Gedankenentzug

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Patienten mit Gedankenentzug erleben eine Ich-Störung. Sie meinen, dass ihre eigenen Gedanken von außen zum Stillstand gebracht werden. Der Gedankenentzug ist ein verbreitetes Symptom der Schizophrenie und geht oft mit Derealisation einher.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Gedankenentzug?

Die Betroffenen meinen, dass eine wie auch immer geartete Macht ihre Gedanken zum Stillstand bringt, um sie in ihren Verhaltensweisen und ihren Denkweisen zu steuern.
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Im Rahmen eines psychotischen Zustands berichten Patienten oft von sogenanntem Gedankenentzug. Dieser Gedankenentzug gilt als Positivsymptom im Rahmen verschiedener Krankheiten der Psyche und wird als Ich-Störung bezeichnet. Die Betroffenen erleben sich im Rahmen unterschiedlicher Erkrankungen subjektiv als fremdbeeinflusst.

Sie meinen, ihre eigenen Gedanken in bestimmten Situationen als fehlend zu erleben. Oft berichten sie auch davon, dass ihre Gedanken einfach abreißen oder von irgendeiner Macht zum Stillstand gebracht werden. Was sie steuert und antreibt, empfinden sie von da ab nicht als Teil von sich. Der subjektiv empfundene Gedankenentzug kann sich auch in der Sprache und den kognitiven Verhaltensweisen der Betroffenen niederschlagen und dem Therapeuten erst dadurch ersichtlich werden.

So ist der Gedankenentzug besonders oft mit fahriger und systemloser Sprache vergesellschaftet oder manifestiert sich in der Kommunikation immer wieder durch einen zusammenhanglosen Einschub. Wie alle Positivsymptome ist der Gedankenentzug als ein Überschuss gegenüber einem objektiv gesunden Zustand zu sehen, der sich nahe an einer manifesten Halluzination bewegt.

Ursachen

Gedankenentzug tritt meist im Rahmen von Ich-Störungen auf. Dabei handelt es sich um Erlebensweisen, von denen die Ich-Umwelt-Grenze eine Störung erfährt. Das personale Einheitserlebens oder Ich-Erleben der Patienten ist verzerrt. Neben reinen Störungen der Ich-Umweltgrenze wie der Depersonalisation kann auch eine fehlende Fähigkeit zu isolierter Ichwahrnehmung als Ich-Störung bezeichnet werden.

Desweiteren treten oft Phänomene auf, die eigenen Erlebnisinhalten auf der Ebene des Denkens den subjektiven Beigeschmack einer Manipulation geben. Die Patienten leiden in diesem Zusammenhang an Fremdbeeinflussungserleben. Falls es sich bei einer Ich-Störung um eine reine Ich-Wahrnehmungsstörung im Sinne von Fremdbeeinflussungserleben handelt, ist die Symptomatik meist mit einer Wahnsymptomatik vergesellschaftet oder zeigt zumindest fließenden Übergang dazu.

Gestörte Verhaltensweisen des Betroffenen sind die Folge. Speziell im Fremdbeeinflussungserleben ist Gedankenentzug ein verbreitetes Symptom. Statt sich mit den eigenen Gedanken zu steuern, erleben sich die Betroffenen wie ferngesteuert. Zu derartigen Ich-Störungen mit Gedankenentzug kommt es vermehrt im Rahmen der Schizophrenie. Der Gedankenentzug wird daher als ein Positivsymptom von dieser Erkrankung bezeichnet.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Auch die Gedanken gesunder Menschen werden in bestimmten Situationen nicht zu Ende gebracht. Als Beispiel kann eine abnehmende Konzentration das Weiterverfolgen einzelner Gedanken erschweren. Gedankenentzug hat mit diesen physiologisch normalen Formen nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich beim Gedankenentzug um eine Art Wahnvorstellung, die zwingend mit der Vorstellung von einer Fremdbeeinflussung einher geht.

Die Betroffenen meinen, dass eine wie auch immer geartete Macht ihre Gedanken zum Stillstand bringt, um sie in ihren Verhaltensweisen und ihren Denkweisen zu steuern. Oftmals wird diese Macht von den Patienten konkretisiert. Die Betroffenen benannten sie oft mit den Namen anderer Menschen, beschreiben sie als Satan, interpretieren sie als Außerirdischer oder Geheimdienst. Falls kein Fremdbeeinflussungserleben vorliegt, kann nicht definitiv vom Symptom des Gedankenentzugs die Rede sein.

In den meisten Fällen leiden Menschen mit Gedankenentzug an Begleitsymptomen wie Depersonalisation oder Derealisation. Sie erleben ihre Umwelt zum Beispiel oft generell als verzerrt oder fern. In einigen Fällen erleben sie auch eigene Körperteile oder ihren gesamten Körper als entfremdet. Die Umwelt erleben sie so häufig nicht mehr als Realität.

Äußerlich können starkes Misstrauen und Versuche, sich gegen das vermeintliche Gedankenlesen abzuschotten, auf Gedankenentzug hinweisen. Möglicherweise konfrontiert der Betroffene sein Umfeld direkt mit einem entsprechenden Vorwurf. In allen Fällen ist es jedoch wichtig, auch alternative Erklärungsmöglichkeiten für dieses Verhalten in Betracht zu ziehen und nicht automatisch von einem Gedankenentzug auszugehen.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose des Gedankenentzugs wird vom Psychologen oder Psychotherapeuten gestellt. Im größeren Rahmen dient das diagnostizierte Symptom des Gedankenentzugs als Beleg einer Ich-Störung, so zumeist als Schizophrenie-Beleg. Die Prognose hängt für Menschen mit Gedankenentzug stark von der primären Ursache ab.

Soweit schizophrene Wahnvorstellungen das Symptom verursachen, gilt eine relativ ungünstige Prognose. Schizophrenie lässt sich aufgrund der mit ihr assoziierten Ich-Syntonie nur schwer behandeln, da die Patienten an einer Unfähigkeit zur Einsicht ihrer eigenen Wahnvorstellungen und Krankheit leiden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigt der Betroffene wiederholt ein auffälliges Verhalten, das von Menschen in der Umgebung als ab der Norm wahrgenommen wird, sollte ein Arzt konsultiert werden. Stellen sich Wahnvorstellungen ein, können Denk- und Handlungsweisen des Betroffenen von Nahestehenden nicht nachvollzogen werden oder kommt es zu verwirrten Äußerungen des Betroffenen, wird ein Arzt benötigt. Werden Gedanken in einer kontinuierlichen Form in unterschiedlichen Situationen nicht bis zum Ende gedacht, gilt dies als ungewöhnlich und sollte medizinisch abgeklärt werden.

Kommt es zu starken Schwankungen der Konzentration oder treten Unterbrechungen der Aufmerksamkeit auf, ist ein Arztbesuch notwendig. Sobald sich das Gefühl einstellt, dass die eigenen Gedanken von einer externen Stelle gesteuert, abgebrochen oder reguliert werden, ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren. Die Wahrnehmung einer Fremdbeeinflussung des eigenen Erlebens sowie der Kognitionen gilt als besorgniserregend und muss medizinisch untersucht sowie behandelt werden.

Mangelt es dem Betroffenen an einem Bezug zur unmittelbaren Umwelt oder wird der eigene Körper als nicht zugehörig empfunden, wird ein Arzt benötigt, damit die Ursache abklärt wird. Bei einer Derealisation benötigt der Betroffene Hilfe und muss daher einem Arzt vorgestellt werden. Können weitere Verhaltensauffälligkeiten wie ein aggressives Auftreten, verstörte Handlungen sowie Gedächtnisstörungen beobachtet werden, sollten diese von einem Arzt untersucht werden.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung von Patienten mit Gedankenentzug entspricht in der Regel einer Behandlung der primären Ursache. Zur Therapie von Schizophrenie-Patienten haben sich Antipsychotika etabliert. In einer kognitiven Therapie wird dem Patienten idealerweise eine neue Sichtweise auf die eigenen, als fremd empfundenen Gedanken eröffnet. Das Ziel der Therapie ist die Hinterfragung von Meinungen und Beurteilungen bezüglich der Gedankeninhalte und ihrer Zuordnung zu äußeren Quellen.

Sobald die Patienten ihre Gedanken nicht mehr als Fremdgedanken empfinden, stellt sich eine Besserung des Gedankenentzugs ein. Nichtsdestotrotz ist gerade Schizophrenie von assoziativer Lockerung geprägt. Das heißt, dass sich die Denkweisen und kognitiven Gehirnvorgänge der Patienten entfremden und Stück für Stück in manifeste Wahnvorstellungen, oft ohne erkennbaren Systemzusammenhang, übergehen.

Da sich die Patienten meist weigern, ihre Wahnvorstellungen als solche anzunehmen, führen Psychotherapien und alle anderen Formen der Gesprächstherapie oft nicht zum gewünschten Ziel. Die medikamentöse Behandlung bleibt so oft die einzig sinnvolle Therapiemöglichkeit. Die Heilung von einer manifesten Schizophrenie ist kaum erreichbar. Die schizophrenen Episoden inklusive des Gedankenentzugs lassen sich durch Antipsychotika allerdings abmildern und teilweise sogar verzögern.

