Brown-Séquard-Syndrom

Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Brown-Séquard-Syndrom ist ein selten auftretendes Krankheitsbild, das im Regelfall durch Rückenmarksverletzungen auftritt. Der Patient kann auf einer Körperhälfte weder Schmerz noch Temperaturen wahrnehmen. Nur selten handelt es sich um das sogenannte reine Brown-Séquard-Syndrom; in vielen Fällen liegt eine unvollständig ausgeprägte Form des Syndroms vor.
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Was ist das Brown-Séquard-Syndrom?
Als Brown-Séquard-Syndrom wird ein sogenannter Symptomkomplex beschrieben, der im Rahmen einer halbseitigen Rückenmarkschädigung auftritt. Es kommt dabei zu Muskellähmungen sowie dissoziierten Störungen der Sensibilität. Das Brown-Séquard-Syndrom wurde erstmals zwischen 1850 und 1851 von Charles-Édouard Brown-Séquard dokumentiert; das Brown-Séquard-Syndrom tritt vorwiegend nach Verletzungen oder Quetschungen des Rückenmarks auf.
Mitunter kann auch ein Tumor im Wirbelkanal für die Entstehung des Brown-Séquard-Syndroms verantwortlich sein. Das Rückenmark besteht aus aufsteigenden sensiblen und absteigenden motorischen Nervenbahnen, die auch auf die andere Seite des Marks wechseln können.
Kommt es zu einer Beschädigung, entsteht - nicht wie bei einer totalen Querschnittslähmung - ein diffuses Krankheitsbild: Während auf einer Seite Lähmungserscheinungen auftreten, nimmt der Patient auf der anderen Seite Störungen der Schmerz-, Druck- und Temperatur-Wahrnehmung auf.
Ursachen
Das Brown-Séquard-Syndrom tritt äußerst selten auf. Die Ursachen, warum es zu einem Brown-Séquard-Syndrom kommen kann, sind vielfältig: Vorwiegend entsteht das Brown-Séquard-Syndrom durch eine stumpfe oder penetrierende Verletzung, durch sub- oder epidurale Hämatome der Rückenmarkshäute oder auch durch Herniationen der Bandscheiben.
Auch lokale Pimärtumore oder Metastasen können für die Entstehung des Brown-Séquard-Syndroms verantwortlich sein. Die Ursache ist, bezugnehmend auf die weitere Behandlung, von wesentlicher Bedeutung. Aus diesem Grund muss der Mediziner im Vorfeld erkennen, welche Gründe verantwortlich waren, dass es überhaupt zu einem Brown-Séquard-Syndrom kommen konnte.
Ein spontanes Auftreten ist de facto nicht möglich. Mitunter kann es zwar zu akut auftretenden Symptomen kommen, wobei diese vorwiegend auf einen Tumor schließen lassen. Im Regelfall tritt das Syndrom jedoch nur in Verbindung mit bereits vorhandenen Verletzungen am Rückenmark auf.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Brown-Séquard-Syndrom äußert sich vorwiegend durch neurologische Funktionsausfälle. Dabei unterscheidet der Mediziner zwischen motorischen und sensiblen Ausfällen. Zu den motorischen Ausfällen gehört etwa die ipsilaterale spastische Beinparase, die aufgrund einer Schädigung der Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis) entsteht.
Zu den sensiblen Funktionsausfällen gehören die sogenannte epikritische Sensibilität der ispilateralen Seite, wenn Schädigungen in der Hinterstrangbahn eingetreten sind. Es kommt auch zu einem Ausfall Schmerz- und Temperaturwahrnehmungen, wobei hier die Mediziner von einer dissoziierten Empfindungsstörung sprechen.
Zu den vegetativen Symptomen gehören Rötungen sowie Überwärmungen der Haut; in einigen Fällen wurde auch eine fehlende Schweißsekretion dokumentiert. Der Patient stellt also zu Beginn eine einseitige Lähmung fest, bemerkt jedoch, dass er auf der anderen Körperseite weder Temperatur noch Schmerz wahrnehmen kann.
Derartige Symptome, in Verbindung mit der bestehenden und bekannten Krankheitsgeschichte, dürfen daher keineswegs ignoriert oder aufgeschoben werden. Besteht die Möglichkeit, dass es sich um das Brown-Séquard-Syndrom handelt, muss daher sofort ein Mediziner kontaktiert werden.
Diagnose & Verlauf
Das reine Brown-Séquard-Syndrom stellt eine Seltenheit dar. In fast allen Fällen dokumentieren Mediziner eine unvollständige Form des Syndroms; mitunter können auch - durch andere Verletzungen - weitere Symptome und Beschwerden auftreten, die keinesfalls typisch für das Brown-Séquard-Syndrom sind. Der Mediziner muss daher neurologische Untersuchungen durchführen, wobei hier entsprechende Prüfungen der Motorik in den Vordergrund rücken.
Des Weiteren überprüft der Mediziner die Tiefen- sowie Oberflächensensibilität, den Temperatursinn des Patienten und versucht, basierend auf die Sensibilitätsausfälle, die Lokalisation der Läsionshöhe festzustellen. Um die Diagnose zu sichern, werden bildgebende Verfahren als Unterstützung herangezogen.
Dabei handelt es sich vorwiegend um Röntgen, Magnetresonanztomographien und Computertomographien. Im Rahmen der bildgebenden Verfahren ist es möglich, dass die Ursache der Läsion und das Ausmaß erkannt werden können. Derartige Diagnosen werden vorwiegend von Fachmediziner gestellt; es ist daher ratsam, dass ein Arzt zu Rate gezogen wird, der sich auf das Thema Rückenmarksverletzungen spezialisiert hat.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
In der Regel muss beim Brown-Séquard-Syndrom zur Diagnose kein Arzt zusätzlich aufgesucht werden. Die Diagnose wird in den meisten Fällen schon im Krankenhaus gestellt, da der Betroffene Körperteile nicht mehr fühlt oder auch nicht mehr bewegen kann. Allerdings sollte ein Arzt aufgesucht werden, wenn es plötzlich oder ohne besonderer Verletzungen zu Lähmungen oder zu Störungen der Sensibilität kommt.
Auch plötzliche Rötungen auf der Haut oder die fehlende Wahrnehmung von Temperaturunterschieden können auf das Brown-Séquard-Syndrom hindeuten und sollten auf jeden Fall von einem Arzt behandelt werden. Vor allem nach Unfällen, Schlägen oder Stürzen muss dabei ein Arzt aufgesucht werden. Dabei ist auch eine Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen ein ausschlaggebendes Signal, das auf diese Krankheit hindeuten kann.
Die Diagnose des Brown-Séquard-Syndroms wird durch einen Allgemeinarzt oder bei einem MRT gestellt. Damit können auch die Ursachen der Gefühlsstörungen gut diagnostiziert werden. Die weitere Behandlung ist stark von der jeweiligen Ursache abhängig. Sollte es sich um einen Tumor handeln, so kann dieser entfernt werden. Bei irreversiblen Verletzungen kann keine Therapie mehr durchgeführt werden.
Behandlung & Therapie
Stellt der Mediziner fest, dass ein Tumor auf das Rückenmark des Patienten drückt, kann eine Operation dazu führen, dass der Tumor entfernt und somit das Brown-Séquard-Syndrom gelindert werden kann. Entsteht eine akute Symptomatik, die darauf schließen lässt, dass es sich um eine sogenannte mechanische Rückenmarkskompression handelt, wird der Betroffene umgehend operiert.
Auch wenn eine Operation nicht immer für eine Verbesserung der neurologischen Situation sorgt, erleichtert sie jedoch den anschließenden Behandlungsverlauf. Auch die Nachsorge und Remobilisation führt zu besseren Erfolgen, wenn der Mediziner den Patienten operiert. Nach der Operation ist es wichtig, dass der Patient physiotherapeutische Maßnahmen in Anspruch nimmt.
Eine Heilung ist nicht möglich. Im Endeffekt dienen die operativen Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen der Symptomatik-Verbesserung. Das Ziel ist es, dass sich der Patient - nach operativem Eingriff und Rehabilitation - selbstständig mit Hilfsmitteln fortbewegen kann.
Aussicht & Prognose
In vielen Fällen kann das Brown-Séquard-Syndrom nicht behandelt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Syndrom durch eine Verletzung am Rückenmark auftritt. In diesem Falle kann die Verletzung nicht mehr korrigiert werden, sodass die Patienten ihr gesamtes Leben lang an Einschränkungen leiden.
Im Falle eines Tumors kann dieser entfernt werden. Allerdings hängt der weitere Verlauf dabei sehr stark davon ab, wo genau sich der Tumor befindet und ob es schon zu einer Metastasierung gekommen ist. Im Falle einer Metastasierung kommt es zu einer deutlich verringerten Lebenserwartung des Patienten und damit zu einem frühzeitigen Versterben.
Auch nach einer erfolgreichen Entfernung des Tumors ist der Patient häufig auf verschiedene Maßnahmen der Physiotherapie angewiesen, um die Bewegung wiederherzustellen. Dadurch kann sich der Betroffene selbstständig fortbewegen.
