Endokrine Orbitopathie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die endokrine Orbitopathie ist eine immunologisch bedingte Entzündung. Sie betrifft hauptsächlich den Orbitainhalt, zieht jedoch auch die Augenmuskeln und die Lider in Mitleidenschaft. Die Therapie der Erkrankung gestaltet sich als schwierig.
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Was ist eine endokrine Orbitopathie?
Als endokrine Orbitopathie bezeichnet man eine Entzündung des Orbitainhalts. Sie ist immunologisch bedingt und betrifft das Gewebe der Orbita sowie die Augenmuskeln und die Lider. Die Erkrankung tritt meist in Folge einer hyperthyreoten Stoffwechsellage auf und ist somit eine häufige Begleiterkrankung verschiedener Autoimmunthyreopathien wie etwa Morbus Basedow.
Die Bezeichnung der Erkrankung setzt sich aus den Begriffen „Endokrin“, welcher „hormonell bedingt“ bedeutet und „Orbita“ für Augenhöhle zusammen. Die endokrine Orbitopathie ist also eine hormonell bedingte Erkrankung der Augenhöhlen und des umliegenden Gewebes.
Ursachen
Die Ursachen für eine endokrine Orbitopathie sind in der Erkrankung Morbus Basedow zu finden. Rund 85% der Menschen, die an Morbus Basedow leiden, entwickeln im Verlaufe der Erkrankung eine Schädigung der Augenhöhlen.
Der Zeitpunkt kann dabei vollkommen unterschiedlich sein. So kann die endokrine Orbitopathie bereits vor dem Morbus Basedow ausbrechen, sich jedoch auch erst Jahre später zeigen. Auch eine vollkommene Heilung der auslösenden Erkrankung kann einen Ausbruch der Orbitopathie nicht immer verhindern.
Endokrine Orbitopathie tritt nur selten ohne erkennbare Schilddrüsenerkrankung auf. Morbus Basedow ist also die Hauptursache der Erkrankung. In sehr seltenen Fällen kann jedoch auch die so genannte Hashimoto-Thyreoiditis eine hormonell bedingte Erkrankung der Augenhöhlen auslösen.
Da Morbus Basedow meist die Hauptursache ist, können die Ursachen für den Ausbruch der Immunerkrankung auch als Ursache für die endokrine Orbitopathie gesehen werden. Das sind in der Regel genetische Dispositionen, Virusinfektionen oder Stress. Auch der übermäßige Konsum von Zigaretten kann Morbus Basedow und damit die endokrine Orbitopathie begünstigen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Diese Krankheit führt zu einer Reihe verschiedener Symptome und Komplikationen. In den meisten Fällen kommt es dabei zu Beschwerden an den Augen. Die Patienten leiden dabei an hervortretenden Augäpfeln. Aufgrunddessen kommt es auch zu ästhetischen Beschwerden, sodass die Patienten an Minderwertigkeitskomplexen oder an einem verringerten Selbstwertgefühl leiden.
Es kann daher auch zu Depressionen und zu verschiedenen anderen psychischen Verstimmungen kommen. Ebenso leiden die Patienten dabei an einer Vergrößerung der Schilddrüse und an einem Kropf, der sich direkt am Hals ausbilden kann. Dadurch können verschiedene Fehlfunktionen der Schilddrüse auftreten. Es kommt zu Herzrasen und im schlimmsten Falle zu einem Herzinfarkt, der zum Tode führen kann.
Aufgrund der Schilddrüsenbeschwerden leiden viele Patienten zusätzlich an Untergewicht oder an Übergewicht. Es kommt zu stark angeschwollenen Augenlidern und zu verschiedenen Sehstörungen. Die Sehkraft des Patienten nimmt ab und die Betroffenen leiden an Doppelbildern oder an einem Schleiersehen.
Im Allgemeinen wird die Lebensqualität des Patienten durch die Krankheit erheblich verringert. Sollte die Behandlung der Beschwerden nicht schon frühzeitig beginnen, so können die Beschwerden an den Augen dauerhaft verbleiben. Im weiteren Verlauf kann es auch zu einem Versagen des Herzmuskels kommen.
Diagnose & Verlauf
Der Augenarzt kann die Diagnose der endokrine Orbitopathie anhand verschiedener Untersuchungen stellen. Im Vorfeld ermittelt er auftretende Symptome. Gibt der Patient an, unter tränenden oder brennenden Augen zu leiden oder Doppelbilder zu sehen, sind das etwa erste Anzeichen. Auch zeitweilige oder dauerhafte Erblindung ist ein eindeutiges Symptom.
Nach dem Gespräch mit dem Patienten bestimmt der Arzt den Augendruck und untersucht die Beweglichkeit der Augenmuskeln. Auch das Gesichtsfeld und die Augenmuskulatur werden mittels Ultraschall untersucht. Zuletzt wird die Lidspaltenweite bestimmt und das charakteristische Hervortreten der Augen untersucht.
Liegt nach diesen Untersuchungen ein konkreter Verdacht vor, kann der Augenarzt eine Kernspinuntersuchung anordnen, um die Ausprägung der endokrine Orbitopathie zu ermitteln. Anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung wird beurteilt, welche Therapieformen in Frage kommen.
Der Verlauf der Erkrankung hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnose ab. Wird früh reagiert, können Spätfolgen vermieden werden, während vorhandene Schädigungen bei einer späten Behandlung meist bestehen bleiben.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Schwellen ohne einen ersichtlichen Grund die Augenlider an, sollte ein Arzt aufgesucht werden, sobald die Beschwerden über mehrere Tage anhalten. Kommt es zu einer Zunahme der Schwellung, sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Bei Beeinträchtigungen des Sehens erhöht sich die allgemeine Unfallgefährdung.
Kommt es zu Veränderungen des Sehbildes, besteht Grund zur Besorgnis. Können die Augenbewegungen nicht mehr wie gewohnt koordiniert werden oder kommt es zu einer Wahrnehmung von Doppelbildern, gilt dies als besonders ungewöhnlich. Ein Arztbesuch ist notwendig, um eine medizinische Behandlung einzuleiten und eine Linderung der Beschwerden zu erwirken.
Bei Problemen des Herzrhythmus und Herzrasen ist ein Arzt aufzusuchen. Halten die Herzbeschwerden über eine längere Zeit an, steigt das Risiko eines Herzmuskelversagens. Damit besteht ein lebensbedrohlicher Zustand, dem rechtzeitig entgegen gewirkt werden muss. Tritt der Augapfel in einer ungewöhnlichen Form hervor, sollte ein Arzt konsultiert werden.
Bei einer optisch wahrnehmbaren Vergrößerung der Schilddrüse, Veränderungen der Augenhöhle sowie der Lidspalte und einer gleichzeitigen Erhöhung der Herzfrequenz ist ein Arztbesuch notwendig. Treten aufgrund der Beschwerden Angstzustände oder Panik ein, sollte ein Arzt oder ein Therapeut um Hilfe und Unterstützung gebeten werden. Bei Änderungen des Verhaltens, Stimmungsschwankungen oder emotionalen Problemen wird ebenfalls ein Arzt benötigt.
Behandlung & Therapie
Unter Spezialisten gibt es unterschiedliche Meinungen über die bestmögliche Therapie bei einer endokrine Orbitopathie. Es gibt jedoch einige Behandlungsmöglichkeiten, die erfolgversprechend sind. An erster Stelle steht dabei immer die Beseitigung des Morbus Basedow.
Dazu muss die Schilddrüse mit Hilfe verschiedener Medikamente optimal eingestellt werden. Ist dies nicht möglich oder bringt keinen Erfolg, wird die Schilddrüse oder Teile davon operativ entfernt. Dadurch kann endokrine Orbitopathie in vielen Fällen zumindest gemildert werden. Abhängig sind die Erfolgsaussichten in erster Linie davon, wie weit die Erkrankung schon fortgeschritten ist. Schädigungen der Sehkraft lassen sich nur selten vollständig beheben.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die Radiojodtherapie. Dabei handelt es sich um eine Therapie mit Jod, welche nur selten angewendet wird. Grund dafür ist das Risiko, die endokrine Orbitopathie noch zu verschlimmern oder gar eine weitere Erkrankung auszulösen. Lediglich, wenn die endokrine Orbitopathie nicht im Zusammenhang mit Morbus Basedow auftritt, ist eine Radiojodtherapie zu empfehlen.
Sind die Chancen auf eine Heilung der endokrinen Orbitopathie zu gering, können zumindest die Symptome gelindert werden. Hierzu werden verschiedene Wirkstoffe wie Kortison und Antioxidantien verschrieben. Auch Methotrexat wird in niedrigen Dosierungen eingesetzt.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der endokrinen Orbitopathie richtet sich nach dem Zeitpunkt der Diagnosestellung und dem Beginn der medizinischen Versorgung. Ist die Entzündung bereits sehr fortgeschritten und hat der Patient ein geschwächtes Immunsystem, wird meist eine Langzeittherapie initiiert. Bei der Einleitung einer frühzeitigen Behandlung, besteht eine gute Aussicht auf eine Heilung.
Dennoch kommt es bei den meisten Patienten zu einer dauerhaften Beschädigung des Exophthalamus. Dies geht mit einem optischen Makel einher und kann psychische Probleme auslösen. Die Sehkraft wird dadurch nicht dauerhaft beeinträchtigt. Patienten die Raucher sind oder sich häufig in nikotinhaltigen Räumen aufhalten, erleben oftmals eine Verschlechterung der Gesundheit oder einen erschwerten Heilungsprozess.
Es kann zu Verzögerungen bei der Rückbildung der Symptome kommen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich weitere irreversible Schäden entwickeln. Sieht der Behandlungsplan die Anwendung der Radiojodtherapie vor, muss berücksichtigt werden, dass diese Therapie bei einer Vielzahl der Patienten zu einer Verschlechterung führt. Liegen neben der endokrinen Orbitopathie andere Schilddrüsenerkrankungen vor, kann es zu weiteren Verzögerungen oder Komplikationen kommen.
Die Werte der Schilddrüse müssen in regelmäßigen Abständen kontrolliert und die medikamentöse Versorgung angepasst werden. Besonders problematisch zeigen sich Fälle, bei denen es aufgrund der Beschwerden zu psychischen Folgeerkrankungen gekommen ist. Die Behandlung kann eine lange Zeit in Anspruch nehmen.
Vorbeugung
Endokrine Orbitopathie lässt sich nicht direkt vorbeugen. Allerdings kann das Erkrankungsrisiko gesenkt werden. So hilft es bereits, Stress weitestgehend zu vermeiden und auf verschiedene Entspannungstechniken zurückzugreifen. Autogenes Training ist etwa eine Möglichkeit, um Stress abzubauen.
Der Verzicht auf Zigaretten ist ebenfalls eine vorbeugende Maßnahme. Wer erblich vorbelastet ist, hat durch das Rauchen ein weitaus höheres Risiko, an Morbus Basedow und damit an endokriner Orbitopathie zu erkranken, als Nichtraucher.
Deshalb empfiehlt es sich, Nichtraucher zu werden oder weiterhin auf Zigaretten zu verzichten. Daneben ist es vor allem wichtig, das Immunsystem zu stärken. Wer viel Sport treibt, sich gesund ernährt und sein Wohlbefinden steigert, kann das Erkrankungsrisiko minimieren.
Nachsorge
Dem Betroffenen stehen bei dieser Krankheit in der Regel nur sehr wenige oder sogar gar keine Maßnahmen oder Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung, sodass dieser in erster Linie auf eine frühzeitige Erkennung und die anschließende Behandlung der Krankheit angewiesen ist. Es kann dabei auch nicht zu einer Selbstheilung kommen, wobei es zur Zeit auch keine effektive und direkte Möglichkeit der Therapie gibt.
In den meisten Fällen sind die Betroffenen auch auf die Hilfe und die Unterstützung durch Freunde und die eigene Familie angewiesen, damit sich die Beschwerden nicht weiterhin verschlechtern. Die Betroffenen selbst sind bei dieser Krankheit häufig auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Bei Fragen oder Unklarheiten zur Einnahme sollte dabei immer zuerst ein Arzt konsultiert werden.
Dabei ist auch auf die richtige Dosierung und auch auf die regelmäßige Einnahme zu achten, um den Beschwerden entgegenzuwirken. Weiterhin sollten auch regelmäßige Untersuchungen und Kontrollen der Schilddrüse durchgeführt werden, wobei diese mit Hilfe von Jod unterstützt werden kann. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Krankheit kann sehr sinnvoll sein, da es dabei häufig zu einem Austausch an Informationen kommt.
Das können Sie selbst tun
Patienten, betroffen von einer endokrinen Orbitopathie, sollten die Augen nicht unnötigen Belastungen aussetzen. Dunkelheit oder zu starke Lichteinflüsse können für das Sehen zusätzlich beanspruchend sein. Beim Lesen oder Tätigkeiten an Bildschirmen ist ebenfalls auf eine gute Sichtmöglichkeit zu achten. Kommt es zum Zusammenziehen der Stirnmuskeln oder Anspannungen der Augen, ist ein Optiker aufzusuchen, damit eine Option gefunden wird, um eine ausreichende Entlastung zu schaffen.
Kosmetische Artikel wie Lidschatten oder Wimperntusche sollten nicht aufgetragen werden. Dies belastet die Augenlider und kann bei geschwollen Augen zu einer Verstärkung der Beschwerden führen. Das Reiben und Scheuern an den Augen ist grundsätzlich zu vermeiden. Die Reizbarkeit der Haut würde dadurch an Intensität zunehmen.
Der Patient kann beruhigende Salben oder Cremes auftragen, um die Augenregion zu entlasten und die Symptome zu lindern. Ausreichender Schlaf und regelmäßige Ruhephasen helfen ebenfalls, um das Wohlbefinden zu stärken. Das Rauchen sollte eingestellt werden und der Aufenthalt in Räumlichkeiten, in denen geraucht wird, ist zu unterlassen.
Für eine mentale Stärkung können die Patienten Entspannungstechniken anwenden. Diese bauen den Alltagsstress ab und fördern die innere Stabilität. Zusätzlich helfen eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie ausreichende körperliche Aktivitäten. Diese unterstützen das Immunsystem, was bei der Entzündungserkrankung besonders beansprucht wird.
Quellen
- Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
- Kleine, B., Rossmanith, W.G.: Hormone und Hormonsystem. Springer Verlag, Berlin 2010
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012