Indirektes okuläres Trauma
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Ein indirektes okuläres Trauma ist eine Schädigung oder Verletzung der Netzhaut, die nicht direkt entstanden ist. Mögliche Ursachen für ein solches Trauma sind Fettembolien oder Gesichtsschädelfrakturen.
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Was ist ein indirektes okuläres Trauma?
Bei einem indirekten okulären Trauma liegt eine Schädigung der Retina vor. Allerdings ist diese Schädigung nicht aufgrund eines direkten Traumas entstanden. Vor dem Auftreten der Beschwerden hat also keine direkte Gewalteinwirkung auf die Augenhöhle stattgefunden.
Das indirekte okuläre Trauma wird meist durch Durchblutungsstörungen hervorgerufen, die auf Traumata in anderen Körperregionen zurückgehen. Symptome des Traumas können sofort oder mit einer Verzögerung von mehreren Tagen auftreten. Die Therapie erfolgt meist konservativ. In der Mehrzahl der Fälle bilden sich die entstandenen Schäden zurück. Dieser Rückbildungsvorgang kann allerdings mehrere Wochen dauern. Bei einigen Patienten bleiben dauerhaft Sehstörungen oder Gesichtsfeldausfälle bestehen.
Ursachen
Die genaue Pathogenese des indirekten okulären Traumas kann sehr unterschiedlich sein. Bei der Fraktur eines Röhrenknochens kann es zu einer Verletzung des fetthaltigen Knochenmarks kommen. Dabei können Fetttröpfchen aus dem Mark freigesetzt und ins Blut geschwemmt werden. Dieser Vorgang wird auch als Fettembolie bezeichnet. Die Fettpartikel werden über den Blutweg weitertransportiert und lagern sich im Körper ab. Am häufigsten bleiben die Fettpartikel in der Lunge hängen und verursachen dort eine Fettembolie.
Je nach Größe können sie jedoch die Lungengefäße passieren und erst in den kleinsten Gefäßen der Netzhaut stecken bleiben. Dort lagern sie sich ab und verursachen eine Embolie. Die kleinen Kapillaren der Netzhaut sind verschlossen. Das Blut kann deshalb nicht mehr zirkulieren und das hinter dem Verschluss gelegene Gewebe wird nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. In der Folge stirbt es ab.
Eine weitere Ursache für ein indirektes okuläres Trauma ist eine Verletzung des Brustkorbs (Thorax). Bei einer Embolie kommt es zu einem Druckanstieg im Brustkorb. Dieser Druckanstieg wirkt sich auch auf die Gefäße aus. Der Druck wird in einer Welle durch die gesamten Gefäße des Körpers geleitet. Wenn er die kleinen Gefäße des Auges erreicht, kann es zu Rupturen oder Spasmen kommen.
Die Folge ist eine akute Unterversorgung der Netzhaut. Diese Unterversorgung aufgrund mangelnder Durchblutung wird als Ischämie bezeichnet. Auch Autounfälle können ein indirektes okuläres Trauma zur Folge haben. Insbesondere die Kompression des Brustkorbs durch den Sicherheitsgurt kann Schäden im Auge bedingen.
Eine besondere Form des indirekten okulären Traumas ist die Höhenretinopathie. Bei starkem Flüssigkeitsverlust oder in sehr hohen Lagen sind die Hämatokrit- und die Hämoglobinkonzentration im Blut erhöht. Durch die Erhöhung dieser beiden Blutbestandteile ist die Blutviskosität erhöht, sodass kleine Gefäße, wie die Gefäße der Retina, verstopfen können.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Ein indirektes okuläres Trauma kann eine ganze Reihe von Symptome und Beschwerden hervorrufen. Die ersten Anzeichen eines Traumas treten in aller Regel erst einige Tage nach dem auslösenden Ereignis auf. Typischerweise stellen sich nach drei bis fünf Tagen leichte bis mittelschwere Sehstörungen ein, die in den folgenden Tagen stärker werden. Die Betroffenen erleiden häufig einen Visusverlust.
