Wahnvorstellungen (Paranoia)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Wahnvorstellungen (Paranoia)

Von Wahnvorstellungen bzw. Paranoia spricht man dann, wenn eine Person Bedrohungen wahrnimmt, die nicht real vorhanden sind. In der Regel treten Wahnvorstellungen im Rahmen einer Psychose auf. Der Grund hierfür ist ein gestörter Hirnstoffwechsel.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Wahnvorstellungen?

Eine Paranoia führt zu Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Betroffene misstrauen ihrer Umwelt. Dabei wird oft kein Unterschied zwischen Fremden und Nahestehenden gemacht.
© Вячеслав Думчев – stock.adobe.com

Wahnvorstellungen sind dadurch charakterisiert, dass Menschen von Bedrohungen irgendeiner Art ausgehen, die aber in der Realität nicht existent sind, sondern sich sozusagen "nur im Kopf abspielen". Diese Bedrohungsgefühle können mannigfaltiger Art sein: beispielsweise eine vermutete Verschwörung durch Mitmenschen, durch Außerirdische, durch Geheimdienste, durch den Teufel, etc.

Welche Form die Paranoia annimmt, das hängt typischerweise von den Lebensumständen des Betroffenen ab. Wahnvorstellungen können dazu führen, dass Menschen, die sich bedroht wähnen, zu Handlungen verleitet werden, die sie sonst nicht tun würden. Sie können im Rahmen eines eingebildeten Selbstschutzes auch aggressiv werden und eine Bedrohung für sich oder andere darstellen. Dies macht das Phänomen so gefährlich und erfordert häufig eine stationäre Behandlung.

Ursachen

In der Regel wurzelt eine Paranoia (welcher Art auch immer) in einer Psychose, wobei es verschiedene Arten von Psychosen gibt: bipolare, schizoaffektive und schizophrene. Durch einen gestörten Hirnstoffwechsel, der vor allem den Botenstoff Dopamin betrifft, ist die Wahrnehmung der Betroffenen verzerrt oder falsch.

Ursachen für eine Psychose mit den folgenden Wahnvorstellungen können eine genetische Disposition, Drogenkonsum, Alkoholmissbrauch oder eine generelle seelische Überlastung sein. Oft treten Psychosen in besonders belastenden Lebenssituationen auf, denen die Betroffenen nicht gewachsen sind: Prüfungssituationen, soziale Differenzen mit Nahestehenden oder ein neuer Lebensabschnitt.

Durch die Überbelastung kippt sozusagen das chemische Gleichgewicht im Gehirn, was die verzerrte Wahrnehmung zur Folge hat. Der Betroffene versucht dabei die fremdartigen Gefühle, die ihn überkommen, zu erklären, und zimmert sich so ein Wahnsystem.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Paranoia führt zu Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Betroffene misstrauen ihrer Umwelt. Dabei wird oft kein Unterschied zwischen Fremden und Nahestehenden gemacht. Man ist der Ansicht, andere wollten einem Schaden zufügen. Überall spüren Patienten Lüge und Betrug. In Extremfällen stellt sich sogar eine ständige Todesangst ein.

Hinzu kommt das Gefühl, ständig beobachtet zu werden. Aggression und Größenwahn kennzeichnen den Alltag. Sie agieren in gewöhnlichen Situationen auffallend sonderbar und rechthaberisch. Werden Frauen und Männer mit ihren Wahnvorstellungen konfrontiert, wiegeln sie ab. Sie sind keiner rationalen Einsicht zugänglich. Meist bestärken sie sogar noch Gegenargumente und verschlimmern ihre Erkrankung.

In ihrer vermeintlichen Scharfsinnigkeit reden sie sich ein, dass gerade die konträren Ansichten Beleg ihres richtigen Weges seien. Innerlich leiden Patienten – auch wenn sie es nach außen nicht zugeben wollen. Sie fühlen sich von ihrer Umgebung verachtet. Ein geringes Selbstwertgefühl kennzeichnet oft das Befinden.

Die psychische Verhaltensstörung verfügt über vielschichtige Ausprägungen. Sie begleitet auch eine Reihe anderer Erkrankungen wie Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie. Manchmal tritt sie nach Alkohol- und Drogensucht auf. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Paranoia Alzheimer-Patienten begleiten kann. Auch Tumorerkrankungen im Gehirn begünstigen Wahnvorstellungen.

Diagnose & Verlauf

Verschwörungstheorien oder Verfolgungswahn geben Medizinern einen ersten stichhaltigen Anhaltspunkt für eine vorliegende Psychose, weil dies typische Anzeichen sind. Häufig sind die Betroffenen dabei im Vorfeld schon mehrfach auffällig geworden und gehen meist erst auf Drängen von Verwandten oder Freunden zu einem Arzt.

Meist haben die Erkrankten ein regelrechtes Wahnsystem aufgebaut mithilfe dessen sie die Wirklichkeit kategorisieren und die Lebensumwelt interpretieren. Durch ein längeres, einfühlsames Gespräch kann ein Arzt herausfinden ob eine Paranoia bzw. eine Psychose vorliegt. Wird die Psychose nicht behandelt, kann sie sich chronifizieren, d.h. dauerhaft werden.

Bei frühzeitigem Eingreifen ist jedoch eine erfolgreiche Behandlung durch Medikamente meist möglich. Als Faustregel geht man davon aus, dass etwa ein Drittel der Patienten vollständig genest, ein weiteres Drittel Rückfälle erleidet und ein weiteres Drittel in dem Zustand gefangen bleibt.

Komplikationen

Das Risiko für Komplikationen im Zusammenhang mit Wahnvorstellungen steigt mit der Dauer der Krankheit und einer nicht erfolgten psychotherapeutischen oder medikamentösen Behandlung. Besonders relevant für das Auftreten von möglichen Komplikationen, die nicht dem dauerhaften Zustand der Paranoia und den damit assoziierten Persönlichkeitsstörungen geschuldet sind, sind die paranoiden Schübe.

Solche Schübe können aufgrund der Wahnvorstellungen zunehmend zu einem Handeln seitens des Betroffenen führen, welches ihn und sein Umfeld gefährdet. So kann es etwa zu Gewalthandlungen kommen, da beispielsweise im Wahn geglaubt wird, es gelte irgendetwas oder irgendjemanden zu beschützen. Auch unsinnige Handlungen in diesem Zusammenhang können mitunter zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen. Rechtliche Konsequenzen für den Betroffenen sind auch denkbar.

Gerade auftretender Größenwahn befeuert diese Komplikationen. Alle diese Handlung sind zudem auch riskant für das Umfeld des Betroffenen, da sie zum Teil der Wahnvorstellung werden und entsprechend Ängste und Wut auf sie projiziert wird. Das Verhalten des Paranoiden, das immer mehr durch eine Wahnvorstellung geprägt ist, sorgt mit der Zeit für eine Entfremdung vom Umfeld und für ein Ausscheiden aus der Berufsfähigkeit.

Außerdem ist Paranoia fast immer mit anderen Persönlichkeitsstörungen assoziiert, die wiederum größtenteils depressive und selbstverletzende Elemente aufweisen. Entsprechend besteht als Komplikation auch das Risiko des Betroffenen, sich selbst zu schaden - bis hin zum Suizid.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die vorübergehend von der visuellen Wahrnehmung von Gestalten oder schemenhaften Figuren berichten, sollten ihre Eindrücke weiter beobachten. Nehmen diese Unregelmäßigkeiten an Umfang und Intensität zu, benötigt der Betroffene ärztliche Hilfe. Sind die Gründe auf eine Situation der Überlastung, emotionalen Überforderung oder unzureichend Schlaf zurückzuführen, kommt es in den meisten Fällen zu einer Spontanheilung. Stressoren sollten abgebaut werden und die Schlafhygiene muss optimiert werden, damit eine dauerhafte Linderung erfolgen kann. Charakteristisch für Wahnvorstellungen ist die fehlende Einsicht des Betroffenen zu den erlebten und beschriebenen Vorgängen.

Verhaltensauffälligkeiten, ein aggressives Auftreten und ein vehementes verteidigen der Wahrnehmungen deuten auf Unregelmäßigkeiten hin. Können die Eindrücke des Betroffenen bei objektiver Betrachtung nicht nachvollzogen werden, sollte dies offen besprochen werden. In schweren Fällen sollte ein Amtsarzt gerufen werden, da aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht keine andere Möglichkeit der Diagnosestellung gegeben ist.

Ist der Betroffene davon überzeugt, dass er verfolgt wird, ihm Gedanken eingegeben werden oder dass er von imaginären Gestalten Handlungsaufforderungen erhält, benötigt er Hilfe. Fehlt der Realitätsbezug, können alltägliche Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden oder kommt es zu hysterischem Verhalten, sollte ein Arzt konsultiert werden. Selbstzerstörerische Handlungen oder Übergriffe verbaler oder körperlicher Natur gegenüber anderen Menschen gelten als Warnsignale. Schnellstmöglich sollte ein Arztbesuch stattfinden.

Behandlung & Therapie

Zur Behandlung der Paranoia bzw. Wahnvorstellung werden sogenannte Neuroleptika verabreicht, die regelmäßig eingenommen werden müssen. Diese Neuroleptika wirken wie ein Puffer für das reizüberflutete Gehirn (zu viel Dopamin) und dämmen die Psychose ein, wenn das richtige Medikament gewählt wird.

Da über Psychosen und die Neuroleptika noch nicht so viel bekannt ist, muss häufig erst ausprobiert werden, welches Medikament bzw. welche Kombination von Medikamenten greift. Sinnvoll ist auch eine begleitende Gesprächstherapie, um dem Betroffenen zu helfen, in die Wirklichkeit zurückzufinden und das vermeintlich Geschehene aufzuarbeiten, denn für den Kranken war oder ist ess sehr real.

Häufig arbeitet man auch über eine nicht zu lange Zeitspanne mit sogenannten Benzodiazepinen, Beruhigungsmitteln, damit der Betroffene zum Beispiel schlafen und allgemein wieder zur Ruhe kommen kann. Diese müssen aber nach einigen Monaten abgesetzt werden, weil sie ein hohes Suchtpotenzial haben. Häufig ist dabei insgesamt eine stationäre Behandlung erforderlich, bis der Patient sich wieder stabilisiert hat und keine Bedrohung mehr für sich oder die Umwelt darstellt.


Vorbeugung

Um einem neuen Schub der Wahnvorstellungen vorzubeugen, sind die regelmäßige Einnahme der Medikamente sowie die regelmäßige Konsultation eines Facharztes notwendig. Auch brauchen Betroffene einen geregelten Tagesablauf und sollten möglichst sozial integriert sein. Eine angemessene Beschäftigung, die den Tag deutlich strukturiert, kann ebenfalls wahre Wunder wirken. Alkohol oder Drogen sollten nicht konsumiert werden.

Nachsorge

Ähnlich wie bei vergleichbaren psychischen Erkrankungen bedürfen Wahnvorstellungen einer professionellen Nachsorge. Es existieren unterschiedliche Formen von Wahn, eine allgemeingültige Nachsorge gibt es daher nicht. Bei Paranoia haben sich die psychotherapeutische Nachsorge als Einzel- oder Gruppentherapie bewährt. Jeder Patient muss für sich selbst herausfinden, welche Methode für ihn angemessen ist.

Die Krankheit beeinflusst den Betroffenen weit über die abgeschlossene Behandlung hinaus. In vielen Fällen bleiben Patienten ein Leben lang von der psychischen Störung gezeichnet. Ziel der Nachsorge ist ein stabiler Zustand nach einer erfolgreich beendeten Psychotherapie. Rückfälle sollen vermieden werden. Der Erkrankte muss sich darüber bewusst werden, welche Situation bei ihm Wahnvorstellungen auslöst.

Viele Patienten werden durch die Krankheit erwerbsunfähig. Bei der Nachsorge erhält der Betroffene auch in diesem Fall seelische Unterstützung. Sein Selbstvertrauen muss stabilisiert werden, sonst kann sich zusätzlich zu den Wahnvorstellungen eine Depression entwickeln. Der Erkrankte erlernt bei der Nachsorge gezieltere Achtsamkeit mit sich selbst. Dafür muss er seinen persönlichen Weg finden.

Nimmt er von bestimmten Bekannten vorerst Abstand und benötigt Zeit für sich allein, ist das nicht grundsätzlich bedenklich, sondern kann Teil seines Heilungsweges sein. Wirkt der Patient mit dem Entschluss zufrieden und verbessert sich sein Zustand, sollte der Therapeut diesen Schritt zulassen und als richtig akzeptieren.

Das können Sie selbst tun

Wenn ein Patient an Wahnvorstellungen (Paranoia) leidet, ist dies sowohl für ihn als auch für seine Umgebung oder Familie sehr belastend. Um selbst etwas gegen die dahinter liegende Psychose tun zu können, ist es wichtig zu wissen, wodurch sie entstanden ist. Haben Überbelastungen die Wahnvorstellungen ausgelöst, sollte der Patient kürzer treten und sich lange Erholungspausen gönnen. Auch ein geregelter Schlaf-/Wachrhythmus ist hier von Vorteil.

Sind Drogen- oder Alkoholkonsum die Ursachen der Paranoia gilt striktes Drogen- bzw. Alkoholverbot. Ohnehin sollte ein Mensch, der zu Psychosen neigt, auf einen gesunden Lebensstil achten. Damit unterstützt er die eigene Genesung und gefährdet sie nicht zusätzlich. Zu einem gesunden Lebensstil gehört neben einer ausgewogenen Ernährung auch ausreichend Bewegung, am besten an der frischen Luft. Sport reguliert den Stoffwechsel und sorgt für eine verbesserte Stimmung.

Die vom Arzt verschriebenen Medikamente müssen konsequent eingenommen werden. Eigenmächtige Auslassversuche münden meist in einer erneuten Paranoia. Hilfreich ist in jedem Fall eine Psychotherapie, bei der auch die aktuelle Lebenssituation des Patienten ausgelotet wird. Hier ist es wichtig, festzustellen, wo sich Krankheitsauslöser verstecken und was hinter den paranoiden Gedanken steckt.

Regelmäßige Meditationen und Atemübungen sind weitere Möglichkeiten, gegen Wahnvorstellungen anzugehen. Als Selbsthilfemaßnahme empfiehlt sich auch die Klopfakupressur (EFT). Sie hilft gegen aufkommende Ängste, Stress oder Panikattacken.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Möller. H.-J., Laux, G., Deister, A., Braun-Scharm, H., Schulte-Körne, G.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren