CHARGE-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das CHARGE-Syndrom ist eine genetisch bedingte Erkrankung mit vielfältigen Symptomen beziehungsweise Krankheitsbildern. Zu nennen sind hier vor allem ein Kolomb des Auges, Herzfehler, Atresie der Choanen, Vermindertes Längenwachstum und Entwicklungsverzögerung, Genitale Abnormalität und eine Abnormalität des Ohres. Chirurgische Korrekturen der Fehlbildungen sind von Nöten. Viele Erkrankte können im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein relativ normales Leben führen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das CHARGE-Syndrom?

Circa zwei Drittel der am CHARGE-Syndrom erkrankten Patienten weisen ein oder mehrere Mutationen auf dem Gen CHD7 auf.
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Das CHARGE-Syndrom, auch CHARGE-Assoziation oder Hall-Hittner-Syndrom, ist eine seltene genetische Erkrankung. Bei zwei Drittel der am CHARGE-Syndrom Erkrankten liege ein oder mehrere Mutationen auf dem Gen CHD7 vor.

CHARGE stellt ein Akronym für die englischen Bezeichnungen der bei diesem Syndrom typisch auftretenden Krankheitsbilder dar: Coloboma, Heart defect, Atresia choanae, Retarded growth and development, Genital abnormality, Ear abnormality.

Ursachen

Die Ursachen des CHARGE-Syndroms liegen in der Genetik. Circa zwei Drittel der am CHARGE-Syndrom erkrankten Patienten weisen ein oder mehrere Mutationen auf dem Gen CHD7 auf. Dieses Gen codiert für ein bestimmtes Protein, das am Chromatin-Remodellierung beteiligt ist.

Es reguliert die Gen-Expression, indem es die Stärke der Bindung zwischen DNA und Histonen (basische Proteine des Zellkerns) beeinflusst. Die Organe Auge, Ohr und Nase sind beim CHARGE-Syndrom besonders betroffen, da das Protein besonders in den Zellen dieser Organe gebildet wird. Eine autosomal-dominante Vererbung der Krankheit ist möglich. Häufiger ist jedoch eine spontane Mutation ohne familiäre Vorbelastung.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Bezeichnung CHARGE stellt ein Akronym der englischen Bezeichnungen der häufig auftretenden Krankheitsbilder bei diesem Syndrom dar. Diese Krankheitsbilder sind folgende:

Colomb: Ein angeborener Kolobom des Auges. Hierbei schließt sich die Augenbecherspalte nicht vollständig. Durch diesen Umstand bildet sich ein Sehfehler aus. Eine Reihe von Sehstörungen können auftreten. Unter anderem sind Gesichtsfeldausfall oder Lichtempfindlichkeit zu nennen. Auch weitere Augenprobleme, zum Beispiel eine Ablösung der Netzhaut, sind möglich.

Heart defect: Herzfehler. Beim CHARGE-Syndrom können diverse Herzfehler auftreten, die teilweise einer operativen Behandlung bedürfen.

Atresia choane: Atresie der Choanen. Die Nasengänge können beim CHARGE-Syndrom verschlossen oder ungewöhnlich verengt sein. Eine operative Behandlung ist teilweise mehrfach notwendig, um die Gänge dauerhaft offen zu halten.

Retarded growth and development: Vermindertes Längenwachstum und Entwicklungsverzögerung. Dieses Symptom ist beim CHARGE-Syndrom bei fast jedem Patienten vorhanden. Es sollte jedoch in jedem Falle ärztlich ausgeschlossen werden, dass ein verzögertes Wachstum aufgrund eines Mangels an Wachstumshormonen vorliegt. Es wird vermutet, dass die Entwicklungsverzögerungen durch die diversen Beeinträchtigungen der Sinnesorgane, chronische Krankheiten und Gleichgewichtsstörungen zurückzuführen sind.

