Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom ist eine Miktionsstörung, die oft mit polyzystischen Ovarien vergesellschaftet ist und mit Harnverhalt einhergeht. Vermutlich liegen dem Komplex aus Symptomen hormonelle Faktoren zugrunde, aber bislang konnte dieser Zusammenhang nicht erwiesen werden. Eine kausale Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung.
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Was ist das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom?
Die Entleerung der Blase wird auch als Miktion bezeichnet. Wenn die Miktion mit Beschwerden verbunden ist, kann das mit einer sogenannten Miktionsstörung in Zusammenhang stehen. In die Krankheitsgruppe der Miktionsstörungen fällt das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom. Dabei handelt es sich um die mit häufigste Ursache für Harnverhalt. Die Prävalenz wird trotzdem mit unter einem Fall zu 1.000.000 angegeben.
Die Erstbeschreibung des Syndroms nahm die britische Ärztin Clare J. Fowler gegen Ende des 20. Jahrhunderts vor. Ihr Name ist ihr zu Ehren in die Bezeichnung des Krankheitsbilds mit eingegangen. Der Symptomkomplex ist allerdings nicht mit dem Fowler-Syndrom zu verwechseln, das eine Erkrankung mit Gefäßveränderungen im Gehirn bezeichnet.
Das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom wird im Englischen zuweilen auch als Fowler’s Syndrome bezeichnet, was leichte Verwechselbarkeit mit dem der angeborenen Gehirnerkrankung nahelegt. Als Blasenentleerungsstörung betrifft das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom vorwiegend junge Frauen und ist oft mit dem sogenannten polyzystischen Ovar-Syndrom vergesellschaftet.
Ursachen
Die Ursache für die Miktionsstörung ist im Fall des Fowler-Christmas-Chapple-Syndroms eine Störung des Blasenschließmuskels. Wie diese Störung entsteht und was sie auslöst, ist bislang unbekannt. Die Fälle wurden an 33 Frauen beschrieben, von denen fast die Hälfte auch polyzystische Ovarien besaßen. Da der Komplex an Symptomen bislang derart oft in einen unmittelbaren Zusammenhang mit polyzystische Ovarien gestellt werden konnte, ruft Wissenschaftler zu Spekulationen auf.
So liegt zum Beispiel die Vermutung nahe, dass die Stabilität der Muskelmembran bei Patientinnen mit dem Syndrom beeinträchtigt ist. Diese Instabilität könnte das anomale Verhalten des Blasenschließmuskels und zugleich die polyzystischen Ovarien erklären, wenn hormonelle Anomalien als primäre Faktoren für die beiden Symptome angenommen werden.
Dass hormonelle Anomalie das Syndrom verursachen, liegt auch in Anbetracht des durchschnittlichen Erkrankungsalters nahe. So könnte der hormonelle Zusammenhang erklären, wieso in erster Linie Frauen weit vor der Menopause von dem Syndrom betroffen sind.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom ist durch eine Reihe von klinischen Symptomen gekennzeichnet, die alle mit dem Miktionsverhalten in Zusammenhang stehen. Das charakteristischste Symptom des Syndroms ist der Harnverhalt. Die betroffenen Patientinnen behalten nach der Miktion außerdem deutlich mehr Restharn als der Durchschnitt.
Im Elektromyogramm fällt eine abnorme Muskelaktivität des Blasenschließmuskels auf. Die Betroffenen leiden weder an einer ersichtlich anatomischen Auffälligkeit, noch an einer neurologischen Störung. Teilweise treten aufgrund des Harnverhalt und des Restharns vermehrt Harnwegsinfekte in Form von Komplikationen ein. Diese Infekte sind durch ein Brennen beim Wasserlassen gekennzeichnet.
Die Betroffenen meinen bei einer Blasenentzündung oft, urinieren zu müssen, ohne dass tatsächlicher Miktionsdrang besteht. Wenn die Patientinnen zusätzlich von polyzystischen Ovarien betroffen sind, liegen zusätzlich multiple Zysten in den Eierstöcken vor. Solche Zysten können Zyklusveränderungen hervorrufen und unbehandelt auf lange Sicht sogar eine Unfruchtbarkeit auslösen.
