Default Mode Network

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Anatomie Default Mode Network

Default Mode Network, kurz DMN, bezeichnet das neuronale Netzwerk im menschlichen Gehirn im Ruhezustand. Wenn sich Menschen spezifischen Aufgaben zuwenden, kommt es zu einer anderen Gehirnaktivität als im Ruhezustand, der durch Tagträume, lose Assoziationen und abschweifende Gedanken charakterisiert ist. Das spezifische Gehirnaktivitätsmuster des Ruhezustands ist erst 2001 entdeckt worden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Default Mode Network?

Das DMN ist aktiv, wenn das Gehirn nicht für die Erledigung von spezifischen Aufgaben verwendet wird. Beim Beginn von spezifischen Aufgaben werden Teile des DMN deaktiviert.
© Alexandr Mitiuc – stock.adobe.com

Das Default Mode Network ist ein gehirnanatomischer Befund. Voneinander getrennte Gehirnregionen sind im Ruhezustand gleichzeitig aktiviert und zeigen die für DMN charakteristischen Aktivitätsmuster. Das Diagnoseverfahren zur Sichtbarmachung des DMN ist funktionelle Magnetresonanztomografie.

Hämoglobin, das Sauerstofftransportmolekül im Blut, sendet je nach Sauerstoffladung unterschiedliche magnetische Signale aus. Daher illustriert funktionelle Magnetresonanztomografie Durchblutungsänderungen und Stoffwechselvorgänge in den einzelnen Hirnarealen und hat so zur Entdeckung des DMN geführt. Die Idee, dass das Gehirn niemals ruht, ist alt. Früher konnte die elektrische Aktivität des Gehirns durch Elektroenzephalografie dargestellt werden. Die anatomische Beschreibung des DMN ist jedoch ein recht junges Forschungsergebnis: Marcus E. Raichle und Kollegen prägten den Begriff in einer wissenschaftlichen Publikation 2001.

Mit der Beschreibung eines normalen Ruhezustands des Gehirns ist auch die Entdeckung von abweichenden, möglicherweise pathologischen Zuständen möglich geworden. Aktuelle Forschung untersucht die Auswirkungen von Arzneimitteln, neurologischen Krankheiten und bestimmten Verhaltensformen, beispielsweise Meditation, auf das DMN.

Anatomie & Aufbau

Ein wichtiger Teil des DMN ist der mediale Temporallappen. Damit in Zusammenhang steht Aktivität im medialen präfrontalen Kortex. Die Integration der beiden unterschiedlichen Subsysteme im Gehirn erfolgt über das posteriore Zingulum. Der angulare Gyrus spielt auch eine Rolle.

Neben diesem frontalen Teil des DMN gibt es weitere Teile, die spezifische Funktionen beim Ruhezustand übernehmen. So gibt es ein verbundenes System von Aktivitäten im medialdorsalen Teil des Gehirns. Dazu gehören der dorsalmediale Teil des präfrontalen Kortex, das temporoparietale Kreuzungsareal und der seitliche temporale Kortex. Die frontalen Schläfenlappen gehören ebenso zu diesem Subsystem.

Zu einem weiteren Aktivitätssystem gehören der Hippocampus, der Parahippocampus und der retrospleniale Kortex. Zu diesem Subsystem trägt auch der hintere Scheitellappen bei. Die Aktivitätsmuster in den aufgeführten anatomischen Arealen werden vor allen Dingen über die Frontalregion integriert. Der anatomische Nachweis des DMN gelingt auch bei Affen. Menschen haben erst ab einem Alter von etwa 9 bis 12 Jahren ein DMN.

Funktion & Aufgaben

Das DMN ist aktiv, wenn das Gehirn nicht für die Erledigung von spezifischen Aufgaben verwendet wird. Beim Beginn von spezifischen Aufgaben werden Teile des DMN deaktiviert. Es entsteht ein neues Aktivitätsmuster, das Task Positiv Network, kurz TPN, zur Erledigung der spezifischen Aufgaben. Eine wichtige Funktion des DMN liegt also darin, überhaupt diesen Übergang zwischen Ruhezustand und TPN zu ermöglichen.

Die für die Erledigung von Aufgaben benötigten Hirnareale werden erst über die Deaktivierung des DMN für diese Aufgaben frei. Neben dieser dynamischen Funktion für die geordneten Übergänge zwischen DMN und TPN erfüllt das DMN wichtige Aufgaben im Ruhezustand. Wenn Menschen tagträumen und scheinbar ziellos die Gedanken schweifen lassen, festigt sich ihre Identität. Einerseits denken sie über sich selbst nach und formen so ein autobiographisches Gedächtnis, andererseits denken sie auch über andere Menschen nach und verstärken so ihre Empathiefähigkeit. Schließlich führen ziellose Gedanken auch zu einem besseren Verständnis von Vergangenheit und Plänen für die Zukunft. Bei Yoga und Meditation kommt es sogar zu einer beabsichtigten Aktivierung des DMN. Im Schlaf ist das DMN mit dem Auftreten von Träumen verbunden.


Krankheiten

Arzneimittel, Drogen und bestimmte Krankheiten verändern die Erscheinung des DMN. Bei Schizophrenie kommt es möglicherweise zu einer unzureichenden Deaktivierung des DMN beim Übergang zum Arbeitszustand (TPN) des Gehirns. Vermutlich haben Autisten nur ein schwach ausgebildetes DMN.

Bei Patienten mit der Alzheimerkrankheit tritt ein verändertes DMN-Aktivitätsmuster auf. Viele weitere Krankheiten und Pathologien manifestieren sich ähnlich wie die Schizophrenie durch eine unvollständige Deaktivierung des DMN beim Übergang zum TPN. Obwohl das Thema noch nicht gut erforscht ist, gibt es Daten, die in diese Richtung weisen, auch für das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), für Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen.

Vermutlich haben alle den Bewusstseinszustand und den Schlaf beeinflussenden illegalen Drogen und erlaubte Arzneimittel den einen oder anderen Einfluss auf das DMN. Codein, ein Opiat, das in zahlreichen, alltäglichen Arzneimitteln, beispielsweise in einigen Hustensäften, vorkommt, beeinflusst nachweislich das DMN-Aktivitätsmuster. Vermutlich haben auch die zahlreichen Psychopharmaka, also Schlafmittel, Tranquilizer und Antidepressiva, negative Auswirkungen auf DMN und TPN. Die Halluzinationen verursachende Droge Psilocybin stört die Deaktivierung des DMN beim Übergang zu TPN. Vielleicht haben Drogen- und Rauscherlebnisse generell auch ihre Ursache in einer Funktionsstörung der Netzwerke DMN und TPN.

Was fangen nun psychiatrisch gesunde Menschen, die weder Drogen noch Arzneimittel einnehmen, mit den Forschungsergebnissen zum DMN an? Die zentrale Botschaft an alle gesunden Menschen liegt darin, dass es einerseits Zeiten gibt, in denen die Gedanken im wörtlichen Sinne frei sind, und andererseits Zeiten, in denen die erhöhte Aufmerksamkeit zur Erledigung einer bestimmten Aufgabe ein Abschalten allzu assoziativer Gedanken erforderlich macht. Moderne Arbeitsumgebungen sind so gestaltet, dass sich die Mitarbeiter beim Erledigen bestimmter Aufgaben nicht ablenken. Um die Gedanken schweifen zu lassen, stehen Extraräume zur Verfügung. Multitasking ist für Computer, aber nicht für das menschliche Gehirn gedacht.

Quellen

  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Klinke, R. & Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. Thieme, Stuttgart 2005

Das könnte Sie auch interessieren