Eigenbrauer-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei dem Eigenbrauer-Syndrom handelt es sich um eine seltene Darmerkrankung, bei der die Mikrobiologie des Darms gestört wird und sich Hefepilze so stark vermehren, dass sie einen Gärprozess in Gang setzen, der Kohlenhydrate in leberschädigende Alkohole wie Butanol, Methanol und Ethanol umwandelt. Der Alkohol gerät auf direktem Weg in die Blutbahn und verursacht erhöhte Alkoholwerte und einen Alkoholrausch. Der Betroffene ist betrunken, ohne einen Schluck Alkohol zu sich genommen zu haben.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Eigenbrauer-Syndrom?

Hefepilze im Darm verwandeln Kohlenhydrate in Alkohol und lösen so einen Alkoholrausch aus. Der Patient hat vereinfacht gesagt eine Brauerei im Bauch und stellt sein eigenes Bier her.
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Das Eigenbrauer-Syndrom verursacht einen Alkoholrausch durch körpereigene Hefepilze, die Kohlenhydrate in Alkohol umwandeln. Die Patienten sind auch ohne Alkoholgenuss betrunken. Es handelt sich um eine seltene Darmerkrankung, bei der die Bakterienzusammensetzung in dem Verdauungsorgan gestört ist. Unbehandelt kann diese Erkrankung zu irreparablen bis tödlichen Leberschäden wie Zirrhose, Fettleber sowie zu krebserregenden Abbauprodukten führen.

Ursachen

Das Eigenbrauer-Syndrom kann durch die Einnahme von Antibiotika und den in vielen Lebensmitteln enthaltenen Kohlenhydraten ausgelöst werden. Antibiotika, die häufig das Behandlungsmittel der ersten Wahl sind, können die Vielfalt der überlebenswichtigen Darmbakterien empfindlich stören und so das Gleichgewicht im Dickdarm durcheinander bringen. Diese Bakterien sind zuständig für die ordnungsgemäße Nachverdauung.

Das Gleichgewicht der Darmflora gerät durcheinander und die dadurch entstehenden Hefepilze setzen einen Gärprozess in Gang, der Kohlenhydrate in Alkohol verwandelt, der direkt in die Blutbahn geht. Der Betroffene zeigt erhöhte Alkoholwerte im Blut und ein entsprechendes Verhalten, das scheinbar auf vermehrten Alkoholgenuss zurückzuführen ist.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Häufig sind kohlenhydrathaltige Lebensmittel wie Pommes und Pasta für den Alkoholrausch verantwortlich. Den Patienten wird übel und sie leiden an Bauchkrämpfen. Wie ein Betrunkener bewegen sie sich unsicher, fallen durch unkoordinierte Bewegungen auf und haben manchmal auch Schwierigkeiten, sich korrekt zu artikulieren.

Da der durch die Hefepilze produzierte Alkohol direkt in die Blutbahn gelangt, wird ein Alkoholrausch ausgelöst. Dieses scheinbar auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückführende Verhalten kann mit den typischen Risiken einer Alkoholisierung in verschiedenen Alltagssituationen, zum Beispiel im Straßenverkehr oder dem Führen von Maschinen, einhergehen. Ferner können psychosoziale Belastungen durch Ächtung des sozialen Umfelds oder Strafverfolgung hinzukommen.

Diagnose & Verlauf

Hefepilze im Darm verwandeln Kohlenhydrate in Alkohol und lösen so einen Alkoholrausch aus. Der Patient hat vereinfacht gesagt eine Brauerei im Bauch und stellt sein eigenes Bier her. Das Eigenbrauer-Syndrom tritt überwiegend bei Menschen auf, deren Darm aufgrund einer Erkrankung oder einer Antibiotika-Behandlung bereits geschädigt ist, denn ein gesunder Darm ist in der Regel immun gegen schädliche Bakterien und Hefepilze.

Der Betroffene leidet unter einem Alkoholrausch. Die Diagnose erfolgt zunächst über eine Blutprobe, in der erhöhte Alkoholwerte festgestellt werden, die die Annahme von übermäßigem Alkoholkonsum bestätigen zu scheinen. Bis zur abschließenden Diagnose beginnt für die Patienten zunächst ein Leidensweg, wenn ihre Mitmenschen ihnen vermehrten Alkoholmissbrauch vorwerfen oder sie als heimliche Alkoholiker bezeichnen.

Diese Darmerkrankung tritt in der Regel schleichend auf, manchmal jedoch auch ganz plötzlich von einer Sekunde zur anderen. Da es bisher noch keine abschließende medizinische Erklärung für dieses seltsame Krankheitsbild gibt, muss der behandelnde Arzt nach Auswertung der Blutprobe ein ausführliches Patientengespräch führen, um herauszufinden, in welchen Situationen dieser Alkoholrausch vermehrt auftritt.

Wenn der Patient berichtet, dass er zuvor eine längere Antibiotikabehandlung durchlaufen hat oder dass dieser Zustand immer nach dem Genuss bestimmter Lebensmittel auftritt, bekommt der Arzt einen Hinweis, der ihn zu dem Eigenbrauer-Syndrom führt. Keine andere Darmerkrankung oder Lebensmittelallergie löst einen derartigen Rauschzustand aus.

Der behandelnde Arzt sollte einen Gastroenterologen hinzuziehen, der den Magen-Darmtrakt untersucht und eine Stuhlprobe entnimmt. Finden sich Spuren von Hefepilzen, liegt eine Pilzinfektion vor, mit der die Hefepilze die Oberhand über die nützlichen Bakterien im Verdauungstrakt gewinnen, Kohlenhydrate in Alkohol verwandeln und so den Rauschzustand des Patienten auslösen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn nach dem Verzehr von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln plötzlich eine Art Alkoholrausch verspürt wird, deutet dies auf das Eigenbrauer-Syndrom hin. Die typischen Warnzeichen – ein unsicherer Gang, unkoordinierte Bewegungen und Probleme beim Artikulieren – sollten dementsprechend sofort abgeklärt werden. Der Arzt kann das Eigenbrauer-Syndrom in der Regel schnell feststellen und direkt eine geeignete Behandlung einleiten. Die Heilungsaussichten sind gut, insofern die Erkrankung frühzeitig erkannt wird.

Bleibt die Darmerkrankung allerdings unbehandelt, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. So steigt das Unfallrisiko im Alltag erheblich an und es kommt oftmals auch zu psychischen Beschwerden. Da Kohlenhydrate in diversen Lebensmitteln zu finden sind, lässt sich das Eigenbrauer-Syndrom zudem schwer kontrollieren.

Alleine deshalb gilt: bei ersten Anzeichen der ungewöhnlichen Erkrankung zum Arzt gehen. Weitere Ansprechpartner sind der Gastroenterologe und Fachärzte für innere Medizin. Wer sich nach dem Verzehr von Pasta, Nudeln und Co. unwohl fühlt, sollte sich in das nächste Krankenhaus fahren lassen. In schweren Fällen muss ein Notarzt gerufen werden.

Behandlung & Therapie

Wurde das Eigenbrauer-Syndrom abschließend diagnostiziert, muss der Patient eine strenge Diät einhalten, die den Verzehr kohlenhydrathaltiger Lebensmittel und Getränke wie Nudeln, Pasta, Pommes, Brot und Cola ausschließt. Auf diese Weise wird ein erneuter Gärprozess im Darm unterbunden. Zusätzlich muss der Patient ein Medikament zur Pilzbehandlung einnehmen, das die geordnete Mikrobiologie des Darms wieder herstellt und eine erneute Hefepilzinfektion verhindert.

Auch probiotische Medikamente können die Darmflora positiv beeinflussen. Probiotika sind vorwiegend lebende Bakterien oder Hefepilze, die auf natürliche Weise in milchsauren Lebensmitteln wie Kefir, Buttermilch oder Joghurt vorkommen. Sie können verschiedene Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Reizdarm oder Colitis ulcerosa (Darmgeschwür) nicht heilen, den Krankheitsverlauf jedoch positiv beeinflussen, so dass der Patient insgesamt einen geringeren Leidensdruck verspürt.

Zudem stärken Probiotika das Immunsystem, das sich wiederum vorteilhaft auf den Darm auswirkt. Daher verschreiben Ärzte Patienten mit Eigenbrauer-Syndrom neben einer strikten Kohlenhydrat-Diät probiotische Medikamente wie „Kijimea Reizdarm“, „Omni Biotic“ oder „Mutaflor“. Zusätzlich empfehlen sie den Verzehr probiotischer Lebensmittel wie Brottrunk, milchsaurer Produkte, Sauerkrautsaft oder aus Sauerteig hergestellter Brotwaren.

Aussicht & Prognose

Die Aussichten für Betroffene mit dem Eigenbrauer-Syndrom ist nicht gut, wenn die Störung länger unbehandelt bleibt. Bei dieser selten auftretenden Darmerkrankung entsteht durch Gärungsprozesse infolge eines dauerhaft gestörten Mikrobioms Ethanol. Der Alhohol aus innerer Hefegärung kann auf Dauer die Leber schädigen.

Ohne eine medizinische Behandlung werden die Betroffenen wegen der Symptomatik des Eigenbrauer-Syndroms als alkoholkrank wahrgenommen. Das kann zu einer Stigmatisierung der Betroffenen führen. Die Prognose ist ohne medizinische Behandlung der Darmflora auch deshalb nicht sehr gut, weil alle Folgeschäden eines ungewollten Alkoholismus eintreten können. Obwohl der Betroffene gar keinen Alkohol trinkt, kann er eine Leberzirrhose bekommen.

Die Aussichten für die Betroffenen verbessern sich, wenn diese zeitnah den Arzt aufsuchen. Nicht immer erkennen Mediziner das Problem als Eigenbrauer-Syndrom. Der unbeabsichtigte Rauschzustand wird durch Fuselalkohole ausgelöst. Diese entstehen durch die Vergärung kohlenhydratreicher Mahlzeiten. Ursache dafür ist eine mit Hefepilzen überwucherte Darmflora. Um die Ursache des Eigenbrauer-Syndroms zu beheben, ist ein Neuaufbau der gestörten Darmflora sinnvoll. Verläuft dieser erfolgreich, verbessert das die Prognose.

