Erdheim-Gsell-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Begriff Erdheim-Gsell-Syndrom umfasst eine krankhafte Veränderung der mittleren Gefäßwand (Media) der großen Arterien, hauptsächlich der Aorta. Das meist als idiopathisch bezeichnete Krankheitssyndrom führt zu einem Abbau der glatten Muskulatur und der elastischen Fasern in der Media. Die in seiner Elastizität veränderte Media erhöht vor allem im aufsteigenden Ast der Aorta und im Aortenbogen das Risiko einer lebensbedrohlichen Aortendissektion, die zu einem Aneurysma dissecans führen kann, einer Einblutung und Aneurysmenbildung zwischen der inneren und äußeren Gefäßwandschicht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Erdheim-Gsell-Syndrom?

Das Erdheim-Gsell-Syndrom verursacht im Anfangsstadium kaum Beschwerden, so dass die Krankheit in diesem Stadium eher zufällig entdeckt im Rahmen der Untersuchung bestimmter Beschwerden, die nicht mit dem Erdheim-Gsell-Syndrom im Zusammenhang stehen müssen.
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Mit dem Begriff Erdheim-Gesell-Syndrom oder zystische oder mukoide Medianekrose Erdheim-Gsell wird eine degenerative Veränderung der Media bezeichnet, die die großen Arterien, vor allem die Aorta, betrifft. Im Verlauf der Krankheit kommt es zu einem Abbau der glatten Muskelfasern und der elastischen Fasern in der Media, der mittleren Schicht der arteriellen Gefäßwände.

Der Abbau der elastischen Fasern entspricht einer Elastolyse und der Abbau der glatten Muskelzellen erfolgt in der Regel über Apoptose, dem programmierten Zelltod. Der Abbaumechanismus der Zellen entspricht damit nicht dem Bild einer Nekrose. Im Verlauf der Krankheit verändert sich die Media - und damit die betroffene Arterie selbst - in ihrem physikalischen Verhalten.

Die Elastizität nimmt stark ab und die Media kann nicht mehr aktiv auf Signale zur Verengung oder Erweiterung reagieren, weil die entsprechenden glatten Muskelzellen nicht mehr vorhanden sind. Das wirkt sich besonders gravierend im aufsteigenden Ast der Aorta und im Aortenbogen aus, weil die Gefäßwände in diesen Teilstücken der Aorta zur Erfüllung ihrer Windkesselfunktion besonders starken Elastizitätsanforderungen ausgesetzt sind.

Ursachen

Die Verursachung des Erdheim-Gsell-Syndroms ist noch nicht abschließend geklärt, so dass die Krankheit häufig auch als idiopathische zystische Medianekrose bezeichnet wird. Der Namenszusatz idiopathisch ist griechischen Ursprungs und bedeutet so viel wie „eigen“ oder „aus sich selbst heraus“ und wird in der Medizin synonym mit dem Adjektiv essentiell verwendet. Idiopathisch bedeutet immer, dass die Ursachen der Krankheit (noch) nicht hinreichend bekannt sind.

Einige Indizien deuten darauf hin, dass genetische Ursachen eine Rolle spielen könnten wie bei dem Marfan-Syndrom, unter dem bestimmte, erblich bedingte, Bindegewebskrankheiten zusammengefasst werden. Bislang wurden mehrere Chromosomenregionen identifiziert, die Einfluss auf die Beschaffenheit der Media haben und die für den Abbau der elastischen Fasern und für den Einbau mukopolysaccharid-ähnlicher Ablagerungen verantwortlich sind.

Es können auch andere Krankheiten wie Schilddrüsenunterfunktion, Hyperkortisolismus oder ein über längere Zeit bestehender Bluthochdruck eine Rolle spielen. Hyperkortisolismus ist eine erworbene Krankheit, die durch eine zu lange und zu intensive Behandlung mit Kortison verursacht wird.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Typische Anzeichen und Symptome, die auf das Erdheim-Gsell-Syndrom hindeuten können, sind starke bis sehr starke Schmerzen in der Brust unmittelbar hinter dem Brustbein (Sternum). Die Brustschmerzen werden in der Regel von unspezifischen Symptomen wie Unwohlsein, Erbrechen und Unruhezuständen begleitet.

In den Fällen, in denen sich auch Anzeichen eines Schocks erkennen lassen und der Brustschmerz in den Rücken ausstrahlt, hat sich sehr wahrscheinlich bereits ein Dissektionsaneurysma in der Aorta gebildet, das unmittelbarer Behandlung bedarf. Weitere Symptome ergeben sich aufgrund der Sekundärschäden, die durch die Einblutung in die Media bei gleichzeitiger Ausbildung eines lebensbedrohlichen Aneurysmas entstehen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Erdheim-Gsell-Syndrom verursacht im Anfangsstadium kaum Beschwerden, so dass die Krankheit in diesem Stadium eher zufällig entdeckt im Rahmen der Untersuchung bestimmter Beschwerden, die nicht mit dem Erdheim-Gsell-Syndrom im Zusammenhang stehen müssen. Beschwerden treten erst auf, wenn die Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass durch den Abbau von Muskelfasern und elastischen Fasern und dem Einbau von Mucopolysacchariden in die Media Dissektionen in der Aorta entstehen.

Eine Aortendissektion kann mittels transösophagealer Echokardiographie (TEE) diagnostiziert werden. Andere bildgebende Diagnoseverfahren wie das CT und das MRT lassen allerdings differenziertere und genauere Aussagen zu. Unbehandelt entwickelt sich aus einer Aortendissektion meist ein lebensbedrohliches Aneurysma, wenn sich in der inneren Gefäßwand, der Intima, ein Riss bildet, durch den Blut in die Media einströmen kann.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein allgemeines Unwohlsein im Organismus, das plötzlich und ohne ersichtlichen Grund auftritt, sollte von einem Arzt abgeklärt werden. Bei Beschwerden wie Erbrechen, Übelkeit oder allgemeiner Schwäche, gibt es Grund zur Besorgnis. Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald die Symptome über mehrere Tage oder Wochen anhalten. In vielen Fällen stellen sich die Beschwerden allmählich über einen längeren Zeitraum ein. Der Kontakt zu einem Arzt sollte aufgebaut werden, wenn der Betroffene eine Verminderung der Leistungsfähigkeit oder einen Abfall des Wohlbefindens wahrnimmt. Eine innere Unruhe oder Schlafstörungen sollten untersucht und behandelt werden.

Kommt es zu Störungen der Konzentration, einem diffusen Angstgefühl oder Aufmerksamkeitsproblemen, ist ein Arztbesuch notwendig. Bei einem inneren Druckempfinden oder Schmerzen in der Brust, gilt besondere Vorsicht. Zur Abklärung der Ursache ist ein Arztbesuch ratsam. Strahlen die Schmerzen bis in den Bereich des Rückens oder breiten sie sich in der vorderen Region des Körpers weiter aus, muss ein Arzt eine medizinische Untersuchung durchführen. Es drohen lebensgefährliche Zustände, die rechtzeitig einem Arzt vorgestellt werden sollten. Bilden sich Blutergüsse oder kommt es zu Verfärbungen der Haut im Brustbereich, ist ein Arztbesuch notwendig. Können Bewegungen des Oberkörpers nicht mehr wie gewohnt durchgeführt werden, ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren.

Behandlung & Therapie

Eine Behandlung, die direkt auf die Heilung des Erdheim-Gesell-Syndroms abzielt, ist nicht existent. Dies begründet sich darin, dass die Zusammenhänge der Ursachenfaktoren nicht hinreichend verstanden sind und wahrscheinlich auch genetische Faktoren als Verursacher in Frage kommen. Eine Behandlung kommt daher erst in Frage, wenn sich akute Probleme ergeben wie beispielsweise bei einer Aortendissektion.

Im aufsteigenden Bereich der Aorta und im Aortenbogen befinden sich mehrere wichtige Arterienabzweige, die durch die Dissektion verlegt werden können oder regelrecht abscheren. Für bestimmte Organe und Körperregionen ergeben sich aufgrund der mangelhaften Blutversorgung gravierende bis lebensbedrohende Situationen, ohne dass sich bereits Aneurysmen gebildet haben. Falls eine Aortendissektion diagnostiziert wird, ohne dass eine akute Gefahr besteht, zielt eine medikamentöse Therapie hauptsächlich auf Senkung des Blutdrucks ab.

Dabei gilt es, die systolischen Werte von unter 140 mmHg herabzusetzen, um das Risiko eines Aneurysmas zu minimieren. Als weitere Therapiemaßnahmen stehen hauptsächlich gefäßchirurgische Eingriffe zur Verfügung, mit deren Hilfe – meist unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine – Gefäßprothesen eingesetzt werden und ab- oder eingerissene Arterien wieder mechanisch funktionstüchtig gemacht werden.


Aussicht & Prognose

Das Erdheim-Gsell-Syndrom kann im schlimmsten Falle zum Tode des Betroffenen führen. Die Patienten sind aus diesem Grund in jedem Fall auf eine medizinische Behandlung angewiesen, um weitere Schäden und Komplikationen zu vermeiden. Ohne Behandlung verläuft die Erkrankung meist tödlich und führt zu einer deutlich verringerten Lebenserwartung des Patienten.

Die Betroffenen leiden dabei an starken Schmerzen in der Brust und ebenso an Erbrechen und an einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Auch Angstzustände treten häufig ein und verringern die Lebensqualität des Patienten erheblich. Viele Betroffene leiden daher auch an psychischen Verstimmungen. Es kommt zu weiteren Einblutungen und zu starken Schmerzen in den Rücken. In schwerwiegenden Fällen kann das Erdheim-Gsell-Syndrom dabei auch zu einem Schock führen, bei welchem der Patient das Bewusstsein verliert und sich bei einem Sturz erneut verletzen kann.

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung des Erdheim-Gsell-Syndroms wirkt sich in jedem Falle sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. Mit Hilfe von Medikamenten kann der Blutdruck gesenkt werden. Allerdings sind die meisten Betroffenen auch auf einen operativen Eingriff angewiesen, um die Erkrankung vollständig zu heilen.

Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen, die das Risiko, am Erdheim-Gsell-Syndrom zu erkranken, minimieren könnte, gibt es nicht, weil die Erkrankung möglicherweise multifaktoriell ist und die Zusammenhänge, die letztlich das Erdheim-Gsell-Syndrom auslösen, (noch) nicht hinreichend verstanden sind. Die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen könnten darin bestehen, von Zeit zu Zeit die Aorta per Ultraschall untersuchen zu lassen, falls weitere Fälle des Erdheim-Gsell-Syndroms innerhalb der eigenen Familie bekannt sind.

Nachsorge

Beim Erdheim-Gsell-Syndrom stehen dem Betroffenen in der Regel keine besonderen Möglichkeiten der Nachsorge zur Verfügung. Dabei ist der Patient in erster Linie auf die direkte medizinische Behandlung der Krankheit angewiesen, um weitere Komplikationen zu verhindern. Im schlimmsten Fall kann es dabei unbehandelt auch zum Tod des Betroffenen kommen, da es meistens zu einem Herzversagen kommt.

Aus diesem Grund ist vor allem eine frühzeitige Diagnose des Erdheim-Gsell-Syndroms sehr wichtig. In den meisten Fällen sind die Betroffenen bei dieser Erkrankung auf einen operativen Eingriff angewiesen. Dabei muss sich der Patient nach einem solchen Eingriff immer ausruhen und seinen Körper schonen. Hierbei sind anstrengende Tätigkeiten oder andere stressige oder sportliche Betätigungen zu vermeiden.

Es ist strikte Bettruhe einzuhalten, um die Heilung des Erdheim-Gsell-Syndroms zu beschleunigen. Weiterhin sind die meisten Patienten auch auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen, um den Blutdruck zu senken. Diese sollten regelmäßig und in der richtigen Menge eingenommen werden. Hierbei sollte in Zweifelsfällen immer ein Arzt aufgesucht werden. Auch nach einem erfolgreichen Eingriff sind regelmäßige Untersuchungen durch einen Arzt notwendig, damit es nicht erneut zu den Beschwerden des Erdheim-Gsell-Syndroms kommt.

Das können Sie selbst tun

Für Erkrankte gibt es keine alternative Möglichkeit zur Schulmedizin, um die Beschwerden des Erdheim-Gsell-Syndroms zu lindern. Die Maßnahmen der Selbsthilfe beschränken sich auf eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber den eigenen körperlichen wie emotionalen Bedürfnissen.

Patienten eines Erdheim-Gsell-Syndroms sollten sich vor Überanstrengungen und Überlastungen schützen. Körperliche Betätigungen sind den Voraussetzungen und Vorgaben des Organismus anzupassen. Sobald der Blutdruck steigt, ist ein sofortiges Handeln notwendig. Entspannungstechniken, Ruhe und Schonung helfen dabei, den Blutdruck zu senken. Patienten, die regelmäßig Methoden wie Yoga, Meditation oder autogenem Training anwenden, erleben einen Stressabbau und eine Zunahme der inneren Gelassenheit. Ausgeglichenheit und Harmonie stärken das Gesundheitsgefühl haben einen positiven Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System. Ebenfalls hilfreich sind Musik, Hobbys oder das Spielen von Klangschalen, um das Wohlbefinden zu verbessern und einen inneren Ausgleich zu den Alltagsanforderungen zu finden.

Im täglichen Geschehen sind Konfrontationen, die als emotional belastend empfunden werden, nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Optimierung des eigenen Verhaltens, ein deeskalierendes Auftreten und der Aufbau von verschiedenen Strategien zur Bewältigung von Konflikten sind besonders hilfreich. Kognitive Trainings und die Suche nach klärenden Gesprächen können bei einer Problemlösung angewendet werden. Zusätzlich sollte für eine Entlastung der Herzentätigkeit darauf geachtet werden, dass sich das Körpergewicht im Normalbereich des BMI befindet.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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