. Im besten Fall können vom Immundefekt betroffene Menschen ihr ganzes Leben lang beschwerdefrei sein und keine medizinische Behandlung benötigen.
Andere Betroffene werden sich in regelmäßigen Abständen in ärztliche Behandlung begeben müssen. Infusionen helfen, den Körper mit den fehlenden Antikörpern zu stabilisieren. Entsprechend der Art der Grunderkrankung werden für den Heilungsprozess einmalige oder mehrmalige Infusionen erforderlich sein. Besonders ist darauf zu achten, dass Infektionskrankheiten verhindert werden.
Größere Menschenansammlungen und der Kontakt mit infizierten Menschen, besonders bei Erkältungen, sollten vermieden werden. Nicht zuletzt ist auf den engen Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem hinzuweisen. Forschungen zeigen, dass das Immunsystem besser funktioniert, wenn die Stimmungslage positiv ist. Eine positive Einstellung zum Leben und offene Kommunikation tragen zur Heilung beziehungsweise Linderung bei.
Diagnose & Verlauf
Eine frühzeitige Diagnose insbesondere bei angeborenen Immundefekten ist lebenswichtig. Deshalb sollten Patienten und Ärzte bei bestimmten Warnsignalen hellhörig werden. Wenn mehr als zwei Lungenentzündungen, mehr als vier schwere Infektionen pro Jahr, immer wiederkehrende Hautabszesse sowie Pilzbefall der Mundschleimhäute auftreten oder Impfkomplikationen und Wachstumsstörungen entstehen, sollte man unbedingt zur weiteren Diagnose zu einem Spezialisten.
Allgemein kann der Immundefekt bei einer Blutuntersuchung festgestellt werden. Dabei lassen sich die Antikörper im Blut exakt nachweisen und ein Mangel genau bestimmen. Die Ärzte können sofort erkennen, ob ein Immundefekt vorliegt oder nicht. Wenn in der Familie bereits ein Immundefekt vorgekommen ist, sollte sogar bereits im Bauch der Mutter eine Untersuchung stattfinden.
Komplikationen
Die Betroffenen leiden dabei vor allem an Entzündungen der Ohren und der Lunge. Diese Entzündungen können im schlimmsten Falle lebensgefährlich sein und schränken die Lebensqualität extrem ein. In vielen Fällen führen die ständigen Krankheiten auch zu psychischen Beschwerden, sodass die Patienten an Minderwertigkeitskomplexen und an einem verringerten Selbstwertgefühl leiden.
In der Regel benötigt der Körper der Patienten auch einen längeren Zeitraum, um die Infekte und Entzündungen zu bekämpfen. Die Lebenserwartung kann durch den Immundefekt verringert sein. Bei der Behandlung des Defektes werden dem Patienten Antikörper verabreicht, wodurch Beschwerden und Symptome gelindert werden können.
Diese Behandlung muss meistens lebenslang erfolgen, damit es zu keinen Folgeschäden kommt. Sollte es bereits zu Infektionen oder Entzündungen gekommen sein, so werden diese mit Hilfe von Antibiotika behandelt. Dabei kommt es zu keinen Komplikationen. Psychische Beschwerden werden durch einen Psychologen behandelt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Personen, die immer wieder an Infekten leiden, sollten mit einem Arzt sprechen. Auch wiederkehrende Entzündungen deuten auf einen Immundefekt hin, der zeitnah diagnostiziert und behandelt werden muss. Sollten weitere Beschwerden hinzukommen, muss umgehend ein Mediziner konsultiert werden. Personen, in deren Familie bereits Immundefekte vorliegen, sollten den Hausarzt aufsuchen und eine Untersuchung vornehmen lassen. Notwendig ist dies insbesondere bei zunehmenden Beschwerden und einer schleichenden Abnahme des Wohlbefindens, die auf eine ernste Erkrankung schließen lässt.
