Adrenogenitales Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Adrenogenitale Syndrom wird nach dem Katalog der WHO unter der Nummer E25.0 als „angeborene androgenitale Störung in Verbindung mit Enzymmangel“ bezeichnet. Es wird durch Störungen der Synthese von Hormonen in der Nebennierenrinde verursacht und führt zu einer Mangelversorgung des Körpers mit Cortisol.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das adrenogenitale Syndrom?

Das Adrenogenitales Syndrom wird durch Störungen der Synthese von Hormonen in der Nebennierenrinde verursacht und führt zu einer Mangelversorgung des Körpers mit Cortisol.

Das adrenogenitale Syndrom kennzeichnet sich dadurch, dass das Zusammenspiel aus Nebennierenrinde, Schilddrüse und dem Hypothalamus sowie der Hypophyse gestört ist. Alle vier sind an der Bereitstellung von Hormonen im menschlichen Körper beteiligt.

In der Hauptsache sind die Hormone Cortisol sowie Aldosteron von der Fehlsteuerung betroffen. Fehlt beispielsweise Aldosteron, kann dies auch mit einem erheblichen Salzverlust einher gehen. Ein weiteres Kennzeichen beim adrenogenitalen Syndrom findet sich bei Jugendlichen. Bei männlichen Patienten entwickeln sich die Geschlechtsorgane früher als normal und weibliche Patienten weisen deutliche männliche Züge auf.

Störungen beim Cortisol-Spiegel verursachen Schlafstörungen und schränken über den Tag hinweg die Leistungsfähigkeit stark ein. Das kann bis hin zum chronischen Müdigkeits-Syndrom führen.

Ursachen

Abhängig davon, welches Enzym konkret betroffen ist, lässt sich das adrenogenitale Syndrom von der Ursache her in fünf Typen klassifizieren.

Beim Typ 1 ist die Produktion von StAR-Protein beeinträchtigt. Eine Unterart weist Störungen bei der Cholesterin-Monooxygenase auf, konnte aber bisher nur in einem einzigen Fall nachgewiesen werden.

Beim Typ 2 läuft die 3beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase gestört. Mit einer signifikanten Häufigkeit kommt der Typ 3 vor, der sich durch eine Störung der 21-Hydroxylase manifestiert. Den zweiten Rang bei der Häufigkeit nimmt der Typ 4 ein, bei dem sich serologisch Veränderungen der 11-beta-Hydroxylase nachweisen lassen.

Die 17alpha-Hydroxylase ist beim Typ 5 gestört, der recht selten diagnostiziert wird. Auch regionale Unterschiede sind zu beobachten. Das adrenogenitale Syndrom vom Typ 1 ist beispielsweise in Europa sehr selten, während es in Südkorea und Japan mit einer deutlichen Häufung festgestellt wird.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das klassische adrenogenitale Syndrom äußert sich durch eine vorgeburtliche Vermännlichung der äußeren Genitalien bei Personen weiblichen Geschlechts. Bei männlichen Personen ist das Hauptsymptom der Salzverlust. Je nachdem, ob es sich um eine Form mit oder ohne Salzverlust handelt, kann es zu Gedeihstörungen oder einem Schock kommen. Im schlimmsten Fall fällt das Kind in ein Koma.

Bei beiden Geschlechtern bilden sich im Verlauf der Kindheit übermäßig viele männliche Hormone, was in Hochwuchs, Akne, vorzeitigem Stimmbruch und Genitalbehaarung, einem Ausbleiben der Regelblutung und anderen Beschwerden mündet. Unbehandelte Kinder erreichen eine geringe Körpergröße und leiden im Erwachsenenalter häufig an Übergewicht, Stoffwechselveränderungen und Unfruchtbarkeit.

Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Beschwerden und andere Komplikationen. Das Late-Onset-AGS ist normalerweise nicht mit einer vorgeburtlichen Vermännlichung verbunden. Allerdings kann es auch hier zu Symptomen wie vorzeitiger Schambehaarung und Akne kommen. Betroffene Personen leiden häufig an Hochwuchs und sind meist unfruchtbar.

Weiterhin kann das adrenogenitale Syndrom anhand äußerlicher Fehl- oder Missbildungen erkannt werden. So sind in einigen Fällen die Genitalien übermäßig klein oder groß. Bei Mädchen kann das Wachstum der Brüste gestört sein. Weitere Symptome hängen von der jeweiligen Form des AGS ab.

Diagnose & Verlauf

Für Diagnose wird als erstes Mittel nach einer allgemeinen Anamnese eine so genannte Blutgasanalyse durchgeführt. Dabei wird das Verhältnis der Basen und Säuren im Blut geprüft. Auch eine Bestimmung der Elektrolyte wird durchgeführt, um festzustellen, wie weit der Salzverlust im Stoffwechsel fortgeschritten ist.

In einem zweiten Schritt werden parallel Untersuchungen des Bluts und des Urins durchgeführt, durch die Hinweise auf eine Störung der Bereitstellung von 17-Hydroxy-Progesteron gewonnen werden. Der Nachweis von Veränderungen im Cortisol-Spiegel kann mittlerweile auch über Speicheltests erbracht werden, wobei sich auch Veränderungen über den Tag hinweg finden lassen, die auf eine Nebennierenschwäche hindeuten.

Als weiteres diagnostisches Mittel kommt der ACTH-Test zum Einsatz. Bei Babys gehört diese Prüfung in Deutschland zu den Standardtests, die unmittelbar nach der Geburt durchgeführt werden. Beim ungeborenen Kind kann ist eine Diagnostik über Untersuchungen des Fruchtwassers durchgeführt werden.

Komplikationen

In erster Linie leidet der Patient beim adrenogenitalen Syndrom an einer starken Androgenisierung. Vor allem bei Frauen stellt dies ein enormes Problem dar und kann zu starken Störungen des Selbstbewusstseins und zu Minderwertigkeitskomplexen führen. Oft kommt es auch zur Ausbildung eines Pseudo-Penises.

Die Betroffenen leiden an Müdigkeit und Schlafstörungen. Ebenso sind sie stärker von Infektkrankheiten betroffen und werden häufiger krank. Der Körper wächst relativ schnell und stark. Durch die Vermännlichung kommt es vor allem im Kindesalter zu Mobbing und zu Hänseleien, was in starken psychischen Beschwerden und Depressionen münden kann.

Oft ist dabei auch eine psychische Behandlung des Kindes und der Eltern notwendig, um mit diesem Syndrom zurechtzukommen. Leider kann das Syndrom nicht kausal geheilt werden, sodass die Behandlung nur auf die Eingrenzung der Symptome zielt. Dabei werden vor allem die fehlenden Hormone ersetzt, um dem Syndrom entgegenzuwirken.

Da die fehlenden Hormone vom Körper überhaupt nicht produziert werden, muss der Patient diese meistens sein gesamtes Leben lang einnehmen. Dabei treten keine weiteren Komplikationen auf. Falls die Erkrankung noch während der Schwangerschaft festgestellt wird, kann auch die Mutter Medikamente einnehmen. Die Lebenserwartung wird dabei nicht verringert. Auch die Entwicklung des Kindes findet gewöhnlich statt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Frauen mit Adrenogenitalem Syndrom sollten sich bei Kinderwunsch durch einen Humangenetiker beraten lassen. Dieser führt eine DNA-Analyse durch und hilft das Erkrankungsrisiko für das Ungeborene einzuschätzen. Ist dieses aufgrund der Heterozygotie des Partners erhöht, wird eine pränatale Therapie durchgeführt. Vermännlichungserscheinungen bei Mädchen werden dadurch verhindert.

Bei Jungen zeigt sich das Beschwerdebild unauffälliger und meist erst dann, wenn eine lebensgefährliche Salzverlustkrise auftritt. Erscheinen betroffene Kinder teilnahmlos, erbrechen häufig oder fallen ins Koma, ist das als Notfall einzustufen. Dieser erfordert sofortige Maßnahmen. Die weitere Betreuung und medikamentöse Therapie leistet der Kinderendokrinologe.

Eine Nebennierenkrise kann auch beim Erwachsenen auftreten. Symptome wie hoher Blutdruck, Übelkeit, Erbrechen oder Schock bedürfen unverzüglicher ärztlicher Hilfe.

Frauen sollten einen Gynäkologen aufsuchen, wenn sie unter unerfülltem Kinderwunsch oder dem Ausbleiben der Menstruation leiden. Entwickeln sie außerdem Anzeichen einer Virilisierung ist der richtige Ansprechpartner ein internistischer Endokrinologe. Bei Verdacht auf ein late-onset AGS wird der Mediziner verschiedene Tests durchführen.

Vermehrtes Schwitzen, ausgeprägte Akne und eine leichte Gewichtszunahme sind alleingenommen kein Grund zur Besorgnis. Diese Anzeichen können eine normale Folgeerscheinung der Pubertät oder hormonellen Ungleichgewichts sein.

Behandlung & Therapie

Eine Behandlung im Sinne der Behebung der Ursache ist für das adrenogenitale Syndrom nicht möglich, da es sich um einen angeborenen Gendefekt handelt. Es erfolgt deshalb eine symptomatische Behandlung, die in einem Ersatz der fehlenden Hormone besteht.

Diese muss lebenslang erfolgen, wobei hinsichtlich der Dosierung zu beachten ist, dass sie in Stresssituationen vorübergehend erhöht werden muss. In der Hauptsache kommen Präparate mit Fludrocortison und Mineralcortikoiden zum Einsatz.

Diese Hormonersatztherapien sollten so zeitig wie möglich begonnen werden. Das hat zur Entwicklung von Technologien geführt, mit denen Mädchen bereits im Mutterleib mit Korticoiden versorgt werden können.