Diagnose
Zur Diagnose auf das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom müssen zunächst neurologisch bedingte Miktionsstörungen ausgeschlossen werden. Differentialdiagnostisch muss außerdem eine erhöhte Blasenkapazität mit über einem Liter Volumen zum Ausschluss gebracht werden.
Das EMG ist für die Diagnose des Syndroms ein unersetzliches Instrument, da sich auf diese Weise die ungewöhnlichen Aktivitäten des Blasenschließmuskels nachweisen lassen. Die Muskelgruppe um die Harnwege herum weist in der Regel dieselben Anomalien auf. Die Verhaltensanomalien der Muskeln sind im weitesten Sinne als ungewöhnliches Kontraktionsverhalten zusammenzufassen.
Falls zusätzlich zu der Miktionsstörung polyzystische Ovarien vorliegen, kann außerdem eine Labordiagnostik durchgeführt werden. Erhöhte oder grenzwertig hohes Testosteron, Androstendion, Dehydroepiandrosteronsulfat, TSH-, AMH und Prolaktin sprechen in der labordiagnostischen Untersuchung ebenso für die polyzystische Erkrankung wie ein erhöhter LH/FSH-Quotient.
Komplikationen
In Folge der Blasenentleerungsstörung, die beim Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom durch eine Funktionsstörung des Blasenschließmuskels bedingt wird, kommt es häufig zu akuten Harnwegsinfekten. Außerdem kann zeitgleich ein polyzystischen Ovar-Syndrom vorliegen. Das ist bei der Hälfte der Betroffenen der Fall. Möglicherweise sind hormonelle Störungen die Ursache für das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom sowie alle daraus resultierenden Folgeerscheinungen.
Die Zysten in den Eierstöcken können als Folge zu Zyklusveränderungen führen. Daraus kann ohne eine Behandlung oder operative Intervention eine Unfruchtbarkeit entstehen. Durch den Harnverhalt, der typisch für das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom ist, verbleibt mehr Restharn in der Blase als üblich. Die dadurch entstehenden Blasenentzündungen häufen sich. Die Patientin leidet unter ständigem Harndrang.
Es kann zu Brennen und Ziehen beim Urinieren kommen. Wird beim Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom ein akuter Harnwegsinfekt verschleppt, kann es zu dramatischen Folgen kommen. Der verschleppte Harnwegsinfekt macht durch Blut im Urin oder eitrigen Ausfluss auf sich aufmerksam. Schlimmstenfalls chronifiziert der Harnwegsinfekt. Dadurch kann es zur Blasenschrumpfung und zu nekrotischem Blasengewebe kommen.
Gelegentlich ist eine Ausbreitung des Infekts auf andere weibliche Organe beobachtet worden. Ein Aufsteigen der Erreger kann die Nieren betreffen. Die mögliche Folge sind Nierenabszesse. Durch diese wiederum kann es zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung kommen. In den meisten Fällen werden solche Komplikationen beim Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom durch engmaschige medizinische Überwachung ausgeschlossen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Da das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom nur symptomatisch behandelt werden kann und es nicht zu einer Selbstheilung kommt, muss in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Die Betroffenen sollten bei dieser Erkrankung immer dann einen Arzt aufsuchen, wenn es zu einem ungewöhnlichen oder gestörten Harnverhalten kommt.
Dabei kann eine hohe Menge an Restharn in der Blase bleiben, sodass der Betroffene kurz nach dem Toilettengang wieder einen Harndrang verspürt. Auch häufige Infekte der Harnwege oder der Blase sollten beim Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom immer von einem Arzt untersucht werden. Dabei kann das Brennen beim Wasserlassen ebenso ein Symptom dieser Erkrankung darstellen. Bei Frauen sollte ebenso ein Arzt aufgesucht werden, wenn es zur Ausbildung von Zysten an den Eierstöcken kommt. Auch Veränderungen des Zyklus oder Unfruchtbarkeit können auf das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom hinweisen.