Wichtig ist aber, die vergärenden Verursacher - beispielsweise Kohlenhydrate - nicht mehr in größeren Mengen zuzuführen. Das Einhalten einer strikten Diät kann helfen, der Vergärung Einhalt zu gebieten. Oftmals tritt das Eigenbrauer-Syndrom als Folge einer Behandlung mit Antibiotika auf.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung im klinischen Sinne ist nicht möglich, denn das Eigenbrauer-Syndrom kommt weltweit nur äußerst selten vor. Eine belastbare Datenlage liegt nicht vor und die Forschung gestaltet sich schwierig. Daher sind nur die Ursachen bekannt, nicht jedoch, warum die Erkrankung einige wenige Menschen betrifft, die Mehrheit jedoch nicht. Eine gesunde Ernährung, die nicht zu viele Kohlenhydrate enthält, kann jedoch hilfreich sein.

Wer an einem Reizdarm leidet oder eine längere Antibiotika-Behandlung durchlaufen hat, kann zudem probiotische Medikamente einnehmen, um die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Auch probiotische Milchprodukte können einen positiven Beitrag zum Wohlbefinden leisten.

Nachsorge

Da es sich beim Eigenbrauer-Syndrom um eine angeborene Krankheit handelt, kann diese nicht ursächlich, sondern nur rein symptomatisch behandelt werden. In der Regel stehen dem Betroffenen daher auch keine besonderen Möglichkeiten einer Nachsorge zu, sodass primär die Erkrankung selbst behandelt werden muss. In den meisten Fällen sind die Patienten auf eine lebenslange Therapie angewiesen, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern.

Die Behandlung des Eigenbrauer-Syndroms erfolgt in der Regel mit Hilfe einer Diät. Dabei sollten die Patienten keine Nahrung aufnehmen, die viele Kohlenhydrate enthält, um die Beschwerden des Syndroms zu minimieren. Weiterhin müssen auch Medikamente eingenommen werden, um den Pilzbefall zu bekämpfen. Diese Medikamente sollten dabei immer nach strenger ärztlicher Anweisung eingenommen werden.

Sollten Unklarheiten auftreten, muss stets ein Arzt konsultiert werden. In vielen Fällen ist auch die Einnahme von probiotischen Medikamenten beim Eigenbrauer-Syndrom sehr hilfreich und kann die Beschwerden lindern. Häufig sind die Betroffenen auch auf die Hilfe und Unterstützung im Alltag durch Freunde und Familie angewiesen. Da das Eigenbrauer-Syndrom auch die Leber schädigen kann, sollten regelmäßige Untersuchungen durchgeführt werden. In der Regel verringert die Erkrankung nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Das können Sie selbst tun

Erkrankte erleben selbst beim Arztbesuch oft Zweifel an ihrer Alkoholabstinenz. Entscheidend ist das Vertrauen des Arztes in den Patienten. Nur wer dem Patienten die strikte Enthaltsamkeit vom Alkohol glaubt, kommt als dessen Arzt infrage. Eine vom behandelnden Arzt ausgestellte Bescheinigung entschärft unangenehme Situationen. Sie sollte immer im Portemonnaie bereitliegen. Damit klärt der Betroffene beispielsweise Ordnungskräfte glaubwürdig über die Ursache seiner unfreiwilligen Alkoholisierung auf.

Vom Eigenbrauer-Syndrom Betroffene sollten die Menschen in ihrem privaten und beruflichen Umfeld über ihre Erkrankung informieren. So räumen sie den Verdacht aus, alkoholkrank zu sein. Der Freundeskreis und Kollegen, die Bescheid wissen, akzeptieren und unterstützen den Eigenbrauer.

Hilfreiche Maßnahmen gegen die Folgen der chronischen Alkoholvergiftung sind zum Beispiel regelmäßige Massagen, welche die Muskelschmerzen lindern. Eine Tasse Tee aus einer mit kochendem Wasser übergossenen Ingwerscheibe dämpft die Übelkeit. Das Ingwerstück nach dem Trinken gut kauen und herunterschlucken, um die volle Wirkung zu erzielen.

Für jedes kohlenhydratreiche Lebensmittel gibt es sehr ähnlich schmeckende Low-Carb-Alternativen. Jeder Eigenbrauer sollte die Zubereitung seiner Lieblingsgerichte in der kohlenhydratarmen Version beherrschen: von der Pizza mit auf Blumenkohl-Püree basierendem Teig über Eiweißbrot ohne Getreide bis zum Low-Carb-Nusskuchen mit den zuckerähnlichen Süßungsmitteln Xylit oder Erythritol. So lässt sich die erforderliche Diät dauerhaft und entbehrungsfrei einhalten.

Quellen

  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Riemann, J., Fischbach, W., Galle, P., Mössner, J.: Gastroenterologie. Band 2. Thieme, Stuttgart 2008
  • Siewert, J., Rothmund, M., Schumpelick, V.: Praxis der Viszeralchirurgie: Gastroenterologische Chirurgie. Springer, Berlin 2011

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