Hypovolämischer Schock

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einem hypovolämischen Schock liegt eine schwere Kreislaufstörung vor, die unbehandelt zum Tod führt. Die Ursache ist in der Regel ein Blut- oder Flüssigkeitsverlust, zum Beispiel durch starke Durchfälle oder Blutungen nach einem Unfall.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein hypovolämischer Schock?

Kommt es zu einer Verringerung des Blutvolumens durch Blut- oder Flüssigkeitsverlust, versucht der Körper zunächst durch eine Steigerung der Herzleistung den Kreislauf zu stabilisieren.
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In der Umgangssprache spricht man oft vom Schock als Folge einer Situation mit extremer psychischer Belastung. In der Medizin bezeichnet der Begriff hypovolämischer Schock jedoch einen akuten Sauerstoffmangel in lebenswichtigen Organen wie Lunge oder Niere. Das Verhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und dem Angebot an Sauerstoff stimmt nicht mehr.

Aufgrund eines Volumenmangels kommt es zu einer Zentralisation des verbleibenden Blutvolumens und somit zu einer Minderdurchblutung der kleinsten Blutgefäße (Kapillaren). Durch die mangelnde Durchblutung fehlt es an Sauerstoff und es kommt zu einer Schädigung der Zellen und somit auch zu einer Schädigung des kompletten Organs. Dies kann zum Funktionsverlust der betroffenen Strukturen führen.

Ursachen

Die Ursache des hypovolämischen Schocks ist ein Volumenmangel. Er entsteht bei einem Blutverlust von mehr als 20 bis 30 Prozent des Gesamtblutvolumens sowie durch andere Flüssigkeitsverluste. Bei einem hypovolämischen Schock, der durch Blutverluste verursacht wird, spricht man auch von einem hämorrhagischen Schock.

Verletzungen von Gefäßen, zum Beispiel durch Schnittverletzungen oder durch die Ruptur eines Aneurysmas, also einer Gefäßaussackung der Hauptschlagader, können massive Blutverluste zur Folge haben und somit einen hypovolämischen Schock verursachen. Auch Blutungen im Magen-Darm-Trakt, zum Beispiel durch Magengeschwüre oder Tumore im Darm können so massiv sein, dass das Blutvolumen nicht mehr zur vollständigen Versorgung des Körpers ausreicht.

Eine weitere Quelle für starke Blutungen ist eine akute schwere Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis). Weitere Ursachen für starke Blutungen, die einen hypovolämischen Schock auslösen können, sind Frakturen von gut durchbluteten Knochen wie beispielsweise ein Beckenbruch oder ein Oberschenkelbruch. Auch die Ruptur der Milz, zum Beispiel nach einem Unfall oder unfallbedingte Verletzungen anderer Organe, können zu einer Blutung in den Bauchraum und damit zu einem nicht mehr auszugleichenden Volumenverlust führen.

Ebenso bergen Komplikationen bei der Geburt oder während Operationen das Risiko von lebensbedrohlichen Blutverlusten. Doch nicht nur der Verlust von Blut, sondern auch der Verlust von Wasser, Plasma oder Elektrolyten kann zu einem Volumenmangelschock führen. Mögliche Ursachen sind hier Verluste bei starkem Erbrechen, Durchfall, Dehydration durch zu wenig Flüssigkeitsaufnahme oder Störungen im Hormonhaushalt mit vermehrten Wasserverlusten (zum Beispiel Nebennierenrindeninsuffizienz|Morbus Addison).

Bei schweren Entzündungen des Bauch- oder Lungenfells sowie bei ausgedehnten Verbrennungen kann der Verlust von Plasmawasser ins Gewebe so gravierend sein, dass sich ein hypovolämischer Schock entwickelt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Kommt es zu einer Verringerung des Blutvolumens durch Blut- oder Flüssigkeitsverlust, versucht der Körper zunächst durch eine Steigerung der Herzleistung den Kreislauf zu stabilisieren. Zudem werden Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, um die Blutgefäße zu verengen. Auch das Herz schlägt durch das Adrenalin schneller. Durch diese Maßnahmen entsteht eine Umverteilung des Restblutes.

Das Blut wird aus nicht unmittelbar lebensnotwendigen Organen und Körperstrukturen wie der Haut, den Armen und Beinen, dem Magen-Darm-Trakt und der Niere zurückgezogen um die mittelbar lebenswichtigen Organe wie Gehirn, Herz und Lunge versorgen zu können. Diesen Vorgang bezeichnet man als Kreislaufzentralisation.

Patienten, die einen Schock erleiden oder kurz vor einem Schock stehen, sind in der Regel sehr unruhig und ängstlich. Durch die Ausschüttung von Adrenalin und Noradreanalin steigt die Pulsfrequenz auf mehr als 100 Schläge pro Minute. Die Patienten werden kaltschweißig. Der Blutdruck ist aufgrund des niedrigen Blutvolumens niedrig und liegt systolisch unter 90mmHg. Hat bereits eine Kreislaufzentralisation stattgefunden, sind die Pulse in der Körperperipherie, zum Beispiel am Handgelenk oder am Fuß nicht mehr tastbar.

Durch die verminderte Durchblutung der Haut sind die Betroffenen blassgrau und fühlen sich kalt an. Haut und Schleimhäute sind durch den Sauerstoffmangel blau gefärbt (zyanotisch). Die Urinausscheidung ist aufgrund der Funktionseinschränkung der Niere eingeschränkt oder komplett eingestellt. Es kommt zu Atemnot oder Hyperventilation. Typisch für den hypovolämischen Schock ist zudem ein starkes Durstgefühl.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose des hypovolämischen Schocks erfolgt in der Regel durch das typische klinische Bild gepaart mit den Symptomen der möglichen Ursache. Mithilfe des Schockindex lässt sich die Gefährlichkeit der Situation beurteilen. Der Schockindex ist der Quotient aus Pulsfrequenz und systolischem Blutdruck. Beim Gesunden liegt dieser Index bei ca. 0,5, im Schock steigt der Wert auf über 1, das heißt, dass der Puls höher ist als der systolische Blutdruck.

Zur Diagnose der peripheren Durchblutungssituation kommt der Rekap-Test zum Einsatz. Dabei drückt der Untersuchende den Nagel des betroffenen kurz ins Nagelbett. Dadurch wird das Blut aus den Kapillaren verdrängt. Dauert die Rekapillarisierung, also der Rückfluss des Blutes in die Kapillaren, länger als eine Sekunde, wird von einer Minderdurchblutung in der Peripherie ausgegangen.

Komplikationen

Falls der Schock nicht durch einen Arzt behandelt wird, kommt es in der Regel zum Tode des Patienten. Aus diesem Grund ist eine sofortige Behandlung notwendig, um den Patienten weiterhin am Leben zu erhalten. Es kommt dabei zu einem starken Verlust an Blut und an Flüssigkeit. Falls diese Verluste andauern und nicht sofort gestoppt werden, können die inneren Organe und das Herz nicht mehr funktionieren.

Weiterhin werden die Organe mit zu wenig Sauerstoff versorgt, sodass es zu Folgeschäden kommen kann, die in der Regel irreversibel sind. Durch den geringen Blutdruck verliert der Patient das Bewusstsein und kann sich dabei durch einen Sturz verschiedene Verletzungen zuziehen. Es tritt eine Atemnot auf, die in der Regel von einer Hyperventilation begleitet wird.

Die Behandlung der Schocks erfolgt symptomatisch und stoppt in erster Linie die Blutungen und den Flüssigkeitsverlust. Falls diese schnell genug durchgeführt wird, kann der Betroffene überleben. Es kann allerdings nicht vorausgesagt werden, ob es durch den Schock zu irreversiblen Schäden an den Organen oder an Gehirn gekommen ist. Dabei kann es zum Beispiel zu Lähmungen oder anderen Sensibilitätsstörungen kommen. Auch die Lebenserwartung kann durch den Schock eingeschränkt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einem hypovolämischen Schock muss sofort ein Notarzt alarmiert werden. Der Patient benötigt umgehend eine intensivmedizinische Behandlung. Wenn plötzlich der Blutdruck abfällt und Atemnot auftritt, muss der Rettungsdienst gerufen werden. Typisch für die Schockreaktion ist auch ein starkes Durstgefühl, dass sich durch die Aufnahme von Flüssigkeit nicht beseitigen lässt. Wenn die Symptome bemerkt werden, liegt womöglich ein hypovolämischer Schock zugrunde, der ärztlich untersucht und behandelt werden muss. Mit starken Schnittverletzungen oder Anzeichen eines Aneurysmas muss umgehend zum Arzt gegangen werden.

Auch Menschen, die an Magengeschwüren oder Tumoren im Darm leiden, gehören zu den Risikogruppen. Patienten, die an einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse leiden, sollten bei genannten Symptomen mit dem zuständigen Arzt sprechen. Bei einem hypovolämischen Schock ist in jedem Fall notärztliche Hilfe gefragt. Weitere Ansprechpartner sind der Hausarzt oder ein Internist. Personen, bei denen es in Verbindung mit einer bestehenden Erkrankung zu einer Schockreaktion kommt, sollten mit dem verantwortlichen Mediziner sprechen.

Behandlung & Therapie

Wichtigste Therapie beim Volumenmangelschock ist die schnelle Substitution von Flüssigkeit. Dies geschieht meist mittels Zufuhr von isotonen Infusionslösungen. Bei einem durch Blutverlust verursachten hypovolämischen Schock steht natürlich die Stillung der Blutung im Vordergrund der Behandlung. Zudem müssen eventuell geschädigte Organe behandelt werden.

Das Auftreten einer Schockniere, das heißt eines Nierenversagens im Schock, muss auf jeden Fall verhindert werden. Dasselbe gilt für die Schocklunge. Als Erstmaßnahme beim hypovolämischen Schock empfiehlt sich die Schocklage. Hierbei wird der Patient hingelegt und die Beine hochgelagert. Dies führt zu einem Rückfluss des Blutes aus den Beinen und somit zu einem größeren Blutvolumen im Oberkörper.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung eines hypovolämischen Schocks sollte bei schweren Infektionen, bei Durchfällen oder Erbrechen immer auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Offensichtliche Blutungen sollten so schnell wie möglich gestillt werden. In jedem Fall ist auch beim bloßen Verdacht auf einen Volumenmangelschock direkt der Notarzt zu verständigen.

Nachsorge

Nach den primären Maßnahmen bei einem hypovolämischen Schock geht es darum, den Normalzustand wieder zu erreichen. Zu diesem Zweck erhalten die Patienten Erythrozytenkonzentrate und je nach Situation Frischplasma. Auch eine Volumensubstitution unterstützt die Wiederherstellung der betroffenen Person. Für eine weitere Nachbehandlung ist es wichtig, dass ein intensives Gespräch zwischen dem Arzt und dem Patienten stattfindet.

So erfahren die gefährdeten Personen wissenswerte Details, die sich beispielsweise auf das richtige Verhalten bei einem Schockzustand beziehen. Wenn die Familienangehörigen und Bekannten entsprechend informiert werden, lassen sich schlimmere Folgen vermeiden. Für die gute Durchblutung des Oberkörpers sollten die Beine des Patienten etwas höher liegen.

Vor allem bei einer Infektion, die mit Übelkeit einhergeht, sind besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Hier spielt die ausreichende Flüssigkeitszufuhr eine lebenswichtige Rolle. Bei offenen Blutungen ist ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit gefragt. Eine genaue Grenze zwischen Ersthilfe, Nachsorge und Prophylaxe lässt sich hier nicht ziehen.

Personen mit entsprechender Indikation sollten lernen, ihren eigenen Körper bewusst wahrzunehmen, sodass sie schnell auf eventuelle Warnzeichen reagieren können. In enger Zusammenarbeit mit dem Arzt lassen sich außerdem weitere Beschwerden wie ein Nierenversagen vermeiden. Wenn es im Zusammenhang mit dem Schock zu einem Trauma kommt, kann auch therapeutische Unterstützung nötig sein.

Das können Sie selbst tun

Wenn ein Hypovolämischer Schock auftritt, muss umgehend der Notarzt alarmiert werden. Anschließend muss die Ursache für den Schock festgestellt und nach Möglichkeit beseitigt werden, zum Beispiel, indem eine Blutung gestillt oder ein gebrochener Knochen ruhiggestellt wird. Der Patient muss beruhigt werden und sollte sich nach Möglichkeit in die Schocklagerung begeben – Beine etwa 20 bis 30 Grad höher lagern als den restlichen Körper. Der Rettungsdienst wird dem Verletzten Sauerstoff zuführen und ihn zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus bringen.

Die weiteren Selbsthilfe-Maßnahmen orientieren sich an der Verletzung. Bei Knochenbrüchen und ähnlichen Verletzungen ist in erster Linie Schonung angezeigt. Die Wunde sollte nach den Vorgaben des Arztes gepflegt werden, um Wundheilstörungen und andere Komplikationen zu vermeiden. Parallel dazu muss die Verletzung regelmäßig vom zuständigen Mediziner untersucht werden. Manchmal benötigt der Patient außerdem therapeutische Hilfe, um ein Trauma zu verarbeiten. Die weiteren Schritte hängen von der körperlichen und geistigen Verfassung des Betroffenen und dem Heilungsverlauf der auslösenden Verletzung ab.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Ziegenfuß, T.: Notfallmedizin. Springer, Heidelberg 2011

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