Bauchdeckenreflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Bauchdeckenreflex handelt es sich um einen Eigenreflex des menschlichen Körpers, der zur unwillkürlichen Kontraktion der Bauchmuskulatur führt. Der Bauchdeckenreflex hat die Funktion, den Bauchmuskel vor einer passiven Überdehnung zu schützen und dadurch Schaden von ihm abzuwenden. Sein Ausbleiben kann auf eine Schädigung der Pyramidenbahn hinweisen, beispielsweise infolge eines Schlaganfalls.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Bauchdeckenreflex?

Beim Bauchdeckenreflex handelt es sich um einen Eigenreflex des menschlichen Körpers, der zur unwillkürlichen Kontraktion der Bauchmuskulatur führt.

Der Bauchdeckenreflex stellt einen Eigenreflex des Menschen dar. Eigenreflexe zeichnen sich dadurch aus, dass Reizung und Reaktion im selben Organ stattfinden.

Die Neurophysiologie, die sich mit den Mechanismen des menschlichen Nervensystems beschäftigt, bezeichnet damit einen Reflex, der auf eine spezielle Art neuronal verschaltet ist: Fortsätze der Nervenzelle, die Dendriten, nehmen das reizende Signal auf. Diese spezialisierten Dendriten sensorischer Nervenzellen heißen afferente Dendriten, abstammend vom lateinischen 'affere', das 'zuführen' oder 'hintragen' bedeutet.

Bei einem Eigenreflex überträgt eine sogenannte Ia-Afferenz dieses Nervensignal über eine einzige Schaltstelle an ein Motoneuron. An der Informationsübertragung des auslösenden Reizes sind dementsprechend zwei Nervenzellen und eine Schnittstelle (Synapse) beteiligt.

Als Motoneuron bezeichnen die Neurowissenschaften efferente Nervenzellen, abstammend vom lateinischen Begriff 'efferre', 'hinaustragen'. Im Gegensatz zu den afferenten Neuronen, die dem Nervensystem Informationen zuführen, leiten die efferenten Nerven Befehle vom Nervensystem zu den Muskeln hin. Dieses efferente Signal veranlasst den entsprechenden Muskel, sich zusammenzuziehen, was in diesem besprochenen Fall im Bauchdeckenreflex resultiert.

Wie bei allen Eigenreflexen Reflexe läuft der Bauchdeckenreflex ohne Beteiligung des zentralen Nervensystems ab. Der menschliche Körper kann die Bewegung deshalb nicht bewusst auslösen oder unterdrücken.

Funktion & Aufgabe

Eine passive Dehnung des Bauchmuskels löst den Bauchdeckenreflex aus. Spezielle sensorische Nervenzellen, die sich im Muskel befinden, detektieren die Dehnung. Die mechanische Reizung der Dendriten (Afferenzen) führt zu einer Veränderung im elektrischen Potential des Neurons. Das wiederum verursacht eine Depolarisation der Zelle und lässt diese ein chemisches Signal produzieren: Sie setzt bestimmte Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, in den synaptischen Spalt frei, der sich zwischen der sensorischen Nervenzelle und dem nächsten Neuron befindet. Die nachfolgende Nervenzelle erfasst die chemische Reizung mithilfe der Rezeptoren an ihren Dendriten. Auf diese Weise wird das Nervensignal von Zelle zu Zelle weitergeleitet.

Verschiedene mechanische Reize sind in der Lage, den Bauchdeckenreflex auf einer oder beiden Seiten auszulösen. Ein Stoß gegen den Rippenbogen kann den Bauchdeckenreflex ebenso hervorrufen wie ein Schlag gegen den Beckenkamm. Auch wenn der Bauchmuskel über dem Schambein zu stark passiv gedehnt wird, löst der menschliche Körper automatisch den Bauchdeckenreflex aus.

Der Reflex hat unter anderem die Funktion, den Muskel vor einer Überdehnung zu schützen. Bei Muskelfasern handelt es sich um elastisches Gewebe, das sich flexibel verhält und bis zu einem gewissen Grad dehnbar ist. Allerdings ist diese Dehnbarkeit beschränkt. Bei einer langsam, allmählichen Überdehnung reißen zunächst nur einzelne feine Fasern des Muskels. Die Effekte einer solchen leichten Überdehnung sind für den betroffenen Menschen unangenehm, äußern sich jedoch lediglich in Form des bekannten Muskelkaters und haben keine weitreichenden gesundheitlichen Folgen. Ein zunehmender Zug an den Muskelfasern kann jedoch ganze Muskelfasern und sogar den Muskel insgesamt zerreißen.

Dem Bauchdeckenreflex kommt zudem noch eine zweite wichtige Schutzfunktion zu: Er schützt die Organe des Bauchraums vor möglichen Schäden durch Schläge oder Stürze. Durch die Kontraktion versteift sich die Bauchmuskulatur und bildet dadurch einen natürlichen Schild, um die Organe vor mechanischen Reizen abzuschirmen. Allerdings reicht dieser Schutz nur bis zu einem gewissen Grad. Etwa bei Verkehrsunfällen oder absichtlich zugefügter Gewalt reicht der Schutz durch den Bauchdeckenreflex nicht aus. Eine Folge sind häufig Verletzungen der inneren Organe im Bauchraum.

Bei einer medizinischen Untersuchung legen MedizinerInnen in der Regel zwei Finger der einen Hand auf den Bauchmuskel und klopfen mit der anderen Hand oder dem Reflexhammer kurz auf den Handrücken. Dadurch können sie feststellen, ob der Bauchdeckenreflex wie erwartet ausgelöst wird. Sein Fehlen verweist möglicherweise auf eine neurologische oder andere Erkrankung.


Krankheiten & Beschwerden

Ein ausbleibender Bauchdeckenreflex kann auf verschiedene Krankheiten hinweisen. Er bildet jedoch nicht das einzige Symptom einer solchen und MedizinerInnen können sein Fehlen nicht immer eindeutig auf eine einzige Ursache zurückführen. Wenn eine Reizung des Bauchmuskels nicht zum Bauchdeckenreflex führt, weist dies möglicherweise auf eine Schädigung der Pyramidenbahn hin. Bei der Pyramidenbahn handelt es sich um einen Teil des pyramidalen Nervensystems, das in seiner Gesamtheit die Bewegungen des menschlichen Körpers steuert.

Die Pyramidenbahn beginnt am verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata), das einen Teil des Gehirns darstellt, und verläuft weiter über das Rückenmark, wo sich die meisten Nervenfasern kreuzen. Auch die Motoneurone, die am Bauchdeckenreflex beteiligt sind, befindet sich dort. Die Neurowissenschaften bezeichnen sie mit dem Code Th6-L1. Aus diesem Grund beeinträchtigt eine Schädigung der Pyramidenbahn unter anderem den Bauchdeckenreflex. Insbesondere dann, wenn der Bauchmuskel nur auf einer Seite mit dem Bauchdeckenreflex auf eine Reizung reagiert, liegt eine Schädigung der Pyramidenbahn nahe.

Ein Schlaganfall (Apoplexie) ruft potenziell diese Läsion hervor. Bei einem Schlaganfall handelt es sich um eine Schädigung des Gehirns, die häufig auch Auswirkungen auf andere Teile des Nervensystems hat und deren Ursache in einer mangelhaften Blutversorgung des Gehirns liegt. Das ausbleiben des Bauchdeckenreflexes stellt deshalb ein ernstzunehmendes Symptom dar, das eine weitergehende klinische Diagnostik durch einen Arzt oder eine Ärztin erfordert.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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