Bei ernsten Komplikationen wie einer Lungenentzündung oder wiederkehrenden Infekten muss ein Krankenhaus aufgesucht werden. Bei einem medizinischen Notfall, etwa, wenn der Betroffene das Bewusstsein verliert oder an Atemnot leidet, ist ein Rettungsdienst zu rufen. Im Zweifelsfall kann zunächst der ärztliche Notdienst kontaktiert werden. Da ein Immundefekt nicht ursächlich behandelt werden kann, ist eine lebenslange Überwachung erforderlich. Um eine optimal eingestellte Medikation zu gewährleisten und Komplikationen zu vermeiden, sollten Betroffene regelmäßig mit dem Hausarzt sprechen. Weitere Ansprechpartner sind Fachärzte für innere Medizin und Lungenfachärzte.
Behandlung & Therapie
Die Therapie bei primären Immundefekten erfolgt meistens durch eine regelmäßige lebenslange Einnahme von Antikörpern (Immunglobuline von gesunden Spendern). So können viele Patienten erfolgreich behandelt werden. Die Immunglobulin-Therapie kann auf zwei Wegen erfolgen. Entweder werden die Immunglobuline direkt in die Vene gespritzt oder unter die Haut.
Bei einer schweren Infektion wird eine höhere Dosis gegeben als bei einer leichteren Infektion. Im Idealfall erreicht man auf diesem Weg die Infektionsrate von gesunden Menschen. Die Patienten müssen zusätzlich mehrere Medikamente und Antibiotika gegen Bakterien und Pilze nehmen, da Immunglobine nicht so stark den Körper schützen können wie richtige Antikörper.
Wenn der Immundefekt durch die Lebensumstände der Patienten verursacht wird, sollte neben Medikamenten und Vitaminen eine Lebensberatung oder Psychotherapie angeboten werden. Diese kann in Form einer Ernährungs-, Drogen- oder Stressvermeidungs-Beratung oder aber auch in Form einer Gesprächstherapie stattfinden. Wenn der Defekt auf Grund einer Erkrankung entstanden ist, sollte die Grunderkrankung therapiert werden, die die Hauptursache für die Störung des Immunsystems darstellt.
Bei einigen Patienten mit angeborenen Immundefekten können Stammzellen- oder Knochenmarktransplantationen eine dauerhafte Heilung verschaffen. Diese Therapie wird nur bei schweren Immundefekten durchgeführt, ohne diese der Patient sonst sterben würde. Eine neue Form der Therapie ist die Gentherapie, wobei in die Erbsubstanz (DNA) ein intaktes Gen eingesetzt wird, um die Funktion des gestörten Gens wieder herzustellen. Diese Therapie wird nur Patienten mit Immundefekten durchgeführt, bei denen alle anderen Behandlungsmaßnahmen versagt haben.
Aussicht & Prognose
Bei einem Immundefekt hängt die Prognose von der Art und Ausprägung des Immundefekts ab. Grundsätzlich verbessert eine frühe Diagnose die Aussicht auf ein beschwerdefreies Lebens. Je mehr schwere Infektionen ein Patient überwindet, desto wahrscheinlich sind Spätfolgen. Patienten, die positiv auf die Antikörper-Behandlung reagieren, genesen oftmals wieder vollständig.
Bei schwerwiegenden Immundefekten können dagegen ernste Komplikationen auftreten, die manchmal zum Tod des Patienten führen. Die Lebenserwartung der betroffenen Patienten ist meist reduziert. Eine krankhafte Infektanfälligkeit, die nicht diagnostiziert und behandelt wird, kann bereits im Kindesalter tödlich verlaufen. Während der Entwicklungsphase können sich zudem bleibende Herzschäden oder Immunstörungen entwickeln, die für die Patienten eine dauerhafte Belastung darstellen.
Um die Prognose zu verbessern, sollte bei einer gesteigerten Infektanfälligkeit der Hausarzt konsultiert werden. Der Mediziner kann einen Immundefekt rasch diagnostizieren und die Aussicht auf ein relativ beschwerdefreies Leben verbessern. Durch entsprechende Maßnahmen wie medikamentöse Therapien und vorbeugende Schutzmaßnahmen kann der Ausbruch einer schweren Infektion vermieden werden. Bei einem krankheitsbedingten Infekt, wie er beispielsweise im Rahmen einer Leukämie oder HIV Infektion auftreten kann, steht die Behandlung der ursächlichen Erkrankung im Fokus.
