Lemierre-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Lemierre-Syndrom ist die Spätfolge einer bakteriellen Infektion mit anaeroben Bakterien im Rachenbereich, so zum Beispiel mit den Erregern der Mandelentzündung. Die Erkrankung führt zu einer Venenentzündung und regelmäßig septischen Embolien. Bei früher Diagnose findet eine Behandlung mit hochdosierten Breitbandantibiotika statt, die in späteren Stadien mit der Gabe von Gerinnungshemmern kombiniert wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Lemierre-Syndrom?

Im Anfangsstadium leiden Patienten mit Lemierre-Syndrom an Verspannungen im Nackenbereich und Halsschmerzen. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich eine Lethargie mit starken Fieberschüben und geschwollenen Halslymphknoten.
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Bakterielle Infektionen des Mund-Rachen-Raums können in der akuten Phase Entzündungsherde hervorrufen. Viele bakterielle Infektionen können allerdings auch lange nach dem Abheilen dieser akuten Symptome noch Beschwerden hervorrufen, also mit Spätfolgen assoziiert sein. Das Lemierre-Syndrom ist eine solche Spätfolge von bakteriellen Infektionen des Mund-Rachen-Bereichs.

Auch eine schlichtweg verschleppte, also nicht ausgebrochene Infektion kann mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. Das Syndrom ist auch als Nekrobazillose, als Postanginasepsis, Postangina-Septikämie oder postanginöse Sepsis bekannt. Bei einer Sepsis handelt es sich um eine systemische Entzündungsreaktion, die den gesamten Körper betrifft.

In den meisten Fällen manifestiert sich das Lemierre-Syndrom als eitrige Venenentzündung bevorzugt an der Vena jugularis und mündet in regelmäßig septische Embolien. 1900 beschrieben P. Courmant und A. Cade erstmals die Grundlage einer Infektion des Mundrachenraumes als auslösender Faktor einer späteren Sepsis erkannt. Der Name Lemierre-Syndrom geht auf den französischen Arzt André Alfred Lemierre zurück, der 1936 eine diesbezügliche Beschreibung und Fallstudie an 20 Patienten veröffentlichte.

Ursachen

Die Ursache für eine Sepsis im Sinne des Lemierre-Syndroms ist eine Infektion mit anaeroben Bakterien. Am häufigsten steht der Peritonsillarabszess mit dem Syndrom in Zusammenhang. Meist sind junge, offenbar gesunde Erwachsene von der Abszessbildung im Bereich der Tonsillen betroffen. Anaerobe Bakterien wie die Fusobakterien benötigen vermehren sich sauerstofflos in Abszessen und penetrieren beim Lemierre-Syndrom über den Abszess die Drosselvenen.

Lokale Entzündungen stellen sich ein und Blutgerinnsel entstehen, die eine Jugularisvenenthrombose hervorrufen und die Streuung von Bakterien über das Blutsystem unterstützen können. In der Peripherie verschließen so die Blutgefäße und rufen somit eine septische Embolie hervor. Grundsätzlich können alle anaeroben Bakterien das Syndrom hervorrufen. Es handelt sich nicht um die unmittelbare Folge einer bakteriellen Infektion im Akutstadium, sondern eher um die Folge einer verschleppten Infektion mit anaeroben Bakterien.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Im Anfangsstadium leiden Patienten mit Lemierre-Syndrom an Verspannungen im Nackenbereich und Halsschmerzen. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich eine Lethargie mit starken Fieberschüben und geschwollenen Halslymphknoten. Die Symptome gleichen bis dahin denen einer starken Grippe.

Einige Tage oder eine Woche nach dem Eintritt der ersten Symptome stellen sich durch die starke Vermehrung der anaeroben Bakterien Leber- und Nierendysfunktionen ein. Diese Symptome sind oft mit Durchfall, Erbrechen und Hautausschlägen vergesellschaftet. Die fortschreitende Bakteriämie führt zu einer Sepsis mit systemischen Entzündungsreaktionen und Fieberschüben.

Die Bildung von Blutgerinnsel in den Gefäßen ist eine häufige Erscheinung, da der Bakterienbefall der Venen die Gefahr der Thromben-Bildung erhöht. Eine Lungenembolie ist im Spätstadium die häufigste Komplikation des Lemierre-Syndroms. Oft befinden sich die Patienten im späten Stadium in einem derart schlechten Zustand, dass die Lungenembolie kaum noch wahrgenommen wird. Von den 20 durch Lemierre beschriebenen Fällen verstarben sieben an den Folgen des Syndroms.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Krankheitsbild des Lemierre-Syndroms ähnelt einer starken Grippe und wird daher häufig zu spät mit der erforderlichen Behandlung therapiert. Da auch einige Infektionen der Herzklappen mit einem ähnlichen Verlauf assoziiert sind, ist die zeitige und richtige Diagnosestellung eine Herausforderung. Entscheidend ist für die Diagnose des Lemierre-Syndroms vor allem die kombinierte Betrachtung aller klinischen Symptome unter der Veranlassung einer Blutkultur.

In den Laboruntersuchungen können sich erste Anzeichen für eine bakterielle Infektion zeigen, so zum Beispiel erhöhtes C-reaktives Protein oder Neutrophilie. Die Jugularisvenenthrombose des Lemierre-Syndroms wird durch Ultraschall, CT oder MRT nachgewiesen. Dasselbe gilt auch für Syndrom-assoziierte Thrombosen. Unmittelbar nach der Diagnose muss eine entsprechende Behandlung begonnen werden.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es beim Lemierre-Syndrom in erster Linie zu gewöhnlichen Beschwerden einer Grippe. Die Betroffenen leiden dabei an Fieber und an Husten. Weiterhin kann es auch zu Verspannungen am Nacken oder am Rücken kommen. Auch die Lymphknoten schwellen an und die Beschwerden entwickeln sich dabei zu einer starken Grippe.

Ohne Behandlung kann es durch das Lemierre-Syndrom auch zu Beschwerden an der Leber oder an den Nieren kommen, sodass der Betroffene im schlimmsten Fall eine Niereninsuffizienz erleidet. Es treten auch Ausschläge auf der Haut und die Betroffenen haben mit Erbrechen und Durchfall zu kämpfen. Nicht selten kommt es auch zu einer Lungenembolie, die unbehandelt ebenfalls zum Tod führen kann.

Die Lebensqualität des Patienten wird durch das Lemierre-Syndrom erheblich eingeschränkt und verringert. In vielen Fällen werden die Beschwerden des Syndroms stark unterschätzt, weswegen die Behandlung oftmals verzögert erfolgt. Falls die Behandlung früh eingeleitet wird, können die Beschwerden gut bekämpft werden. Auch Folgeschäden treten nicht auf und das Lemierre-Syndrom verringert nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Symptome wie Verspannungen, Halsschmerzen und Grippeanzeichen deuten auf das Lemierre-Syndrom hin. Ärztliche Hilfe ist notwendig, wenn sich die Symptome zu einer Grippe entwickeln. Sollten weitere Beschwerden hinzukommen, ist ebenfalls ärztlicher Rat gefragt. Wenn die Beschwerden nach drei Tagen nicht abgeklungen sind, muss mit der Erkrankung zu einem Mediziner gegangen werden. Falls sich Nieren- oder Leberbeschwerden einstellen, ist noch am selben Tag ärztlicher Rat einzuholen. Andernfalls kann sich ein schmerzhafter Hautausschlag einstellen, der von Erbrechen und Durchfall begleitet wird. In schweren Fällen kann sich eine lebensbedrohliche Lungenembolie entwickeln.

Patienten, bei denen ein Peritonsillarabszess festgestellt wurde, sind besonders gefährdet, am Lemierre-Syndrom zu erkranken. Auch lokale Entzündungen gehören zu den Risikofaktoren. Personen, die zu entsprechenden Risikogruppen gehören, sprechen am besten umgehend mit dem zuständigen Arzt. Schwangere, Kinder sowie kranke und ältere Menschen sollten beunruhigende Symptome ohnehin rasch abklären und gegebenenfalls behandeln lassen. Neben dem Hausarzt kann mit dem Lemierre-Syndrom zu einem Gastroenterologen und zu einem Dermatologen gegangen werden.

Behandlung & Therapie

Wenn die Diagnose auf das Lemierre-Syndrom rechtzeitig genug gestellt wird, kann der Arzt daraufhin eine konservative Behandlung mit hochdosierten Breitbandantibiotika veranlassen. Diese Behandlung schlägt nur im Anfangsstadium des Lemierre-Syndroms an und ist daher auf eine möglichst frühe Diagnosestellung der Erkrankung angewiesen.

Oft behandeln Ärzte alle Patienten mit Halsschmerzen und Anzeichen einer Bakteriämie mit hochdosiertem Breitbandantibiotikum, auch wenn das Lemierre-Syndrom als Diagnose noch nicht gesichert wurde. Dieses Vorgehen ist deshalb erforderlich, weil eine verspäte Behandlung des Syndroms in den meisten Fällen lebensbedrohliche Konsequenzen hat und aus diesem Grund intensivmedizinische Therapie erfordert.

Je später das Syndrom erkannt wird, desto höher liegt die Mortalität. Wenn rechtzeitig eine angemessene Behandlung erfolgt, beträgt die Mortalität wiederum unter fünf Prozent. Bislang gibt es zur Behandlung des Lemierre-Syndroms kaum Langzeitstudien. Aus diesem Grund ist derzeit unklar, ob eine chirurgische Entfernung der thrombosierten Jugularisvene eine sinnvolle Behandlungsoption ist.

Genauso wenig ist bislang klar, ob die Patienten von einer lebenslangen Gabe gerinnungshemmender Medikamente profitieren könnten. Die Gabe von Gerinnungshemmern wird bisher zumindest im Spätstadium der Erkrankung durchgeführt, um Komplikationen wie der Lungenembolie vorzubeugen.


Aussicht & Prognose

Die Prognosestellung erfolgt bei dem Lemierre-Syndrom nach Einschätzung des Krankheitsfortschritts. Obgleich aufgrund der medizinischen Entwicklungen sich die Behandlungsmaßnahmen erheblich verbessert haben, kann es dennoch zu einem tödlichen Krankheitsverlauf kommen. Bis heute liegt die Sterblichkeitsrate bei 10 Prozent.

Bei einer späten Diagnosestellung hat sich das Bakterium im Organismus bereits stark ausgebreitet und teils irreparable Schäden ausgelöst. Das körpereigene Immunsystem ist geschwächt und kann sich gegen die Krankheitserreger nicht mehr erfolgreich erwehren. Bei einem Behandlungsbeginn bereits im Anfangsstadium der Erkrankung ist die Prognose zumeist günstig. In einer medikamentösen Behandlung kann die Ausbreitung der Bakterien verhindert werden. Zudem schaffen es bakterientötende Mittel, das Absterben des Krankheitserregers zu erwirken. Innerhalb weniger Wochen wird im Normalfall der Patient als genesen aus der Behandlung entlassen.

Ein erhöhtes Risiko entsteht, wenn sich Eiter in den Lungen oder am Hals bildet. Zur Vermeidung einer Sepsis werden operative Eingriffe durchgeführt. Andernfalls kann der Betroffene aufgrund der Blutvergiftung versterben. Jede Operation ist mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Bei der Prognosestellung ist dieser Umstand zu berücksichtigen. Im Normalfall handelt es sich um einen Routineeingriff, der ohne weitere Komplikationen unter Störungen verläuft. Der Patient wird entsprechend nach der Wundheilung als geheilt aus der Behandlung entlassen.

