Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter einem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom wird eine angeborene Fehlbildung verstanden, die ausschließlich bei Frauen auftritt. Dabei besitzen die Patientinnen keine Scheide, sodass sie keinen Geschlechtsverkehr ausüben können.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom?

Die genauen Ursachen des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms sind unbekannt. Es wird vermutet, dass eine Chromosomenstörung besteht, die eine Fehlbildung der Müllerschen Gänge nach sich zieht.
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Das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom ist auch als MRKH-Syndrom oder Küster-Hauser-Syndrom bekannt. Gemeint ist damit eine genitale Fehlbildung bei Frauen, die keine Scheide besitzen. Ohne eine Behandlung ist für sie kein vaginaler Geschlechtsverkehr möglich.

Durch moderne medizinische Methoden besteht jedoch die Option einer funktionstüchtigen Neovagina. Nicht betroffen vom MRKH-Syndrom ist die Ovarialfunktion, wodurch sich die sekundären Geschlechtsmerkmale normal entwickeln können. Die Angaben über die Häufigkeit des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms sind unterschiedlich und schwanken zwischen 1:10.000 und 1:4500.

In der Medizin wird das MRKH-Syndrom in unterschiedliche Formen eingeteilt. Dabei handelt es sich um das isolierte MRKH-Syndrom Typ I, das MRKH-Syndrom Typ II sowie das atypische Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom. Beim isolierten MRKH Typ 1 besteht ein kongenitales Fehlen von Scheide und Gebärmutter.

Vom MRKH Typ II ist die Rede, wenn weitere Fehlbildungen vorliegen. Das atypische Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom wird autosomal-dominant vererbt. Dabei kommt es zu Mutationen am WNT4-Gen auf dem Chromosom 1.

Ursachen

Die genauen Ursachen des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms sind unbekannt. Es wird vermutet, dass eine Chromosomenstörung besteht, die eine Fehlbildung der Müllerschen Gänge nach sich zieht. Durch diese Hemmungsfehlbildung bleibt die Kanalisierung des Genitalstrangs im zweiten Embryonalmonat aus.

Dies bewirkt wiederum eine genetisch bedingte Unterentwicklung (Hypoplasie) oder eine komplette Nichtausbildung (Aplasie) von Scheide und Gebärmutter. Das MRKH-Syndrom zeigt sich nur beim weiblichen Geschlecht. Die betroffenen Frauen besitzen keine Scheide und können deswegen keinen vaginalen Geschlechtsverkehr ausüben. Dennoch ist ihr Erscheinungsbild normal weiblich.

So verfügen sie über eine normale Libido und besitzen die Fähigkeit zu einem Orgasmus. Weil auch die Gebärmutter nur rudimentär oder sogar überhaupt nicht vorhanden ist, sind die betroffenen Frauen nicht in der Lage Kinder zur Welt zu bringen. Die Eierstöcke (Ovarien) werden dagegen vom MRKH-Syndrom nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Es ist zwar möglich, dass das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom isoliert vorkommt, doch zeigt es sich häufiger in Verbindung mit Fehlbildungen an den Nieren und Wirbeln. In manchen Fällen leiden die Patientinnen auch unter Defekten am Gehör sowie am Herzen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bemerkbar macht sich das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom normalerweise erst in der Pubertät. Bis zu diesem Zeitpunkt treten in der Regel kaum Beschwerden auf. Als erstes Anzeichen des MRKH-Syndroms gilt eine primäre Amenorrhoe, bei es zum Ausbleiben der monatlichen Regelblutung kommt.

Von einer primären Amenorrhoe ist die Rede, wenn noch keine Regelblutung stattgefunden hat. Außerdem leiden die Betroffenen unter Problemen beim Geschlechtsverkehr. So ist dieser bei ihnen kaum möglich. Aufgrund der Funktionsfähigkeit der Eierstöcke bilden sich Busen, Vulva und weiblicher Habitus normal aus. Allerdings liegt eine primäre Sterilität vor.

Nicht selten wird das MRKH-Syndrom von Fehlbildungen innerhalb des harnableitenden Systems begleitet. Dabei kann es sich um eine Nierenagenesie, Doppelureteren oder Hufeisennieren handeln. Unter einer Nierenagenesie verstehen Mediziner die ausbleibende Entwicklung an einer Niere oder sogar an beiden Nieren, während sich bei einer Hufeisenniere die unteren Nierenpole beider Nieren miteinander verschmelzen.

Ungefähr 10 bis 20 Prozent aller Patientinnen leiden zudem unter Anomalien an ihrem Skelett. Weitere mögliche Symptome des MRKH-Syndroms sind Hernien, hochstehende Eierstöcke sowie eine Schallleitungsschwerhörigkeit. In der Kindheit kann es zu Leistenbrüchen kommen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms erfolgt durch verschiedene Untersuchungen. Zunächst befasst sich der behandelnde Arzt mit der Krankengeschichte der Patientin, anschließend führt er eine körperliche Untersuchung durch, bei der er eine genaue Abtastung des Körpers vornimmt. Wertvolle Aufschlüsse liefert zudem die Sonographie (Ultraschalluntersuchung).

Da das Risiko von begleitenden Fehlbildungen besteht, finden in der Regel auch orthopädische und urologische Untersuchungen statt. Als wichtig gilt außerdem eine Differentialdiagnose zum Pseudohermaphroditismus masculinus (Androgynie).

Ohne eine Behandlung ist die Ausübung von vaginalem Geschlechtsverkehr trotz normalem Erscheinungsbild für die betroffenen Frauen nicht möglich. Dies führt bei ihnen oft zu starken psychischen Druck. Mithilfe einer plastischen Operation kann die Betroffene jedoch eine Neovagina erhalten.

Komplikationen

Falls eine Frau am Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom leidet, kann diese keine Geschlechtsverkehr ausüben. In der Regel stellt dieses Syndrom keine besondere gesundheitliche Beeinträchtigung dar, sodass es in der Regel auch nicht zu einer verringerten Lebenserwartung kommt. Bei den Betroffenen stellt sich keine Regelblutung ein. Durch das nahezu nicht vorhandene Sexualleben kann zu Komplikationen mit dem eigenen Partner kommen, was zu psychischen Beschwerden führen kann.

Nicht selten leiden die Betroffenen aufgrund des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms an Minderwertigkeitskomplexen oder an Schamgefühlen. Dabei kommt es auch nicht selten zu einer sozialen Ausgrenzung oder zu Depressionen. Ebenso sind die Patientinnen steril und können keine Kinder bekommen, was sich ebenfalls sehr negativ auf die Psyche auswirken kann. In vielen Fällen ist das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom mit verschiedenen anderen Fehlbildungen verbunden, sodass es zu Beschwerden an den Nieren kommen kann.

Auch das Skelett selbst kann von Anomalien betroffen sein, die den Alltag einschränken können. Das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom kann behandelt werden, sodass die Betroffene am Geschlechtsverkehr wieder teilnehmen kann. Komplikationen treten dabei nicht auf und die Beschwerden können in der Regel vollständig bekämpft werden. Auch die Lebenserwartung wird durch dieses Syndrom nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Im Normalfall wird die Erkrankung bereits kurz nach der Geburt diagnostiziert. Da bei einer stationären Geburt das Helferteam, bestehend aus Krankenschwestern und Ärzten, automatisch die ersten Untersuchungen bei dem Säugling vornimmt, fallen die Unregelmäßigkeiten in diesen Tests und Kontrollen auf.

Kommt es zu einer Geburt in einem Geburtshaus oder einer Hausgeburt, übernehmen Hebammen diese Aufgabe und leiten alle weiteren Schritte für eine ausführliche Untersuchung ein. Die Eltern müssen in diesen Fällen nicht aktiv werden, da sie von geschultem Personal umgeben sind. Bei einer Spontangeburt ohne die Anwesenheit von medizinisch ausgebildeten Mitarbeitern sollte unmittelbar im Anschluss an die Niederkunft ein Arzt aufgesucht werden.

Sollte es im Säuglingsalter aus verschiedenen Gründen zu keiner Diagnosestellung kommen, gibt es im Verlauf des Lebens weitere Hinweise, denen nachgegangen werden muss. Stellt sich im weiteren Entwicklungsprozess des Mädchens keine Monatsblutung ein, ist dies ein Anzeichen einer vorliegenden Erkrankung. Ein Arztbesuch ist erforderlich, damit die Ursache ermittelt wird. Kommt es zu Auffälligkeiten des Skelettsystems oder vermehrt zu Leistenbrüchen, wird ein Arzt benötigt. Eine vorliegende Schwerhörigkeit ist ebenfalls ein Symptom des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms und sollte medizinisch abgeklärt werden.

Behandlung & Therapie

Zur Behandlung des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms sind sowohl konservative als auch operative Therapieoptionen möglich. Zu den konservativen Behandlungen gehört die sogenannte Dehnung nach Frank. Bei diesem Verfahren erfolgt die Dehnung der Scheide durch einen Dilatator. Allerdings gilt die Methode als sehr schmerzhaft, sodass die Patientin über ein entsprechendes Maß an Bereitschaft verfügen muss.

Darüber hinaus stehen auch verschiedene operative Therapien zur Verfügung. Dazu gehören die Neovagina nach Vecchietti, die Peritonealscheide, die Darmscheide sowie die Epidermisscheide nach McIndoe. Die Neovagina-Operation nach Vecchietti zählt zu den minimal-invasiven Verfahren. Bei diesem Eingriff bringt der Chirurg ein sogenanntes Phantom in das Scheidengrübchen ein.

