Methylphenidat
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 17. Juni 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Methylphenidat ist mit Amphetamin chemisch verwandt und hat als Arzneimittel eine stimulierende Wirkung. Es ist auch bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin®. Das Medikament wird hauptsächlich für die Behandlung der als ADHS bezeichneten Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und der Narkolepsie angewendet.
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Was ist Methylphenidat?
Methylphenidat wirkt wie Amphetamin kurzfristig leistungssteigernd und stimulierend, wobei körperliche Warnfunktionen, wie Schmerz oder Erschöpfung, unterdrückt werden. Außerdem hemmt es den Appetit.
Bei bestimmten psychischen Störungen können sich diese Eigenschaften kurzfristig positiv auswirken, sodass Methylphenidat auch als ein Element der Behandlung dieser Erkrankungen angewendet werden kann. Methylphenidat wird vom Körper schnell resorbiert. Dabei ist es unerheblich, ob es gleichzeitig mit der Nahrung aufgenommen wird.
Es ist bis zu 30 Prozent biologisch verfügbar, wobei es seine maximale Plasmakonzentration nach ca. 2 Stunden erreicht. Die Halbwertzeit seiner Eliminierung aus dem Plasma beträgt wiederum 2 Stunden. Methylphenidat entfaltet seine volle Wirkung für 4 Stunden, bevor es wieder vollständig abgebaut ist.
Pharmakologische Wirkung
Die Wirkung von Methylphenidat beruht auf seinem inhibierenden Einfluss auf die Transporter der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Diese Transporter sind verantwortlich für die Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter in die präsynaptischen Nervenzellen aus dem synaptischen Spalt.
Da unter dem Einfluss von Methylphenidat die Wiederaufnahme gehemmt wird, bleibt die Konzentration von Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt für längere Zeit erhöht. Das bedeutet auch, dass die beiden Neurotransmitter für diese Zeit ihre stimulierende Wirkung auf den Sympathikus aufrechterhalten können. Der Sympathikus sorgt wiederum für eine erhöhte Leistungsbereitschaft des Körpers, wobei damit auch eine erhöhte Aufmerksamkeit verbunden ist.
So treten je nach Ausgangssituation unterschiedliche und scheinbar widersprüchliche Wirkungen auf. Bei in sich gekehrten Personen führt die Stimulierung zu einer erhöhten Aktivität, während bei Personen, die an Aufmerksamkeitsstörungen und gleichzeitig ungerichteter Hyperaktivität leiden, eine Beruhigung mit Steigerung der Konzentrationsfähigkeit eintritt. Da der Sympathikus der Gegenspieler des Parasympathikus ist, werden die Körperfunktionen, die mit der Aktivität des Parasympathikus zusammenhängen, reduziert. Das betrifft die Darmtätigkeit, das Hungerzentrum sowie die Sekret- und Schweißdrüsen.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Methylphenidat wird hauptsächlich bei zwei Symptomenkomplexen, dem ADHS und der Narkolepsie, angewendet. Während beim ADHS die Hyperaktivität mit einer Aufmerksamkeitsstörung im Vordergrund steht, sind die Hauptsymptome bei der Narkolepsie der extreme Schlafdrang und die Müdigkeit.
Beide Erkrankungen können mit Methylphenidat gut modulierend in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden positiv beeinflusst werden. Da die Ursachen beider Erkrankungen äußerst komplex sind, ist eine alleinige Behandlung mit Methylphenidat nicht ausreichend. Es können nur Symptome behandelt werden, nicht jedoch die Ursachen. So beruht ADHS z. B. auf einer Fehlregulierung der Signalweiterleitung durch nicht abgestimmte unterschiedliche Aktivitäten bestimmter Neurotransmitter in verschiedenen Bereichen des Gehirns.
Methylphenidat reguliert und normalisiert in der Zeit seiner Wirkung diese Aktivitäten. Zu beachten ist auch, dass auf der Grundlage der medikamentös reduzierten Symptome eine psychotherapeutische Behandlung von ADHS bessere Erfolge bringt. Vor allem Kinder ab 6 Jahren mit den Symptomen von ADHS sprechen gut auf die kombinierten Behandlungsmethoden an. Durch die medikamentöse Dämpfung der Hyperaktivität und Steigerung der Aufmerksamkeit können z. B. die schulischen Leistungen dieser Kinder verbessert werden, was sich wiederum auf ihr Selbstwertgefühl positiv auswirkt.