Genital abnormality: Genitale Abnormalität. Bei Menschen mit dem CHARGE-Syndrom betrifft die genitale Abnormalität vor allem die äußeren Geschlechtsorgane, weshalb dieses Symptom bei männlichen Patienten leichter festzustellen ist. Bei diesen liegen oft ein verkleinerter Penis und nicht tastbare Hoden vor. Bei weiblichen Patientinnen können verkleinerte äußere Schamlippen vorzufinden sein.

Ear abnormality: Abnormalität des Ohres. Beim CHARGE-Syndrom können sowohl das Innen-, das Mittel- als auch das Außenohr betroffen sein. Häufig auftretende Problematiken sind Missbildungen der Knochen im Mittelohr, eine chronische Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr, ein enger oder fehlender Gehörkanal, ungewöhnlich geformte Außenohren und Hörverlust.

Nicht bei jedem vom CHARGE-Syndrom betroffenen Menschen liegen alle Symptome beziehungsweise Krankheitsbilder vor und diese müssen nicht immer stark ausgeprägt sein, auch das Vorliegen einiger dieser Symptome und nur schwach ausgeprägte Symptomatiken können ein CHARGE-Syndrom darstellen.

Diagnose & Verlauf

Zur Diagnose des CHARGE-Syndroms liegt eine Einteilung in Hauptmerkmale und Nebenkriterien vor. Die Diagnose wird anhand dieser Merkmale und Kriterien gestellt. Die Hauptkriterien sind Kolobom des Auges, Choanalatresie, ein charakteristisches CHARGE-Ohr, die Missbildung der Gesichtsnerven (können zu Verlust des Geschmackssinns, Gesichtslähmung, Schallempfindungsstörung und Gleichgewichtsstörungen, Probleme beim Schlucken führen).

Die Nebenkriterien sind eine Unterentwicklung der Geschlechtsorgane, eine Entwicklungsverzögerung, Herzfehler, Kleinwuchs, Spaltbildungen im Gesichtsbereich (können zu weiteren Problemen führen), Trachealfisteln, sowie das charakteristische CHARGE-Gesicht - es kann eine Asymmetrie des Gesichts vorliegen, auch wenn keine Lähmung des Gesichts vorhanden ist; auch eine eckige Gesichtsform bei der eine breite, hervorstehende Stirn, schlaffe Lieder, ein flaches Mittelgesicht und ein kleines Kinn auffallend sind, ist häufig.

Bei mit dem CHARGE-Syndrom geborenen Kindern sind häufig Notoperationen, lange Krankenhausaufenthalte und eine ständige medizinische Überwachung notwendig. Im Laufe des Lebens der betroffenen steigt die Notwendigkeit operativer Eingriffe an. Der Zustand verbessert sich jedoch häufig über das zunächst zu erwartende Maß hinaus.

Die Zahl Erwachsener mit dem CHARGE-Syndrom ist relativ niedrig, was darauf zurückgeführt werden kann, dass das CHARGE-Syndrom als eigenes Krankheitsbild erst seit dem Jahre 1979 besteht. Die Zahl der Erwachsenen, die mit dem CHARGE-Syndrom leben, wird sich also innerhalb der nächsten Jahre erhöhen, so dass dann Aussagen über die zu erwartenden Zustände und die notwendige chirurgischer Eingriffe im Erwachsenenalter berichtet werden kann.

Es ist zu sagen, dass eine gute Entwicklung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten sehr gut erreichbar ist. Hierzu ist jedoch eine Betreuung durch medizinische und pädagogische Spezialisten notwendig. Besonders die Eltern können die Entwicklung ihres am CHARGE-Syndrom erkrankten Kindes positiv beeinflussen, indem sie es im Rahmen seiner Möglichkeiten fördern.

Die Eltern sollten die Schwierigkeiten ihres Kindes, die durch das CHARGE-Syndrom bedingt sind, verstehen lernen. So können sie ihm die nötige Unterstützung bieten, damit es seine Möglichkeiten voll ausschöpfen kann.

Komplikationen

Durch das CHARGE-Syndrom kommt es zu eine Reihe unterschiedlicher Beschwerden und Symptome. In den meisten Fällen kommt es zu verschiedenen Fehlbildungen und zu einer verzögerten Entwicklung. Der Betroffene leidet dabei in erster Linie an einem angeborenen Herzfehler. Dieser kann im schlimmsten Falle ohne Behandlung auch zum Tode des Patienten führen und muss aus diesem Grund operativ behandelt werden.

Weiteren kommt es zu einem starken Minderwuchs und auch zu einer stark verzögerten geistigen und psychischen Entwicklung. In vielen Fällen ist der Patient auf die Hilfe von anderen Menschen im Alltag angewiesen und kann diesen nicht alleine meistern. Es kommt zu Gleichgewichtsstörungen und zu Sensibilitätsstörungen. Diese können die Lebensqualität extrem einschränken.

Die Fehlbildungen können auch die Geschlechtsorgane betroffen und an diesen zu Abnormitäten führen. Nicht selten schämen sich die Betroffenen für diese Beschwerden und leiden dadurch an Minderwertigkeitskomplexen. Durch das CHARGE-Syndrom kommt es ebenso zu einem Hörverlust.

Eine kausale Behandlung des CHARGE-Syndroms ist leidet nicht möglich. Es können allerdings verschiedene operative Eingriffe angewendet werden, um die Symptome und Beschwerden dieser Krankheit zu lindern und einzuschränken.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In den meisten Fällen ist beim CHARGE-Syndrom keine erneute Diagnose notwendig. Die Beschwerden können schon vor der Geburt oder direkt nach der Geburt erkannt werden, sodass auch eine frühzeitige Behandlung möglich ist. Ein Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn es durch die Beschwerden und Fehlbildungen dieses Syndroms zu Einschränkungen und Gefahren im Alltag des Kindes kommt. Vor allem das Herz und die Nieren des Kindes müssen untersucht werden, sodass bei Erkrankungen operative Eingriffe durchgeführt werden können.

Die verzögerte Entwicklung und geistige Retardierung kann durch eine spezielle Förderung ausgeglichen werden. Auch bei einer genitalen Abnormalität ist ein Mediziner aufzusuchen. Sollte der Betroffene an Hörbeschwerden oder an Fehlbildungen der Ohren leiden, müssen diese Beschwerden ebenfalls gelindert und behandelt werden. Damit kann eine vollständige Taubheit vermieden werden. In den meisten Fällen werden die Beschwerden durch einen Kinderarzt diagnostiziert. Die Behandlung selbst wird dann von dem jeweiligen Facharzt durchgeführt.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlung ist nicht möglich, die Therapie besteht vorwiegend in der chirurgischen Beseitigung der auftretenden Symptome, sofern diese möglich ist. Die Korrekturen der Fehlbildungen sind größtenteils notwendig. Im Rahmen dieser Operationen sind längere Krankenhausaufenthalte häufig.

Aussicht & Prognose

In der Regel kommt es durch das CHARGE-Syndrom nicht zu einer verringerten Lebenserwartung beim Patienten. Die einzelnen Fehlbildungen und Missbildungen am Körper werden dabei in verschiedenen chirurgischen Eingriffen korrigiert. Diese sind zwar mit Nebenwirkungen und Risiken verbunden, stellen jedoch die einzige Möglichkeit der Behandlung des CHARGE-Syndroms dar.

Sollte keine Behandlung eintreten, so kommt es nicht zu einer Selbstheilung, allerdings auch nicht zu einer Verschlechterung der Beschwerden. Die Betroffenen können nach den Korrekturen in den meisten Fällen ein gewöhnliches Leben führen und sind in ihrem Alltag nicht eingeschränkt. Eine kausale Behandlung der Krankheit ist allerdings nicht möglich, da es sich dabei um eine erblich bedingte Erkrankung handelt. Nach erfolgreichen Operationen treten keine weiteren Beschwerden oder Kompilationen auf.

Sollten die Symptome des CHARGE-Syndroms nicht korrigiert werden, so leiden die Betroffenen häufig an psychischen Beschwerden oder an Depressionen. Da in einigen Fällen auch die Nasengänge verschlossen sein können, ist hierbei eine sofortige Operation notwendig, da das Kind sonst direkt nach der Geburt versterben würde. Die mentale Verzögerung und die verlangsamte Entwicklung können beim CHARGE-Syndrom nur bedingt behandelt werden. In der Regel leiden die Patienten ihr gesamtes Leben lang an einer geistigen Retardierung und sind daher auf fremde Hilfe in ihrem Alltag angewiesen.


Vorbeugung

Da es sich um eine genetisch bedingte und zudem noch sehr seltene Erkrankung handelt, ist eine Vorbeugung nicht möglich.

Nachsorge

Eine direkte Nachsorge kann beim CHARGE-Syndrom in der Regel nicht durchgeführt werden. Die einzelnen Symptome müssen dabei je nach ihrer Ausprägung behandelt werden, wobei der Betroffene meistens ein gewöhnliches Leben ohne Einschränkungen führen kann.

Hierbei wirken sich eine frühzeitige Diagnose und Behandlung des CHARGE-Syndroms sehr positiv auf den weiteren Verlauf aus und können Komplikationen verhindern. Da die Behandlung des Syndroms vor allem mit Hilfe von operativen Eingriffen stattfindet, muss sich der Betroffene nach diesen Eingriffen erholen und sich im Allgemeinen auf längeren Aufenthalte in einem Krankenhaus einstellen.

Hierbei kann auch der Kontakt zur Familie und zu Freunden sehr positiv sein und sich positiv auf den Verlauf der Erkrankung auswirken. Die Symptome können jedoch nicht immer vollständig beseitigt werden, sodass eine vollständige Heilung nicht immer erreicht werden kann. Da das CHARGE-Syndrom häufig auch mit psychischen Beschwerden verbunden ist, sollte immer eine psychologische Behandlung durchgeführt werden.

Auch die Eltern oder die Angehörigen können an dieser psychologischen Behandlung teilnehmen, da auch diese von der Krankheit betroffen sind. Aufgrund der verlangsamten Entwicklung der Kinder sind diese auf eine dauerhafte Förderung angewiesen, um diese auszugleichen.

Das können Sie selbst tun

Das CHARGE-Syndrom ist eine genetisch bedingte Krankheit, die nicht ursächlich behandelt werden kann. Schwere Missbildungen, insbesondere am Herzen, können jedoch bereits im Rahmen der Pränataldiagnostik festgestellt werden. Da eine Vererbung des Syndroms möglich ist, sollten Schwangere, in deren Familien bzw. Schwieger-Familien die Störung bereits einmal diagnostiziert wurde, alle Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und den behandelnden Arzt auf das CHARGE-Syndrom ansprechen.

Sind schwere Missbildungen oder Entwicklungsstörungen zu erwarten, ist ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch möglich. Eltern, die sich für das Austragen der Schwangerschaft entscheiden, sollten sich rechtzeitig vor Augen führen, welche besonderen Belastungen auf sie zukommen werden.

Kinder, die an dem CHARGE-Syndrom leiden, benötigen meist bereits gleich nach der Geburt eine oder mehrere Notoperationen. Die Behandlung der Krankheit ist insbesondere während der ersten Jahre sehr intensiv und mit regelmäßigen Krankenhausaufenthalten, Arztbesuchen und permanenter heimischer Krankenpflege verbunden. Dies belastet nicht nur die betroffenen Eltern, sondern eventuell bereits vorhandene Geschwister sehr. Die Familien müssen deshalb rechtzeitig organisatorische Maßnahmen ergreifen, um das kranke Kind und seine besonderen Bedürfnisse in den Familien- und Arbeitsalltag zu integrieren.

Um die optimale Förderung des Kindes gemäß seinen Möglichkeiten zu garantieren, sollten frühzeitig nicht nur kompetente Ärzte, sondern auch andere Spezialisten, zum Beispiel Sonderpädagogen, Logopäden und Physiotherapeuten, zugezogen werden.

Quellen

  • Hennig, W.: Genetik. Springer, Berlin 1995
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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