Aussicht & Prognose

Die Prognosen bei Vorliegen eines imaginierten Gedankenentzugs von außen sind relativ schlecht. Die Betroffenen leiden meistens an einer gestörten Ich-Wahrnehmung. Da die Ursache des vermeintlichen Gedankenentzuges oft in schizophrenen Wahnvorstellungen gefunden wird, ist eine Behandlung schwierig. Den Betroffenen fehlt die Einsicht in die Art ihrer Erkrankung.

Der Gedankenentzug stellt nicht das alleinige Merkmal der Erkrankung dar. Eine positive Prognose wäre möglich, wenn die Grundstörung erfolgreich behandelt wird. Die Statistiken besagen, dass etwa bei 60 bis 80 Prozent der Schizophrenie-Betroffenen erneute Schizophrenie-Schübe auftreten. Damit ist oft auch der angenommene Gedankenentzug wieder etabliert.

Zwar haben sich im klinischen Bereich die Therapiemöglichkeiten erheblich verbessert. Die Schizophrenie kann mit Antipsychotika bzw. Neuroleptika behandelt werden. Die früher auftretenden Rückfallraten konnten um 40-50 Prozent reduziert werden. Dennoch bleibt die Prognose relativ ungünstig. Die Betroffenen begehen durchschnittlich häufiger Suizid. Eine depressive Symptomatik verstärkt bei den Betroffenen das Gefühl von Gedankenentzung durch unerklärliche Eingriffe von außen.

Je jünger und sozial bessergestellt die Betroffenen sind, desto höher sind ihre Risiken, mit dem vermeintlichen Gedankenenzug nicht fertig zu werden. Möglich ist jedoch auch ein günstigerer Verlauf. Bei frühzeitigem Therapiebeginn, gefestigten Lebensumständen, einem unterstützenden Partner und weitmöglicher Stressvermeidung kann der Gedankenentzung als Symptom einer schizophrenen Störung bewältigt und erfolgreich behandelt werden.


Vorbeugung

Gedankenentzug lässt sich nur insoweit vorbeugen, wie den ursächlichen Ich-Störungen vorzubeugen ist. Umfassende Vorbeugemaßnahmen stehen speziell für Schizophrenie kaum zur Verfügung, da für die Erkrankung neben der genetischen Disposition und den psychosozialen Faktoren zahlreiche Einzelfaktoren eine Rolle spielen.

Nachsorge

Je nachdem, was den Gedankenentzug als Folge einer Psychose ausgelöst hat, müsste die Nachsorge entsprechend der Symptomatik und des Verursachers gestaltet werden. Bestand als Ursache des Gedankenentzugs beispielsweise eine Drogensucht, ist der Drogenentzug vermutlich nicht ausreichend. Eine psychiatrische Nachbetreuung und eine Aufnahme ins Methadon-Programm wäre empfehlenswert.

Erfahrungsgemäß besteht eine hohe Rückfallquote und der Gedankenentzug könnte somit ebenfalls wiederkehren. Liegt eine anders begründete psychotische Störung beziehungsweise eine Schizophrenie vor, gestaltet sich die Behandlung anders. Auch hier ist eine langfristige Behandlung und Überwachung der Betroffenen sinnvoll. Wichtig ist aber eine klar definierte Diagnose.

Der Gedankenentzug muss durch fremde Einwirkung erfolgen. Da solche Erkrankungen oft schubweise auftreten, ist die Heilungsaussicht meist gering. Die Krankheitseinsicht fehlt bei schizophrenen Wahnvorstellungen. Daher wird eine Behandlung meist abgebrochen, nicht unterstützt oder unterlaufen. Das erschwert folglich auch eine Nachsorge.

Antipsychotika können die Behandlung ermöglichen. Sie lindern die Symptome. Aber gegen die Krankheit an sich können sie nichts ausrichten. Die Nachsorge könnte in einer kognitiven Therapie oder Verhaltenstherapie liegen. Diese müsste aber langfristig erfolgen. Sie bedingt, dass der Patient mitmacht.

Das ist angesichts des Krankheitsbildes bei einer Schizophrenie eher unwahrscheinlich. Von daher sehen die Betroffenen ihre Wahnvorstellungen als real an und lassen es an jeder Einsicht und Mitwirkungsbereitschaft fehlen.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009
  • Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Berlin 2012

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