Delirium tremens
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Delirium tremens ist ein Alkoholentzugsdelir. Es wird auch Alkoholentzugssyndrom genannt und gehört nach ICD-10 zu den psychischen Störungen und Verhaltensstörungen durch Alkohol.
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Was ist Delirium tremens?
Der Begriff Delirium tremens leitet sich von den lateinischen Wörtern delirium („Irresein“) und tremere („zittern“) ab. Es handelt sich dabei um eine Komplikation einer chronischen Alkoholkrankheit. In den meisten Fällen tritt das Delir während des Alkoholentzugs auf. Es kann aber auch durch einen Rausch ausgelöst werden. Die Letalität eines unbehandelten Delirium tremens liegt bei 26 Prozent. Deswegen ist bei einem drohenden oder beginnenden Delirium eine notfallmäßige Aufnahme in eine Klinik nötig.
Ursachen
Das Delirium tremens ist die Folge einer langjährigen Alkoholabhängigkeit. In den meisten Fällen tritt es im Entzug auf. Das Delir beginnt in der Regel 48 bis 72 Stunden nach dem letzten Alkoholgenuss. Rund fünf Prozent aller Alkoholabhängigen erleiden mindestens einmal in ihrem Leben ein Delirium tremens. Das Rezidivrisiko ist mit zehn bis zwanzig Prozent hoch. Das Risiko während eines kontrollierten Alkoholentzuges ein Delirium tremens zu erleiden liegt bei unter einem Prozent.
Häufig wird ein Delir durch Krankheiten bedingt, die durch den Alkoholkonsum ausgelöst wurden. Alkoholiker leiden oft unter Blutungen im Magen-Darm-Trakt, Leberzirrhose oder Lungenentzündung. Erfolgt aufgrund dieser Erkrankungen eine Einweisung ins Krankenhaus und erhalten die Patienten dort keinen Alkohol mehr, kann es zum Alkoholdelir kommen.
Ausgelöst wird das Delir durch ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die für die Signalübertragung zwischen Nervenzellen des Zentralnervensystems (ZNS) zuständig sind.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Rund die Hälfte aller Deliria beginnt mit einem epileptischen Anfall. Die Anfälle sind aber eher unauffällig, sodass sie oft als alkoholbedingter Abwesenheitszustand fehlgedeutet werden. In diesem Stadium ist das Alkoholdelir noch nicht vollständig. Es wird deshalb auch als Prädelirium bezeichnet. Innerhalb weniger Tage entwickelt sich das Vollbild der Erkrankung. Die klinische Symptomatik unterteilt sich in psychiatrische, neurologische und vegetative Symptome.
Zu den psychiatrischen Symptomen gehören optische Halluzinationen und Angst. Häufig treten diese beiden Symptome in Kombination aus. Die Patienten sind zeitlich, örtlich und situativ nicht orientiert. Neben Halluzinationen kommt es auch zu illusionären Verkennungen. Bei Halluzinationen nehmen die Patienten etwas wahr, was nicht da ist. Bei der illusionären Verkennung wird die Wirklichkeit falsch wahrgenommen und interpretiert.
Ein typisches neurologisches Symptom ist der Tremor. Es handelt sich dabei um ein grobschlägiges Zittern der Hände. Die Patienten sind zudem verwirrt und nicht immer bei Bewusstsein. Die Einschränkung des Bewusstseins kann bis zum Koma fortschreiten. Zudem können sowohl tonische als auch klonische Krämpfe auftreten.
Vegetative Symptome des Delirium tremens sind Schwitzen, erhöhter Blutdruck, eine erhöhte Atemfrequenz und ein erhöhter Puls. Insbesondere bei einem unbehandelten Delirium tremens können die vegetativen Symptome entgleisen. Solche Verläufe können tödlich enden. 25 Prozent aller unbehandelten Patienten versterben.
Die Prognose verschlechtert sich bei älteren Patienten und bei Patienten, die zum wiederholten Male ein Delir erleiden. Bei den meisten Patienten tritt aber nach drei bis sechs Tagen eine deutliche Besserung der Symptomatik ein. In Einzelfällen kann ein Delirium tremens aber auch bis zu zwanzig Tagen andauern. Leichte vegetative Beschwerden, Schlafstörungen und Angst können zurückbleiben. Häufig sind diese Beschwerden der Grund dafür, dass die Patienten wieder zum Alkohol greifen und rückfällig werden.
Diagnose
Erste und zum Teil sehr deutliche Hinweise für die Diagnosestellung liefern die Symptome. Die Erkrankung muss von anderen Unruhezuständen, vom Fieberdelirium, von extremem Harndrang, von einer Überdosierung von Asthmamedikamenten, von einer Unterzuckerung oder von einer Hirnhautentzündung abgegrenzt werden.
Wichtig sind auch die Eigen- und Fremdanamnese. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, da Angehörige aus Schamgefühl dazu neigen können, Symptome und Beschwerden des Patienten zu verschweigen. Eine weitere Diagnosemöglichkeit ist das Verabreichen von Alkohol. Dies kann oral oder venös erfolgen. Liegt den Beschwerden des Patienten wirklich ein Delirium tremens zugrunde, verschwinden die Symptome innerhalb weniger Minuten.
