Chorea Minor
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Chorea Minor
Die Chorea Minor, auch bekannt als Chorea Sydenham, ist eine neurologische Autoimmunerkrankung, die meist einige Wochen nach einem Infekt mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A auftritt. Die Erkrankung ist in der Regel eine Spätmanifestation des rheumatischen Fiebers.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Chorea Minor?
Die Chorea geht immer aus einer Beeinträchtigung der Basalganglien hervor. Typisch für die Chorea sind unwillkürliche und plötzliche Bewegungen der Beine, der Arme, des Gesichts, des Rumpfes und des Halses. Die Bewegungen treten in Ruhe und während der Ausführung willkürlicher Bewegungen auf. Der Begriff Chorea stammt vom griechischen „choreia“. Mit dem Begriff wurden die Tänze der Wahnsinnigen beschrieben.
Die Chorea minor wurde im Mittelalter auch als Veits-Tanz bezeichnet. Die Chorea minor ist eine der häufigsten Formen der Chorea. Da die Chorea minor eine mögliche Manifestationsform des rheumatischen Fiebers ist, trägt sie auch die Namen Chorea rheumatica oder Chorea infectiosa. Von der Erkrankung sind vor allem sechs- bis dreizehnjährige Mädchen betroffen. In seltenen Fällen erkranken auch Erwachsene bis 40 Jahre.
Ursachen
Die Chorea minor ist eine Autoimmunerkrankung, die einige Tage bis Wochen nach einer Streptokokkeninfektion auftritt. Typische Streptokokkeninfekte finden sich im Hals- und im Rachenbereich. Der Körper bildet während dieser Infektion Antikörper gegen die Erreger. Diese reagieren aber fälschlicherweise nicht nur auf die Streptokokken, sondern auch auf körpereigenes Gewebe. Die Oberflächenstruktur einiger Körpergewebe ähnelt der Struktur der Streptokokken.
Somit attackieren die Antikörper körpereigene Zellstrukturen. Dadurch entwickelt sich das sogenannte rheumatische Fieber. Neben den Zellen des Herzens werden auch die Basalganglien im Gehirn angegriffen. 10 bis 15 Prozent aller Patienten mit rheumatischem Fieber entwickeln eine Chorea minor. Die Basalganglien liegen unterhalb der Großhirnrinde. Die Kerne beziehungsweise Kerngebiete spielen eine wichtige Rolle bei der motorischen, der kognitiven und der limbischen Regelung.
Sie sind wesentlicher Bestandteil des extrapyramidalmotorischen Systems (EPMS). Im Gegensatz zur Chorea Huntington werden bei der Chorea minor die Basalganglien nicht irreversibel zerstört, sondern nur vorübergehend beeinträchtigt. Durch die Entzündungsreaktionen sind die bewegungshemmenden Basalganglien in ihrer Funktion eingeschränkt. Die bewegungsfördernden Basalganglien in der Substantia nigra und im Pallidum sind teilweise enthemmt. Dadurch entstehen die charakteristischen überschießenden Bewegungen. Die Symptome sind umso stärker ausgeprägt, je mehr Zellen in den Basalganglien geschädigt wurden und je größer die Entzündung im Gehirn ist.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Bewegungsstörungen, die im Rahmen der Chorea minor auftreten, gehören zu den extrapyramidalen Hyperkinesien. Sie ähneln den Symptomen der Chorea major. Es kommt zu sogenannten Hyperkinesien. Hyperkinesien sind kurzdauernde, unkoordinierte und unkontrollierbare Muskelzuckungen der Arme, Beine, Füße und Hände. Dabei bleiben diese Bewegungen zunächst oft unbemerkt. In der Schule fallen die betroffenen Kinder durch ein schlechteres Schriftbild aus.
Sie wirken ungeschickter, lassen häufiger Gegenstände fallen oder können nicht mehr richtig mit Messer und Gabel essen. Auch im Bereich der Gesichtsmuskulatur treten Hyperkinesien auf. Die Kinder schneiden Grimassen, ohne es zu bemerken. Die Hyperkinesien der Schlundmuskulatur führen zu Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken. Durch die unkoordinierten Muskelzuckungen sprechen die Betroffenen abgehackt (Dysarthrie).
Sie verschlucken sich häufig (Dysphagie) und laufen Gefahr eine sogenannte Aspirationspneumonie zu erleiden. Bei einer Aspirationspneumonie entwickelt sich eine Entzündung durch verschiedene Stoffe, die mit dem Speichel in die Lunge gelangen. Charakteristisch für die Chorea minor ist auch die Fliegenfänger beziehungsweise die Chamäleonzunge.
Zuckungen in der Zungenmuskulatur führen zu einem unwillkürlichen Ausstrecken und einem plötzlichen Zurückziehen der Zunge. Die Hyperkinesien nehmen bei emotionaler Belastung und in stressigen Situationen zu. Da sich die betroffenen Kinder häufig für diese Symptome schämen, versuchen sie die Bewegungen so gut wie möglich zu unterdrücken. Neben den Hyperkynesien kann sich aber auch eine Muskelhypotonie entwickeln.
Die Kinder haben keine Kraft mehr in den Muskeln und reagieren mit abgeschwächten Muskelreflexen. Auch psychische Störungen wie Aufmerksamkeitsstörungen, Müdigkeit, Apathie, Reizbarkeit, Unruhe und in seltenen Fällen auch Psychosen können im Rahmen der Chorea minor auftreten.
Diagnose & Verlauf
Erste Hinweise auf die Chorea minor liefert das klinische Bild mit den chorea-typischen Bewegungsstörungen. Auch die Anamnese zeigt typische Hinweise. Meistens handelt es sich um Kinder im schulpflichtigen Alter, die zuvor eine Angina tonsillaris durchgemacht haben. Im Blut finden sich erhöhte Entzündungsparameter.
Die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist ebenso erhöht wie der CRP-Wert und die Leukozytenanzahl. Auch der Anti-Streptolysin-Titer im Blut ist erhöht. Der erhöhte ASL-Titer spiegelt eine durchgemachte Streptokokkeninfektion wider. Im Positronen-Emissions-Tomogramm zeigt sich im Striatum im Gehirn ein erhöhter Zuckerstoffwechsel. Neben der Chorea minor finden sich meistens noch andere Symptome des rheumatischen Fiebers.
Zu den sogenannten Major-Kriterien nach Jones-Standard gehören Herzentzündungen, akute Entzündungen der Gelenke, das rheumatische Erythem oder rheumatische Knoten unter der Haut.
Komplikationen
In den meisten Fällen kommt es bei einer Chorea Minor zu Störungen der Bewegung. Es treten vor allem unkontrollierbare und auch unkoordinierte Bewegungen auf. Diese können sich auf die Beine, Füße und Arme ausbreiten. Für Außenstehende wirken diese Bewegungen bizarr und unverständlich, sodass es hierbei zu sozialen Problemen kommen kann.
Oft bekommt der Patient diese Bewegungen selbst nicht mit. Kinder sind ebenso durch diese Bewegungen betroffen und können Opfer von Mobbing und Hänseleien werden. Bei Kindern wirkt sich die Chorea Minor vor allem auf die Schrift negativ aus. Auch die Benutzung gewöhnlicher Gegenstände wie Messer und Gabel ist nur erschwert möglich, der Betroffen wirkt dabei oft ungeschickt.
Dadurch wird der Alltag des Patienten eingeschränkt. Auch ist eine Aspiration möglich, welche im schlimmsten Falle tödlich enden kann. Vor allem in stressigen Situationen kommt es zu Hyperkinesen und Störungen der Konzentration. Die Behandlung erfolgt durch die Vergabe von Penicillin und führt in den meisten Fällen zu einem Erfolg.