Daher kann die Behandlung von ADHS mit Methylphenidat nur im Gesamtkontext betrachtet werden. Bei Narkolepsie wird Methylphenidat häufig zur Reduzierung der Tagesmüdigkeit verordnet.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Methylphenidat, einem Medikament zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Narkolepsie, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Zunächst sollte die Dosierung individuell angepasst werden, basierend auf dem therapeutischen Ansprechen und den auftretenden Nebenwirkungen. Die Behandlung beginnt meist mit einer niedrigen Dosis, die schrittweise erhöht wird, um die optimale Wirkung zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren.
Methylphenidat ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, darunter Tabletten mit sofortiger und verlängerter Freisetzung. Die Wahl der Formulierung hängt von den spezifischen Bedürfnissen des Patienten ab. Tabletten mit sofortiger Freisetzung müssen in der Regel zwei- bis dreimal täglich eingenommen werden, wohingegen Tabletten mit verlängerter Freisetzung nur einmal täglich verabreicht werden.
Wichtig ist auch die Überwachung der Patienten während der Behandlung. Regelmäßige Arztbesuche sind notwendig, um die Wirksamkeit des Medikaments zu beurteilen und mögliche Nebenwirkungen zu überwachen. Häufige Nebenwirkungen sind Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden. Zudem sollten Herz-Kreislauf-Funktionen überwacht werden, da Methylphenidat den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen kann.
Es ist ebenfalls entscheidend, das Medikament gemäß den Anweisungen des Arztes einzunehmen und keine Dosen zu überspringen oder zu verändern, ohne Rücksprache zu halten. Die Langzeitbehandlung erfordert gelegentliche Medikamentenpausen, um die Notwendigkeit der fortgesetzten Therapie zu überprüfen und das Risiko von Abhängigkeit und Toleranz zu minimieren.
Risiken & Nebenwirkungen
Die Einnahme von Methylphenidat muss immer unter ärztlicher Aufsicht stehen, weil sein Einsatz auch viele Nebenwirkungen hervorrufen kann. So ist es erforderlich, je nach Reaktion auf dieses Medikament die Dosierung individuell abzustimmen. Bei Narkolepsie-Patienten kann es häufig zu Konzentrationsstörungen, starkem Schwitzen und Geräuschempfindlichkeit kommen.
Allgemein kann eine Vielzahl von psychologischen und neurologischen Nebenwirkungen unterschiedlicher Art auftreten. Auch Herz-/Kreislaufstörungen, wie Herzrhythmusstörungen, Erhöhung des Blutdrucks und sogar Herzinfarkte oder Schlaganfälle werden beobachtet.
Die Vielzahl von unterschiedlichen, teilweise sogar widersprüchlichen Nebenwirkungen, deutet auf die komplexen Prozesse hin, die bei der medikamentösen Beeinflussung der Regulierungsmechanismen im Körper stattfinden.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Methylphenidat betreffen verschiedene medizinische Zustände und Risiken, die die sichere Anwendung des Medikaments beeinträchtigen können. Eine der Hauptkontraindikationen ist die bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Methylphenidat oder einen der sonstigen Bestandteile des Präparats. Patienten mit einer Vorgeschichte von Drogensucht oder Alkoholismus sollten Methylphenidat ebenfalls nicht einnehmen, da das Risiko einer Missbrauchs- und Abhängigkeitsentwicklung besteht.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen eine weitere wichtige Kontraindikation dar. Patienten mit schwerwiegenden Herzproblemen wie hypertropher Kardiomyopathie, schweren Herzrhythmusstörungen, koronarer Herzkrankheit oder Bluthochdruck sollten Methylphenidat meiden, da es den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen kann, was potenziell gefährlich sein kann. Auch bei vorbestehenden psychiatrischen Erkrankungen wie schweren Angststörungen, Psychosen, bipolaren Störungen oder Suizidgedanken ist Vorsicht geboten. Das Medikament kann Symptome verstärken und psychotische Episoden oder Manien auslösen.
Methylphenidat darf nicht gleichzeitig mit bestimmten Medikamenten eingenommen werden, insbesondere mit Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern), die zur Behandlung von Depressionen verwendet werden. Diese Kombination kann zu gefährlichen Wechselwirkungen führen, einschließlich hypertensiver Krisen.