Dabei handelt es sich um eine Störung, die in einer starren Sehschärfe resultiert. Das Auge kann sich in der Folge nicht mehr auf unterschiedliche Sichtsituationen einstellen, was zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führt. Wird das indirekte okuläre Trauma frühzeitig behandelt, kann ein Visusverlust oft abgewendet werden. Allerdings treten meist weitere Beschwerden an den Augen auf, zum Beispiel Schmerzen oder Missempfindungen.
Im Extremfall kommt es zu einer vollständigen Erblindung. Die Sehstörungen sind irreversibel und gehen oftmals seelischen Beschwerden voraus. Junge Menschen leiden infolge eines indirekten okulären Traumas häufig an psychischen Verstimmungen, die sich im Verlauf zu einer ausgeprägten Depression entwickeln können. Äußerlich ist das Trauma unter anderem an sichtbaren Verletzungen, Blutergüssen oder Hautveränderungen zu erkennen, abhängig von der Ursache und Ausprägung des indirekten okulären Traumas.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Bei Sehstörungen sollte zunächst eine ausführliche Anamnese erfolgen. Insbesondere Unfälle oder Verletzungen, die erst eine kurze Zeit zurückliegen, sollten in der Anamnese beachtet werden. Wenn der Verdacht auf ein indirektes okuläres Trauma besteht, wird eine Fundusdiagnostik durchgeführt. Dabei wird der Augenhintergrund mit dem Ophthalmoskop untersucht.
Mithilfe eines Vergrößerungsglases schaut der behandelnde Arzt durch die Pupille in das Innere des Auges. Dabei wird das Auge gleichzeitig mit einer Lichtquelle ausgeleuchtet. Bei der Ophtalmoskopie werden Blutungen innerhalb der Retina sichtbar.
Ein typischer Untersuchungsbefund ist eine sogenannte Cotton-wool-Herde. Dabei handelt es sich um wattebauschartige Verschattungen im Bereich der Retina. Diese sind weiß oder gelblich gefärbt. Diese Cotton-wool-Herden entstehen durch Schwellung der Nervenfasern in der Faserschicht der Retina (Stratum neurofibrarum). Sie entstehen, weil durch die Ischämie auch der neuroaxonale Transport beeinträchtigt ist.
Komplikationen
Im schlimmsten Fall erleiden die Betroffenen eine vollständige Erblindung, die nicht mehr behandelt werden kann und damit irreversibel ist. In vielen Fällen ist ein scharfes Sehen für den Patienten nicht mehr möglich. Ebenso kommt es zu einem Schleiersehen oder zu sogenannten Doppelbildern. Die Lebensqualität des Betroffenen wird durch dieses Trauma deutlich eingeschränkt. Vor allem junge Menschen leiden durch Sehbeschwerden an Depressionen oder anderen psychischen Verstimmungen.
Die Lebenserwartung wird durch dieses Trauma in der Regel allerdings nicht verringert. Nicht selten kommt es durch das Trauma auch zu weiteren Ausfällen im Gesicht, die den Alltag des Betroffenen erschweren können. Die Behandlung selbst führt nicht zu weiteren Komplikationen. Allerdings können die meisten Schäden nicht mehr wiederhergestellt werden, sodass der Patient möglicherweise auf Sehhilfen angewiesen ist.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei Hinweisen auf eine Durchblutungsstörung sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu Funktionsstörungen im Bereich des Kopfes, besteht Anlass zur Besorgnis. Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald Störungen des Sehens, Kopfschmerzen oder ein Druckgefühl im Auge entstehen. Veränderungen der Sehstärke, ein Flimmern vor dem Auge, Probleme des Scharfsehens oder Ermüdungserscheinungen des Auges, sind untersuchen und behandeln zu lassen. Stellen sich die Veränderungen unmittelbar nach einer Gewalteinwirkung auf das Auge ein, ist schnellstmöglich eine Kontrolluntersuchung anzuraten. Nach einem Unfall oder einer Gewalttat wird ein Arzt benötigt, sobald es zu kraftvollen Einwirkungen auf den Bereich des Auges oder des Gesichts gekommen ist. Verfärbungen im Auge, Blutungen des Auges oder Verformungen der Augenhöhle sind fachärztlich untersuchen zu lassen.