An diesem Phantom befestigt er anschließend mit einem Laparoskop zwei Fäden. Durch die Bauchdecke hindurch führt er sie bis zu einem Spannapparat. Für vier bis sechs Wochen behält dieser Apparat seine Position auf dem Bauch. Via Zugkraft wird die Vagina vom Spannapparat in Richtung Bauchhöhle gestreckt und auf diese Weise zehn bis zwölf Zentimeter verlängert.

Zur weiteren Dehnung der Scheide kommen Dilatatoren zum Einsatz. In den meisten Fällen ist es möglich, dass die Patientin wieder ein normales Sexualleben führen kann. So reagiert die Neovagina wie eine herkömmliche Scheide und weitet sich beim Geschlechtsverkehr.


Aussicht & Prognose

Die Behandlung für die Fehlbildung mit der Bezeichnung Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom betrifft nur Frauen. Das Syndrom kann sowohl operativ als auch konservativ behandelt werden. Alle bisher bekannten Verfahren sind für die Betroffenen schmerzhaft und unangenehm. Sie sind zudem potenziell riskant, da im Intimbereich Verletzungen entstehen können. Ohne diese Eingriffe ist die Prognose für ein normales Sexualleben jedoch schlecht.

Zu den operativen Verfahren, mit denen das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom behoben wird, gehören die Epidermis-Scheiden nach McIndoe, die Darmscheiden, die Peritoneal-Scheiden und die Neovagina nach Vecchietti. Bei drei dieser OP-Verfahren ist es für die Betroffenen aber notwendig, postoperativ ein sogenanntes Phantom zu tragen. Dieses soll Einschrumpfungen der operierten Scheide verhindern.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine neue Operationsmethode für das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom entwickelt. 2006 wurde vier Frauen mit dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom eine neue Vagina eingepflanzt. Diese war zuvor aus eigenen Genitalgewebe-Zellen im Labor gezüchtet worden. Das medizinische Fachmagazin "The Lancet" berichtete 2014 erstmals über den Erfolg der Operation.

Diese neue Operationsmethode lässt hoffen, dass sich die Aussicht auf ein normales Leben zukünftig besser verwirklichen lässt. Die Anlage eigener Hautzellkulturen stellt allerdings ein sehr aufwendiges und kostenträchtiges Verfahren dar. Dennoch lässt die neue Operationsmethode offen, dass sich die Prognose für Frauen mit dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom zukünftig noch weiter verbessern lässt.

Vorbeugung

Präventionsmaßnahmen gegen das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom gibt es nicht. So ließen sich die genauen Ursachen der angeborenen Fehlbildung nicht ergründen.

Nachsorge

Da es sich beim Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom um eine angeborene Krankheit handelt, kann dieses in der Regel auch nicht vollständig durch einen Arzt behandelt werden. Der Betroffene ist auf eine schnelle und vor allem auf eine frühzeitige Diagnose und Erkennung der Krankheit angewiesen, damit weitere Komplikationen verhindert werden können. Viele Patientinnen leiden aufgrund der Erkrankung an Minderwertigkeitskomplexen oder an einem deutlich verringerten Selbstwertgefühl. Mitunter kann es helfen, dies mit einem Psychologen professionell abzuklären und eine Therapie einzuleiten. Das Ziel der Nachsorge liegt darin, die Situation anzunehmen und einen besseren Umgang mit der Krankheit zu fördern. Eine positive Haltung trägt zum Genesungsprozess bei. Der weitere Verlauf hängt dabei jedoch sehr stark vom Zeitpunkt der Diagnose ab, sodass dabei keine allgemeine Voraussage erfolgen kann.

Das können Sie selbst tun

Es ist in der Regel nicht möglich das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom durch Mittel der Selbsthilfe zu behandeln. Die konservative Behandlung durch die Dehnung der Scheide ist mit sehr starken Schmerzen verbunden und wird durch einen Arzt durchgeführt.

Allerdings kann das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom durch einen operativen Eingriff relativ gut behandelt werden, sodass die Patientin in ihrem Sexualleben nicht mehr eingeschränkt ist. Das Verfahren wird ohne größere Risiken und Komplikationen durchgeführt und kann die Beschwerden dauerhaft lindern. Danach ist es für die Patientin wieder möglich Geschlechtsverkehr zu haben.

Da das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom häufig auch zu psychischen Beschwerden oder zu Depressionen führt, sollten diese durch Gespräche mit vertrauten Menschen oder mit der Familie reduziert werden. Häufig kann sich dabei auch der Kontakt zu anderen Betroffenen positiv auf den Verlauf der Erkrankung auswirken und das psychische Leiden verringern. Eine weitere Behandlung oder Therapie des Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms ist nicht notwendig, falls dieses durch einen operativen Eingriff behandelt wird.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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