Muskellähmung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Muskellähmung
Eine Körperbewegung wird durch gezielte oder unwillkürliche Kontraktion und anschließende Erschlaffung von Muskelfasern herbeigeführt. Wird dabei die Funktion einzelner Nerven oder des gesamten Nervensystems durch Erkrankungen oder Schädigungen gestört, können die Impulse zur Auslösung der Muskelaktivitäten nicht mehr richtig übermittelt werden. Dadurch kann es zu einer Funktionsstörung einzelner Muskeln kommen, was zur Folge hat, dass die betroffenen Extremitäten oder Körperteile nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bewegt werden können. In diesen Fällen spricht man von einer Muskellähmung.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist eine Muskellähmung?
Grundsätzlich kann man zwischen willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen der Muskulatur unterscheiden. Die Bewegungen werden dabei über unterschiedliche Ebenen des zentralen Nervensystems gesteuert. Zu den willkürlichen Bewegungen gehört beispielsweise das bewusste und zielgerichtete Greifen eines Gegenstandes oder das Heben eines Fußes zum Treppensteigen.
Unwillkürliche Bewegungen hingegen laufen nebenbei und automatisch ab und sorgen zum Beispiel dafür, dass während der willkürlichen Bewegungen das Gleichgewicht gehalten wird. Kommt es aufgrund von Schädigungen zu einer Beeinträchtigung der Muskelaktivität, kann es zu leichte und vorübergehenden Lähmungen einzelner Muskeln bis hin zu massiven und dauerhaften Ausfall- und Lähmungserscheinungen großer Teile des Bewegungsapparates kommen.
So können plötzlich auftretenden Lähmungen nach einer mechanischen Schädigung (z.B. Unfall oder Bandscheibenvorfall) spontan zurückgehen oder mit einer geeigneten Therapie gut behandelt werden. Es gibt jedoch auch chronische bzw. angeborene Nerven- und Muskelerkrankungen, die nicht heilbar sind und zu einer fortschreitenden Lähmung führen können (z.B. Polyneuropathien oder Muskeldystrophien).
Ursachen
Eine Muskellähmung kann durch unterschiedliche Faktoren verursacht werden.
- Mechanische Schädigung: Werden durch einen Unfall einzelne Nerven oder Muskelfasern geschädigt oder sogar durchtrennt, kann es zu Lähmungserscheinung kommen. Auch bei einem Bandscheibenvorfall liegt eine mechanische Störung vor, welche zu Beeinträchtigungen im Bewegungsablauf führen kann.
- Gefäßerkrankungen: Kleinere Hirninfarkte oder Hirnblutungen bis hin zu Schlaganfällen können dazu führen, dass größere Areale von Nervenzellen im Gehirn absterben. Dies kann sich durch eine plötzliche Muskelschwäche bis hin zur zeitweisen oder dauerhaften Lähmung einer Gesichts- und Körperhälfte bemerkbar machen.
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose (MS) oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sind nur zwei Beispiele für derartige Erkrankungen. Beide führen zu einer fortschreitenden Schädigung von Nervenzellen und dauerhaften Lähmung immer größerer Muskelbereiche.
- Bakterielle und virale Infekte: Mit einem einfachen Zeckenbiss können gefährliche Krankheitserreger wie Borrelien übertragen werden und Entzündungen und Lähmungen im Nervensystem verursachen. Weiterhin können Viren das Nervensystem angreifen und Muskellähmungen auslösen wie beispielsweise die Polioviren bei der Kinderlähmung.
- Krebserkrankungen: Tumore im Gehirn, in Muskeln, Knochen oder dem Rückenmark können mechanisch oder biochemisch Lähmungserscheinungen auslösen.
- Vergiftungen: Auch bestimmte Neurotoxine können die Impulsübertragung zwischen Nerven und Muskeln hemmen. Diese Toxine kommen in der Natur vor, beispielsweise als Batrachotoxin beim Schrecklichen Pfeilgiftfrosch oder auch als Botulinumtoxin in verdorbenen Konserven.
- Alkoholabhängigkeit:' Dauerhaft hoher Alkoholkonsum kann zu einer toxisch verursachten Schädigung von Nerven und Muskeln und einer damit einhergehenden Lähmung führen.
- Andere Ursachen: Auch psychische Faktoren oder beispielsweise Migräne können Lähmungserscheinungen auslösen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Muskellähmungen treten häufig in Armen und Beinen auf (Parese), können aber auch einzelne Skelettmuskeln beispielsweise der Gesichtsmuskulatur, bestimmte innere Organe oder die Gefäßmuskulatur betreffen. Anzeichen einer Muskellähmung können plötzlich und ohne erkennbare Ursache oder schleichend, fortschreitend oder auch in Schüben auftreten. Eine beginnende Lähmung wird oft durch Kribbeln, ein Taubheitsgefühl oder Wahrnehmungsstörungen in den betroffenen Körperteilen angekündigt oder begleitet.
Komplikationen
Je nach Art und Ausprägung der Lähmung kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, die eine Sekundärbehandlung notwendig machen. So geht eine Lähmung im Bereich der unteren Extremitäten oftmals mit einer fehlenden Kontrolle der Betroffenen über Blase und Darm einher, welche Unterstützung bedarf.
Wahrnehmungsstörungen in gelähmten Extremitäten können dazu führen, dass Verletzungen oder Infektionen nicht bemerkt werden und sich verschlimmern. Zu den schwerwiegendsten Komplikationen, die aufgrund einer Lähmung auftreten, können gehören Atmungs- und Schluckreflexstörungen, wie sie beispielsweise bei einer fortgeschrittenen ALS oder auch einer Querschnittslähmung auftreten können. Betroffene können in solchen Extremfällen nur noch extern beatmet und ernährt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei mechanischen Schädigungen wie Prellungen, Schnittwunden oder Stauchungen kann es zu vorübergehenden Muskellähmungen kommen. Diese sollten in der Regel mit Abklingen der Verletzung von selbst verschwinden und machen einen Arztbesuch nicht zwingend notwendig.
Bei unklaren Lähmungserscheinungen sollte im Zweifelsfall jedoch immer ein Arzt aufgesucht werden. So können spontan auftretende Muskellähmungen erste Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung sein. Besonders wenn weitere Auffälligkeiten im Bereich Herz-Kreislauf, Sprache oder Bewusstseinsstörungen vorliegen, besteht die dringende Notwendigkeit der Abklärung durch einen Mediziner.
Deuten die Anzeichen gar auf einen Schlaganfall hin, ist in jedem Falle der Notarzt zu verständigen. Auch wenn Lähmungserscheinungen nur vorübergehend, jedoch wiederholt auftreten, empfiehlt sich die Konsultation eines Arztes.
Diagnose
Um eine zuverlässige Diagnose erstellen zu können, werden die Betroffenen in der Regel zunächst gründlich über Symptome, Verlauf, familiäre Vorgeschichte und akute Beschwerden befragt. Es folgt eine körperliche und neurologische Untersuchung, bei der die auftretende Bewegungseinschränkung beurteilt wird.
Oftmals erfolgt auch eine begleitende Blutuntersuchung. Je nach Befund können weitere bildgebende Untersuchungsmethoden notwendig werden, beispielsweise eine Computertomographie oder Kernspintomographie des betroffenen Bereichs.
Auch invasive Untersuchungsmethoden wie eine Hirnwasseruntersuchung, Muskelbiopsie oder spezielle Gentests können zur Abklärung herangezogen werden. Die Ergebnisse führen dann zur Diagnose der Muskellähmung und ihre Klassifizierung in unterschiedlich schwere Formen von Parese (Kraftverlust bzw. teilweise Lähmung), Plegie oder Paralyse (vollständige Lähmung).
