Computerspielsucht
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei der Computerspielsucht handelt es sich um eine psychische Erkrankung. Sie basiert auf einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und äußert sich in einer Flucht in die virtuelle Wunschwelt. Denn nur hier kann der Leidende seine Träume umsetzen, ist unverwundbar und vereint Attribute, die er im normalen Leben nicht besitzt. Die Computerspielsucht ist therapierbar.
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Was ist Computerspielsucht?
Die Computerspielsucht ist mittlerweile als psychisches Leiden anerkannt. Bei ihr fühlt sich der Betroffene dazu getrieben, seine Zeit mit PC- oder Konsolen-Spielen zu verbringen. Mag das noch ein beliebter und legitimer Zeitvertreib sein, so äußert sich die Computerspielsucht in einem zwanghaften Handeln.
Dieses ufert zeitlich in vielen Fällen aus, so dass der unter der Computerspielsucht Leidende meist mehrere Stunden oder sogar Tage in der virtuellen Welt verbringt. Beliebte Themen der Computerspielsucht in den Medien sind die sogenannten Ego-Shooter, die auf den Betroffenen zudem in einer Form einwirken sollen, dass sie ihn abstumpfen und aggressiver werden lassen. Bewiesen ist diese These jedoch nicht. Fest steht demgegenüber aber, dass die Computerspielsucht in therapeutische Hände gelegt werden muss.
Die Computerspielsucht ist von der Internetsucht und von der Spielsucht abzugrenzen.
Ursachen
Eine Computerspielsucht entsteht in den meisten Fällen aus dem simplen Spielen am Computer und steigert sich in der Folgezeit zu einem starken Verlangen. Der von der Computerspielsucht Befallene ist in der Regel ohnehin psychisch labil und anfällig für störende Einflüsse.
Oft wird er dabei von einer latenten Leugnung der Realität begleitet. Beide Zustände begünstigen die Computerspielsucht. Neben diesen charakterlichen Grundlagen kommt es nicht selten zu gewissen Schlüsselsituationen: Der von der Computerspielsucht Betroffene isoliert sich aus dem Freundeskreis, erfährt Zurückweisungen von einer geliebten Person oder zieht sich anderweitig zurück und sucht die heile Welt. Einsamkeit, das Gefühl des Unverstandenseins sowie privater und beruflicher Stress sind daher häufige Auslöser der Computerspielsucht.
Weiterhin bilden Online Rollenspiele, sogenannte MMORPG - Massively Multiplayer Online Role-Playing Game, wie Guildwars oder World of Warcraft, eine enorm große Suchtgefahr auf ihre Spieler aus. Bei diesen Spielen hat der Spieler immer die Sucht weiter aufsteigen zu müssen, um besser als die anderen Mitspieler zu sein. Diese MMORPG's haben zumeist kein typisches Spielende, sondern bieten fast unendlich viele Abenteuer und Handlungsoptionen, seinen Spielcharakter weiter zu verbessern. Zusätzlich kann eine Abhängigkeit hierbei entstehen, da häufig Freunde der Betroffenen mitspielen und diese eine gewisse soziale Bindung nicht abbrechen möchten.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Computerspielsucht hat mangels eines definierten Krankheitsbildes keine Symptome, die typisch oder obligatorisch für das Vorliegen dieses Leidens wären. Allerdings bieten sich mehrere Anzeichen und Symptome, die auf Beobachtung von existenten und behandelten Fällen der Computerspielabhängigkeit beruhen, zur Abgrenzung vom normalen Nutzerverhalten an.
Computerspielsüchtige zeichnen sich dadurch aus, dass sie den größten Teil ihrer Zeit in das Spielen investieren. Alles andere wird zugunsten des Spielens zurückgestellt, so dass Betroffene beispielsweise schlecht essen oder ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen.
Werden Betroffene am Spielen gehindert, reagieren sie emotional und zeigen Entzugssymptome. Nicht spielen zu können, erscheint ihnen unerträglich. In Situationen, in denen der Betroffene nicht spielen kann, sind seine Gedanken dennoch um sein Spiel kreisend. Das Spielverhalten kann nur noch schwerlich kontrolliert werden und wie bei fast allen Süchten erfolgen ein Nichtwahrhabenwollen und ein Vertuschen des Problems.
Im späteren Verlauf kommt es zu einer (fast) völligen Aufgabe anderer Lebensbereiche. Soziale Kontakte, berufliche Verpflichtungen und ähnliches werden nicht mehr wahrgenommen und der Betroffene isoliert sich mit seinem Computer. Körperliche Folgen können aufgrund des Vergessens der Nahrungsaufnahme auftreten. Das Verdursten oder Verhungern kommen gelegentlich vor.
Anzeichen einer Computerspielsucht sind das allmähliche Steigern der täglichen Spielzeit und der Beginn damit, andere Dinge zugunsten des Spiel zu vernachlässigen.
Diagnose & Verlauf
Oft zeigt sich bei der Computerspielsucht ein schleichender Verlauf: Aus einem anfänglichen Zeitvertreib wächst der Zwang, sich der Spielewelt hinzugeben. Der unter der Computerspielsucht Leidende flüchtet sich regelrecht in seine gewünschte Umgebung, wo er tun und lassen kann, was er will.
Dieses Verneinen realer Umstände und das Kreieren eigener Traumwelten ist ein Kernpunkt der Computerspielsucht. In vielen Fällen ist es dem Betroffenen anschließend nicht mehr möglich, die Grenzen zwischen echter und erdachter Situation zu erkennen:
Er handelt erneut so, wie er es für richtig hält. Umstritten ist, ob die Computerspielsucht tatsächlich zu Tötungs- oder Gewaltverbrechen führen kann. Entscheidend ist allerdings, dass die Computerspielsucht unschätzbare Folgen zeitigt, die gefährlich für den Betroffenen wie auch seine Mitmenschen sein können.
Komplikationen
Computerspielsucht ist eine Verhaltenssucht und führt deshalb häufig zur sozialen Isolation: Süchtige Spieler ziehen sich zunehmend zurück, um mehr Zeit mit dem Spielen zu verbringen. Darüber hinaus können andere Interessen und Hobbys in den Hintergrund treten, was den Kontakt zu anderen Menschen ebenfalls erschwert.
Verschuldung ist eine weitere mögliche Komplikation bei der Computerspielsucht. Einerseits können süchtige Spieler die Kontrolle über ihre Ausgaben verlieren: Computer, Spiele, Zubehör und Käufe innerhalb von Spielen sorgen in diesem Fall für das Anwachsen des Schuldenbergs. Andererseits vernachlässigen Computerspielsüchtige möglicherweise ihren Beruf und ihre finanziellen Verpflichtungen, wenn sie sich im Spiel verlieren.
Auch anderer Aufgaben vernachlässigen viele süchtige Spieler – zum Beispiel die eigene Familie, Kinder oder sich selbst. Persönliche Hygiene, Ernährung und Sauberkeit in der eigenen Wohnung werden im Rahmen dieser Komplikation mitunter aufgeschoben oder erscheinen dem Computerspielsüchtigen übermäßig kompliziert. Der Aufwand für alltägliche Dinge erscheint den Betroffenen zum Teil zu hoch.
Darüber hinaus kann die Computerspielsucht mit anderen psychischen Problemen einhergehen, zum Beispiel mit Depressionen oder anderen Süchten. Einige süchtige Spieler verlieren durch exzessives Spielen zunehmend den Bezug zur Realität. Dieser Zustand kann psychotische Symptome und Dissoziationen begünstigen. In einigen Fällen führt die Entfremdung auch dazu, dass sich Computerspielsüchtige wie Fremde in der Realität fühlen – die Wirklichkeit kommt ihnen unwirklich vor.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die Grenzen vom leidenschaftlichen Computerspiel als Zeitvertreib und der Computerspielsucht verlaufen fließend und sind nicht immer leicht zu erkennen. Ein Arzt sollte aufgesucht werden, wenn das Computerspiel im Leben des Betroffenen einen herausragenden Stellenwert einnimmt und alle anderen Bereiche dafür vernachlässigt werden. Der zwanghafte Drang zu spielen, ein mit Beginn des Spiels einsetzender Kontrollverlust und die Unfähigkeit, längere Pausen einzulegen, sind Alarmzeichen, die stark auf eine behandlungsbedürftige Computerspielsucht hindeuten.
Zieht sich der Betroffene immer weiter von seinem sozialen Umfeld zurück und nimmt auch in Kauf, dass sein Verhalten Probleme in der Schule oder am Arbeitsplatz mit sich bringt, ist ein Arztbesuch dringend anzuraten. Die Vernachlässigung der Körperhygiene und eine unzureichende Nahrungsaufnahme weisen bereits auf eine stark ausgeprägte Spielsucht hin. Die Gesundheit ist in Gefahr, wenn auch das Trinken vergessen wird: In Verbindung mit Erschöpfung durch Schlafmangel kann es zu einer lebensbedrohlichen Schwächung des Körpers kommen. Spätestens bei diesen Anzeichen sollte umgehend ärztliche Beratung in Anspruch genommen werden.
Erster Ansprechpartner kann dabei der Hausarzt sein, zu dem eine vertrauensvolle Beziehung besteht: In weiterer Folge ist aber meist eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung notwendig. In schweren Fällen kann auch eine stationäre Therapie angezeigt sein.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der Computerspielsucht erfolgt durch einen psychologischen Therapeuten. Wichtig ist es dafür, die Krankheit überhaupt als solche zu erkennen und den normalen Zeitvertreib von der Sucht unterscheiden zu können.
Diese Aufgabe obliegt meist dem familiären Umkreis oder den Freunden. Ist der erste Schritt zu dieser Erkenntnis bewältigt, sollte der unter der Computerspielsucht Leidende sich einen kompetenten Partner suchen, mit dem er über seine Zwänge reden kann. In der Regel äußern sich in dieser Gesprächstherapie auch verborgene Ängste oder Wünsche, die der Patient seit vielen Jahren oder Jahrzehnten unbewusst in sich trägt.
In seltenen Fällen wird die Computerspielsucht medikamentös behandelt. Gerade dort, wo die Realität mit aller Kraft verneint wird, ist der Einsatz von Arzneimitteln jedoch hilfreich. Auf Wunsch des unter der Computerspielsucht Leidenden ist auch eine stationäre Maßnahme möglich. Hier wird ihm ein Weg zur Entspannung aufgezeigt.
Ebenso erhält er Möglichkeiten, sein eigenes Ich zu verwirklichen, anstatt sich in die virtuelle Welt zu flüchten. Die Computerspielsucht ist somit heilbar.
Aussicht & Prognose
Die Computerspielsucht ist eine genauso ernst zu nehmende Erkrankung wie jede andere Sucht. Ähnlich sieht auch die Aussicht und Prognose aus - wird Computerspielsucht nicht behandelt oder zu lange ignoriert, kann sie Folgen haben.
Da sich diese spezifische Sucht darin äußert, dass der Betroffene seine freie Zeit nur noch isoliert vor dem Computer verbringt oder schlimmstenfalls seinem Beruf und anderen Verpflichtungen nicht mehr nachgeht, sind die ersten negativen Auswirkungen sozialer und psychologischer Natur. Weiterhin kann die Ernährung und die Bewegung unter einer Computerspielsucht leiden und zu körperlichen Problemen führen. Denkbar sind eine Verschlechterung des Hautbildes, wenn keine Zeit mehr für gesunde Ernährung bleibt, oder auch Übergewicht, wenn die Freizeit ohne Bewegung bleibt.
Die Folgen der Computerspielsucht können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Leichte Formen der Ausprägung werden zumeißt durch Angehörige bemerkt. Häufig bleibt bei Computerspielsucht lange Zeit der Leidensdruck beim Betroffenen aus, sodass viele Abhängige sich erst sehr spät oder gar keine Hilfe holen.
Vorbeugung
Grundsätzlich lässt sich der Computerspielsucht nur durch eine verstärkte Kontrolle vorbeugen: entweder durch die Mitmenschen oder durch eigene Disziplin. Ebenso sollte versucht werden, die Zeit mit Kultur, Sport, Bildung oder ähnlichen Programmen zu füllen, statt sie mit meist stumpfsinnigen und zreitraubenden Spielen zu vergeuden. Entscheidend bei alledem ist es jedoch, die Ausmaße der Computerspielsucht zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Nachsorge
Nach einer erfolgreichen Behandlung der Computerspielsucht ist es wichtig, einen Rückfall zu vermeiden. Viele ehemalige Süchtige müssen sich klare Grenzen setzen, die im Alltag nicht gedehnt werden dürfen. Solche Ausnahmen reißen leicht ein und werden zur Gewohnheit, die der Sucht erneut die Tür öffnet.
Ein zentraler Bestandteil der Nachsorge besteht darin, weiterhin an den Ursachen der Computerspielsucht zu arbeiten. Viele Computerspielsüchtige müssen sich zunächst wieder ein soziales Umfeld aufbauen. Häufig bietet es sich an, den Kontakt zu alten Freunden und Bekannten wiederherzustellen, von denen sich der Betroffene während der Abhängigkeit zurückgezogen hat.
Manchmal besteht das frühere Umfeld jedoch größtenteils aus andere Computersüchtigen, die möglicherweise noch nicht bereit sind, ihre Sucht zu bekämpfen. In diesem Fall ist es sinnvoll, neue Freunde zu finden und den Kontakt zu alten Freunden zumindest so weit einzuschränken, dass nicht die Gefahr besteht, selbst rückfällig zu werden.
Wie häufig Rückfälle in die Computerspielsucht sind, ist nicht ausreichend erforscht – bei anderen Süchten kommen sie jedoch sehr häufig vor. Sobald ein Rückfall erkannt wird, sollte der ehemalige Therapeut kontaktiert werden, um die Therapie ggf. wieder aufzunehmen oder um einige stabilisierende Gespräche zu führen. Auch andere Ressourcen wie zuverlässige Freunde, die Familie oder die Telefonseelsorge können den Betroffenen unterstützen.
Das können Sie selbst tun
Um den Alltag ohne Computerspielsucht meistern zu können, ist es für Betroffene wichtig, Strategien zur Selbstkontrolle zu erlernen, damit Situationen einer Spielversuchung umgangen werden können. Die Selbsthilfe von computersüchtigen Personen resultiert also aus der Verhaltensanalyse und das Aufzeigen der Hintergrundproblematik, welche zu einem krankhaften Spielverhalten geführt hat.
Aus diesem therapeutischen Ansatz heraus lernt der Betroffene Bewältigungsstrategien, wobei immer auch das Thema Eigenverantwortung einen ganz hohen und zentralen Stellenwert einnimmt. Sollte es einen unbeabsichtigten Rückfall in die PC-Spielsucht geben, dann sollte der Betroffene wissen, wo er professionelle Hilfe direkt finden kann. Denn auch das persönliche Eingestehen der Hilfebedürftigkeit ist ein wichtiges psychologisches Moment, um auch bei einem Rückfall möglichst schnell wieder die Selbstkontrolle zu erlangen.
Die Selbsterkenntnis der eigenen, pathologischen Verhaltensmuster ist im Alltag sehr hilfreich, um die psychologischen Mechanismen einer Computerspielsucht zu durchschauen. Diese Selbstanalyse kann also dazu verhelfen, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen und zu korrigieren. Wenn Flucht vor Verantwortung, Selbstüberschätzung oder Unehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber die Gedankenwelt bestimmen, ist der Weg in einen Rückfall zur Computerspielsucht nicht weit.
Doch dies kann zielorientiert verändert werden. Diesen Weg sollten Betroffene im Alltag nicht alleine gehen, sondern durch Unterstützung mit Hilfe von Selbsthilfegruppen für Depressionen, Unterstützung von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit oder zum Erlernen von Entspannungstechniken.
Quellen
- Fegert, J.M., Eggers, Ch., Resch, F.: Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Springer, Heidelberg 2012
- Möller. H.-J., Laux, G., Deister, A., Braun-Scharm, H., Schulte-Körne, G.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
- Müller, K.: Spielwiese Internet. Sucht ohne Suchtmittel. Springer, Berlin Heidelberg 2013