Die Untersuchung und Diagnose dieses Syndroms findet in den meisten Fällen bei einem Urologen statt. Dieser kann in der Regel auch eine Behandlung des Syndroms veranlassen und die Beschwerden des Patienten einschränken. Ob es dabei zu einem vollständig positiven Krankheitsverlauf kommt, kann allerdings nicht universell vorhergesagt werden.
Behandlung & Therapie
Eine kausale Behandlung des Fowler-Christmas-Chapple-Syndroms existiert bislang nicht, da der ursächliche Grundzusammenhang noch nicht abschließend geklärt wurde. Die symptomatische Therapie der Miktionsstörung entspricht in der Regel entweder einer sakralen Neurostimulation oder einer sakralen Neuromodulation. Letzterer Therapieweg ist mit Erfolgsraten von bis zu 70 Prozent assoziiert.
Dieser Zusammenhang gilt sogar für Frauen, die bereits seit längerer Zeit unter den Symptomen leiden. Bei der Therapie werden die Nerven des Blasenschließmuskels in Rückenmarksnähe stimuliert. Nach einer Reduzierung der Symptome auf die Hälfte, kann der Stimulator den Patientinnen implantiert werden. Dieser Schritt wird erst gegangen, wenn sich die Neuromodulation im Einzelfall als hilfreich erwiesen hat.
Die Therapie funktioniert bei weitem nicht in allen Fällen und kann bei einer Implantation mit einem operativen Eingriff verbunden sein. Andere Therapieansätze zum Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom haben allerdings weitaus weniger Erfolge verzeichnet. Das gilt zum Beispiel für die hormonelle Manipulation oder die medikamentöse Therapie.
Wenn die Patientinnen zusätzlich an polyzystischen Ovarien leiden, muss neben der Behandlung der Miktionsstörung eine dahingehende Behandlung stattfinden. Maßnahmen zur Behandlung dieses Symptoms können sich von der Verschreibung einer antiandrogenen Antibabypille über Ernährungsumstellung und die pulsatile Gabe von GnRH bis hin zur operativen Behandlung erstrecken, so zum Beispiel inform eines laparoskopischen Laserdrillings der Ovarien.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Fowler-Christmas-Chapple-Syndroms ist individuell zu betrachten. Einige Patienten erlangen durch die Inanspruchnahme einer Behandlung eine Genesung und erhalten eine gute Prognose. Andere müssen trotz aller Bemühungen mit lebenslangen Beeinträchtigungen rechnen. Dies begründet sich auf die bislang nicht ausreichend geklärte Ursache der Erkrankung.
In einer medizinischen Versorgung liegt der Fokus auf der Linderung der vorhandenen Symptome, da die Ursache nicht bekämpft werden kann. Bei der Mehrheit der Patienten kann dadurch eine Beschwerdefreiheit erreicht werden. Die Sakralnerven werden durch elektrische Impulse in ihrer Tätigkeit angeregt.
Die Stimulation führt dazu, dass die Funktionstätigkeit von Blase und Enddarm in einem ausreichenden Maß angeregt wird. Dennoch erleben ungefähr dreißig Prozent der Betroffenen bei dieser Therapieform keine ausreichende Verbesserung ihrer Gesundheit. Zudem kommt es bei einer Vielzahl der Patienten im Verlauf der Lebens zu einer Wiederkehr der Beschwerden.
In einem operativen Eingriff besteht als Alternative die Möglichkeit einer Implantation. Der Eingriff ist mit den üblichen Risiken und Nebenwirkungen verbunden und führt ebenfalls bei vielen Patienten zu keiner Genesung. Eine medikamentöse oder hormonell bedingte Behandlung hat im unmittelbaren Vergleich geringe Aussicht auf Erfolg. Die Prognose ist bei den beiden Therapieansätzen ungünstig. Dennoch ist sie individuell zu bewerten, da einige Patienten eine Verbesserung ihrer Gesundheit erfahren.
Vorbeugung
Zwar werden hormonelle Ursachen gegenwärtig als ursächliche Faktoren für das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom vermutet, aber tatsächlich bestätigt hat sich diese Spekulation bisher nicht. Aus diesem Grund stehen derzeit keine wirksamen Vorbeugemaßnahmen zur Verfügung.