Behandlung & Therapie
Analog zu den unterschiedlichen Ursachen für Muskellähmungen gibt es auch viele verschiedene Behandlungsmethoden und Therapieansätze. Je nach Art der Lähmung werden diese zielgerichtet eingesetzt.
Leichte und nur partielle Muskellähmungen mit mechanischer Ursache heilen oft von selbst aus. Je nach Schwergrad können gegebenenfalls kleinere Operationen notwendig sein, um die durchtrennten Nerven- und Muskelverbindungen wieder herzustellen. Bei Muskelschwäche und Lähmungen aufgrund eines Schlaganfalls erfolgt eine Nachsorgebehandlung mit gezielter Physiotherapie, um die gelähmte Körperhälfte zu kräftigen und zu stärken. Eine damit einhergehende Lähmung der Gesichtsmuskulatur klingt oftmals nach mehreren Wochen von selbst ab.
Bakterielle oder virale Infekte werden hingegen in der Regel mit einem geeigneten Antibiotikum behandelt. Bei einer Borreliose muss beispielsweise eine Wirkstoffkombination über mehrere Wochen hinweg zu festgeschriebenen Zeiten eingenommen werden. Die vergleichsweise lange Behandlungsdauer ist deshalb notwendig, da die Bakterien nur während Ihrer Teilungsphasen auf die antibiotische Wirkung der Medikamente ansprechen. Wird die Behandlung zu zeitig beendet, kann es zu einem Rückfall kommen.
Bei Tumoren kann eine Operation, Strahlenbehandlung oder Chemotherapie zum Heilungserfolg führen.
Weitaus schwieriger gestaltet sich die Behandlung der neurologischen Erkrankungen, da die Lähmung hier oftmals fortschreitend und irreversibel ist. Hier können oftmals nur die Begleiterscheinungen therapiert und ein Fortschreiten der Erkrankung möglichst verzögert werden.
Aussicht & Prognose
Die Prognose und Aussicht auf vollständige Heilung sind bei Muskellähmungen aufgrund ihrer vielfältigen Ursachen differenziert zu betrachten. So kann sich ein großer Teil der Lähmungen von alleine zurückbilden, durch eine geeignete Therapie erfolgreich behandelt werden oder aber sich auch dauerhaft manifestieren. Voraussetzung hierfür ist die rechtzeitige Konsultation eines kundigen Mediziners im Zweifelsfall, welcher die geeignete Therapie in Absprache mit dem Betroffenen vorordnet.
Patienten mit Muskellähmungen befinden sich entweder akut oder dauerhaft in einer schwierigen Phase, da die Lebensqualität je nach Ausprägung der Bewegungseinschränkung mehr oder weniger beeinträchtigt sein kann. In schweren Fällen kann die Muskellähmung beispielsweise zu einer Immobilität oder auch einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führen, was die Patienten vor zusätzliche psychische Schwierigkeiten stellt, welche auch Folgeerkrankungen wie Depressionen oder psychosomatische Beschwerden auslösen können. Die Prognose lässt sich im Einzelfall nur im Gespräch mit dem behandelnden Arzt bestimmen.
Dabei kommt es leider bei fortschreitenden Krankheitsverläufen oftmals vor, dass die Lähmungserscheinungen bzw. lediglich die Sekundärerkrankungen nur noch symptomatisch gelindert und eine weitere Verschlimmerung der Symptome lediglich verlangsamt werden können. Bei schweren Ausprägungen vor allem bei neurologisch bedingten Lähmungen bleibt oftmals nur die Palliativmedizin, um die Leiden des Patienten zu lindern und seine Lebensqualität im Rahmen einer stark eingeschränkten Lebenserwartung weitestgehend zu unterstützen.
Vorbeugung
Vor allem bei Krebserkrankungen bzw. neurologischen oder psychischen Faktoren, die eine Muskellähmung begünstigen, gestaltet sich eine Vorbeugung schwierig. Ratsam ist generell ein gesunder Lebenswandel mit ausreichend Bewegung, Alkohol und anderen Genussmitteln in Maßen und einer gesunden Ernährung.
Vorsorgeuntersuchungen, die von Krankenkassen angeboten werden und bei denen oftmals eine Blutuntersuchung Bestandteil ist, sollten in Anspruch genommen werden. So lassen sich oftmals frühzeitig Veränderungen in der Zusammensetzung von Blut oder Urin diagnostizieren und behandeln. Im Alltag und bei sportlichem Training sollte auf die sorgsame und unfallverhütende Ausführung von Bewegungen geachtet werden, um mechanische Schädigungen des Muskel- und Skelettapparates zu vermeiden.
Gegen durch bakterielle Infekte verursachte Lähmungen kann ein besonders hohes Maß an Hygiene hilfreich sein. So verhindert häufiges und gründliches Händewaschen oftmals die Verbreitung von Bakterien und Viren. Um einer Infektion mit Borrelien vorzubeugen, sollte bei Aufenthalten in der Natur vor allem in Risikogebieten geeignete Schutzkleidung getragen und generell im Anschluss eine Zeckenkontrolle durchgeführt werden.
Nachsorge
Bei einer Muskellähmung stehen dem Patienten in den meisten Fällen nur sehr wenige und auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen der Nachsorge zur Verfügung. Dabei ist der Betroffene in aller erster Linie auf eine schnelle und vor allem auf eine sehr frühzeitige Diagnose angewiesen, um die Beschwerden zu lindern und einzuschränken. Je früher ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung.
Betroffene sollten daher idealerweise schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen einen Arzt aufsuchen. Die meisten Betroffenen sind dabei auf verschiedene Übungen und auf Maßnahmen der Physiotherapie oder einer Krankengymnastik angewiesen. Dabei können diese Übungen auch im eigenen Zuhause wiederholt werden, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Der Betroffene sollte dabei im Allgemeinen starke körperliche Belastungen oder stressige Tätigkeiten vermeiden, um den Körper nicht unnötig anzustrengen.
Dabei ist ebenso die Pflege und die Unterstützung durch die eigene Familie sehr wichtig, um die Beschwerden einzuschränken und auch psychische Verstimmungen zu vermeiden. Bei der Einnahme von Medikamenten ist immer auf eine richtige Dosierung und eine regelmäßige Einnahme zu achten. Bei Unklarheiten oder bei Nebenwirkungen sollte ein Arzt konsultiert werden.
Das können Sie selbst tun
Im Zweifelsfall oder bei Bedenken sollte beim Auftreten von Muskellähmungen stets ein Arzt konsultiert werden. Auch wenn sich die Behandlung in einigen Fällen langwierig gestaltet, sollte die Therapie unbedingt weiterverfolgt werden, um die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung zu steigern.
Im Falle einer schlechten Prognose bei fortschreitenden Krankheitsverläufen neurologischer Natur sollte der Mut nicht verloren werden. Zwar steht bei diesen Lähmungserscheinungen noch keine ursachenbeseitigende Therapie zur Verfügung, jedoch ergeben die wissenschaftlichen Forschungen auf diesen Gebieten immer neue Behandlungsmethoden und vor allem unterstützende Maßnahmen, die die Lebensqualität erheblich verbessern.
So helfen Physiotherapie, Massagen und ergotherapeutische Maßnahmen dabei, die Muskulatur zu trainieren, Schmerzen zu verhindern und die Beweglichkeit der betroffenen Areale zu fördern. Auch die Teilnahme in Selbsthilfegruppen oder psychologische Beratung können zu einem erhöhten Wohlbefinden und einer Akzeptanz und Annahme der veränderten Situation bei Betroffenen beitragen.
Quellen
- Diener, H.-C., Putzki, N.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Klingelhöfer, J., Berthele, A.: Klinikleitfaden Neurologie. Urban & Fischer, München 2009