Claviceps purpurea

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Purpurbraune Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) ist ein Schlauchpilz, der parasitär auf Wirtspflanzen wie Roggen, Weizen, Hafer und Gerste wächst. Oft kommt er auch auf Wildgräsern wie Quecke, Lolch und Acker-Fuchsschwanzgras vor. Dort kann er am Feldrain nach der Getreideernte überleben und sich mit der kommenden Aussaat neu ausbreiten. Der Mutterkornpilz bringt purpurfarbene bis schwarze Sklerotien (Dauermyzelien) hervor, die Mutterkörner genannt werden.

Dieser Name erklärt sich aus dem früher üblichen Einsatz bei Geburten. Verschiedene Inhaltstoffe wirkten unterstützend beim Auslösen der Wehen. Zeitweise wurde der giftige Pilz sogar angebaut, um ihn für Schwangerschaftsabbrüche zu verwenden. Regional üblich sind die Begriffe Bettelmönch, Hungerkorn und Roter Keulenkopf. Auf den Feldern fallen die reifen Sklerotien gemeinsam mit den Getreidekörnern zur Erde und kommen so über den Winter. Weit verbreitet ist Claviceps purpurea in Gebieten mit gemäßigtem Klima.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Claviceps purpurea?

Im Fruchtkörper der besiedelten Pflanze keimen die Sporen zu einem Pilzmyzel aus, das den Fruchtknoten schließlich zersetzt. Aus einer neu gebildeten weichen Masse tritt der Honigtau aus.
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Der Mutterkornpilz kann sich sowohl geschlechtlich als auch ungeschlechtlich vermehren. Aus einem Sklerotium entstehen während der Vegetationsperiode mehrere gestielte Fruchtkörper, die eine köpfchenartige Form aufweisen. Sie bilden sich durch Verschmelzung mehrerer fadenförmiger Pilzzellen. Die Fruchtkörper entwickeln im Inneren zahlreiche Schläuche (Asci), in denen die Ascosporen (Samen) produziert werden. Mit der beginnenden Gräser- und Kornblüte werden die Ascosporen freigesetzt und vom Wind verbreitet. Durch die Narben unbefruchteter Blüten dringen sie in die Fruchtknoten ein. Diese geschlechtliche Vermehrung wird als Primärinfektion definiert.

Bei der (ungeschlechtlichen) Sekundärinfektion entwickeln sich aus dem Myzel des Mutterkornpilzes durch Abschnürung von Zellen die Konidiosporen (Konidien). Sie werden durch den Kontakt von Ähre zu Ähre sowie über Regen und Wind freigesetzt.

Eine wichtige Funktion nehmen darüber hinaus Insekten wahr, die vom sogenannten Honigtau angelockt werden. Dies ist eine süße Flüssigkeit, die der Purpurbraune Mutterkornpilz durch das Zersetzen von Getreidesamen bildet. Die Konidiosporen gelangen schließlich ähnlich der Ascosporen in den Fruchtkörper beispielsweise blühender Gräser.

Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften

Im Fruchtkörper der besiedelten Pflanze keimen die Sporen zu einem Pilzmyzel aus, das den Fruchtknoten schließlich zersetzt. Aus einer neu gebildeten weichen Masse tritt der Honigtau aus. Später reift das Myzel zu einem hornartigen Sklerotium, welches das typische dunkelpurpurne Aussehen bekommt.

Statt der Samen bringen die vom Mutterkornpilz befallenen Gräser oder Pflanzen dann nur noch Sklerotien heraus. In ihnen sind jedoch Alkaloide („Pflanzenasche“) enthalten, die für den menschlichen Organismus giftig sind. In ihrer Wirkung können sie mit Morphin, Strychnin und Solanin verglichen werden.

Nimmt ein Mensch in größeren Mengen Sklerotien ein, können unter Umständen Gliedmaßen absterben, da bestimmte Blutgefäße abgeschnürt werden. Durch Störungen des zentralen Nervensystems treten möglicherweise auch Muskelkrämpfe auf. Auch Magen- und Darmerkrankungen sind wahrscheinlich.