Aussicht & Prognose

In der Regel kommt es bei diesem Syndrom zu einer sehr starken Vermännlichung des Patienten. Dabei kann sich im weiteren Verlauf der Krankheit auch ein Pseudopenis bei der Frau ausbilden. Der Körper wächst relativ schnell und die Pubertät tritt schon frühzeitig ein. In den meisten Fällen leiden die Betroffenen auch an psychischen Beschwerden und teils an Depressionen. Bei Kindern kann es zu Hänseleien und zu Mobbing kommen.

Es kommt weiterhin zu einer starken Müdigkeit, welche durch Schlafstörungen hervorgerufen wird. Der Patient ist ebenfalls stark anfällig für verschiedene Infekte und Krankheiten und leidet dabei öfter an Entzündungen. Die Lebensqualität des Betroffenen wird durch das Syndrom stark eingeschränkt.

Die Behandlung dieses Syndroms erfolgt mit Hilfe einer Hormontherapie, die in der Regel zum Erfolg führt. Weitere Komplikationen und Beschwerden treten nicht ein. Dabei kann der Patient schon im Mutterleib mit den notwendigen Hormonen versorgt werden, sodass die Symptome nach der Geburt stark eingeschränkt werden. Das Syndrom lässt sich im weiteren Verlauf der Behandlung komplett einschränken, sodass es zu keinen weiteren Beschwerden für den Patienten kommt.


Vorbeugung

Weil als Ursache ein Gendefekt ausgemacht worden ist, ist eine Vorbeugung im engeren Sinne nicht möglich. Aber mit einigen Maßnahmen können die Auswirkungen gelindert werden. Der konsequenten Stressvermeidung kommt hier eine wichtige Bedeutung zu.

Auch über die Ernährung kann ein erheblicher Teil zur Entlastung des Stoffwechsels beigetragen werden. Wissen sollte man, dass dabei einige der Hinweise der WHO zur gesunden Ernährung komplett auf den Kopf gestellt werden.

Besonders interessant ist hier die Logi-Methode der Ermährung, die von der Harvard Universität entwickelt worden ist. Statt drei Mahlzeiten sollte man seine Nahrungsaufnahme gleichmäßig über den Tag verteilen. So werden tageszeitbedingte Schwankungen im Cortisol-Haushalt ausgeglichen.

Nachsorge

In der Regel stehen dem Patienten bei diesem Syndrom keine besonderen Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei ist der Betroffene in erster Linie auf eine frühzeitige Erkennung und Diagnose dieser Beschwerden angewiesen, um weitere Beschwerden oder zu Komplikationen vorzubeugen. Es kann dabei auch nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass bei dieser Krankheit im Vordergrund die frühzeitige Erkennung steht.

Sollte beim Betroffenen ein Kinderwunsch vorliegen, kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das Vererben des Syndroms an die Nachfahren eventuell zu verhindern. Da es sich dabei um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann auch keine vollständige und auch keine kausale Behandlung durchgeführt werden. Eventuell ist durch dieses Syndrom auch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Die Behandlung selbst erfolgt dabei meistens durch die Gabe von Medikamenten. Der Betroffene sollte dabei auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Einnahme achten. Dabei sollte bei Fragen oder Unklarheiten immer zuerst ein Arzt konsultiert werden. Weitere Maßnahmen einer Nachsorge sind dabei nicht erforderlich und auch nicht möglich. Bei Kindern müssen vor allem die Eltern auf die richtige Einnahme der Medikamente achten.

Das können Sie selbst tun

Personen, die am Adrenogenitalen Syndrom erkrankt sind, müssen ein Leben lang ärztlich behandelt werden. Im Alltag empfiehlt sich ein aktiver Lebensstil und eine angepasste Diät. Der Mediziner wird eine gleichmäßige Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen empfehlen. Zudem muss der Patient ausreichend Flüssigkeit aufnehmen, um das Risiko für einen medizinischen Notfall zu minimieren.

AGS-Patienten müssen außerdem einen Notfallausweis mit sich führen. Bei einem medizinischen Notfall können die Ersthelfer umgehend den Rettungsdienst rufen und Erste Hilfe leisten. Der Notfallausweis muss auch nach Abschluss der medikamentösen Behandlung mitgeführt werden. Da die Medikation bei AGS oft ein Leben lang fortgesetzt werden muss, sollte auf etwaige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen geachtet werden. Vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach Beginn der Behandlung gilt es, Komplikationen zu erkennen und die Medikation anzupassen.

Nach einigen Monaten sollte die Medikation optimal auf das Symptombild abgestimmt sein, wodurch hormonelle Beschwerden minimiert und die Gefahr für einen medizinischen Notfall reduziert wird. Sollte es dennoch einmal zu ungewöhnlichen Symptomen kommen, wird am besten umgehend der ärztliche Notdienst oder ein Notarzt kontaktiert.

Quellen

  • Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2015
  • Kerbl, R., Kurz, R., Roos, R., Wessel, L.,, Reiter, K.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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