Stellen sich Ausfälle der Gesichtsmuskeln oder Nerven ein, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Zur Minimierung von dauerhaften Schäden der Sehkraft oder der Gefäße ist es ratsam, unverzüglich nach der Beschädigung einen Arzt zu konsultieren oder ein Krankenhaus aufzusuchen. Kommt es zu einer ungewöhnlichen Sekretabsonderung aus dem Auge, ist dies ein Warnhinweis des Organismus auf vorliegende Verletzungen und Schäden. Treten Druckgefühle im Brustkorb, Probleme der Atemtätigkeit oder ein allgemeines Unwohlsein auf, wird ebenfalls ein Arzt benötigt. Bei Ängsten, Schmerzen oder Lungenproblemen sollte ein Arzt konsultiert werden.
Behandlung & Therapie
Normalerweise bilden sich die Befunde im Fundusbereich innerhalb von vier bis sechs Wochen von alleine wieder zurück. In einigen Fällen bleiben Sehminderungen oder Gesichtsfeldausfälle zurück. Wenn Sehstörungen bestehen bleiben, kann ein Therapieversuch mit hoch dosierten Steroiden oder mit Prostaglandinhemmern unternommen werden.
Bei der Höhenretinopathie steht eine Normalisierung der Hämoglobin- und Hämatokritwerte im Vordergrund. Dafür werden den Patienten isovolämische Hämodilutionen verabreicht. Auch auf die Arzneimittel Pentoxifyllin und Aspion wird zurückgegriffen.
Aussicht & Prognose
Die Aussicht, ein indirektes okuläres Trauma zu erleiden, steigt bei einem Unfall mit einer Thoraxverletzung, dem Bruch eines langen Röhrenknochens oder einer durch solche Vorfälle ausgelösten Fettembolie. In diesen Fällen muss bei nachfolgenden Sehstörungen an ein indirektes Trauma an der Retina gedacht werden. Die Behandlung muss darauf abzielen, dass keine Folgeschäden am Auge bleiben. Die Chancen dafür sind recht gut.
Da ein indirektes okuläres Trauma nicht auf eine unmittelbare Einwirkung am Augenumfeld zurückzuführen ist, entsteht die damit verbundene Schädigung der Retina oft mit Verzögerung durch einen Verursacher, der eigentlich anderenorts wirksam war. Die auslösenden Ursachen dieses Geschehens sind zuerst behandlungsbedürftig. Die Prognose für das indirekte okuläre Trauma ist allerdings recht gut, weil die entstehenden Folgewirkungen mittels konservativer Therapie gut behandelbar sind.
Die indirekte Traumatisierung des Auges kann mitunter durch so weit vom Auge entfernte Verursacher ausgelöst werden, dass zunächst ein Zusammenhang hergestellt werden muss. In den meisten Fällen können sich die Folgen des indirekten okulären Traumas sich binnen mehrerer Wochen zurückbilden. Nur bei einem Teil der Betroffenen bleiben dauerhafte Schäden am Auge nach. Diese können beispielsweise als Gesichtsfeldausfälle oder Sehstörungen bestehen bleiben. Ob diese noch medikamentös zu verbessern oder zumindest in den Auswirkungen abzumildern sind, muss im Einzelfall entschieden werden.
Vorbeugung
Der Höhenretinopathie kann durch eine gute Vorbereitung auf den Aufenthalt in der großen Höhe vorgebeugt werden. Es sollten angemessene Aufstiegs- und Abstiegsetappen eingehalten werden. So ist gewährleistet, dass sich der Körper an die unterschiedlichen Luftverhältnisse gewöhnen kann.
Der normalen Form des indirekten okulären Traumas lässt sich nur schwer vorbeugen. Wenn nach einem Unfall Sehstörungen auftreten, sollte jedoch möglichst schnell ein Augenarzt aufgesucht werden.
Nachsorge
Das indirekte okuläre Trauma bedarf einer rechtzeitigen Behandlung und einer gezielten Nachsorge. Diese beinhaltet unter anderem die Vorbeugung. Abhängig von der Situation können sich die Betroffenen beispielsweise auf größere Höhen einstellen, indem sie sich richtig vorbereiten. Dadurch senken sie das Risiko einer Höhenretinopathie.
Auch die Reduzierung des Tempos beim Auf- und Abstieg ist für die Gewöhnung des Körpers hilfreich. Bei der klassischen Form der Erkrankung gibt es jedoch nur wenige Möglichkeiten der Prophylaxe. Im Zusammenhang mit einem Unfall sollten die Betroffenen bei Sehstörungen sofort einen Augenarzt aufsuchen. Die Störung der normalen Sehfunktion hat eine extrem beunruhigende Wirkung auf die Patienten.
Diese sollten dennoch möglichst ruhig bleiben und nicht in Panik ausbrechen. Stress könnte negative Folgen auf den Zustand haben und die Heilungschancen verschlechtern. Darum ist es wichtig, dass sich die Betroffenen die nötige Ruhe nehmen. Zuhause beziehungsweise in einer bekannten Umgebung können sie größeren Schwierigkeiten aus dem Weg gehen.
Das bedeutet auch einen verstärkten Schutz der Augen vor äußeren Einflüssen. Direkte Sonnenstrahlen, kräftiger Wind und große Temperaturschwankungen sind ebenso zu vermeiden wie der lange Blick auf einen Bildschirm. Auch den Kontakt mit Kosmetika und selbst mit Wasser sollten die Betroffenen meiden, damit es nicht zu Irritationen kommt.
Das können Sie selbst tun
Das Indirekte okuläre Trauma geht üblicherweise mit Beeinträchtigungen der gewohnten Sehfunktion einher und ist daher für die Betroffenen sehr beunruhigend. Dennoch gilt es, Ruhe zu bewahren und Stress nach Möglichkeit zu vermeiden, da sich dies womöglich negativ auf den Gesundheitszustand sowie die Heilungsaussichten auswirkt. Bestenfalls gönnen sich die Patienten ausreichend Ruhe und verbringen viel Zeit zu Hause oder in gewohnten Umgebungen, um Schwierigkeiten zu vermeiden.
Besonders wichtig ist es, die Augen vor starken äußeren Einflüssen zu schützen, beispielsweise vor Wind, Sonneneinstrahlung, Kälte und Hitze. Außerdem ist davon abzuraten, täglich stundenlang vor diversen Bildschirmen zu verbringen, da dies die Augen erhebliche Anstrengungen kostet. Auch der Kontakt mit Wasser und Kosmetika ist zu vermeiden, damit sich keine Irritationen am Auge entwickeln und sich die Erkrankung zurückbildet. In diesem Zusammenhang ist auch auf eine penible Hygiene im Bereich des erkrankten Auges zu achten, denn Verunreinigungen haben mitunter gravierende Folgen für den weiteren Krankheitsverlauf.
So ist bei einem Indirekten okulären Trauma Geduld von den Patienten gefragt. In bestimmten Situationen ist es ratsam, sich Unterstützung anderer Menschen zu holen, um Fehler oder Unfälle durch den beeinträchtigten Sehsinn zu vermeiden.
Quellen
- Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
- Burk, A. et al.: Checkliste Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014