Fragiles-X-Syndrom (Martin-Bell-Syndrom)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Fragile-X-Syndrom, auch Martin-Bell-Syndrom genannt, ist eine genetische Veränderung eines X-Chromosoms. Die Hauptmerkmale der Erkrankung sind geistige Defizite und ein verändertes Aussehen. Das Fragile-X-Syndrom kann nicht behandelt werden, es ist aber möglich, mit geeigneten Therapien die Symptome zu mildern.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Fragile-X-Syndrom?

Da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, sind sie meist nur symptomfreie Überträger der Erkrankung. Manchmal bilden auch sie Symptome aus, die aber in der Regel viel milder ausgeprägt sind als bei Männern.
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Das Fragile-X-Syndrom ist eine vererbbare Erkrankung, die durch den Defekt (Mutation) an einem X-Chromosom verursacht wird. Die Krankheit tritt vorrangig bei männlichen Personen auf, weibliche sind seltener davon betroffen.

Das Fragile-X-Syndrom ist durch geistige Entwicklungsstörungen und körperliche Veränderungen gekennzeichnet. Die Erkrankung wurde erstmals 1943 beschrieben und 1991 wurde das Gen entdeckt, auf welchem die Veränderung stattfindet. Auch die Art der Schädigung konnte man nun erkennen; sie besteht in einem Bruch der DNA-Folge auf einem der Schenkel des X-Chromosoms. Durch diese neuen Erkenntnisse änderte sich die Bezeichnung von Martin-Bell-Syndrom (nach ihren Entdeckern) in Fragiles-X-Syndrom (fragil=brüchig).

Die Veränderungen auf dem Gen treten in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Bei einer Prämutation (geringes Ausmaß) sind die Symptome sehr viel schwächer und es sind meist keine intellektuellen Defizite erkennbar. Die Vollmutation (starke Veränderung) dagegen führt zu einer deutlichen geistigen Behinderung mit dem typischen äußeren Erscheinungsbild des Fragilen-X-Syndroms.

Ursachen

Die Ursache für das Fragile-X-Syndrom ist die Mutation eines X-Chromosoms. Dieses Chromosom gehört zu den Geschlechtschromosomen. Mädchen besitzen in jedem Zellkern zwei X-Chromosome, Jungen haben ein X und ein Y Chromosom. Die Störung beim Fragilen-X-Syndrom bildet sich auf einem der langen Schenkel des X.

Man hat bis heute die genauen Auswirkungen noch nicht erforscht, aber man vermutet, dass dieses Gen normalerweise für die Herstellung eines bestimmten Eiweißes im Körper verantwortlich ist. Ist das Gen geschädigt, so wird, je nach Ausmaß der Schädigung, dieses Eiweiß entweder nicht ausreichend oder überhaupt nicht hergestellt.

Diese Störung wiederum wirkt sich auch auf andere Eiweiße aus und am Ende dieser Wirkungskette steht eine Minderversorgung und Schrumpfung von Hirnzellen. Das Fragile-X-Syndrom betrifft Frauen seltener als Männer, da sie über zwei X-Chromosome verfügen und daher das eine den Schaden am anderen ausgleichen kann.

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Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Hauptsymptom des Martin-Bell-Syndroms (Fragiles-X-Syndrom) ist eine unterschiedlich ausgeprägte geistige Behinderung. Sowohl Männer als auch Frauen können betroffen sein. Da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, sind sie meist nur symptomfreie Überträger der Erkrankung. Manchmal bilden auch sie Symptome aus, die aber in der Regel viel milder ausgeprägt sind als bei Männern.

Auch 20 Prozent der betroffenen Männer bleiben symptomfrei. Die Intelligenzminderung bei Personen mit dem Fragile-X-Syndrom ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. So reicht die Spannbreite der Intelligenzminderung von Personen mit normalem IQ, die aber unter Lernschwierigkeiten leiden, bis hin zu Personen mit einer sehr ausgeprägten geistigen Behinderung.