Sollte beim Brown-Séquard-Syndrom keine Behandlung erfolgen, so bleibt der Zustand des Betroffenen gleich oder verschlechtert sich, wenn der Tumor der Auslöser der Erkrankung ist. Eine Selbstheilung tritt nicht ein. Sollte das Brown-Séquard-Syndrom durch einen Unfall auftreten, so leiden die meisten Betroffenen auch an weiteren Verletzungen oder Erkrankungen.
Vorbeugung
Da das Brown-Séquard-Syndrom aufgrund Verletzungen oder Tumoren entsteht, ist eine Vorbeugung nicht möglich. Es ist ratsam, sofern Symptome auftreten, die auf ein Brown-Séquard-Syndrom hinweisen, sofort ein Mediziner zu kontaktieren. Eine frühere Behandlung kann in weiterer Folge zu einer schnelleren Rehabilitation des Betroffenen führen.
Nachsorge
Die Möglichkeiten der Nachsorge sind beim Brown-Séquard-Syndrom in der Regel stark eingeschränkt. Das Syndrom kann selbst nur symptomatisch und nicht kausal behandelt werden, da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Der Betroffene ist bei diesem Syndrom immer auf einen operativen Eingriff angewiesen, um die Beschwerden im Rücken zu lindern.
Nach dem Eingriff benötigt der Patient Ruhe und Erholung. Unnötige Belastungen sind dabei zu vermeiden. Sollte der Grund für das Brown-Séquard-Syndrom ein Tumor sein, können weitere und vor allem regelmäßige Untersuchungen beim Arzt auf weitere Tumoren sehr sinnvoll sein. Ebenso sind nach dem operativen Eingriff Maßnahmen der Physiotherapie notwendig, um die vollständige Bewegung des Betroffenen wiederherzustellen.
Viele der Übungen aus der Physiotherapie können dabei auch im eigenen Zuhause und durch die Hilfe und Unterstützung von Freunden oder der Familie durchgeführt werden, sodass die Heilung beschleunigt wird. Der Betroffene kann sich jedoch nicht immer alleine fortbewegen und ist meist immer noch auf andere Hilfsmittel im Alltag angewiesen.
Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch das Brown-Séquard-Syndrom allerdings nicht negativ beeinflusst. In einigen Fällen kann bei diesem Syndrom auch eine psychologische Behandlung notwendig oder sinnvoll sein, falls es zu Depressionen oder zu anderen psychischen Verstimmungen kommt.
Das können Sie selbst tun
Die motorischen Einschränkungen eines Brown-Séquard-Syndroms lassen sich nur operativ mindern. Da eine Heilung nicht möglich ist, erfolgt die Therapie symptomatisch. Hierbei kann jeder Betroffene selbst aktiv werden.
Nach der zumeist durchgeführten Operation sollten Patienten konstant an der verordneten Physiotherapie teilnehmen. Nur wenn Betroffene auch daheim die Übungen wiederholen bestehen gute Chancen auf eine zufriedenstellende Remobilisierung. Ferner gelten alle postoperativen Maßnahmen wie körperliche Schonung, Stressvermeidung, regelmäßige Aufenthalte an frischer Luft, eine vitalstoffreiche Nahrungszusammenstellung und eine gesunde Lebensweise als sehr förderlich für den Heilungsprozess.
Da Lähmungserscheinungen und die Aussicht auf ein Leben im Rollstuhl für Betroffene als psychisch sehr belastend geltend ist auch eine begleitende Psychotherapie anzuraten. Zudem können Selbsthilfegruppen – Kontakte lassen sich über das Internet oder den behandelnden Arzt herstellen – eine Plattform für den Erfahrungsaustausch darstellen.
Auch wenn die Operation den Betroffenen häufig die Mobilität zurückgibt, bleiben neurologische Störungen bestehen. Durch die fehlende Schmerz- und Temperatursensibilität ist im Alltag Vorsicht geboten. Betroffene sollten auf einen ausreichenden Wärme- und Hautschutz durch adäquate Bekleidung achten, so dass keine Unterkühlungen oder Überhitzungen eintreten. Bei bestehender fehlender Schweißsekretion sollte auf eine ausreichende Kühlung geachtet werden.
Auch mögliche Verletzungsquellen im Haushalt sind zu überprüfen. Patienten müssen ein neues Körpergefühl erlernen und die Wahrnehmung für ihre körperlichen Bedürfnisse schulen. Eine Kombination aus Physio- und Psychotherapie kann auch hierbei unterstützen.
Quellen
- Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015