Marfan-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Marfan-Syndrom
Das Marfan-Syndrom ist eine vererbbare Erkrankung des Bindegewebes. Unerkannt kann das Marfan-Syndrom plötzlich zum Tode führen und die Zahl der nicht diagnostizierten Fälle wird immer noch als hoch eingeschätzt. Die genetisch bedingte Krankheit gilt als unheilbar, auch die Therapiemöglichkeiten sind sehr eingeschränkt und haben stets das Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist das Marfan-Syndrom
Das Marfan-Syndrom ist genetisch bedingt und tritt statistisch gesehen weltweit bei etwa 1 bis 2 Personen eines Kollektivs von 10.000 Menschen auf. Geographische oder geschlechtsbezogene Unterschiede existieren nicht, das konnte in Studien eindeutig nachgewiesen werden. Es handelt sich um einen sogenannten autosomal-dominanten Erbgang, somit beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erkrankter die Krankheit vererbt 50 Prozent.
Allerdings tritt das Marfan-Syndrom auch als Spontanmutation auf, die Eltern sind dann also beide nicht erkrankt. Es gilt als gesichert, dass eine Mutation im Gen für Fibrillin die Ursache der Erkrankung ist, Fibrillin ist praktisch überall im Organismus zu finden und ein wichtiger Baufaktor der elastischen Fasern des Bindegewebes. Fehlt dieses Grundgerüst, so sind die Auswirkungen auf die Stützfunktion des Bindegewebes drastisch, was sich an Störungen an allen Organen und Organsystemen bemerkbar macht. Benannt ist die Krankheit nach dem Franzosen Antoine Marfan, einem Kinderarzt.
Ursachen
Bisher sind bereits mehr als 500 mögliche Mutationstypen bekannt, welche allesamt zum Phänotyp eines Marfan-Syndroms, also zum klinischen Vollbild der Erkrankung, führen können. Das Gen FBN1 ist zuständig für die Decodierung des Mikroproteins Fibrillin, welches wiederum einen essentiellen Bestandteil in den Mikrofibrillen der Extrazellulärmatrix darstellt, mit dem Begriff der Extrazellulärmatrix sind alle Arten des Bindegewebes gemeint. 75 Prozent der Fälle des Marfan-Syndroms sind familiär bedingt, der Rest auf Spontanmutationen zurückzuführen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die multiplen Symptome der Erkrankung betreffen jedes Organ und Organsystem und sind daher sehr vielschichtig. Am häufigsten von Veränderungen des Bindegewebe betroffen sind der Bewegungsapparat, das Herz-Kreislaufsystem und die Augen. Auffällig ist der schlanke, lange Körperbau mit auffällig in die Länge gezogenen Extremitäten und Fingern, der sogenannten Arachnodaktylie.
Alle großen und kleinen Gelenke sind wegen der fehlerhaften Funktion des Bindegewebes häufig leicht überdehnbar. Die Wirbelsäule der Betroffenen ist deformiert und nimmt Formen eines Rundrückens oder einer Schiefstellung, Skoliose, an. Das Ellenbogengelenk weist wegen der Muskelverkürzung typischerweise eine verminderte Streckfähigkeit auf. Die Herzklappen bestehen zu einem großen Teil aus Bindegewebe und sind beim Marfan-Syndrom nicht richtig ausgeprägt.
Patienten leiden daher häufig auch unter den Folgen einer Aorteninsuffizienz oder an einer Gefäßaussackung der Aorta, Aortenaneurysma. Durch die fehlende Fixierfähigkeit des Bindegewebes im Bereich der Augen leiden die Betroffenen unter Fehlsichtigkeiten, am häufigsten unter einer Kurzsichtigkeit, Myopie. Denn die Augenlinse kann aufgrund fehlender Bindegewebsfasern nicht ihre physiologische Position einnehmen.
Weitere häufige Symptome eines Marfan-Syndroms sind eine völlig unterentwickelte Muskulatur, Hautdehnungsstreifen und die Neigung zum sogenannten Spontanpneumothorax. Die Blickdiagnose ist aber nur ein unzureichendes diagnostisches Kriterium, denn der Ausprägungsgrad des Marfan-Phänotyps kann äußerst diskret in Erscheinung treten.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bereits aus dem klinischen Erscheinungsbild, muss aber stets durch Zusatzuntersuchungen erhärtet werden. Die endgültige Diagnose erfolgt nach den sogenannten Leitlinien der Gentnosologie, ein Katalog von Diagnosekriterien, der neben der körperlichen Untersuchung auch sehr viel Wert auf die Gendiagnostik legt.
Außerdem soll die Gentnosologie eine Abgrenzung des Marfan-Syndroms gegenüber anderen ähnlichen genetisch bedingten Erkrankungen sicherstellen. Um alle Diagnosekriterien einzuhalten, wird bei der Verdachtsdiagnose empfohlen, eine Klinik mit Erfahrung auf dem Gebiet des Marfan-Syndroms aufzusuchen, es wird in der Regel dort ein mehrtägiger stationärer Aufenthalt erforderlich sein, um Diagnose und Differentialdiagnose abzusichern.
Komplikationen
Nicht segeln kommt es auch zu Lähmungen und zu anderen Störungen der Sensibilität. Die Betroffenen wirken durch das Marfan-Syndrom nicht selten tollpatschig und sind in ihrem Alltag eingeschränkt. Ebenso kann es zu verschiedenen psychischen Beschwerden und Verstimmungen kommen. Vor allem junge Menschen können durch eine Erblindung an starken psychischen Beschwerden leiden.
In der Regel ist keine kausale Behandlung des Marfan-Syndroms möglich. Die Behandlung findet daher in jedem Fall symptomatisch statt und zielt auf die Eingrenzung der Beschwerden ab. Ob es dabei zu einem positiven Krankheitsverlauf kommt, kann in der Regel nicht universell vorausgesagt werden. In den meisten Fällen kann das Sehvermögen allerdings nicht wiederhergestellt werden, sodass die Betroffenen auf eine Sehhilfe in ihrem Alltag angewiesen sind.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei auffälligen und nicht natürlichen altersbedingten Veränderungen des Bindegewebes sollte ein Arzt zur Abklärung der Beschwerden konsultiert werden. Kommt es zu Besonderheiten des Hautbildes, Unregelmäßigkeiten von Form und Farbe der Haut sowie Störungen des Bewegungsapparates, besteht Anlass zur Besorgnis. Einschränkungen der Mobilität, Probleme der Sehfähigkeit oder des Herz-Kreislauf-Sytems sind untersuchen und behandeln zu lassen. Bei einem verminderten Sehvermögen besteht Anlass zur Besorgnis. Charakteristisch für das Marfan-Syndrom sind Kurzsichtigkeit sowie Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit. Bei einer schnellen Erschöpfung bei der Verrichtung körperlicher Tätigkeiten sowie bei Abgeschlagenheit ist ein Arztbesuch anzuraten. Schlafstörungen, innere Unruhe oder psychische Unregelmäßigkeiten aufgrund der Beschwerden sind mit einem Arzt zu besprechen.
Menschen, die einen besonders lang gestreckten Körperbau haben, sollten einen Arzt aufsuchen. Kommt es in der Proportion des Körpers zu ungewöhnlich langen Extremitäten, ist dies ein Anzeichen einer vorliegenden Erkrankung, die diagnostiziert werden sollte. Eine Überdehnbarkeit der Gelenke sowie eine Deformierung verschiedener Körperbereiche gelten als besorgniserregend und sind ärztlich abklären zu lassen. Störungen des Muskelapparates, die Unfähigkeit einer vollständigen Streckung eines Gelenkes und Probleme bei der Verrichtung alltäglicher Verpflichtungen sind von einem Arzt begutachten zu lassen. Stellen sich nicht erklärbare Hautdehnungsstreifen ein oder kommt es zu einer Ansammlung von Luft im Oberkörper, wird ein Arzt benötigt.
Behandlung & Therapie
Eine kausale, also ursachenbezogene Therapie des Marfan-Syndroms ist nicht bekannt, sämtliche Behandlungsformen sind deshalb symptomatisch und zielen auf die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen ab. Entscheidend für den Therapieerfolg ist eine fachübergreifende Betreuung, da stets alle Organsysteme mehr oder weniger von den gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sein können.
Besondere Bedeutung in der professionellen Betreuung von Patienten mit Marfan-Syndrom kommt den Kardiologen, den Augenärzten sowie den Orthopäden und Physiotherapeuten zu. Die Aortenveränderungen müssen engmaschig überwacht werden, weil ab einem gewissen Ausprägungsgrad eine Indikation zur Operation oder zum Herzklappenersatz besteht.
Bei ausreichender medizinischer Betreuung kann nicht nur eine akzeptable Lebensqualität, sondern auch eine nahezu normale Lebenserwartung sichergestellt werden. Bei plötzlichen Veränderungen des Sehvermögens sollte umgehend ein Augenarzt aufgesucht werden. Linsenentfernungen oder die Versorgung mit Weitwinkelspezialgläsern sind bei Marfan-Patienten keine Seltenheit.
Hier finden Sie Ihre Medikamente
Aussicht & Prognose
Bei dem Marfan-Syndrom ist die Prognose ungünstig. Die vererbbare Erkrankung kann trotz aller Bemühungen nicht geheilt werden. Eine ursächliche Therapie ist nicht möglich, da ein Eingriff in die menschliche Genetik aus rechtlichen Gründen nicht gestattet ist. Ärzte und Mediziner konzentrieren sich auf eine symptomatische Behandlung. Dennoch sind die einsetzbaren Therapiemöglichkeiten nicht ausreichend, um eine vollständige Beschwerdefreiheit zu erreichen.
Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf kann es zu einem vorzeitigen Ableben des Betroffenen kommen. Daher ist für die weitere Entwicklung entscheidend, wann eine Stellung der Diagnose stattfindet. Neben dem erhöhten Risiko für die Ausbildung einer psychischen Erkrankung kommt es aufgrund des Syndroms häufig zu Beschwerden des Herz-Kreislauf-Systems. Diese können sich bei schwierigen Bedingungen zu einem Herzinfarkt und damit zu einem lebensbedrohlichen Zustand entwickeln. Darüber hinaus können Patienten das Marfan-Syndroms vollständig erblinden. Damit ist die Lebensqualität des Betroffenen lebenslang enorm beeinträchtigt.
Bei einem frühzeitigen Beginn der Therapie können Verbesserungen und damit eine optimistischere Prognose erreicht werden. Wenngleich keine Beschwerdefreiheit erlangt wird, kann insbesondere Folgeerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vorgebeugt werden. Darüber hinaus können bei einer frühzeitigen Diagnosestellung positive Veränderungen des Sehvermögens erreicht werden. Je eher ein Therapiebeginn stattfindet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine durchschnittliche Lebenserwartung erreicht wird.
Vorbeugung
Eine direkte Vorbeugung ist aufgrund der Vererbbarkeit bis heute leider nicht möglich. Auch eine genetische Diagnostik ist wegen der Vielzahl unterschiedlicher Mutationen eines einzelnen Gens bis heute nicht praktikabel. Entscheidend für die Eindämmung des chronischen Krankheitsverlaufes ist die möglichst frühzeitige Diagnose, bereits im Säuglingsalter mithilfe von Genanalysen des Blutes.
Mit diesem frühzeitigen Wissen können die Betroffenen dann eine Menge selbst tun, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Das geht von der passenden Berufswahl über Anträge auf Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zum Besuch von Vortragsveranstaltungen oder Selbsthilfegruppen.
Nachsorge
Da die Behandlung des Marfan-Syndroms relativ komplex und langwierig ist, konzentriert sich die Nachsorge darauf, die Beschwerden zu lindern. Betroffenen sollten versuchen, trotz der Strapazen eine positive Haltung aufzubauen. Dabei können Entspannungsübungen und Meditation helfen, den Geist zu beruhigen und zu fokussieren. Dies ist für einen dauerhaften guten Umgang mit der Erkrankung eine grundlegende Voraussetzung.
In den meisten Fällen ist das Marfan-Syndrom mit verschiedenen Beschwerden und Komplikationen verbunden, die sich in der Regel sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen auswirken und diese weiterhin verringern. Es kann bei der Krankheit auch nicht zu einer vollständigen Heilung kommen, sodass der Patient dabei immer auf die Behandlung durch einen Arzt angewiesen ist.
Da die Betroffenen ihren Alltag häufig nicht mehr alleine meistern können und auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen sind, kann es sein, dass dies ihr Selbstwertgefühl mindert. Mitunter führt das Marfan-Syndrom zu psychischen Verstimmungen oder zu Depressionen, weshalb es helfen kann, dies mit einem Psychologen abzuklären. Eine begleitende Therapie kann dazu beitragen, das seelische Gleichgewicht aus der Schieflage zu holen und das Wohlbefinden zu stärken.
Das können Sie selbst tun
Beim Marfan-Syndrom besteht die wichtigste Maßnahme in einer regelmäßigen Kontrolle durch einen Facharzt. Die Erkrankung kann schwerwiegende Komplikationen hervorrufen, wenn der Patient nicht engmaschig überwacht und die Symptome medizinisch behandelt werden. Darüber hinaus stehen bei der genetischen Erkrankung nur sehr begrenzte Selbsthilfe-Maßnahmen zur Verfügung.
Wichtig ist vor allem, dass das Kind stets beobachtet wird. Sollten sich auffällige Symptome zeigen, zum Beispiel Schwindelgefühle oder Herzrasen, muss umgehend ein Arzt konsultiert werden. Zur Behandlung der Fehlbildungen kommt eine physiotherapeutische Behandlung in Frage. Darüber hinaus sollten die Betroffenen sich im Alltag vorsichtig verhalten, um ernste Verletzungen und Frakturen zu vermeiden. Eltern von Kindern mit dem Marfan-Syndrom sollten sich frühzeitig um Hilfsmittel wie eine Brille, Krücken oder einen Rollstuhl bemühen. Mitunter muss die Wohnung behindertengerecht eingerichtet werden, um dem Betroffenen den Alltag zu erleichtern.
Da meist auch psychische Beschwerden auftreten, ist eine umfassende therapeutische Beratung angezeigt. Die Betroffenen lernen darin, die Erkrankung und ihre Folgen zu akzeptieren und können die Ängste, die damit verbunden sind, aufarbeiten. Ergänzend bietet sich der Besuch einer Selbsthilfegruppe an.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013