Morphium
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. November 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Begriff Morphium wird umgangssprachlich für das Opiat Morphin benutzt. Es zählt zu den Opioid- Analgetika und ist in jeder Darreichungsform streng verschreibungspflichtig. Da das Missbrauchsrisiko sehr hoch ist und das Medikament neben den erwünschten Wirkungen auch sehr viele starke Nebenwirkungen hat, unterliegt es in jeder Darreichungsform dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) und darf auch nur auf ein BtmG-Rezept verordnet und herausgegeben werden.
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Was ist Morphium?
Morphium ist ein sehr starkes Schmerzmittel aus der Gruppe der Opiate, da es ein Haupt-Alakaloid des Opiums ist. In der Medizin findet es seine Verwendung als eines der stärksten natürlichen Schmerzmittel überhaupt.
Es handelt sich hier um ein in seiner Reinstform isoliertes Alkaloid. Diese Isolierung gelang im Jahre 1805 dem Apotheker Friedrich Wilhelm Adam Sertürner aus Paderborn, welcher den neu entdeckten Stoff nach dem griechischen Gott der Träume „Morpheus“ benannte. Als Morphin wird die Zusammensetzung, die heute auch weitläufig als Droge bekannt ist, erst später benannt.
Seinen Ursprung hat Morphium in dem Milchsaft des Schlafmohns, welcher zur Gewinnung getrocknet wird. Die Synthese aus dem Basisstoff des Schlafmohns ist mit sehr hohem Aufwand verbunden und das Resultat aus dem Gewinnungsprozess mit etwa 10% verhältnismäßig gering.
Pharmakologische Wirkung
Morphium wirkt als Schmerzmittel gänzlich anders als andere Analgetika. Es wirkt zentral über sogenannte Opioid- Rezeptoren im Gehirn. Durch die Wirkung des Agonisten wird die Schmerzweiterleitung unterbunden was dazu führt, dass der Morphin-konsumierende Patient die Schmerzen nicht mehr oder nur noch in abgeschwächter Form wahrnimmt.
Dies geschieht, indem durch die Wirkung des Morphiums die μ-Rezeptoren aktiviert werden. Morphin wird vom Körper in der Regel sehr gut resorbiert. Da die Umwandlung bzw. Metabolisierung in der Leber , was auch als First Pass Effekt bezeichnet wird, sehr hoch ist, ist die Bioverfügbarkeit sehr gering und die Wirkdauer mit 2-4 Stunden gemessen an der Potenz des Schmerzmittels relativ kurz.
Bei Morphium lässt sich nicht der sogenannte Ceiling-Effekt, auch als Sättigungseffekt bezeichnet, erkennen. Das bedeutet, dass die Wirkungen mit zunehmendem Konsum auch zunehmen. Da Morphium nicht nur die positive Wirkung der Schmerzlinderung hat sondern auch eine ganze Reihe unangenehmer Nebenwirkungen, kann es aufgrund des fehlenden Ceiling-Effektes zu lebensbedrohlichen Vergiftungen kommen.
Die in der Schmerztherapie unerwünschten Nebenwirkungen sind bei einem absichtlichen Morphinabusus sehr willkommen. Diese sind relativ rasch erzeugbar, weshalb man reines Morphium in jeglicher Darreichungsform dem Betäubungsmittelgesetz unterworfen hat.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Morphium findet in der Medizin an erster Stelle als stark wirksames Analgetikum seine Anwendung, wenn andere Schmerzmittel nicht mehr stark genug sind, um den Schmerz zu bekämpfen oder zu lindern.
Dazu gibt es verschiedene Darreichungsformen: flüssig als Tropfen und Injektionslösung, für die orale Applikation als Tabletten, Brausetabletten, Kapseln, Retardkapseln und Granulat und für den Fall dass Schlucken nicht möglich ist und die Injektion unerwünscht oder nicht angebracht ist, als Zäpfchen. Das sogenannte Morphinpflaster enthält als Wirkstoff nicht wie oft irrtümlich angenommen das Morphium, sondern das viel höher potente Opioid Fentanyl.
Im internationalen Vergleich wird in Deutschland sehr viel seltener verordnet als im benachbarten Dänemark. Zum Einen fürchtet man sich vor den starken Nebenwirkungen. Der Hauptgrund, weshalb in Deutschland jedoch nur rund 5% der Patienten, die ein Schmerzmittel in dieser Stärke benötigen, tatsächlich Morphium erhalten, liegt hauptsächlich an dem Umstand, dass Morphin uneingeschränkt dem BtmG unterliegt und sich die Ärzte vor dem Ausstellen dieser Btm- Rezepte aufgrund des Zusatzaufwandes und der Nachweispflicht scheuen.
Um die unerwünschten und stellenweise auch gefährlichen Nebenwirkungen zu reduzieren, rät die WHO dazu, Morphium, sofern es möglich ist, ausschließlich oral zu applizieren und sich individuell an die tatsächlich benötigte Dosis bis zur Schmerztitration heranzutasten. Auch sollte Morphin nicht für die Monotherapie zur Schmerzbekämpfung angewandt werden, sondern möglichst in Kombination mit einem weiteren, nicht zentral-wirkenden Schmerzmittel.
Verabreichung & Dosierung
Morphium, ein starkes Opioid-Schmerzmittel, erfordert eine sorgfältige und kontrollierte Verabreichung, um die bestmögliche Schmerzlinderung zu erreichen und gleichzeitig das Risiko von Nebenwirkungen und Abhängigkeit zu minimieren. Die Dosierung von Morphium hängt von der Schwere der Schmerzen, der individuellen Schmerzempfindlichkeit des Patienten sowie der vorherigen Opioid-Exposition ab. Es wird oft in Form von Tabletten, Injektionen, Tropfen oder transdermalen Pflastern verabreicht.
Morphium sollte immer genau nach ärztlicher Anweisung eingenommen werden. Die Dosis wird meist niedrig begonnen und kann schrittweise erhöht werden, bis die gewünschte Schmerzkontrolle erreicht ist. Eine gleichmäßige Einnahme ist wichtig, um einen stabilen Wirkstoffspiegel im Blut aufrechtzuerhalten. Bei der Einnahme von Retardpräparaten, die den Wirkstoff über längere Zeit freisetzen, dürfen die Tabletten nicht zerkaut oder zerdrückt werden, da dies zu einer schnellen Freisetzung und einem erhöhten Risiko für eine Überdosierung führt.
Es ist wichtig, Nebenwirkungen wie Atemdepression, Schwindel, Übelkeit, und Verstopfung zu beachten, die häufig bei der Anwendung von Morphium auftreten können. Ältere Patienten oder Personen mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion benötigen oft eine angepasste Dosierung. Die gleichzeitige Einnahme von Alkohol oder anderen zentral dämpfenden Substanzen ist strikt zu vermeiden, da dies die sedierende Wirkung und das Risiko schwerwiegender Komplikationen erhöhen kann. Ein plötzliches Absetzen sollte vermieden werden, da dies Entzugssymptome verursachen kann.
Risiken & Nebenwirkungen
Je potenter ein Medikament ist, desto höher sind meistens auch seine Nebenwirkungen und die damit verbundenen Risiken. Schon die Tatsache, dass Morphium ein zentral wirkendes Analgetikum ist, welches bei der Behandlung von starken bis stärksten Schmerzen eingesetzt wird, macht die Risikopalette ziemlich groß.
Da die Wirkdauer mit 2-4 Stunden relativ kurz ist und die zentral dämpfende, zu Beginn der Behandlung aber meist auch euphorisierende Wirkung von den konsumierenden Patienten jedoch als angenehm empfunden wird, kommt sehr schnell das Verlangen nach einer weiteren Dosis auf. Morphin hat ein sehr hohes physisches und psychisches Abhängigkeitspotential.
Zudem wirkt es nicht nur hemmend auf die Schmerzweiterleitung an den Opiatrezeptoren im Gehirn, sondern mit zunehmender Dosierung auch hemmend auf das Atemzentrum, was bis zum Atemstillstand führen kann. Weitere Nebenwirkungen sind Übelkeit mit Erbrechen, besonders zu Behandlungsbeginn und Verstopfung. Besonders unangenehm können auftretende Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen sein.
Kontraindikationen
Morphium ist ein starkes Opioid, und seine Anwendung ist bei bestimmten Kontraindikationen untersagt, um ernsthafte gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegenüber Morphium oder anderen Opioiden. Patienten mit schwerer Atemdepression oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), wie Asthma oder Emphysem, dürfen Morphium nicht erhalten, da es die Atemfrequenz weiter reduzieren kann und eine lebensbedrohliche Atemnot verursachen könnte.