Nachsorge
Die Blasenentleerungsstörung namens Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom betrifft vor allem junge Frauen. Sie beruht auf einer Störung im Schließmuskel der Blase. Was diese auslöst, ist nicht geklärt. Da das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom oft zusammen mit einem polyzystischen Ovarialsyndrom auftritt, ist möglicherweise eine postoperative Nachsorge erforderlich.
Meistens aber ist die Nachsorge damit befasst, nach akuten Harnwegsinfekten sicherzustellen, dass keine Verschleppung von Keimen in die Nieren stattfindet. Problematisch ist jedoch, dass die Mediziner die genaue Ursache der Störung am Blasenschließmuskel nicht kennen. Somit werden Vorsorge und Nachsorge gleichermaßen erschwert.
Da diese Miktionsstörung zudem relativ selten auftritt, ist das Interesse an der Erforschung von neuen Behandlungen oder Nachsorge-Optionen nicht besonders groß. Die Nachsorge wird bei den Patienten mit zusätzlichen polyzystischen Ovarialsyndromen meist der Gynäkologe übernehmen. Bei dieser Sachlage ist eine Unfruchtbarkeit als Folge des Fowler-Christmas-Chapple-Syndroms möglich.
Urologen sind hingegen für die direkten und indirekten Folgen verschleppter Harnwegs-Infekten zuständig. Es gilt in der Nachsorge zu verhindern, dass das Blasengewebe nekrotisiert, die Blase schrumpft oder der verschleppte Harnwegsinfekt chronisch wird.
Die Nachsorge ist beim Fowler-Christmas-Chapple-Syndroms deshalb wichtig, weil es in manchen Fällen durch verschleppte oder aufsteigende Infekte zu Nierenproblemen, einer Sepsis oder Infekten an den weiblichen Fortpflanzungsorganen kommen kann. Die enge Zusammenarbeit von Urologen und Gynäkologen wäre beim Fowler-Christmas-Chapple-Syndroms wünschenswert.
Das können Sie selbst tun
Das Fowler-Christmas-Chapple-Syndrom bietet dem Patienten kaum Möglichkeiten zur Selbsthilfe. Es kommt zu keiner Spontanheilung, so dass eine Linderung der Symptome nur in Zusammenarbeit mit einem Arzt erfolgen kann.
Hilfreich ist eine mentale Stärkung. Der Patient sollte verstehen, dass der Harndrang und das Ausbleiben des Urinierens keinesfalls Anzeichen einer psychischen Störung oder Folge einer Psychosomatik sind. In vielen Fällen ist es schwierig, die Ruhe zu bewahren und das Stresserleben zu reduzieren.
Genau das sollte jedoch stattfinden. Gelassenheit gegenüber den Symptomen und ein offener Umgang mit den Beschwerden hilft, um eine Gereiztheit abzubauen und eine innere Entspannung zu erleben. Zusätzlich können gezielt Verfahren angewendet werden, die für eine Stärkung der mentalen Kraft oder einer Harmonie der Gefühlswelt beitragen. Lange Auto- oder Zugfahrten sollten vermieden werden. Zur inneren Sicherheit ist es hilfreich, wenn sich stets in unmittelbarer Nähe eine Möglichkeit zum Wasserlassen befindet.
Dennoch ist die Teilhabe am gesellschaftlichen wie auch sozialen Leben wichtig. Der Patient schadet seiner Gesundheit zusätzlich, wenn er aufgrund der Erkrankung das eigene Heim nicht mehr verlässt. Mit einer optimistischen Grundeinstellung sowie ausreichender Flexibilität kann eine Umorganisation des Alltags stattfinden, so dass ein Austausch mit Freunden und Angehörigen wie gewohnt stattfinden kann.
Quellen
- Gasser, T.: Basiswissen Urologie. Springer, Berlin 2011
- Finke, F., Piechota, H., Schaefer, R.M., Sökeland, J., Stephan-Odenthal, M., Linden, P.: Die urologische Praxis. Uni-Med, Bremen 2007
- Hautmann, R.: Urologie. Springer, Berlin Heidelberg 2014