Ghrelin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das hungerauslösende Hormon Ghrelin regelt zusammen mit den Hormonen Leptin und Cortisol das Hunger- und Sättigungsgefühl bei Tieren und Menschen. Daneben übt es einen Einfluss auf zahlreiche Vorgänge im Körper aus, wie Schlafverhalten, Stressabbau und Blutkreislauf. Bezüglich der genauen Zusammenhänge besteht noch Forschungsbedarf.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Ghrelin?

Schematische Darstellung zur Anatomie und Aufbau des endokrinen Systems (Hormonsystem). Klicken, um zu vergrößern.

Ghrelin ist ein Hormon, das in der Magenschleimhaut und Bauchspeicheldrüse produziert wird. Es wurde 1999 entdeckt. Sein Name kommt aus dem Englischen und ist eine Abkürzung für Growth Hormone Release Inducing, auf Deutsch „Wachstumshormonfreisetzung einleitend“.

Es handelt sich um ein fettunlösliches Hormon mit einer Eiweißstruktur, das aus 28 Aminosäuren besteht. Seine Hauptfunktion ist die Regulierung des Hunger- und Sättigungsgefühls. Wenn längere Zeit keine Nahrung aufgenommen wurde, steigt der Ghrelinspiegel im Blut und verstärkt das Hungergefühl.

Nach dem Essen sinkt der Spiegel wieder ab. Außerdem reguliert Ghrelin die Bildung des Wachstumshormons Somatropin, das in der Hypophyse produziert wird und für ein normales körperliches Wachstum sorgt.

Produktion, Bildung & Herstellung

Für die Bildung von Ghrelin sind vor allem Drüsen in der Schleimhaut des Magenbodens verantwortlich. Daneben wird das Hormon auch von Zellen der Bauchspeicheldrüse produziert.

Eine Vorstufe des Ghrelin entsteht außerdem im Gehirn, und zwar im Hypothalamus und der Hypophyse. Diese Hormonvorstufe wird durch Abspaltung einiger Aminosäuren in die aktive Form umgewandelt. Offenbar führt nicht nur Hunger zu einer gesteigerten Ausschüttung von Ghrelin, sondern auch kürzerer und schlechter Schlaf sowie weitere Stressfaktoren.

Funktion, Wirkung & Eigenschaften

Ghrelin reguliert die Nahrungsaufnahme, indem es den Hunger verstärkt. Außerdem verlangsamt es den Stoffwechsel und schränkt die Fettverbrennung des Körpers ein. Daneben sind auch Leptin und Cortisol an der Steuerung des Hunger- und Sättigungsgefühls beteiligt.

Cortisol ist ein Stresshormon, das dafür sorgt, dass der Appetit steigt. Leptin übermittelt dem Gehirn die Botschaft, dass es den Appetit vermindern und mehr Kalorien verbrennen soll. Ghrelin hat neben seiner Funktion im Nahrungsstoffwechsel zahlreiche weitere Eigenschaften. Es wirkt auf einen Rezeptor in der Hypophyse ein, der die Abgabe von Wachstumshormon (Somatropin) steuert. Das bedeutet, bei Hunger wird Wachstumshormon ausgeschüttet.

Somatropin ist wichtig für ein normales Wachstum. Falls die Produktion von Somatropin während der Jugend vermindert ist oder die Zellen nicht ausreichend darauf ansprechen, stoppt das körperliche Wachstum vorzeitig. Bei Erwachsenen reguliert Somatropin unter anderem den Anteil an Körperfett und Muskelmasse sowie die Knochenmineraldichte. Darüber hinaus wird vermutet, dass Ghrelin im Hippocampus im Gehirn die Gedächtnisleistung und Lernfähigkeit beeinflusst.

Dabei sorgt ein niedriger Ghrelin-Spiegel für eine bessere Gedächtnisleistung. Dieser Mechanismus ist wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass das Lernen am Tag leichter fällt als nachts, da die Ghrelinausschüttung während der Nacht erhöht ist. Ghrelin hat ebenfalls einen Einfluss auf das Schlafverhalten und die Tiefschlafphasen. Daher wird vermutet, dass Menschen, die schlecht oder zu wenig schlafen, verstärkt zu Übergewicht neigen.

Ghrelin könnte auch zur Milderung von Depressionen beitragen. In Tierversuchen wurde die angstverringernde Wirkung des Hormons bestätigt, die auch für den Abbau von Stress verantwortlich ist. Die Einflüsse des Hormons auf Schlafverhalten, Stressabbau und Blutkreislauf sind komplex und wurden noch nicht abschließend erforscht. Auch bezüglich der Zusammenwirkung mit anderen Hormonen wie Leptin und Cortisol besteht noch Forschungsbedarf.

Krankheiten, Beschwerden & Störungen

Vermutlich spielt Ghrelin eine Rolle bei der Entstehung von Übergewicht, da der Ghrelinspiegel im Blut bei Hunger ansteigt. Bei Übergewichtigen wurde allerdings entgegen den Erwartungen festgestellt, dass diese nicht zu viel, sondern zu wenig Ghrelin bilden. Möglicherweise führt höheres Körpergewicht zu einer gesteigerten Sensibilität gegenüber Ghrelin, sodass nur geringe Mengen notwendig sind, um ein Hungergefühl auszulösen.

Um diese Frage abschließend zu klären, besteht allerdings noch Forschungsbedarf. Da Schlafmangel für eine erhöhte Ghrelinausschüttung sorgt, trägt schlechter Schlaf wahrscheinlich zur Entwicklung von Übergewicht bei. Auch Stress führt zu einem erhöhten Ghrelinspiegel und bildet so einen weiteren Faktor bei der Entstehung von Übergewicht. Außerdem wurde festgestellt, dass ein stressbedinger erhöhter Ghrelinspiegel das Gehirn empfindlicher gegenüber traumatischen Erlebnissen macht, was mit der Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung verbunden sein kann.

Darüber hinaus wurde nachgewiesen, dass Ghrelin einer der Faktoren ist, die zur Entstehung von Alkoholabhängigkeit beitragen. Im Tierversuch zeigte sich, dass Mäuse, die Ghrelin gepritzt bekamen, mehr Alkohol tranken als andere Mäuse. Bei dem selten auftretenden Prader-Willi-Syndrom kommt es teilweise zu stark erhöhten Ghrelinwerten. Diese Krankheit ist mit einem fehlenden Sättigungsgefühl verbunden. Die Ursache ist eine Genbesonderheit, die zu einer Fehlfunktion im Zwischenhirn führt.

Das übermäßige Hungergefühl dieser Patienten führt häufig zu starkem Übergewicht und zu Folgeschäden wie Diabetes mellitus. Daher haben die Betreffenden eine verkürzte Lebenserwartung. Erhöhte Werte sind auch bei Magersucht zu finden. In diesem Fall führt der hohe Ghrelinspiegel nicht zu einem verstärkten Hungergefühl, sondern die Patientinnen sind offenbar resistent gegen die hungerauslösende Wirkung des Hormons.


Quellen

  • Christen, P., Jaussi, R., Benoit, R.: Biochemie und Molekularbiologie. Springer, Berlin 2016
  • Koslowski, H., Fiehring, C., Zöllner, H.: Labordiagnostik von Stoffwechselerkrankungen. Books On Demand Verlag, Norderstedt 2003
  • Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004

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