Messie-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Patienten mit Messie-Syndrom leben in absolutem Chaos. Die Ursache für das Chaos sind Zwangsstörungen mit meist neurotischer Angst vor dem Loslassen. Die Behandlung erfolgt kombiniert medikamentös und gesprächs- oder verhaltenstherapeutisch.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Messie-Syndrom?

Zu den Leitsymptomen der Patienten zählt zum Beispiel das Unvermögen, im Wohn- oder Arbeitsbereich bedarfsgerechte Ordnung zu halten. Außerdem sammeln und horten echte Messies primärsymptomatisch Gegenstände mit keinem oder zumindest fraglichem Nutzwert.
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Das Messie-Syndrom bezieht seinen Namen vor dem Hintergrund des englischen Verbs „to mess up“, das „etwas durcheinanderbringen“ bedeutet. Menschen mit Messie-Syndrom, umgangssprachlich als sogenannte Messies bezeichnet, leben in einem unerträglichen Durcheinander. Die Unordnung ist der Regelfall für ihre Wohnungen und zuweilen auch ihren Arbeitsplatz.

Im ICD-10 wird das Messie-Syndrom nicht als ein Krankheitsbild behandelt, sondern der Zwangsstörung zugeteilt. Eine Zwangsstörung ist durch unangenehme Gedanken charakterisiert, durch die sich bestimmte Handlungen in wiederholter Art und Weise aufdrängen. Die Patienten können sich weder der Gedanken, noch der daraus resultierenden Handlungen erwehren.

Meist empfinden sie die Gedanken als nicht zu sich gehörig oder unstimmig, also als ich-dyston. Zwischen normalem Zwangsverhalten und Zwangsstörung bestehen fließende Grenzen. So auch zwischen dem Messie-Syndrom als pathologischem Seelenzustand und Messie-Verhalten als Ausdruck von normalen Umstellungen der Psyche.

In diesem Zusammenhang ist auf Jugendliche hinzuweisen, in deren Zimmer gerne Chaos herrscht. Dieses Chaos weist nicht zwingend auf eine psychische Problematik hin, sondern drückt eine Schwelle der Entwicklung aus. Mit der Unordnung wehrten sie sich gegen die elterlichen Ordnungen und suchen einen eigenen Weg.

Ursachen

Die Ursache für das Messie-Syndrom ist in der engeren Definition eine Zwangsstörung. In vielen Fällen liegt der Ursprung des Chaos zum Beispiel in der aktiven Anhäufung von Gegenständen, wobei die Anhäufung eine psychologische Funktion erfüllt. In der breiter gefassten Definition kann dem Messie-Syndrom auch bloßes Unvermögen zugrunde liegen, im persönlichen Umfeld für Struktur oder Ordnung zu sorgen.

Dieser Zusammenhang muss wiederum nicht zwingend mit einer Zwangsstörung verbunden sein. Das Ordnungsunvermögen kann ebenso gut Erkrankungen wie ADHS begleiten und damit an mangelnder Aufmerksamkeitsfähigkeit liegen. ADHS-Kranke gehen oft mehrere Projekte gleichzeitig an, können sie schließlich nicht zielführend bewältigen und verzetteln sich. Chaos und ein Verlust des Überblicks sind die Folge.

Über ADHS hinaus können auch Psychosen für mangelnde Ordnungsfähigkeit verantwortlich sein. Schwere Denkstörungen lassen in diesem Fall das Chaos entstehen, dem primär oft Desinteresse zugrunde liegt. Ähnliche Zusammenhänge gelten für schwere Depressionen, die dem Patienten jeden Antrieb nehmen.

Zuletzt können gestörte Exekutivfunktionen im Rahmen körperlicher Krankheiten wie Demenz gestört sein. Die mangelnde Ordnungsfähigkeit liegt in diesem Fall an der mangelnden Fähigkeit, zielgerichtet oder planend zu handeln. Bei anderen, körperlichen Erkrankungen besitzt der Kranke oft unzureichend Energie, um Ordnung zu schaffen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das echte Messie-Syndrom im Rahmen einer Zwangsstörung ist in seinem klinischen Erscheinungsbild relativ einheitlich. Zu den Leitsymptomen der Patienten zählt zum Beispiel das Unvermögen, im Wohn- oder Arbeitsbereich bedarfsgerechte Ordnung zu halten. Außerdem sammeln und horten echte Messies primärsymptomatisch Gegenstände mit keinem oder zumindest fraglichem Nutzwert.

Von Unbrauchbarem können sie sich in der Regel nicht trennen, sodass es teilweise zu einer Vermüllung des Wohnbereichs kommen kann. Begleitsymptomatisch wirkt sich das echte Messie-Syndrom im Rahmen einer Zwangsstörung in sozialer Isolation aus. Die Betroffenen sind nicht dazu in der Lagen alltagspraktische Verrichtungen vorzunehmen oder zwischenmenschliche Absprachen einzuhalten.

In den meisten Fällen werden sie außerdem von Selbstwertzweifeln und Schamgefühlen geplagt, was den sozialen Rückzug weiter unterstützt. Die Symptome des echten Messie-Syndroms unterscheiden sich damit deutlich von denen des weiter gefassten Messie-Begriffs. Entscheidend sind in diesem Zusammenhang die Züge der Zwanghaftigkeit, die das echte Messie-Syndrom in der engeren Definition von allen unechten Formen des Messie-Verhaltens abgrenzen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose des Messie-Syndroms wird von einem Psychiater oder Psychotherapeuten gestellt. In der Anamnese erhält der Therapeut entscheidende Hinweise, die eine Zwangsstörung nahelegen. Wichtig ist im Rahmen der Diagnostik vor allem die differentialdiagnostische Abgrenzung eines echten Messie-Syndroms von unechten Formen durch ADHS, Demenzerkrankungen, Psychosen oder Depressionen.

Nur durch diese Abgrenzung wird es dem Therapeuten gelingen, eine geeignete Therapie zu entwickeln. Die Prognose für Messies unterscheidet sich mit dem Einzelfall. Das unechte Messie-Syndrom durch Demenzen ist beispielsweise kaum heilbar.

Komplikationen

Der zwanghafte Impuls, die eigen Wohnung durch das Sammeln unnützer Dinge zunehmend vermüllen zu lassen, ist bisher nicht als eigenständige Erkrankung anerkannt. Das führt zu Diskriminierung und anderen Komplikationen wie dem Verlust der Wohnung. Auch gesundheitliche Folgen sind denkbar, denn die Betroffenen sind in einer vermüllten Wohnung nicht mehr in der Lage, den normalen Anforderungen an körperlicher Hygiene oder Sauberkeit in der Küche nachzukommen.

Ob es sich überhaupt um ein Messie-Syndrom oder die Vorboten einer Demenz, einer Kleptomanie oder einer psychotischen Erkrankung handelt, kann bei Unkenntnis der Sachlage kaum festgestellt werden. Doch eine Zwangsstörung wie das Messie-Syndrom kann so aus dem Ruder laufen, dass die Betroffenen enormen Leidensdruck verspüren. Das kann zu Depressionen und suizidalen Gedanken führen.

Außerdem kann eine zunehmende Vermüllung im Zusammenwirken mit einer aus dem Ruder laufenden Tierhaltung zu Erkrankungen wie Durchfall, Krätze oder Flöhen führen. Das Vermüllungssyndrom stellt eine Variante des Messie-Syndroms dar. Da sich die betroffenen Personen aus Scham nur selten anderen offenbaren, bleiben sie lange mit ihren Problemen allein.

Das zunehmende Vermüllen der Wohnung, die zunehmende Verwahrlosung und der damit einhergehende soziale Rückzug können zu Komplikationen mit dem Vermieter führen. Häufig steht am Ende dieses Konfliktes die Obdachlosigkeit. Zusätzlich kann es zu Suchtproblemen kommen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Messie-Syndrom ist für den Betroffenen selbst oft am belastender als für seine Mitmenschen. Niemand möchte gerne als Messie gelten oder sich selbst ein solches Problem eingestehen. Umso wichtiger ist es deswegen, sich beim Verdacht auf ein Messie-Syndrom ärztliche und vor allem psychologische Hilfe zu holen. Es genügt dabei, den Schritt zum Hausarzt zu wagen und das Problem zu schildern - dieser wird alle weiteren Schritte in die Wege leiten und Hilfe anbieten. Zunächst einmal ist bei einem Messie-Syndrom auch eine körperliche Untersuchung des Patienten wichtig. Mit dieser können organische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Zudem wird so geprüft, ob der Patient durch möglicherweise unhygienische Lebensumstände Schaden genommen hat.

Länger als mit dem Hausarzt wird ein Patient beim Messie-Syndrom allerdings mit einem Psychologen zusammenarbeiten. Dieser findet zusammen mit dem Betroffenen heraus, warum Gegenstände überhaupt gehortet werden und warum nicht erkannt wird, wann etwas zu entsorgen ist. Schritt für Schritt werden Fähigkeiten aufgebaut und entwickelt, Dinge loszulassen, Ordnung zu halten und wieder ein geregeltes Leben zu führen. Das Messie-Syndrom ist selbst dann gut behandelbar, wenn es bereits weit fortgeschritten ist und dazu führt, dass die Lebensumstände den Betroffenen selbst schwer belasten.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des Messie-Syndroms hängt davon ab, ob wird das Chaos durch zwanghaftes Horten im Rahmen einer Zwangsstörung entstanden ist oder einer Begleiterscheinung anderer Probleme entspricht. ADHS-Patienten erhalten neben der prophylaktischen ADHS-Behandlung alltagstaugliche Ordnungsstrategien für ihren individuellen Ordnungsbedarf an die Hand. Echte Messie besitzen dagegen psychologische Widerstände, die sich der Ordnung entgegenstellen.

Zwangsstörungen lassen sich medikamentös mit Antidepressiva behandeln. ADHS-Patienten erhalten dagegen Stimulanzien. Patienten mit Psychose bekommen Neuroleptika, Demenz-Kranke werden mit Antidementiva und Depressive mit Antidepressiva behandelt. Zur ursächlichen Lösung des Poblems gelten psychotherapeutische Ansätze als Therapie der Wahl.

Verhaltenstherapeutische Ansätze können beispielsweise die Herstellung gesunder Ordnung zum unmittelbaren Ziel haben. Bei neurotischen Widerständen gegen das Loslassen werden dem Patienten in einer Therapie innerseelische Konflikte bewusster gemacht. Supportiv gilt das Prinzip der Selbsthilfe.

Eine Vertrauensperson kann dem Betroffenen zum Beispiel ein Coaching im Aufräumen geben. Patienten mit echtem Messie-Syndrom gehen schrittweise vor und dürfen bei der praktischen Ordnungsumsetzung nicht überfordert werden. Während der Aufräum-Arbeiten gilt es, ihr inneres Erleben bewusst zu beachten.


Aussicht & Prognose

Die Aussicht, trotz Messie-Syndrom wieder einen normalen Alltag leben zu können, ist für viele Betroffene die ursprüngliche Motivation für eine Therapie. Je nach Ausprägung des Messie-Syndroms gelingt es ihnen nicht mehr, alleine einen Weg aus dem Chaos zu finden. Wie die Prognose langfristig aussieht, hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die Impulse der Therapie sicher in den Alltag zu übertragen. Der Qualität der Therapie kommt deswegen eine entscheidende Bedeutung zu. Je klarer mögliche psychische Ursachen aufgedeckt und aufgearbeitet wurden, umso besser sind die Chancen, dass Betroffene nicht mehr in alte Muster zurückverfallen.

Meist lernen die Betroffenen in der Therapie auch, wie man aufräumt, wie man aussortiert und wie man erkennen kann, dass wieder zuviel an Unordnung entsteht. Es gilt, den Betroffenen des Messie-Syndroms schon während der laufenden Therapie Möglichkeiten an die Hand zu geben, die sie direkt im Alltag erproben können. Fällt dann irgendwann die Unterstützung durch den Therapeuten weg, sollten die Patienten gelernt haben, wie sie sich selbst konkret organisieren können.

Die langfristige Prognose ist auch dann eher günstig, wenn Betroffene ein stabilisierendes Umfeld haben. Unterstützung von Familie und Freunden ist wichtig, damit einerseits die Situation gerade in den ersten Wochen nach Ende der Therapie im Blick behalten wird. Zum anderen wird es gerade bei einem stark ausgeprägten Messie-Syndrom immer wieder Phasen geben, in denen es den Betroffenen schwer fällt, die neuen Muster anzuwenden. Hier ist konstruktive Unterstützung ein positiver prognostischer Faktor.

Vorbeugung

Einem manifesten, echten Messie-Syndrom lässt sich durch seelische Stabilität vorbeugen. Diese Stabilität kann in Situationen mentaler Herausforderung eine Psychotherapie eröffnen.

Nachsorge

Da ein Messie-Syndrom auf schwere seelische zurückzuführen ist, bedarf die Erkrankung üblicherweise ein Leben lang einer Nachsorge. Ein neuerlicher Ausbruch ist sowohl kurz nach der ersten Therapie, als auch Jahre bis Jahrzehnte danach möglich. Bei der Nachsorge dieser Krankheit sind vor allem die Patienten selbst gefragt, sich selbst kritisch zu beobachten und seelisches Ungleichgewicht sensibel zu registrieren.

Die Betroffenen müssen selbst entscheiden, wann sie sich erneut professionelle Hilfe suchen. Es ist jedoch empfehlenswert, den früheren Psychotherapeuten im Bedarfsfall auch vorbeugend zu kontaktieren. Dies ist beispielsweise bei größeren Veränderungen oder stressigen Lebenssituationen sinnvoll. Auch Schicksalsschläge können die seelische Stabilität der Betroffenen angreifen.

Oft erkennen Vertraute des Patienten besser, ob ein erneuter Therapiebedarf besteht. Grundsätzlich ist ein stabiles Lebensumfeld für ehemalige Messie-Syndrom-Patienten vorteilhaft und hilft dabei, neuen Ausbrüchen vorzubeugen.

Das können Sie selbst tun

Strategien, die der Betroffene gemeinsam mit einem Therapeuten oder Berater erarbeitet hat, sollten in der Regel auch im Alltag zum Einsatz kommen. Insbesondere verhaltenstherapeutische Ansätze können erst dann richtig wirken, wenn entwickelte Strategien in die Praxis umgesetzt werden. Dinge wegzuwerfen kann bei Messies zu Nervosität und Angstzuständen führen. Im Alltag gilt es deshalb oft, diese Angst auszuhalten – ähnlich wie ein Alkoholiker, der dem Verlangen seiner Sucht widerstehen muss. Je öfter ein Betroffener standhaft bleibt und dem Wunsch nach Aufbewahrung nicht nachkommt, desto einfacher wird das Wegwerfen im Laufe der Zeit.

Häufig suchen Messies nach Möglichkeiten, Regeln zu umgehen, die Angehörige oder sie selbst aufgestellt haben oder die gemeinsam mit einem Therapeuten erarbeitet wurden. Diese Suche nach Ausreden kann sowohl für den Betroffenen als auch für Mitbewohner und Angehörige sehr anstrengend sein. Auch hier ist für gewöhnlich eine konsequente Haltung gefragt. Ungerechtfertigte Kompromisse können dazu führen, dass das Messie-Syndrom bestehen bleibt oder die Behandlung nur langsam voranschreitet.

In der Praxis kann die Dringlichkeit des Handelns stark variieren. Hygienische und gesundheitliche Risiken können direkt durch Verschmutzungen, Schimmel oder Fäkalien entstehen, aber auch durch Brandgefahr oder das Zustellen von Fluchtwegen. Die Beseitigung dieser Gefahren besitzt eine sehr hohe Priorität, da sie die Gesundheit gefährden.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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