Allerdings muss auch nach der Behandlung weiterhin Penicillin eingenommen werden, um die Ausbildung von Folgeschäden zu verhindern. Bei psychischen Beschwerden sind Besuche beim Psychologen oder entsprechende Medikamente möglich, welche ebenso zu keinen weiteren Komplikationen führen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Treten die Symptome einer Chorea Minor oder Chorea Sydenham auf, handelt es sich um eine behandlungsbedürftige neurologische Autoimmunerkrankung. Die durch Streptokokken ausgelöste Folgeerkrankung entsteht meistens nach einem rheumatischen Fieber oder einer Mandelentzündung. Die dadurch ausgelösten Bewegungsstörungen ähneln denen der Chorea Huntington. Im Unterschied zu dieser erblichen Erkrankung bestehen die Bewegungsstörungen bzw. Hyperkinesen bei der Chorea Minor jedoch nicht lebenslang, sondern akut.
Die meisten Betroffenen der Chorea Rheumatica oder Chorea Infectiosa sind Kinder unter 15 Jahren. Daher ist unbedingt ein Arztbesuch notwendig. Denn die Chorea Minor führt zu Entzündungen im Gehirn und einer Schädigung der sogenannten Basalganglien. Durch Schluckstörungen kann es zum Inhalieren von Getränken und Nahrungsbestandteilen in die Lunge kommen. Das kann tödlich enden. Oftmals werden die Symptome der Chorea Minor nicht richtig zugeordnet. Die betroffenen Kinder kompensieren bzw. unterdrücken diese häufig.
Beim Verdacht, dass nach einem rheumatischen Fieber oder einer Mandelentzündung etwas nicht stimmen könnte, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Dieser wird alles tun, um das Blut auf Entzündungsparameter und eine erhöhte Leukozytenzahl hin zu untersuchen. Durch ein Positronen-Emissions-Tomogramm kann der Zuckerstoffwechsel im Hirn überprüft werden. Die Suche nach Major-Kriterien wie akuten Entzündungen der Gelenke, Herzentzündungen, rheumatischem Erythem oder rheumatische Hautknoten ist notwendig. Die Behandlung mit Penicillin ist effektiv.
Behandlung & Therapie
Die Therapie ähnelt der Behandlung des rheumatischen Fiebers. Die Patienten erhalten über zehn Tage hochdosiert Penicillin. Damit sollen die restlichen Streptokokken beseitigt werden. Zur Entzündungshemmung wird Cortison verabreicht. Über sechs bis zwölf Wochen nehmen die Betroffenen zusätzlich Salicylate ein. Falls nötig können die psychischen Symptome mit Beruhigungsmitteln behandelt werden. In seltenen Fällen kommen Neuroleptika zum Einsatz.
Aussicht & Prognose
Die Chorea Minor hat eine gute Prognoseaussicht. Bei den meisten Patienten ist der Verlauf der Erkrankung reversibel. In seltenen Fällen kommt es dennoch zu lebenslangen Beeinträchtigungen oder Folgeschäden durch die Erkrankung.
Mit einer ausreichenden medizinischen Versorgung können die meisten Patienten einer diagnostizierten Chorea Minor vollständig geheilt werden. Innerhalb der Therapie kann die Funktionsfähigkeit der Basalganglien wieder vollständig hergestellt werden, da diese bei einer Chorea Minor nicht dauerhaft beschädigt werden. Sie unterliegen einer vorübergehenden Beeinträchtigung, da es sich um eine heilbare Entzündung handelt.
Bei Behandlung der Ursache haben die Patienten die Aussicht auf ein Leben ohne Folgeerscheinungen oder Reststörungen. Über 90% der Erkrankten weisen nach ungefähr 2-3 Monaten der ärztlichen Behandlung eine Genesung auf. Innerhalb von durchschnittlich 4-5 Monaten ab dem Behandlungsbeginn bilden sich schrittweise alle Symptome vollständig zurück, bis eine vollständige Beschwerdefreiheit besteht.
Die Zeit der Heilung ist abhängig von dem Schweregrad. Er dauert länger, je mehr Zellen der Basalganglien beeinträchtigt wurden und je größer die Entzündung im Gehirn ist. 10% der Patienten erleiden trotz der guten Heilungssicht im weiteren Verlauf Residuen. Dabei kommt es zu Folgeerscheinungen wie eine innere Unruhe, psychomotorische Probleme oder einem erneuten Rückfall. Die Rückfälle stellen sich trotz der Inanspruchnahme von angebotenen Prophylaxeuntersuchungen und -behandlungen ein.
Vorbeugung
Nach einer durchgestandenen Erkrankung erhalten die Patienten über einen Zeitraum von fünf Jahren monatlich Benzathin-Penicillin. Ohne diese Prophylaxe kommt es in der Hälfte aller Fälle zu schweren Rezidiven. Um eine weitere Infektion zu verhindern, sollten chronische Streptokokkeninfektionsquellen wie beispielsweise vergrößerte Mandeln oder kariöse Zähne beseitigt werden.
Nachsorge
Bei Chorea Minor stehen dem Betroffenen in der Regel nur wenige oder sogar gar keine Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei muss auf jeden Fall eine frühzeitige Erkennung der Krankheit stattfinden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Je früher bei Chorea Minor dabei ein Arzt kontaktiert wird, desto besser ist meist auch der weitere Verlauf dieser Erkrankung.
Der Betroffene sollte daher schon bei den ersten Symptomen oder Anzeichen einen Arzt aufsuchen. Die Behandlung von Chorea Minor erfolgt dabei meist durch die Einnahme von Medikamenten. Da dabei vor allem Antibiotika eingenommen werden, sollten diese nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden. Der Patient sollte auch auf eine regelmäßige Einnahme mit einer richtigen Dosierung achten, um die Beschwerden vollständig zu lindern.
Weiterhin ist bei Fragen oder bei Unklarheiten immer zuerst ein Arzt zu konsultieren. Da die Chorea Minor auch zu psychischen Beschwerden führen kann, können dabei auch Medikamente zur Linderung dieser Beschwerden eingenommen werden. Dabei sind jedoch auch Gespräche mit der eigenen Familie oder mit Freunden sehr hilfreich. Die Chorea Minor wirkt sich in der Regel nicht negativ auf die Lebenserwartung des Betroffenen aus, wenn sie rechtzeitig und richtig behandelt wird.
Das können Sie selbst tun
Im Alltag kann der Betroffene darauf achten, dass er durch seinen Lebenswandel auf ein stabiles Immunsystem achtet. Mit einer ausgewogenen Ernährungsweise, vitaminhaltiger Kost und einer regelmäßigen Bewegung kann er seinen Organismus stärken und seine Gesundheit aufrechterhalten.
Werden genügend Mineralien und Spurenelemente über die Nahrung aufgenommen, kann der Organismus gegen eindringende Keime schnell Abwehrkräfte mobilisieren. Damit vermindert sich das Krankheitsrisiko und gleichzeitig verkürzt es bei einer Erkrankung die Heilungsdauer. Die Flüssigkeitszufuhr ist zu überwachen und sollte bei einem erwachsenen Menschen täglich ungefähr zwei Liter umfassen.
In Zeiten eines erhöhten Infektionsrisikos kann durch das regelmäßige waschen der Hände eine Ansteckung vermieden werden. Bei kalten Temperaturen sollten der Hals und der Kopf ausreichend bedeckt sein. Bestehen Zahnprobleme, sind diese schnellstmöglich von einem Arzt behandeln zu lassen. Vorbeugend können regelmäßig professionelle Zahnreinigungen durchgeführt werden und die Zähne sind nach den Mahlzeiten zu putzen. Das verringert das Risiko einer Karieserkrankung.
Parallel dazu ist auf den Konsum von Schad- oder Giftstoffen zu verzichten. Der Genuss von Alkohol oder Nikotin schwächt den Organismus und lässt ihn anfällig werden. Für eine ausreichende Regeneration nach Stress oder körperlicher Anstrengung sollten regelmäßige Pausen und Ruhephasen eingelegt werden. Darüber hinaus sind die Schlafbedingungen den optimalen Bedürfnissen anzupassen.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Klingelhöfer, J., Berthele, A.: Klinikleitfaden Neurologie. Urban & Fischer, München 2009
- Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012