Gyrus parahippocampalis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Gyrus parahippocampalis ist eine Windung der Großhirnrinde. Er gehört zum limbischen System, trägt zu Gedächtnisprozessen bei und spielt für das visuelle Erkennen eine wichtige Rolle.
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Was ist der Gyrus parahippocampalis?
Der Gyrus parahippocampalis befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hippocampus.
Dabei handelt es sich um einen Teil des Archicortex, der wiederum zum Großhirn zählt. Phylogenetisch ist der Archicortex jünger als der Neocortex, aber älter als der Paläocortex. Die Medizin rechnet den Hippocampus dem limbischen System zu, dem auch der Gyrus parahippocampalis angehört. Der Hippocampus ist innerhalb dieses Systems vor allem an Gedächtnisprozessen beteiligt.
Anatomisch gesehen ist der Gyrus parahippocampalis nicht vollständig von der umgebenden Hirnmasse abgegrenzt. Er geht auf der einen Seite in den Uncus über und grenzt auf der anderen Seite an den Gyrus occipitotemporalis medialis (Gyrus lingualis oder Gyrus infracalcarinus). Unter dem Gyrus parahippocampalis und dem Gyrus occipitotemporalis medialis liegt der Gyrus occipitotemporalis lateralis (Subcuneus).
Anatomie & Aufbau
Dieser ist auch als Assoziationscortex bekannt und besteht aus drei Abschnitten: dem frontalen, parietalen und limbischen Assoziationscortex. Letzterer ist der Anteil, der im Gyrus parahippocampalis liegt. Er entspricht den Brodmann-Arealen 28 und 34. Der limbische Assoziationscortex lässt sich weiter in einen ventralen und einen dorsalen Bereich einteilen.
Der posteriore Teil des Gyrus parahippocampalis gehört zum parahippocampalen Cortex, dem die Anatomie auch Areale des Gyrus occipitotemporalis lateralis zuordnet. Innerhalb der Hirnwindung befindet sich außerdem die „parahippocampal place area“, die für das visuelle Erkennen relevant ist.
Die Rinde des Gyrus parahippocampalis setzt sich aus sechs Schichten von Zellen zusammen. Insgesamt zählt das Gewebe zur grauen Substanz, da es vorwiegend aus Nervenzellkörpern besteht. In den Neuronennetzwerken spielt sich die eigentliche Informationsverarbeitung ab. Im Gegensatz zur grauen Substanz besteht die weiße Substanz des Gehirns überwiegend aus myelinisierten Nervenfasern. Nervenfasern sind die fadenähnlichen Fortsätze der Neurone und transportieren die elektrischen Signale der Nervenzellen.
Funktion & Aufgaben
Der Gyrus parahippocampalis bildet einen Bestandteil des limbischen Systems, das sich aus verschiedenen anatomischen Strukturen zusammensetzt. Diese sind miteinander verknüpft und widmen sich Aufgaben wie Emotionen, Gedächtnis, Lernen und einigen vegetativen Steuerungsprozessen. Allerdings sind diese Funktionen nicht ausschließlich auf das limbische System beschränkt. Zum Beispiel existiert für das Gedächtnis im Gehirn kein zentraler Speicher. Stattdessen sind Gedächtnisprozesse wie das Einprägen und Abrufen von Erinnerungen über verschiedene Gehirnbereiche verteilt.
Bei Gedächtnisprozessen spielt das Default-Mode-Netzwerk eine zentrale Rolle. Es stellt ein funktionelles Netz von verschiedenen Hirnstrukturen dar. Erkenntnissen aus der Forschung zufolge könnte der Gyrus parahippocampalis eine Schlüsselrolle innerhalb des Default-Mode-Netzwerk einnehmen, indem er zwischen dem Netzwerk und dem medialen Temporallappen vermittelt (Ward et al., 2014). Der Gyrus parahippocampalis stellt außerdem Assoziationen her. Beim sogenannten Assoziationscortex handelt es sich um den entorhinalen Cortex, der u. a. bei der Alzheimer-Demenz eine zentrale Position einnimmt. Darüber hinaus wirkt der Gyrus parahippocampalis eventuell an Assoziationen in sozialen Situation mit.
Des Weiteren ist der Gyrus parahippocampalis am visuellen Erkennen beteiligt, wobei die „parahippocampal place area“ eine wichtige Rolle spielt. Die Aktivität dieses Areals hängt mit dem Betrachten von Landschaften und Räumen zusammen. Dabei ist der Gyrus parahippocampalis jedoch nicht für die primäre Sinneswahrnehmung (das Sehen im eigentlichen Sinne) verantwortlich, sondern übt eine höhere kognitive Funktion aus. Das Erkennen kommt erst nach der Sinneswahrnehmung zum Zuge und bezieht sich auf das Identifizieren bzw. Zuordnen des Gesehenen.
Krankheiten
Weitere mögliche Symptome umfassen Assoziationszerfall, Ich-Störungen, auffällige Ausdrucksweise (zum Beispiel Neologismen), emotionale Erregung und Denkzerfahrenheit. Diese Krankheitszeichen stellen sogenannte Positivsymptome dar. Das Gegenstück zu ihnen bilden Negativsymptome wie emotionale Abflachung, reduzierter Affekt, sozialer Rückzug, kognitive und sprachliche Verringerung, Apathie sowie verringerte Aktivität und Initiative. Da es sich bei der Schizophrenie um ein sehr komplexes Störungsbild handelt, kann sie sich von Person zu Person unterschiedlich manifestieren. Zur Behandlung der Schizophrenie kommt neben der medikamentösen Therapie auch eine begleitende Psychotherapie, Psychoedukation oder ein spezielles Training in Betracht.
Die „parahippocampal place area“, die sich innerhalb des Gyrus parahippocampalis befindet, ist für das visuelle Erkennen von Landschaften und Räumen bedeutsam. Läsionen in diesem Bereich führen deshalb typischerweise zu Problemen im Erkennen dieser Ansichten. Die betroffene Person ist weiterhin in der Lage, zu sehen und einzelne Objekte zu identifizieren, doch sie kann das Gesamtbild nicht mehr zuordnen. Solche Läsionen können zum Beispiel durch einen Tumor, eine Blutung, eine Entzündung oder einen Schlaganfall entstehen.
Auch im Zusammenhang mit der Temporallappen-Epilepsie sind Auffälligkeiten am Gyrus parahippocampalis möglich. Die Erkrankung kann mit der Hippocampussklerose einhergehen, die auch als mesiale temporale Sklerose bekannt ist und sich als Ausfall von Nervenzellen im betroffenen Areal zeigt. Die Medizin unterscheidet vier verschiedene Typen der Hippocampussklerose, von denen der Typ 1B am häufigsten ist und als schwere Hippocampussklerose gilt. Ärzte behandeln die Temporallappen-Epilepsie häufig mit Medikamenten, doch in einigen Fällen sind auch andere Behandlungen wie Operationen am Gehirn denkbar.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Schwegler, J., Lucius, R.: Der Mensch – Anatomie und Physiologie. Thieme, Stuttgart 2016