Vorbeugung

Dem Lemierre-Syndrom lässt sich nicht vollumfänglich vorbeugen. Allerdings trägt die fachmännische Behandlung von Hals-Nasen-Ohren-Entzündungen vermutlich zur Vermeidung bei. Vor allem die Erreger der Mandelentzündung werden ursächlich mit dem Syndrom in Verbindung gebracht. Daher ist die rechtzeitige Behandlung und das Auskurieren solcher Entzündungen und Infektionen im weitesten Sinne als Vorbeugemaßnahme zu bezeichnen.

Nachsorge

Oftmals sind die Maßnahmen der Nachsorge beim Lemierre-Syndrom sehr eingeschränkt. Hierbei sollte in erster Linie schon frühzeitig ein Arzt aufgesucht werden, damit keine weiteren Komplikationen mehr auftreten können. Dadurch kann auch eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindert werden, sodass der Betroffene schon bei den ersten Symptomen oder Anzeichen des Lemierre-Syndroms einen Arzt aufsuchen sollte.

In den meisten Fällen kann die Krankheit relativ gut mit Hilfe von verschiedenen Medikamenten behandelt werden. Dabei kommt es auch nicht zu weiteren Komplikationen. Der Betroffene sollte bei der Einnahme der Medikamente auf eine richtige Dosierung und weiterhin auch auf eine regelmäßige Einnahme achten, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern.

Dabei sind regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt sehr wichtig, um die Beschwerden dauerhaft zu überwachen. Es kommt nur sehr selten zu einer verringerten Lebenserwartung. Bei der Einnahme von Antibiotika sollte beachtet werden, dass diese nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden, da ihre Wirkung sonst gemindert wird. Häufig benötigen Betroffene des Lemierre-Syndroms Unterstützung und Pflege durch die Familie und Freunde, welche sich positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit auswirken kann.

Das können Sie selbst tun

Das Lemierre-Syndrom kann zwar durch eine alltägliche Selbsthilfe nicht geheilt werden, eine Linderung der Begleitsymptome ist aber durchaus möglich.

Betroffene neigen zur Lethargie, die überwunden werden muss. Vor allem regelmäßige Bewegung ist wichtig, auch wenn sie durch die Symptome schwierig erscheint. Allerdings beugt eine regelmäßige Mobilisation Blutgerinnseln vor, weshalb sie routiniert werden sollte. Gegen Fieberschübe helfen die üblichen Hausmittel, wie Wadenwickeln oder ein kalter Lappen auf der Stirn. Viel Ruhe und Dunkelheit kann von Betroffenen ebenfalls als angenehm empfunden werden. Weiterhin leiden Betroffene unter Durchfall und Erbrechen. Dementsprechend wichtig ist eine angemessene Flüssigkeitszufuhr, da sonst die Gefahr einer Dehydration besteht. In Bezug auf den Durchfall eignet sich eine Ernährungsumstellung als Alltagshilfe. Vor wichtigen Terminen kann auf eine Nahrungsaufnahme verzichtet werden. Generell sollten Patienten auf Schonkost umstellen.

Zu Beginn der Erkrankung kommt es häufig zu Nackenschmerzen, bei denen Wärme oft als angenehm und lindernd empfunden wird. Die auftretenden Halsschmerzen können mit Honig bekämpft werden. Schonende Tees empfehlen sich ebenfalls, allerdings sollte darauf geachtet werden, dass sie dem Körper keine Flüssigkeit entziehen. Im Allgemeinen ähneln die Symptome denen einer Grippe. Aus diesem Grund bieten sich alltägliche Selbsthilfestrategien bei einer Grippeerkrankung auch für die Reduktion von Begleiterscheinungen des Lemierre-Syndroms an.

Quellen

  • Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015

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