Komplikationen
In der Regel kommt es beim Delirium tremens zu starken Entzugserscheinungen und psychischen Beschwerden. Diese können ebenfalls zu Verhaltensstörungen führen und damit die Lebensqualität des Patienten stark verringern und den Alltag einschränken. In vielen Fällen kommt es durch das Delirium tremens zu einem Rückfall und der Patient leidet wieder an einer Alkoholabhängigkeit.
Nicht selten tritt durch das Delirium ein epileptischer Anfall auf. Die Betroffenen leiden an starken Angstzuständen und Schweißausbrüchen. In schwerwiegenden Fällen können auch Halluzinationen eintreten, sodass der Patient sich nicht mehr orientieren kann und auch das Zeitgefühl verliert. Die Hände zittern und verkrampfen.
Falls das Delirium tremens nicht richtig behandelt wird, kann es im schlimmsten Falle zum Tode kommen. Der Tod tritt dabei durch ein Herzversagen auf, da die Herzfrequenz erhöht wird und der Blutdruck ebenfalls erhöht ist. Nachts können die Betroffenen oft nicht schlafen und leiden tagsüber daher an einer Reizbarkeit.
Falls es in den ersten Tagen zu keinen Komplikationen kommt, treten auch weiterhin keine besonderen Beschwerden auf. In der Regel verschwinden die Entzugserscheinungen schon nach ungefähr einer Woche, sodass sich der Betroffene vom Alkohol entwöhnen kann.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ob ein Delirium tremens lebensgefährliche Züge annimmt, hängt von der Vorgeschichte und vom Schweregrad der Alkoholabhängigkeit sowie von der allgemeinen Verfassung des Patienten und von den Symptomen ab.
„Gewöhnliche“ und in der Regel ungefährliche Entzugserscheinungen wie Bluthochdruck, Herzrasen, Zittern, Schlafstörungen und Unruhe zeigen sich bald nach dem Absetzen des Alkohols, ihre Intensität nimmt jedoch nach zwei Tagen ab. Wird in dieser Phase keine Verschlechterung des Zustands beobachtet, so ist es auch nicht notwendig, einen Arzt aufzusuchen.
Im Unterschied dazu setzt das zusätzlich durch Halluzinationen, Desorientierung und Verfolgungswahn gekennzeichnete Delirium tremens erst einige Tage nach Beginn der Alkoholabstinenz ein. Wenn diese Symptome auftreten, dann ist die umgehende Konsultation eines Arztes angeraten.
Nur ein Facharzt für Neurologie kann eindeutig feststellen, ob ein Delirium tremens vorliegt und eine stationäre Aufnahme erforderlich ist. Ein Alkoholentzug, der keine spezifischen Hinweise auf ein Delirium tremens aufweist, kann auch ambulant, unter Aufsicht des Hausarztes oder ohne ärztliche Begleitung erfolgen.
Behandlung & Therapie
Bei Verdacht auf ein Delirium tremens ist sofort ein Notarzt zu verständigen. Ist die Krankheit voll ausgeprägt, erfolgt die Behandlung in der Regel auf der Intensivstation. Häufig sind die Patienten sehr unruhig und aggressiv. Auch psychotische Zustände treten regelmäßig auf. Deshalb ist eine Behandlung mit Beruhigungsmitteln wie Diazepam oder Clomethiazol notwendig. Bei Verabreichung dieser Medikamente müssen die Patienten genau beobachtet werde. Die verwendeten Stoffe wirken atemdepressiv und können einen Atemstillstand verursachen.
Je nach Symptomlage können weitere Medikamente, wie beispielsweise Haloperidol oder Clonidin, verabreicht werden. Um tonische und klonische Entzugskrämpfe zu verhindern, wird in einigen Fällen Carbamazepin verordnet. Das Alkoholdelir kann auch durch eine intravenöse Gabe von Alkohol unterbrochen werden. Diese Therapie wird aber in der Regel nur gewählt, wenn vor dem Delir noch eine andere Erkrankung behandelt werden muss. Ein Beispiel dafür sind Blutungen im Magen-Darm-Trakt.
Diese werden durch das zusätzliche Delir nur verschlimmert. Die Gabe von Alkohol wirkt zudem nur im Prädelirium. Ein vollständig ausgebildetes Delirium tremens kann nicht gestoppt werden. Begleitend wird bei den Patienten der Flüssigkeits- und Mineralhaushalt überwacht. Die Betroffenen müssen vor Selbstverletzung und vor Auskühlung geschützt werden.
Aussicht & Prognose
Das Delirium tremens stellt eine gesundheitliche Akutsituation dar, die für viele Patienten eine ungünstige Prognose hat. Ohne eine sofortige notfallmedizinische Versorgung endet der lebensgefährliche Zustand in 30% der Fälle mit einem Ableben des Patienten.
Die Prognose verschlechtert sich mit zunehmendem Lebensalter sowie der Dauer des Delirium tremens. Als Risikopatienten gelten ebenfalls Betroffene, die zum wiederholten Male ein Delir erleiden. Können die Risikofaktoren ausgeschlossen werden und ist eine schnelle medizinische Versorgung möglich, erlebt der Patient innerhalb weniger Tage eine Verbesserung seiner Gesundheit.
Im Normalfall ist eine Linderung der Symptome innerhalb von drei bis sechs Tagen gegeben. Insbesondere bei älteren Patienten dauert der Heilungsweg bis zu drei Wochen. Eine vollständige Beschwerdefreiheit wird bei dem Delirium tremens oftmals nicht erreicht.
Viele Patienten erleben lebenslange Beeinträchtigungen, die eine starke Belastung im Alltag darstellen. Schlaf- oder Angststörungen treten ein, die zu einem Rückfall der Grunderkrankung des Delirium tremens führen können. Je länger das Delirium tremens anhält, desto schlechter ist gleichzeitig die Prognose der Grunderkrankung. Damit sind die Risiken für einen Rückfall in die Alkoholsucht sowie das erneute Auftreten eines Delirs erhöht. Viele Patienten müssen nach dem Delirium tremens in einem Pflegeheim weiter versorgt werden, da sie aufgrund des Krankheitsbildes keine Heilung erleben.
Vorbeugung
Ein Delirium tremens lässt sich in der Regel durch einen kontrollierten Entzug vermeiden. Alkoholkranke Patienten, die wegen einer anderen Erkrankung in stationärer Behandlung sind, werden während der Behandlung meist mit kleinen Mengen Alkohol versorgt, sodass es nicht zu einem Delir kommt.
Nachsorge
Da sich Delirium tremens während oder nach einem Alkoholentzug entwickeln kann, wird die Nachsorge entsprechend dem zukünftigen Suchtverhalten gestaltet. Ist man alkoholabhängig, besteht nach dem Entzug normalerweise eine lebenslange Rückfallgefahr. Wer Delirium tremens hatte, war in der Regel schon schwer alkoholabhängig und muss seine zukünftige Lebensweise ändern, um nicht wieder rückfällig zu werden.
Besonders nach dem Delirium tremens verfallen viele Betroffene bereits im ersten Jahr in ihre Alkoholabhängigkeit zurück, weil sie alte Gewohnheiten wieder aufnehmen oder vom Alltag übermannt werden. Nicht selten wird deshalb nach einem Entzug eine stationäre Rehabilitation als Nachsorge verordnet. Während dieser Reha lernt der Patient, mit alten Gewohnheiten abzuschließen und sein Suchtverhalten zu steuern.
Gängig sind auch Nachsorgebehandlungen bei Psychotherapeuten. Mit deren Hilfe lernen Abhängige, bestimmte Verhaltensregeln, die den Alkoholkonsum zukünftig verhindern sollen. Eine Psychotherapie kann entweder ambulant oder stationär bei Fachärzten oder in einer Fachklinik gemacht werden. Es gibt zahlreiche Suchtberatungsstellen, spezialisierte Psychotherapeuten und Psychiater sowie Selbsthilfegruppen.
Diese helfen dabei, nach dem Delirium tremens wieder in ein normales Leben zurückzukehren und unterstützen bei einer abstinenten Lebensweise für die Zukunft. Eher selten werden als Nachsorgehandlung Medikamente verschrieben, die das Verlangen nach Alkohol dämpfen sollen. Eine regelmäßige Kontrolle und Selbsthilfe ist nach einem Delirium tremens immens wichtig.
Das können Sie selbst tun
In dem Moment, wenn der Betroffene ein Delirium tremens erleidet, kann er sehr wenig für sich selbst tun. Sofern es ihm möglich ist, kann er einen Notarzt rufen. Häufig wird das jedoch von Menschen des näheren Umfeld übernommen werden müssen.
Vorbeugend hat der Betroffene verschiedene Möglichkeiten, die er nutzen kann, um den Zustand zu vermeiden. Allem voran ist die Überwachung der konsumieren Alkoholmenge im Alltag. Eine Alkoholerkrankung entwickelt sich über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren. Sobald der Betroffene bemerkt, dass er ohne den Genuss von Alkohol seine Lebensführung nicht mehr bewältigen kann, sollte er bereits Hilfe in Anspruch nehmen.
Geschieht das nicht rechtzeitig, kann in einem Rausch oder selbst gewählten Entzug das Delirium auftreten. Der Entzug des Alkohols muss kontrolliert stattfinden, damit ein Delirium tremens vermieden werden kann. Versucht es der Betroffene selbständig, geht er unnötige Risiken ein, die zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können.
Sobald erste Anzeichen eines unerwarteten Verlaufs auftreten, wird eine ärztliche Hilfe benötigt. Setzt ein unkontrolliertes Zittern ein, ist es für den Betroffenen die beste Entscheidung, wenn er sich um seiner selbst Willen in eine ärztliche Behandlung begibt. Im Vorfeld sollte er sich nach Möglichkeit über seine Erkrankung und mögliche Anlaufstellen umfassend informieren.
Quellen
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
- Köhler, T.: Medizin für Psychologen und Psychotherapeuten. Schattauer, Stuttgart 2014
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015