Patienten mit Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder Phäochromozytom, einem Tumor der Nebenniere, sollten ebenfalls Methylphenidat vermeiden. Diese Zustände können durch die stimulierende Wirkung des Medikaments verschlechtert werden. Auch bei bestehenden Glaukom (erhöhter Augeninnendruck) ist Methylphenidat kontraindiziert, da es den Druck weiter erhöhen kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Methylphenidat kann mit verschiedenen Medikamenten interagieren, was die Wirksamkeit oder Sicherheit der Behandlung beeinflussen kann. Eine der bedeutendsten Wechselwirkungen tritt mit Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern) auf. Die gleichzeitige Einnahme von Methylphenidat und MAO-Hemmern kann zu hypertensiven Krisen führen, da beide Substanzen den Blutdruck erheblich erhöhen können. Daher sollte Methylphenidat mindestens zwei Wochen nach Beendigung der MAO-Hemmer-Therapie nicht eingenommen werden.
Weiterhin kann Methylphenidat die Wirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten abschwächen, da es selbst eine blutdrucksteigernde Wirkung hat. Patienten, die Antihypertensiva einnehmen, sollten daher engmaschig überwacht werden, um sicherzustellen, dass der Blutdruck angemessen kontrolliert bleibt.
Die Kombination mit trizyklischen Antidepressiva oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) kann die Konzentration dieser Medikamente im Blut erhöhen und somit das Risiko für Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck erhöhen. Eine ähnliche Vorsicht ist bei der gleichzeitigen Anwendung von Methylphenidat und Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) geboten, da die serotonerge Wirkung verstärkt werden kann, was zu einem potenziell lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom führen kann.
Auch Wechselwirkungen mit Antikonvulsiva, die zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, sind möglich. Methylphenidat kann die Plasmakonzentrationen von Antikonvulsiva wie Phenytoin, Phenobarbital und Primidon verändern, was eine Anpassung der Dosierung erforderlich machen kann.
Schließlich sollte beachtet werden, dass Methylphenidat die Wirkung von blutgerinnungshemmenden Medikamenten wie Warfarin verstärken kann. Dies erfordert regelmäßige Überwachung der Gerinnungswerte, um Blutungsrisiken zu minimieren.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Methylphenidat nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, insbesondere für die Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS).
Ein häufig verwendeter Alternativwirkstoff ist Amphetamin, der in verschiedenen Formen wie Dextroamphetamin und Lisdexamfetamin erhältlich ist. Diese Medikamente wirken ähnlich wie Methylphenidat, indem sie die Konzentration von Dopamin und Noradrenalin im Gehirn erhöhen, und können für Patienten, die Methylphenidat nicht vertragen, eine wirksame Option sein.
Atomoxetin ist ein weiterer nicht-stimulierender Wirkstoff, der zur Behandlung von ADHS eingesetzt wird. Es wirkt als selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer und kann eine geeignete Alternative für Patienten darstellen, die auf Stimulanzien negativ reagieren oder ein Risiko für Substanzmissbrauch haben.
Guanfacin und Clonidin, ursprünglich als blutdrucksenkende Mittel entwickelt, werden ebenfalls zur Behandlung von ADHS eingesetzt. Sie wirken auf adrenerge Rezeptoren und können hyperaktive und impulsive Symptome reduzieren.
Neben medikamentösen Therapien gibt es auch verschiedene nicht-pharmakologische Ansätze. Verhaltenstherapie und andere psychosoziale Interventionen können besonders bei Kindern und Jugendlichen hilfreich sein. Diese Therapien konzentrieren sich auf die Verbesserung von Verhaltensweisen, die Förderung von Organisationsfähigkeiten und die Unterstützung bei der Bewältigung von emotionalen Herausforderungen.
Ernährungsumstellungen und Nahrungsergänzungsmittel werden manchmal ebenfalls in Betracht gezogen, obwohl ihre Wirksamkeit nicht immer eindeutig nachgewiesen ist. Omega-3-Fettsäuren und andere spezielle Diäten können bei einigen Patienten positive Effekte haben.
Schließlich können ergänzende Therapien wie Neurofeedback, eine Form des Biofeedbacks, helfen, die Gehirnaktivität zu regulieren und die ADHS-Symptome zu reduzieren. Diese Ansätze bieten eine breite Palette von Optionen für Patienten, die Methylphenidat nicht vertragen oder eine alternative Behandlung suchen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor