Induced-fit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Induced-fit-Theorie geht auf Koshland zurück und entspricht einer Erweiterung des Schlüssel-Schloss-Prinzips, das von der Passgenauigkeit von anatomischen Strukturen ausgeht. Induced-fit bezieht sich auf Enzyme wie Kinase, die zur Bildung eines Enzym-Ligand-Komplexes ihre Konformation verändern. Bei Enzymdefekten kann das Induced-fit-Prinzip von Störungen betroffen sein.
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Was ist Induced-fit?
Viele Prozesse im Körper funktionieren nach dem Schlüssel-Schloss- oder Hand-in-Handschuh-Prinzip. Das gilt zum Beispiel für gelenkige Verbindungen. Der Gelenkkopf greift in die Gelenkpfanne wie ein Schlüssel in ein Schloss oder eine Hand in den Handschuh. Die Tür öffnet sich erst, wenn der Schlüssel passgenau im Schloss sitzt. Im selben Zusammenhang werden auch bestimmte Funktionen des Körpers erst eröffnet, wenn Strukturen passgenau aufeinandertreffen.
Eine Sonderform des Schlüssel-im-Schloss-Prinzips liegt mit Induced-fit vor. Dabei handelt es sich um eine Theorie zur Bildung von Protein-Liganden-Komplexen, so zum Beispiel eines Enzym-Substrat-Komplexes im Rahmen von enzymkatalysierten Reaktionen.
Daniel E. Koshland gilt als Erstbeschreiber der Theorie und hat sie im Jahr 1958 erstmals postuliert. Anders als das Schlüssel-Schloss-Prinzip geht die Induced-fit-Theorie nicht von zwei statischen Strukturen aus. So soll speziell bei Protein-Liganden-Komplexen erst eine Konformationsveränderung des beteiligten Proteins die Bildung des Komplexes ermöglichen. Ligand und Protein, oder besser Enzym, betrachtete Koshland als dynamisch und sprach von einer Wechselwirkung, die beide Partner, zuliebe der Komplexbildung, zu einer Konformationsveränderung bewegt.
Funktion & Aufgabe
Bei vielen Enzymen liegt das jeweils aktive Zentrum allerdings in einer wenig passgenauen Form vor, solange es nicht an ein Substrat gebunden ist. Diese Beobachtung scheint dem Schlüssel-Schloss-Prinzip entgegenzustehen, denn bei Enzymen und ihren Liganden scheint zunächst eine Formanpassung zu erfolgen.
Sobald sich das Enzym also an einen Liganden anlagert, werden intermolekulare Wechselwirkungen hervorgerufen. Diese Wechselwirkungen auf intermolekularer Ebene führen eine Konformationsänderung des Enzyms herbei. Unter der Konformation werden die verschiedenen Anordnungsmöglichkeiten von einzelnen Atomen eines Moleküls verstanden, die sich aus der einfachen Drehung um eine Achse ergeben. Die Konformationsänderung von Enzymen entspricht also einer Veränderung in der räumlichen Anordnung ihrer Moleküle und ermöglicht erst die Ausbildung eines Enzym-Substrat-Komplexes.
Die Hexokinase katalysieren als Enzyme zum Beispiel den ersten Schritt der Glykolyse. Sobald diese Enzyme auf das Substrat Glukose treffen, lässt sich ein Induced-fit im Sinne der Bildung einer "induzierten Passform" beobachten. Das Enzym Hexokinase phosphoryliert seinen Liganden Glukose unter dem Verbrauch von ATP zu einem Glukose-6-Phosphat.
Die Struktur von Wasser gleicht der innerhalb der alkoholischen Gruppe des C6-Atoms, das das Enzym bei der Reaktion phosphoryliert. Aufgrund der geringen Größe könnten sich Wassermoleküle ans aktive Zentrum des Enzyms anlagern, sodass eine Hydrolyse von ATP erzeugt werden würde. Allerdings lässt der Induced-fit die Hexokinase mit hoher Spezifität die Glukose-Umsetzung katalysieren, sodass ATP-Hydrolyse in geringem Umfang stattfinden muss. Mit dem Mechanismus Induced-fit erhöht sich also die Substratspezifität.
Besonders an Kinasen ist das Prinzip innerhalb des menschlichen Organismus zu beobachten. Die induzierte Anpassung gilt nicht für jeden Ligand-Rezeptor-Komplex, da der Konformationsänderung von beiden Partnern in vielen Fällen natürliche Grenzen gesetzt sind.
Krankheiten & Beschwerden
Stoffwechselerkrankungen durch Enzymdefekte und ein so gestörtes Induced-fit-Prinzip sind als Enzymopathien bekannt. Pyruvatkinase-Defekte liegen zum Beispiel bei einem fehlerhaft codierenden PKLR-Gen vor. Dieses Gen liegt auf Genlocus 1q22 von Chromosom 1. Vom PKLR-Allel der Pyruvatkinase sind unterschiedliche Mutationen bekannt, die sich bei der R-Form als Defekte zeigen.
Der Morbus Hers wird wiederum als Glykogenose Typ VI bezeichnet und zur Gruppe der Glykogenspeicherkrankheiten gezählt. Es handelt sich dabei um eine autosomal-rezessiv respektive oder X-chromosomal vererbte Stoffwechselstörung aufgrund von Enzymdefekten. Die Ursache liegt genauer gesagt in unterschiedlichen Enzymdefekten des Phosphorylase-Kinase-Systems innerhalb der Leber und Muskulatur. Bekannt ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel der X-chromosomale Phosphorylase-b-Kinase-Defekt in der Leber, der Leberphosphorylase-Defekt des autosomal-rezessiven Erbgangs und der kombinierte Ausfall von Phosphorylase-b-Kinase innerhalb der Leber und der Muskulatur.
In Zusammenhang mit der Leberphosphorylase wurden die ursächlichen Mutationen auf dem PYGL-Gen lokalisiert und liegen damit am Chromosom 14q21 bis q22. Die kombinierte Leber-Muskel-Phosphorylase-Defizienz wird mit Mutationen im PHKB-Gen auf Locus 16q12-q13 in Zusammenhang gebracht. Für den X-chromosomalen Defekt der Leber-Phosphorylase-Kinase wurden ursächliche Mutationen im PHKA2-Gen auf Locus Xp22.2-p22.1 identifiziert. Auch andere Glykogenosen können die Induced-fit-Wirkung der entsprechenden Kinase aufheben oder erschweren.
Quellen
- Bisswanger, H.: Enzyme. Struktur, Kinetik und Anwendungen. Wiley-VHC, Weinheim 2015
- Clark, D.P.: Molecular Biology: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag., Heidelberg 2006
- Müller-Esterl, W.: Biochemie. Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, München, 2011