Noch im Mittelalter, als in Unkenntnis der Risiken Sklerotien gemeinsam mit den Getreidekörnern zu Mehl gemahlen wurden, waren furchtbare Folgen der giftigen Stoffe zu registrieren. Wegen dieser Gefährdungen sind schon vor längerer Zeit Grenzwerte für den Sklerotien-Gehalt in Getreide festgesetzt worden. Mit den heute üblichen Reinigungsverfahren für Getreide können die giftigen Stoffe jedoch mit großer Sicherheit in den Mühlbetrieben aussortiert werden. Gefahren bestehen aber nach wie vor für Haus- und Nutztiere, wenn diese grasbewachsene Flächen beweiden, auf die unter Umständen Mutterkorn gelangt ist.

Bedeutung & Funktion

Die Sklerotien des Purpurbraunen Mutterkornpilzes sind in der Regel leicht gekrümmt, werden bis zu sechs Zentimeter lang und ragen oft ein deutliches Stück aus den Spelzen der Getreidepflanze hervor. Die von den Schwarzpilzen befallenen Ähren oder Rispen sind wegen des abgesonderten Honigtaus sehr klebrig. Kälte und Trockenheit können die Sklerotien relativ gut widerstehen.

Nachdem sie den Winter im oder am Boden überlebt haben, gehen sie zur Blütezeit der Gräser in den Keimzustand über. Die besten Verbreitungsmöglichkeiten hat der Mutterkornpilz bei niederschlagsreicher und kühler Witterung. Andererseits sind sehr heiße und trockene Bedingungen für das Getreide gefährlich, da so mehr Blüten unbefruchtet bleiben. Dann können sie von Claviceps purpurea infiziert werden.

Eine große Ansteckungsgefahr geht außerdem von bereits befallenen Gräsern aus, die an den Rändern der Getreidefelder stehen. Blühen Getreidebestände ungleich ab und folgt in der Frucht beispielsweise Roggen auf Roggen, wird das Übergreifen des Mutterkornpilzes erleichtert.


Krankheiten & Beschwerden

Medizinisch gilt es heutzutage als erwiesen, dass Alkaloide des Mutterkornpilzes Darmkrämpfe, Halluzinationen sowie das Absterben von Fingern und Zehen bewirken können. Ausgelöst werden diese Auffälligkeiten durch Durchblutungsstörungen. Von alters her wurde für dieses Abschnüren von Gliedmaßen der Begriff Antoniusfeuer verwendet. Später kam das Wort Mutterkornbrand hinzu. Fachlich heißt das Krankheitsbild heute Ergotismus.

Der Stoffwechsel eines erwachsenen Menschen wird durch das Verzehren von fünf bis zehn Gramm frischen Mutterkorns so stark beeinträchtigt, dass Atemlähmungen und Kreislaufversagen mit möglicherweise tödlichem Ausgang folgen. Verlässliche Untersuchungen warnen vor gesundheitlichen Schäden beim Menschen, wenn rund zehn Milligramm Alkaloide des Mutterkornpilzes pro Kilogramm Mehl auftreten. Als Grenzwert für die Unbedenklichkeit sind zwei Milligramm pro Kilogramm gesetzlich festgelegt.

Die Alkaloide können in der Medizin aber auch nutzbringend eingesetzt werden. Zum Beispiel haben sie blutstillende Eigenschaften bei und nach Geburten. Ebenso helfen sie gegen orthostatische Hypotonie (niedrigen Blutdruck) und Schwindelgefühle unmittelbar nach dem Aufstehen sowie Migräne. Aus dem Purpurbraunen Mutterkornpilz lässt sich die sogenannte Lysergsäure gewinnen, mit der die Droge LSD hergestellt werden kann.

Quellen

  • Ableitner, O.: Einführung in die Molekularbiologie. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2018
  • Dülligen, M., Kirov, A., Unverricht, H.: Hygiene und medizinische Mikrobiologie. Schattauer, Stuttgart 2016
  • Gries, O., Ly, T.: Infektologie - Kompendium humanpathogener Infektionskrankheiten und Erreger. Springer, Berlin 2019

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