Vorbeugung
Als vorbeugende Maßnahmen bei angeborenen Immundefekten sind die Frühwarnsysteme von Bedeutung, um eine rechtzeitige Behandlung zu ermöglichen. Bei erworbenen Immundefekten gilt, wegen der höheren Infektanfälligkeit, das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten. Eine gesunde Lebensweise mit viel Bewegung im Freien, ausreichend Schlaf, Stressvermeidung und gute Ernährung kann viele Immundefekte positiv beeinflussen oder gar verhindern.
Nachsorge
Der Umgang mit einem Immundefekt erstreckt sich oft über einen längeren Zeitraum. Hier gehen Therapie, Nachsorge und Vorbeugung direkt ineinander über. Je früher die Diagnose erfolgt, desto besser sind die Chancen, beschwerdefrei zu leben. Bei häufigen Infektionen drohen hingegen Spätfolgen, darum ist ein regelmäßiger Check beim Arzt unerlässlich.
Um schon bei der Nachsorge vorzubeugen, kommen Frühwarnsysteme zum Einsatz. Die Patienten und ihre Angehörigen sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen und die erhöhte Infektanfälligkeit genau beobachten. Dabei geht es auch um die Reduzierung der Ansteckungsgefahr. Für die betroffenen Familien empfiehlt der Arzt eine gesundheitsbewusste Lebensweise mit ausreichend Bewegung und Schlaf, einer ausgewogenen Ernährung und Stressvermeidung.
Dieses Grundgerüst hat einen positiven Einfluss auf die Anfälligkeit und kann schlimmere Folgen vermeiden. Für Erwachsene sowie für Kinder gibt es Selbsthilfegruppen. Hier können die Betroffenen Informationen und Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig helfen. Auch Kinder können schon frühzeitig lernen, die Therapie in den Alltag zu integrieren und Verantwortung zu übernehmen.
Für die Nachsorge gibt es beispielsweise Entspannungstechniken und Atemübungen. Auch die sozialen Kontakte helfen dabei, das Selbstbewusstsein zu stärken. So lässt sich der Alltag leicht bewältigen und die Betroffenen fühlen sich widerstandsfähiger.
Das können Sie selbst tun
Es gibt eine ganze Reihe von Selbsthilfegruppen, die Erwachsenen, aber besonders auch Kindern mit Immundefekten und ihren Eltern, Unterstützung anbieten. In Deutschland gibt es zum Beispiel die Patientenorganisation für angeborene Immundefekte e.V. Die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen NAKOS stellt eine Datenbank zur Verfügung, in der Interessierte nach regionalen Selbsthilfegruppen suchen können.
Ausgrenzungen durch eine solche Erkrankung, gerade bei Kindern, erschweren den normalen Alltag. In Kindergarten und Schule können ein offenes Gespräch und der entsprechende Umgang damit Hilfe bieten. Der Lehrkörper sollte informiert sein, dass es bei dem entsprechenden Kind zu häufigen Fehlzeiten kommen kann. Dadurch wächst das Verständnis und Lehrer und Mitschülern nehmen Rücksicht.
Ein erkranktes Kind sollte so früh wie möglich Verantwortung für bestimmte Bereiche seiner Therapie übernehmen. Es kann erlernte Entspannungstechniken anwenden und Atemübungen durchführen. Gesangsunterricht, bzw. die Mitgliedschaft in einem Chor stabilisiert das Selbstwertgefühl und ermöglicht, genauso wie sportliche Aktivität, soziale Kontakte zu knüpfen. Vielfach angebotene Patientenschulungen eignen sich für einen kompetenten Umgang mit der eigenen Erkrankung und helfen den Alltag zu erleichtern.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012
- Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011