Zusätzlich können Verhaltensauffälligkeiten wie Sprachstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, Aggressivität, Hyperaktivität oder Autismus auftreten. Bei einigen Betroffenen kommt es zu epileptischen Anfällen. Neben der geistigen kann auch die motorische Entwicklung verzögert sein. Des Weiteren kommen körperliche Veränderungen vor, die oft bereits im Kindesalter in Erscheinung treten.

Dazu zählen unter anderem große, abstehende Ohren, ein langes und schmales Gesicht, ein vorspringendes Kinn und vorspringende Stirn, überdehnbare Gelenke, vergrößerte Hoden und auffälliges Wachstum. Meist sind die körperlichen Veränderungen nicht besonders stark ausgeprägt. Sie können sich im Laufe des Lebens aber noch weiter verstärken. Alle aufgeführten Symptome des Fragile-X-Syndroms können auftreten, müssen es aber nicht. Allerdings wurde beobachtet, dass sich oftmals bei den Nachkommen von Betroffenen die Symptome noch stärker bemerkbar machen.

Diagnose & Verlauf

Das typische Symptom des Fragilen-X-Syndroms ist in erster Linie eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit. Diese kann in ihrer Ausprägung von einer geringfügigen Lernstörung mit normalem Intelligenzquotienten bis hin zu geistiger Behinderung bestehen.

Häufig kommen Aufmerksamkeits- und Sprachstörungen dazu, sowie hyperaktives oder autistisches Verhalten. Typisch ist das äußere Erscheinungsbild mit einem langen schlanken Gesicht und sehr ausgeprägten Stirn- und Kinnpartien. Bei Jungen sind die Symptome stärker ausgeprägt als bei Mädchen.

Die Kinder wachsen schneller als die Norm, bleiben aber in der Regel mit ihrer endgültige Größe im Normalbereich. Die Diagnose des Fragilen-X-Syndroms kann bereits im Mutterleib gestellt werden. Dazu kann man mit Hilfe von pränatalen (vorgeburtlichen) Verfahren wie die Chorionzottenbiopsie (Entnahme von Zellen aus dem Mutterkuchen) oder die Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) Zellen des Ungeborenen gewinnen.

Diese werden dann einer molekulargenetischen Untersuchung unterzogen, bei welcher die typischen Veränderungen des Fragilen-X-Syndroms auf dem Chromosom erkannt werden können.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Auch wenn es sich bei dem Fragilen-X-Syndrom um eine erbliche, nicht heilbare Erkrankung handelt, kann ein rechtzeitiger Besuch beim Arzt eine positive Entwicklung fördern. Aufmerksam sollten Eltern bei auffälligen Lerndefiziten ihrer Kinder reagieren. Probleme bei intellektuellen Leistungen oder in der motorischen Geschicklichkeit liefern erste Hinweise. Da die Ausprägung stark unterschiedlich ausfällt, bleibt in vielen Fällen die tatsächliche Ursache lange unentdeckt.

Finden sich jedoch keine anderen, plausiblen Gründe für die Symptome, ist eine intensivere Abklärung durch einen Facharzt angeraten. Generell bedürfen Hyperaktivität, autistische Verhaltenszüge sowie zunehmende Schwächen beim Lernen oder der Sprachentwicklung immer einer gründlichen Abklärung durch den Arzt. Ebenfalls typische Warnsignale sind epileptische Anfälle sowie charakteristische Verformungen im Gesicht.

Lang gezogene und oval anmutende Partien, stark ausgeprägtes Kinn oder hervorstehende Stirn geben Anlass zu einer Untersuchung auf eine eventuelle Erkrankung am Fragilen-X-Syndrom. In seltenen Fällen sind auch Anzeichen von Skoliose oder Fußdeformation zu beobachten. Prinzipiell gelten die Merkmale alleinstehend noch nicht als spezifisch.

Die genetisch bedingte Krankheit lässt sich zwar nicht kurieren, doch der Umgang damit und die Lebensqualität betroffener Personen gezielt verbessern. Eine Behandlung durch Fachpersonal in der Psychiatrie, Pädiatrie sowie Neurologie zielt in erster Linie auf die Linderung der Symptome ab.

Besonders in jungen Jahren kann eine rechtzeitig diagnostizierte Erkrankung am Fragilen-X-Syndrom auffälliges Verhalten durch eine Verhaltenstherapie in mildere Bahnen gelenkt werden. Entsprechende Symptome sind vor allem bei männlichen Nachkommen anzutreffen. Da diese meist deutlich häufiger und stärker im Vergleich zu Frauen unter der Entwicklungsstörung in ihrem späteren Leben leiden, bleibt bei Söhnen eine rasche Feststellung der Ursache angeraten.

Behandlung & Therapie

Da die Ursache für das Fragile-X-Syndrom in den Genen liegt, ist eine Therapie nicht möglich. Somit zielt eine Behandlung auf die Minderung der Symptome und auf die intellektuelle Förderung der betroffenen Kinder ab. Mit Sprachtherapie und Logopädie können sprachliche Defizite gemildert werden. Verhaltens-, Entwicklungs- und Ergotherapie stärken und fördern die Kinder und helfen bei alltäglichen Schwierigkeiten.

Manchmal werden auch Medikamente, wie Methylphenidat (als Handelsname Ritalin bekannt), zur Behandlung der Hyperaktivität eingesetzt. Auch die Gabe von Folsäure soll sich günstig auf das Fragile-X-Syndrom auswirken. Es wird eine psychosoziale Langzeitbetreuung der Familien empfohlen. Dabei werden die Eltern ausführlich über die Krankheit informiert und beraten, die Kinder werden auf Kindergarten und Schule vorbereitet und sie werden in speziellen Fördereinrichtungen während der Kindergarten- und Schulzeit therapeutisch begleitet.

Außerdem empfiehlt sich beim Fragilen-X-Syndrom eine genetische Beratung der Familie, da die Krankheit vererbbar ist und sich somit bei einem anderen Kind wiederholen kann. Es existieren in verschiedenen Städten Selbsthilfegruppen von Eltern, deren Kinder am Fragilen-X-Syndrom erkrankt sind. Hier kann man Informationen und Unterstützung erhalten.

Aussicht & Prognose

Das fragile X-Syndrom ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die bereits kurze Zeit nach der Geburt zu Auffälligkeiten und Besonderheiten führt. Da die Genetik des Menschen aus rechtlichen Gründen von Medizinern nicht verändert werden darf, ist für den Patienten keine Heilungsaussicht gegeben. Zudem treten bei der Krankheit zahlreiche unterschiedliche Unregelmäßigkeiten auf, die zumeist parallel betreut werden müssen.

Die medizinische Versorgung des Patienten richtet sich nach der Linderung der individuell auftretenden Beschwerden, die meist mit mehreren Fachärzten abgestimmt werden muss. Bei der Erkrankung sind körperliche wie auch geistige Beeinträchtigungen zu erwarten. Die Prognose ist als ungünstig einzustufen, wenngleich durch verschiedene Therapieansätze deutliche Verbesserungen der Gesundheit erreicht werden.

Sprachliche Defizite werden durch eine Logotherapie abgemildert. Dennoch ist das sprachliche Niveau trotz aller Bemühungen nicht mit gesunden Menschen zu vergleichen. Die körperliche Entwicklungsstörung wird durch gezielte Übungen und Trainings unterstützt. Frühfördermaßnahmen finden Anwendung, damit eine optimale Unterstützung und Eingliederung für den Alltag stattfindet.

Verhaltensauffälligkeiten werden in Therapien oder über medikamentöse Ansätze behandelt. Patienten der Erkrankung müssen sich zur Verbesserung ihres Wohlbefindens einer Langzeittherapie unterziehen. Zudem benötigen sie im Alltag eine ausreichende Pflege oder Unterstützung. Ohne eine medizinische Behandlung kommt es zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität und einer Zunahme der Beschwerden.

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Vorbeugung

Gegen das Fragile-X-Syndrom kann man nicht vorbeugen, da es sich um eine genetische Erkrankung handelt. Wichtig ist das frühzeitige Erkennen der Krankheit, um baldmöglichst mit den begleitenden Therapien beginnen zu können.

Nachsorge

Da es sich bei dem Fragilen-X-Syndrom um eine Krankheit mit genetischer Ursache handelt und keine vollständige Genesung möglich ist, gibt es dementsprechend auch keine Nachsorge für etwaige Therapien. Häufig können Therapien in verschiedenen Lebenslagen (Logopädie, Ergotherapie) die Ressourcen der Betroffenen fördern, ohne dass eine Chance auf Heilung im herkömmlichen Sinn besteht.

Es geht bei Maßnahmen zur Nachsorge eher darum, einen Therapieerfolg in den individuellen Alltag der Person zu integrieren, sodass ein höheres Maß an Selbständigkeit und Teilhabe in verschiedenen Lebensbereichen erreicht werden kann. Gerade Kinder und Jugendliche mit dem Martin-Bell-Syndrom profitieren in ihrer Entwicklung häufig sehr von verschiedenen ganzheitlichen Therapieansätzen und der Orientierung an lebenspraktischen Kompetenzen.

Wichtig ist gleichzeitig, bei Therapien auch auf kleine Erfolge zu achten, diese wert zu schätzen und den Blick nicht ausschließlich auf die Defizite einer betroffenen Person zu richten. Dauerhafte Therapieversuche könnten einem Menschen mit Fragilem-X-Syndrom das Gefühl vermitteln, unzureichend und ungenügend zu sein, da sie immer wieder mit den eigenen Schwächen und Grenzen konfrontiert werden.

Zur Therapie-Nachsorge gehört demnach auch die emotionale Begleitung der Patienten. Manche Menschen brauchen ebenso Untersützung bei einer anschließenden Integration in ein soziales Feld. Hierbei stehen häufig die Vorurteile der Gesellschaft im Weg, sodass die Gefahr der sozialen Ausgrenzung besteht

Das können Sie selbst tun

Das Fragile-X-Syndrom selbst ist nicht behandelbar. Zur Linderung der Symptome können Betroffene oder Eltern erkrankter Kinder einige Maßnahmen ergreifen. Betroffene Kinder benötigen ein stabiles und liebevolles zu Hause. Eltern sollten sich auch nicht scheuen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Selbsthilfegruppen oder Familienhelfer – gerade bei Familien mit mehreren Kindern im Haushalt – können den Eltern eine Stütze sein. Bei einer sehr starken psychischen Belastung stellt auch die professionelle Betreuung durch einen Psychologen eine Maßnahme dar.

Die Behandlung ist in erster Linie auf die geistige und motorische Förderung ausgerichtet. Eine Kombination aus Logopädie und Ergotherapie gestaltet den Alltag. Die erlernten Übungen müssen auch daheim wiederholt werden, um so einen längerfristigen Erfolg zu sichern. Um der oft vorhandenen Hyperaktivität zu begegnen müssen zusätzlich zum Teil Medikamente verabreicht werden. Hier können Eltern auch durch pflanzliche Präparate substituieren. Die Bachblüten- und Aromatherapie könnte eine Alternative darstellen.

Bei bestehenden Verhaltensauffälligkeiten hilft neben der Verhaltenstherapie auch die bewusste Ernährungsumstellung: Zucker, Milch, Weißmehl, Phosphate, Zusatz- und Konservierungsstoffe in Fertigprodukten belasten den Körper, liefern zu viel Energie in kürzester Zeit, wirken sich negativ auf die Hormonregulation aus und verstärken somit Stimmungsschwankungen. Eine ausgewogene, vitalstoffreiche Ernährung stabilisiert den Körper und stärkt zudem das kindliche Immunsystem. Auch die Konstitutionsbehandlung bei einem Homöopathen vermag die Symptome dauerhaft zu lindern.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009

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