Maroteaux-Lamy-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Maroteaux-Lamy-Syndrom zählt zu den Mukopolysaccharidosen, die verschiedene, lysosomale Speicherkrankheiten umfassen. Das Syndrom geht auf eine genetische Mutation zurück, die eine unzureichende Enzymaktivität zur Folge hat und zu Dermatinsulfat-Einlagerungen führt. Die Therapie besteht vorwiegend aus Enzymersatztherapien.
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Was ist das Maroteaux-Lamy-Syndrom?
Die Mukopolysaccharidosen sind eine eigenständige Gruppe von Erkrankungen, die lysosomale Speicherkrankheiten beinhalten. Lysosomale Speicherkrankheiten gibt es rund Stück. Bei allen davon handelt es sich um genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen, die Fehlfunktionen des Lysosoms zur Ursache haben. Eine dieser Erkrankungen ist das sogenannte Maroteaux-Lamy-Syndrom. Die angeborene Stoffwechselstörung führt zu einer Speicherung von Dermatinsulfaten.
Als Synonyme gelten die Ausdrücke Mukopolysaccharidose Typ VI, Arylsulfatase-B-Mangel, ARSB-Mangel und ASB-Mangel sowie N-Acetylgalactosamin-4-Sulfatase-Mangel. Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung im Jahre 1963. Als Erstbeschreiber gelten die Pariser Humangenetiker und Kinderärzte P. Maroteaux und M. Lamy.
Die Prävalenz der Erkrankung liegt bei zwischen einem und neun Betroffenen unter 100.000 Menschen. Familiäre Häufung wurde an den bisher dokumentierten Fällen beobachtet. Die Vererbung des Syndroms erfolgt autosomal-rezessiv. Eine genetische Mutation gilt als Ursache der Erkrankung.
Ursachen
Eine Mutation der Gene soll eine abnormale Aktivität der mutierten Arylsulfatase B zur Folge haben, die auch als ASB oder N-Acetylgalactosamin-4-Sulfatase bekannt ist. Die Aktivität der Substanz reduziert sich im Rahmen der Mutation. Aufgrund dieser Reduzierung kommt es zu Störungen beim Abbau von Stoffen wie Chondroitinsulfat und Dermatansulfat. Da die Stoffe wegen der ursächlichen Mutation nicht mehr in hinzureichendem Maß abgebaut werden, lagert der Körper Reste der Substanzen ein.
Die typischen Symptome des Maroteaux-Lamy-Syndroms sind eine Folge dieser Einlagerung. Ob bei der Entstehung der Mutation neben genetischen Faktoren auch äußere Einflüsse eine Rolle spielen, ist bislang nicht bekannt. Zumindest für Neumutationen lässt sich allerdings davon ausgehen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Patienten mit Maroteaux-Lamy-Syndrom leiden an einem Komplex aus klinisch charakteristischen Kriterien. Zu den wichtigsten Symptomen zählt ein disproportional wirkender Minderwuchs, der sich durch einen kurzen Rumpf auszeichnet. Die Disproportionalität der Patienten ist mit einem vergröberten Gesicht vergesellschaftet, das an die Symptome des Morbus Hurler erinnert.
In den meisten Fällen ist die Hornhaut der Patienten eingetrübt. Zusätzlich können Hepatosplenomegalien, Hernien oder Kontrakturen der Gelenke vorliegen. Die Herzklappen der Patienten verdicken sich aufgrund der Ablagerungen zunehmend. Darüber hinaus kann eine Dysplasie des Skeletts vorliegen, die der von Patienten mit Dysostosis multiplex ähnelt.
Sowohl das klinische Bild, als auch der Verlauf des Syndroms gelten als variabel und individuell. Neben langsamen Verläufen wurden auch schnelle Verläufe dokumentiert. Wenn sich die ersten Symptome schon unmittelbar nach der Geburt manifestieren, spricht dieses Phänomen für einen eher schnellen Verlauf.
Das gilt vor allem für eine Erhöhung von Gykosaminoglycan im Urin, für starke Dysostosis multiplex und manifesten Kleinwuchs. Betroffene mit einem langsamen Verlauf zeigen meist wesentlich später erste Symptome. Die GAG-Erhöhung ist wesentlich geringer und die Dysostosis multiplex deutlich milder.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Das Maroteaux-Lamy-Syndrom muss sich nicht zwingend unmittelbar nach der Geburt manifestieren und wird in vielen Fällen erst später diagnostiziert, wenn sich die ersten Symptome zeigen. Die Diagnose beruht auf den klinisch typischen Kriterien der Erkrankung und basiert damit vor allem auf einer wesentlich verminderten ASB-Aktivität, die sich an kultivierten Fibroblasten und Leukozyten nachvollziehen lässt.
Eine normale Aktivität liegt dagegen im Bezug auf andere Sulfatasen vor. Im Urin erbringt der Arzt im Rahmen der Diagnostik außerdem einen Nachweis über vermehrt ausgeschiedenes Dermatansulfat. Differentialdiagnostisch muss das Maroteaux-Lamy-Syndrom vor allem vom multiplen Sulfatase-Mangel und von anderen Formen der Mukopolysaccharidose abgegrenzt werden. Auch Sialidose oder Mukolipidose sind differentialdiagnostisch relevante Erkrankungen. Die Prognose der Patienten variiert von Fall zu Fall und hängt vor allem vom Manifestationsalter und der Stärke der ersten Symptome ab.
Komplikationen
Weiterhin sind durch das Maroteaux-Lamy-Syndrom auch die Herzklappen geschädigt und deplatziert, sodass es zu Beschwerden oder zu Einschränkungen am Herzen kommen. In einigen Fällen wird dadurch auch die Lebenserwartung des Patienten verringert, sodass es zu einem Herztod kommen kann. Eine kausale Behandlung dieses Syndroms ist nicht möglich. Aus diesem Grund zielt die Behandlung vor allem auf die Einschränkung und Bekämpfung der Symptome ab, sodass der Betroffene ein gewöhnliches Leben führen kann.
Unter Umständen ist auch eine psychologische Behandlung notwendig. Besondere Komplikationen treten dabei nicht ein, wobei allerdings nicht alle Beschwerden vollständig eingeschränkt werden können. In der Regel wird auch die Lebenserwartung durch das Maroteaux-Lamy-Syndrom nicht verringert, wenn es nicht zu Beschwerden am Herzen kommt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Zeichnen sich bei einem heranwachsenden Kind Störungen oder Veränderungen innerhalb des körperlichen Entwicklungsprozesses ab, muss ein Arzt aufgesucht werden. Bei einem deutlichen Minderwuchs oder einer Fehlbildung des Skelettsystems benötigt das Kind medizinische Hilfe. Sind im direkten Vergleich zu gleichaltrigen Kindern Auffälligkeiten oder Besonderheiten der Körperform zu erkennen, sollte zur Abklärung der Beschwerden ein Arzt konsultiert werden. Störungen der Bewegungsabläufe oder der allgemeinen Motorik sind einem Arzt vorzustellen. Bei einer Trübung der Hornhaut oder einer verminderten Sehkraft wird ebenfalls ein Arzt benötigt. Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus weisen auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung hin, die in verschiedenen medizinischen Tests untersucht werden müssen.
In den meisten Fällen lassen sich erste Auffälligkeiten der Erkrankung aufgrund der Veränderungen des Skelettsystems unmittelbar nach der Geburt erkennen. Da die Säuglinge nach der Niederkunft von dem anwesenden Arzt umfangreich untersucht werden, besteht hier kein Handlungsbedarf der Eltern. Treten in den ersten Lebenswochen oder Monaten Beschwerden wie Erbrechen oder Schmerzen, muss ein Arzt konsultiert werden. Schreit und weint das Kind ununterbrochen, ist dies ein Anzeichen einer Unregelmäßigkeit, die abklärt werden muss. Bei einer Atemnot oder einem akuten gesundheitsbedrolichem Zustand ist ein Rettungsdienst zu alarmieren. Bis zu dessen Eintreffen sind Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten, um das Überleben des Kindes zu sichern.
Behandlung & Therapie
Eine ursächliche Therapie steht für Patienten des Maroteaux-Lamy-Syndrom im engeren Sinn nicht zur Verfügung, da die veränderte Enzymaktivität der Betroffenen an einer genetischen Mutation liegt, die ausschließlich durch eine Gentherapie behoben werden könnte. Allerdings steht mit der Enzymersatztherapie im weitesten Sinne doch eine Therapieart zur Verfügung, die die Symptome der Erkrankung an ihrem Ursprung angeht.
Bei der Enzymersatztherapie erhalten die Patienten Galsulfase im Sinne von Naglazymen. Dieser Enzymersatz hat einen besseren Abbau der relevanten Substanzen zur Folge und verzögert damit den Krankheitsverlauf. Die bisher eingetretenen Symptome lassen sich allerdings nicht vollumfänglich rückgängig machen. Herzklappenverdickungen werden gegebenenfalls symptomatisch behandelt und können unter bestimmten Umständen einen operativen Ersatz der Herzklappen erfordern.
Akute Hernien werden mittels Taxis behandelt. Das Ziel ist eine Reposition, die den Arzt Zeit für eine operative Lösung gewinnen lässt. Starke Hornhauttrübungen mit der Folge der Erblindung können durch ein Hornhauttransplantat unter Umständen rückgängig gemacht werden. Symptome wie der Minderwuchs lassen sich letztlich nicht rückgängig machen, treten bei einer frühen Versorgung mit einem Enzymersatzmedikament aber oft nur in milder Form ein.
Aussicht & Prognose
Diese selten auftretende Erkrankung tritt mit einem breiten Spektrum an Erscheinungs- und Verlaufsformen auf. Dank des individuellen Verlaufs und der unterschiedlichen Ausprägung des Maroteaux-Lamy-Syndroms bzw. der Mukopolysaccharidose Typ 6 ist es in der Regel schwer, eine sichere Prognose für einen bestimmten Patienten abzugeben.
Generell gilt, dass die Prognose schlechter ist, wenn sich die ersten Symptome des Maroteaux-Lamy-Syndroms bereits kurz nach der Geburt zeigen. Das spricht meist für einen schnelleren Verlauf der Erkrankung.
Folglich lässt sich sagen, dass das Alter der Betroffenen ebenso einen Schluss auf die zu erwartende Prognose zulässt, wie der Zeitpunkt, an dem die ersten Symptome des Maroteaux-Lamy-Syndroms auftraten. Außerdem hängen die Aussichten für den Patienten auch von der Qualität der Behandlung ab. Der Zeitpunkt, an dem die Enzymersatz-Therapie eingeleitet wurde, ist oft entscheidend.
Die Enzymersatz-Therapie kann Substanzen wie Chondroitinsulfat und Dermatansulfat abbauen. Sie verlangsamt somit den Verlauf der Erkrankung. Problematisch ist aber, dass bereits entstandene Schädigungen im Organismus meist nicht reversibel sind. Das mindert die Lebensqualität, kann aber auch ein früheres Versterben der Betroffenen zur Folge haben. Der Verlauf des Maroteaux-Lamy-Syndroms kann bei frühem Auftreten rasant sein. Der Patient kann aber auch gut auf die verabreichten Medikamente ansprechen. In diesem Fall wird das Maroteaux-Lamy-Syndrom entsprechend langsam verlaufen.
Vorbeugung
Bislang sind keine äußeren Faktoren für die Entstehung des Maroteaux-Lamy-Syndroms bekannt. Die einzige Vorbeugemaßnahme besteht derzeit in genetischer Beratung bei der Familienplanung.
Nachsorge
Da die Behandlung des Maroteaux-Lamy-Syndroms komplex und andauernd ist, entfällt eine klassische Nachsorge. Vielmehr sollten sich Betroffene auf einen sicheren Umgang mit der Erkrankung konzentrieren und trotz der Widrigkeiten eine positive Haltung aufbauen. Dazu können Entspannungsübungen und Meditation helfen, den Geist zu beruhigen und zu fokussieren. Da Minderwuchs mit einer Verringerung der Ästhetik einhergeht, sollten auftretende Minderwertigkeitskomplexe und ein schwaches Selbstwertgefühl gegebenenfalls mit einem Therapeuten besprochen werden. Dieser kann dabei helfen, die Erkrankung besser anzunehmen und langfristig die Lebensqualität zu steigern.
Das können Sie selbst tun
Möglichkeiten der Selbsthilfe stehen dem Betroffenen beim Maroteaux-Lamy-Syndrom nicht zur Verfügung. Die Krankheit kann ausschließlich symptomatisch behandelt werden, eine ursächliche Therapie kann hierbei nicht erfolgen.
Um die Beschwerden der Erkrankung zu lindern, sind die Betroffenen auf die Einnahme von Enzymen und verschiedenen Medikamenten angewiesen. Hierbei sollte auf eine regelmäßige und verordnete Einnahme geachtet werden. In schweren Fällen sind allerdings operative Eingriffe am Herzen notwendig. Um das Herz nicht unnötig zu belasten, sollten unnötige Anstrengungen vermieden werden. Dies gilt vor allem für plötzlich einsetzende oder abrupte Belastungen.
Sollte beim Patienten oder bei den Eltern ein weiterer Kinderwunsch bestehen, so kann hierbei eine genetische Beratung sinnvoll sein, um das erneute Auftreten des Maroteaux-Lamy-Syndroms zu verhindern. Häufig können Gespräche mit den engsten Vertrauten oder mit Freunden psychische Beschwerden oder Depressionen lindern. Auch der Kontakt zu anderen Patienten des Maroteaux-Lamy-Syndroms wirkt sich häufig sehr gut auf die Erkrankung aus und kann dabei zu einem Informationsaustausch beitragen, der eventuell die Lebensqualität des Betroffenen erhöhen kann. Eine vollständige Heilung des Syndroms kann jedoch nicht erreicht werden.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013