Patienten mit einer akuten oder chronischen Darmlähmung (paralytischer Ileus) dürfen Morphium ebenfalls nicht verwenden, da es die Darmmotilität weiter verringert und zu schwerwiegenden Komplikationen führen kann. Bei einer schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörung ist Vorsicht geboten, da die Verstoffwechslung und Ausscheidung von Morphium beeinträchtigt sein können, was das Risiko von Toxizität erhöht.
Ein erhöhtes Risiko besteht auch bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma oder erhöhtem Hirndruck, da Morphium den Druck im Schädel weiter erhöhen und neurologische Symptome verschlimmern kann. Vorsicht ist geboten bei Personen mit unbehandeltem Hypotonie (niedrigem Blutdruck) oder Schockzuständen, da Morphium den Blutdruck weiter senken kann. Darüber hinaus ist die Anwendung bei Patienten, die an einer akuten Alkoholvergiftung oder gleichzeitiger Einnahme anderer zentral dämpfender Substanzen leiden, kontraindiziert, da dies die Gefahr einer schweren Atemdepression oder eines Komas erhöht.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Morphium interagiert mit einer Vielzahl von Medikamenten, und diese Wechselwirkungen können die Wirkung des Opioids verstärken oder Nebenwirkungen erhöhen. Eine der bedeutendsten Interaktionen tritt bei der gleichzeitigen Verwendung mit anderen zentral dämpfenden Substanzen auf, wie Beruhigungsmitteln (Benzodiazepine), Schlafmitteln, Antipsychotika, Antidepressiva, und Anästhetika. Die Kombination kann zu einer verstärkten Sedierung, Atemdepression und im schlimmsten Fall zu einem Koma führen. Alkohol potenziert ebenfalls die dämpfende Wirkung von Morphium auf das zentrale Nervensystem, was lebensbedrohliche Folgen haben kann.
Die gleichzeitige Einnahme von Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern), die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden, ist besonders gefährlich, da dies eine hypertensive Krise oder schwere zentrale Dämpfung auslösen kann. Vorsicht ist geboten, wenn Morphium mit Antihistaminika verwendet wird, da diese die sedierenden Effekte ebenfalls verstärken können.
Bestimmte Medikamente, die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems beeinflussen, wie Rifampicin, Phenytoin oder bestimmte Antimykotika, können die Wirksamkeit von Morphium verändern. Enzyminduktoren können den Abbau von Morphium beschleunigen, was seine schmerzlindernde Wirkung reduziert, während Enzymhemmer die Konzentration im Blut erhöhen und das Risiko von Nebenwirkungen verstärken können.
Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck, wie Betablocker, können die blutdrucksenkende Wirkung von Morphium verstärken, was zu Schwindel und Hypotonie führen kann. Darüber hinaus können Wechselwirkungen mit bestimmten Anticholinergika das Risiko einer Harnverhaltung und schwerer Verstopfung erhöhen.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Morphium nicht vertragen wird oder Kontraindikationen bestehen, gibt es verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Schmerzlinderung. Ein häufig verwendetes Ersatzmittel sind andere starke Opioide wie Oxycodon, Hydromorphon oder Fentanyl, die unterschiedliche Wirkprofile und Nebenwirkungen haben, aber eine vergleichbare analgetische Wirkung erzielen können. Diese Opioide werden oft dann gewählt, wenn Patienten unter einer Unverträglichkeit gegenüber Morphium leiden.
Schwächere Opioide wie Tramadol oder Codein sind ebenfalls eine Option, vor allem bei moderaten Schmerzen, da sie weniger sedierende Effekte haben und eine geringere Atemdepression verursachen. Nicht-opioide Schmerzmittel wie Paracetamol und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac können bei leichteren bis mäßigen Schmerzen eine wirksame Alternative sein, insbesondere bei entzündlichen Schmerzursachen.
Bei neuropathischen Schmerzen kommen spezielle Medikamente wie Antikonvulsiva (Gabapentin oder Pregabalin) oder Antidepressiva (Amitriptylin oder Duloxetin) zum Einsatz. Diese Wirkstoffe beeinflussen die Schmerzsignale im Nervensystem und sind oft hilfreich, wenn herkömmliche Schmerzmittel unwirksam sind.
Physiotherapeutische Maßnahmen, Akupunktur und Psychotherapie können als ergänzende oder alternative Ansätze zur Schmerzbewältigung dienen, insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen. Neuere Methoden wie die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) oder die Anwendung von Cannabinoiden werden ebenfalls zunehmend erforscht und können je nach individuellen Bedürfnissen in Erwägung gezogen werden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor